Zur Frage der Verwertbarkeit einer heimlich eingeholten DNA-Analyse im Vaterschaftsanfechtungsverfahren.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Oktober 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege erneuter Anfechtungsklage die Feststellung, nicht der Vater der am 3. Oktober 1994 geborenen Beklagten zu sein.
Mit Urkunde der Stadt S. vom 20. Oktober 1994 (UR-Nr. ) hatten der Kläger die Vaterschaft anerkannt und das Jugendamt der Stadt S. als gesetzlicher Vertreter der Beklagten diesem Anerkenntnis zugestimmt.
Eine im Jahre 2001 erhobene Vaterschaftsanfechtungsklage, die der Kläger auf ein Gutachten über seine verminderte Zeugungsfähigkeit gestützt hatte, war abgewiesen und die dagegen eingelegte Berufung des Klägers durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 9. August 2002 (15 UF 42/02) zurückgewiesen worden.
Seine erneute Anfechtungsklage stützt der Kläger auf das Ergebnis einer DNA-Vaterschaftsanalyse, die er ohne Kenntnis und ohne Einverständnis der allein sorgeberechtigten Mutter der Beklagten am 21. Oktober 2002 in Auftrag gegeben hatte. Nach dem Privatgutachten vom 1. November 2002 ist mit 100 % Sicherheit ausgeschlossen, daß der Spender der einen Probe der Vater des Spenders (oder der Spenderin) der zweiten Probe ist.
Insoweit behauptet der Kläger, Grundlage der Untersuchung sei zum einen sein eigener Speichel, zum anderen ein von der Beklagten benutztes Kaugummi gewesen. Die gesetzliche Vertreterin der Beklagten widerspricht der Verwertung des Gutachtens.
Das Amtsgericht wies die Anfechtungsklage des Klägers ab. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung u.a. in FamRZ 2004, 481 ff. veröffentlicht ist, wies die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurück. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Die Vorinstanzen haben die erneute Anfechtungsklage für zulässig erachtet, weil ihr insbesondere die Rechtskraft des zwischen den Parteien ergangenen früheren Urteils vom 9. August 2002 nicht entgegenstehe. Denn die Rechtskraft jenes Urteils erstrecke sich allein darauf, daß die dem Kläger 2001 attestierte verminderte Zeugungsfähigkeit nicht geeignet sei, den für die Erhebung einer Anfechtungsklage erforderlichen Anfangsverdacht zu begründen, während es sich nunmehr bei dem außergerichtlich eingeholten DNA-Gutachten, demzufolge der Kläger von der Vaterschaft ausgeschlossen sei, um einen anderen, neuen Lebenssachverhalt handele.
Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1998 – XII ZR 229/96 – FamRZ 1998, 955, 956 a.E. und vom 30. Oktober 2002 – XII ZR 345/00 – FamRZ 2003, 155, 156) und wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen.
II.
1. Das Berufungsgericht verneint, wie auch schon das Amtsgericht, die Schlüssigkeit der Anfechtungsklage. Das außergerichtlich eingeholte DNA-Gutachten sei nämlich nicht geeignet, den hierfür erforderlichen Anfangsverdacht, das Kind stamme nicht von ihm, zu begründen. Abgesehen davon, daß das Gutachten keine Feststellungen dazu enthalte, von wem das untersuchte genetische Material stamme, könne das Ergebnis dieser Untersuchung aus prozessualen Gründen im Anfechtungsverfahren nicht verwertet werden, weil das untersuchte Material, soweit es von der Beklagten stammt, ohne deren Zustimmung bzw. der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreterin und damit in rechtswidriger Weise erlangt sei. Denn die heimliche DNA-Analyse des genetischen Materials eines anderen verletze dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG). Dem stehe zwar ein Recht des Klägers auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Vaterschaft gegenüber. Die Abwägung dieser beiden gegenläufigen Grundrechtspositionen ergebe aber nicht, daß das Grundrecht der Beklagten auf informationelle Selbstbestimmung dahinter zurückstehen müsse.
2. Dies hält den Angriffen der Revision stand.
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1998 aaO und vom 30. Oktober 2002 aaO) reicht das bloße Vorbringen des Klägers, er sei nicht der Vater des Kindes und ein gerichtliches Sachverständigengutachten werde seine Vaterschaft ausschließen, für eine Vaterschaftsanfechtungsklage nicht aus. Vielmehr muß der Kläger Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von dem als Vater geltenden Kläger zu wecken und die Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als nicht ganz fernliegend erscheinen zu lassen.
Daran fehlt es, ohne daß es hier schon einer Entscheidung bedarf, welche Anforderungen an die Umstände, mit denen ein Anfangsverdacht zu begründen ist, im einzelnen gegebenenfalls weiterhin zu stellen sind.
a) Entgegen der Auffassung der Revision begründet nicht schon die Weigerung der Mutter und gesetzlichen Vertreterin der Beklagten, die Einholung des DNA-Gutachtens nachträglich zu genehmigen und in seine Verwertung einzuwilligen, als solche einen die Anfechtungsklage schlüssig machenden Anfangsverdacht. Sie stellt auch keine Beweisvereitelung dar. Insbesondere vermag der Senat sich nicht der von Mutschler (FamRZ 2003, 74, 76 a.E.) vertretenen Ansicht anzuschließen, allein die Weigerung der Mutter oder des Kindes, auf Bitten des (gesetzlichen) Vaters an einer DNA-Begutachtung mitzuwirken, könne je nach den Umständen des Falles einen ausreichenden Anfangsverdacht der Nichtvaterschaft begründen. Denn ein solches Verhalten ist Ausfluß des – negativen – informationellen Selbstbestimmungsrechts. Dieses würde ausgehöhlt, wenn die Weigerung, an einer außergerichtlichen Begutachtung mitzuwirken, die Vaterschaftsanfechtungsklage eröffnen würde, mit der Folge, daß die Informationen, die dieses Grundrecht schützen will, immer dann im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme preisgegeben werden müßten, wenn dies dem Willen des Betroffenen zuwiderläuft und die freiwillige Preisgabe deshalb zuvor abgelehnt wurde.
Erst recht kann hier die Weigerung der gesetzlichen Vertreterin der Beklagten, der Verwertung bereits rechtswidrig erlangter Informationen nachträglich zuzustimmen, nicht als ein die Anfechtungsklage eröffnender Umstand angesehen werden. Denn wenn das Gesetz eine Verpflichtung, Untersuchungen zum Zwecke der Feststellung der Abstammung zu dulden, nur unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, kann ihre Verweigerung nicht dazu herangezogen werden, diese Voraussetzungen zu bejahen.
b) Auch die Vorlage eines heimlich eingeholten DNA-Gutachtens ist zur Darlegung solcher Umstände nicht geeignet.
aa) Insoweit kommt es auf die Rüge der Revision nicht an, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft versäumt, den angebotenen Zeugenbeweis dafür zu erheben, daß eine der der Gutachterin vorgelegten Speichelproben von einem von der Beklagten ausgespuckten Kaugummi und damit von ihr stamme.
Desgleichen kommt es auch nicht auf die weitere Rüge an, das Berufungsgericht habe seine Entscheidung nicht auf den erstmals im Berufungsurteil erwähnten zusätzlichen Gesichtspunkt stützen dürfen, es sei auch nicht nachgewiesen, daß die zweite Speichelprobe vom Kläger stamme, ohne zuvor gemäß § 139 Abs. 2 ZPO auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen zu haben.
Denn auch dann, wenn feststünde, daß die Gutachterin genetisches Material der beiden Parteien untersucht hat, ist dieses Gutachten aus den vom Berufungsgericht zutreffend dargelegten Gründen nicht nur als Beweismittel, sondern auch als Parteivortrag im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht verwertbar und daher unbeachtlich.
bb) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von einer Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Beklagten ausgegangen, weil auch diese ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung ihrer Abstammung habe, das sich somit mit dem Interesse des Klägers decke. Die Beklagte hat zwar ebenfalls ein grundgesetzlich geschütztes Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung; die Entscheidung darüber, ob sie dieses Recht wahrnehmen und ein entsprechendes Interesse geltend machen will, bleibt aber ihr allein bzw. ihrer gesetzlichen Vertreterin überlassen, zumal ihr Interesse auch dann schutzwürdig ist, wenn es dahin geht, ihren gesetzlichen Status als Kind des Klägers gerade nicht in Frage stellen zu lassen. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung schließt nämlich auch das Recht auf Unkenntnis ein (vgl. Bohnert FPR 2002, 383, 389).
Soweit die Revision geltend macht, mit ihrer Weigerung verfolge die gesetzliche Vertreterin der Beklagten nicht deren Interessen, sondern nur ihr höchst egoistisches Eigeninteresse, ist dies schon revisionsrechtlich als neuer Sachvortrag unbeachtlich.
3. Auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung, daß das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beklagten hier nicht hinter dem Interesse des Klägers an der Feststellung seiner Nichtvaterschaft zurückstehen müsse, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
a) Jede Untersuchung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greift in das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Persönlichkeitsrecht, hier in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, ein. Dieses darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerläßlich ist (vgl. BVerfG NJW 2001, 2320, 2321). Welcher Stellenwert diesem Grundrecht beizumessen ist, ergibt sich beispielsweise aus der gesetzlichen Einschränkung des § 81 g StPO in Verbindung mit § 2 des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes (DNA-IFG vom 7. September 1998 BGBl. I 2646), die eine Feststellung und Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters eines verurteilten Straftäters nur zuläßt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind.
Diesem Schutz des Grundrechts eines jeden Menschen, die Untersuchung seines Genoms grundsätzlich von seiner Zustimmung abhängig zu machen, dienen auch Art. 5 der Allgemeinen Erklärung zum menschlichen Genom und zu den Menschenrechten (UNESCO Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights) vom 11. November 1997; Art. II-68 der Verfassung der Europäischen Union (Amtsblatt C 310/43 vom 16. Dezember 2004); Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und, soweit es sich um das Recht eines Kindes handelt, Art. 8 Abs. 1 und Art. 16 der UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989 (BGBl. 1992 II 121).
b) Dies ist auch bei der Verwertung von Beweisen oder Kenntnissen im gerichtlichen Verfahren zu beachten, gleichgültig, ob es sich um einen Strafprozeß oder Zivilprozeß handelt. Denn der Richter hat kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob von der Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften im Einzelfall Grundrechte berührt werden. Trifft dies zu, dann hat er diese Vorschriften im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (vgl. BVerfG NJW 1991, 2411 f. m.w.N.) und darf dies nicht als praxisfern (vgl. Huber FamRZ 2004, 825, 826) oder als Ausfluß einer “verfassungsrechtlichen Überhöhung” (vgl. Spickhoff FamRZ 2003, 1581 f.) abtun.
So dürfen etwa rechtswidrig erlangte Kenntnisse aus dem heimlichen Mithören eines Telefonats nur ganz ausnahmsweise in einem gerichtlichen Verfahren verwertet werden, etwa dann, wenn sich der Beweisführer in einer notwehrähnlichen Situation befindet oder erpresserischen Drohungen oder einem kriminellen Angriff auf seine berufliche Existenz auf andere Weise nicht begegnen kann. Demgegenüber reicht allein das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus (vgl. BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; BGH, Urteil vom 18. Februar 2003 – XI ZR 165/02 – NJW 2003, 1727, 1728).
Demgemäß ist eine ohne Wissen des Betroffenen vorgenommene DNA-Analyse beispielsweise auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht geeignet, eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen, sondern unterliegt einem Verwertungsverbot (vgl. VGH Baden-Württemberg NJW 2001, 1082; vgl. auch EuGH NJW 1994, 3005 ff.: Aufhebung einer Entscheidung, soweit sie auf einem anläßlich einer Einstellungsuntersuchung ohne Einwilligung vorgenommenen Lymphozytentest beruht).
c) Dies führt dazu, daß heimlich veranlaßte DNA-Vaterschaftsanalysen rechtswidrig (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 64. Aufl. Einf. vor § 1591, Rdn. 11) und im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar sind (vgl. Bohnert FPR 2002, 383, 389; Musielak-Foerste ZPO 4. Aufl. § 286 Rdn. 7), und zwar auch nicht zur schlüssigen Darlegung von Zweifeln an der Vaterschaft im Sinne des § 1600 b BGB (vgl. Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 286 Rdn. 15 b a.E.; im Ergebnis ebenso OLG Köln FamRZ 2004, 1987 a.E.), weil auch dies einen erneuten Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und die informationelle Selbstbestimmung des Kindes bedeuten würde (vgl. Rittner/Rittner NJW 2002, 1745, 1751).
d) Dieser Auffassung entsprechen offenbar auch Überlegungen der Bundesregierung, heimliche Vaterschaftsgutachten im Rahmen eines künftigen Gendiagnostikgesetzes (Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen) insgesamt zu verbieten (Nachweise bei Staudinger/Rauscher BGB [2004] Einl. zu §§ 1589 ff. Rdn. 113 a.E.).
Derartige Bestrebungen sind auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, ohne daß die nachstehend angeführten Beispiele Anspruch auf Vollständigkeit erheben:
In Belgien zielen mehrere Gesetzesinitiativen darauf ab, private DNAAnalysen auf Veranlassung des Vaters und/oder der Mutter zuzulassen, dies jedoch nur innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes, sowie auf Betreiben des Kindes innerhalb einer Frist von vier Jahren nach Eintritt seiner Volljährigkeit; im übrigen sollen private Analysen unzulässig sein (vgl. z.B. Art. 5, 6 und 16 der Proposition de loi visant à réglementer l’usage des analyses génétiques à des fins d’identification en matière de filiation, Chambre des Représentants de Belgique Dokument Nr. 51 0066/001);
in Frankreich sind außergerichtliche DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen untersagt (vgl. Art. 16-11 Code Civil, Art. 145-15 und Art. 145-20 des Code de la Santé publique, eingefügt durch Gesetz Nr. 94-654 vom 29. Juli 1994 – Loi relative au don et à l’utilisation des éléments et produits du corps humain, à l’assistance médicale, à la procréation et au diagnostic prénatal, i.V.m. Art. 226-28 Code Pénal);
in Großbritannien sind DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen verboten (section 45 Human Tissue Act 2004);
in Kanada (Provinz Quebec) bedürfen DNA-Analysen grundsätzlich der Zustimmung des Betroffenen und unterliegen andernfalls vor Gericht dem Verwertungsverbot des Art. 2858 Code Civil du Québec (vgl. Obadia, L’incidence des tests d’ADN sur le droit québécois de la filiation, McGill Law Journal 2000, 483, 502, 507);
in der Schweiz sollen außergerichtliche DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen untersagt werden (vgl. Art. 5, 6, 32, 34 und 36 des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen – GUMG – vom 8. Oktober 2004 Bundesblatt 2004, 5483; Ablauf der Referendumsfrist: 27. Januar 2005).
e) Dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes steht auch ein ebenfalls aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitendes Recht des Vaters oder Scheinvaters auf Kenntnis seiner Vaterschaft (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 816, 820 unter C I 3 c; vgl. auch Senatsurteil vom 20. Januar 1999 -XII ZR 117/97 – FamRZ 1999, 716) nicht entgegen. Dieses ist nicht als höherwertig anzusehen (vgl. Rittner/Rittner aaO 1749; einschränkend Erman/Holzhauer BGB 11. Aufl. § 1600 b Rdn. 8; a.A. Reichelt/Schmidt/Schmidtke FamRZ 1995, 777, 779 unter B I b; Staudinger/Rauscher aaO Einl. zu §§ 1589 ff. Rdn. 116). Das zeigt sich schon daran, daß seine Durchsetzung im Vaterschaftsanfechtungsverfahren u.a. durch die gesetzliche Fristenregelung des § 1600 b BGB wesentlich eingeschränkt ist, während das aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes folgende Recht, der Erhebung oder Verwertung genetischer Daten zu widersprechen, demgegenüber keiner zeitlichen Schranke unterworfen ist. Auch hat der Gesetzgeber sich bei der Kindschaftsrechtsreform im Jahre 1997 dagegen entschieden, in jedem Fall die biologische Abstammung eines Kindes zu klären, und statt dessen hingenommen, daß die biologische Vaterschaft zugunsten des Kindeswohls unter anderem dann in den Hintergrund tritt, wenn ein Kind aufgrund seiner Geburt in die Ehe der Mutter bereits in einem Familienverbund aufwächst (vgl. Rittner/Rittner aaO 1749).
Zudem verleiht das Recht auf Kenntnis der eigenen Vaterschaft oder Nichtvaterschaft selbst dann, wenn es dem Grundrecht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gleichzustellen wäre, noch kein Recht auf Verschaffung solcher Kenntnis (vgl. Senatsurteil BGHZ 156, 153, 164 f. m.N.).
Das Interesse des Vaters oder Scheinvaters, sich Gewißheit über seine Vaterschaft zu verschaffen, kann auch dann nicht als höherrangig angesehen werden, wenn es der Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche, denen er als gesetzlicher Vater ausgesetzt ist, dienen soll.
BGH, Urteil vom 12.01.2005
XII ZR 227/03