BGH: Verzinsung im Versorgungsausgleich

BGH: Verzinsung im Versorgungsausgleich

Beschränken die Ehegatten die externe Teilung eines Versorgungsanrechts durch Vereinbarung über den Versorgungsausgleich auf einen auszugleichenden Betrag, ist dieser regelmäßig ab dem Ende der Ehezeit mit dem Rechnungszins zu verzinsen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 7. September 2011 XII ZB 546/10 FamRZ 2011, 1785).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des 18. Familiensenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 16. August 2012 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Familiengericht Emmendingen vom 21. November 2011 hinsichtlich Ziffer 2 Absatz 3 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Zulasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der V. versicherung AG (Versicherungsnummer ) wird im Wege der externen Teilung zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 1.728 € bezogen auf den 28. Februar 2011 bei der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte begründet.

Die V. versicherung AG wird verpflichtet, den Betrag von 1.728 € nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 1. März 2011 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich an die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte zu zahlen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden zwischen den Ehegatten gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 1.740 €

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Verzinsung des bei externer Teilung des Anrechts vom Versorgungsträger zu zahlenden Ausgleichsbetrages.

Auf den am 10. März 2011 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 6. September 1991 geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) rechtskräftig geschieden.

Während der Ehezeit (1. September 1991 bis 28. Februar 2011; § 3 Abs. 1 VersAusglG) erwarben die Ehefrau Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Ehemann Anrechte bei der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (Beteiligte zu 1). Diese Anrechte hat das Familiengericht intern geteilt.

Weiterhin erwarb die Ehefrau Anrechte aus einer privaten Lebensversicherung mit einem ehezeitlichen Kapitalwert von 6.569,60 € und einem Ausgleichswert von 3.284,80 €. Der Versicherungsträger dieses Anrechts (Beteiligte zu 4) hat die externe Teilung verlangt. Der Ehemann hat die Beteiligte zu 1 als Zielversorgungsträger bestimmt. Diese hatte zuvor mitgeteilt, dass sie als Zielversorgungsträger bis zu einer satzungsgemäß vorgesehenen Zuzahlung von höchstens 1.728 € für das Jahr 2011 einverstanden sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht hat der Ehemann auf den Ausgleich der Anwartschaften aus der Lebensversicherung der Ehefrau verzichtet, “soweit der Ausgleich den Betrag von 1.728 € übersteigen würde”. Die Ehefrau hat den Teilverzicht angenommen.

Das Familiengericht hat im Wege der externen Teilung zulasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Beteiligten zu 4 zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 1.728 € bei der Beteiligten zu 1, bezogen auf den 28. Februar 2011, begründet und die Beteiligte zu 4 verpflichtet, diesen Betrag an die Beteiligte zu 1 zu zahlen. Weiter hat das Familiengericht angeordnet, dass im Übrigen ein Ausgleich der Anrechte der Antragsgegnerin bei der Beteiligten zu 4 nicht stattfinde.

Die Beteiligte zu 1 hat Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass der Ausgleichsbetrag in der Zeit zwischen dem Ehezeitende und der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich in Höhe des Rechnungszinses von 4 % zu verzinsen sei. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1.

II.

Die gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der an den Zielversorgungsträger zu zahlende Kapitalbetrag nicht zu verzinsen. Zwar sei ein zum Vollzug der externen Teilung zu zahlender Ausgleichswert grundsätzlich zu verzinsen, womit dem im Gesetz vorgeschriebenen Gebot der Halbteilung Rechnung getragen werde. Im vorliegenden Fall hätten die Ehegatten jedoch eine vom Halbteilungsgrundsatz abweichende Vereinbarung über den Ausgleich des Anrechts getroffen, indem der Ehemann auf den Ausgleich verzichtet habe, soweit er den Betrag von 1.728 € übersteige. Eine Verzinsung des Betrages hätten die Ehegatten nicht vereinbart. Bei dem Verzicht auf Verzinsung handle es sich auch nicht um einen unzulässigen Vertrag zulasten der Beteiligten zu 1.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Gemäß § 14 Abs. 4 VersAusglG hat der Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person den Ausgleichswert der externen Teilung als Kapitalbetrag an den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person zu zahlen. Den zu zahlenden Kapitalbetrag setzt das Gericht in der Endentscheidung fest (§ 222 Abs. 3 FamFG).

Der Zahlbetrag ist, wie das Beschwerdegericht im Ansatz zutreffend erkannt hat, für die Dauer vom Ende der Ehezeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich mit dem Rechnungszins zu verzinsen. Denn der Ausgleichswert ist auf das Ende der Ehezeit bezogen (§§ 14 Abs. 1, 5 Abs. 2 VersAusglG). Um dem Grundsatz der Halbteilung (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) gerecht zu werden, muss der Zuwachs des Ausgleichswertes beim Ausgleichsberechtigten ebenfalls auf den Zeitpunkt Ehezeitende bezogen werden, was dazu führt, dass der Ausgleichsberechtigte ab diesem Zeitpunkt an der weiteren Entwicklung dieses Anrechts bei seinem Versorgungsträger teilhat. Dies ist aber außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung nur dann gesichert, wenn der Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person ein entsprechendes Kapital erhält. Die Wertentwicklung der auf den Ausgleichsberechtigten zu übertragenden Hälfte nach Ende der Ehezeit kann aus Gründen der Halbteilung nicht dem ausgleichspflichtigen Ehegatten, aber auch nicht seinem Versorgungsträger verbleiben. Vielmehr ist dieser Betrag in Form der Verzinsung des Ausgleichswerts auf den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person zu übertragen, um ihm zu ermöglichen, ein der Halbteilung nahe kommendes Anrecht für die ausgleichsberechtigte Person zu begründen. Die im Gesetz vorgeschriebene Halbteilung erfordert somit generell eine Verzinsung des nach § 14 Abs. 4 VersAusglG i.V.m. § 222 Abs. 3 FamFG zur Vollziehung der externen Teilung geschuldeten Ausgleichswertes vom Ehezeitende bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich (Senatsbeschluss vom 7. September 2011 XII ZB 546/10 FamRZ 2011, 1785 Rn. 21, 24, 27).

b) Auch wenn die Ehegatten den Ausgleichsbetrag durch Vereinbarung über den Versorgungsausgleich beschränken, besteht die Verzinsungspflicht für den auszugleichenden Teil. Denn auch für diesen muss sichergestellt sein, dass sich die Wertentwicklung ab Ende der Ehezeit zugunsten des Ausgleichsberechtigten und nicht zugunsten des Ausgleichsverpflichteten oder seines Versorgungsträgers auswirkt. Daraus folgt die Verzinsung auch eines durch Vereinbarung gekürzten Ausgleichswerts.

c) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts haben die Ehegatten auch keinen Verzicht auf die Verzinsung des auf das Ehezeitende bezogenen Ausgleichsbetrages vereinbart, so dass dahinstehen kann, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Verzicht der Inhaltskontrolle nach § 8 Abs. 1 VersAusglG standhielte.

Zwar hat das Oberlandesgericht durch Auslegung der vom Ehemann in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht abgegebenen Erklärung angenommen, dass dieser auf die Verzinsung des Ausgleichsbetrages verzichtet und die Ehefrau den Verzicht auch insoweit angenommen habe. Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Feststellung des Beschwerdegerichts über den Inhalt abgegebener Erklärungen, welche nur einer eingeschränkten rechtsbeschwerderechtlichen Kontrolle unterliegt. Denn die Auslegung einer Individualerklärung gemäß §§ 133, 157 BGB kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter die gesetzlichen und allgemein anerkannten Auslegungsregeln, die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zugrunde gelegten Tatsachen ohne Verfahrensfehler ermittelt hat (st. Rspr.; vgl. BGH Urteil vom 23. Januar 2009 V ZR 197/07 NJW 2009, 1810 Rn. 8 mwN). Ein solcher Auslegungsfehler liegt hier jedoch vor, weil das Beschwerdegericht wesentliche Tatsachen übergangen hat.

Der Verzichtserklärung des Ehemanns war eine Berechnung des Kapitalwerts auf 6.569,60 € und des Ausgleichswerts auf 3.284,80 € des auszugleichenden Anrechts vorangegangen. Ferner war vorausgegangen, dass die Beteiligte zu 1 als Zielversorgungsträger nur eine Zuzahlung in Höhe von höchstens 1.728 € für das Jahr 2011 zugelassen hatte. Daraufhin hat der Ehemann mit Schriftsatz vom 10. November 2011 zunächst beantragt, in Höhe von 1.728 € ein Anrecht bei der Beteiligten zu 1 und in Höhe des Restbetrages bis zum Erreichen des Ausgleichswerts ein Anrecht bei der Versorgungsausgleichskasse zu begründen. Wäre diesem Antrag entsprochen worden, wäre für beide daraus folgenden Ausgleichszahlungen eine Verzinsung vom Ehezeitende bis zur Rechtskraft der Entscheidung nach dem zugrunde liegenden Rechnungszins auszusprechen gewesen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Ehemann auf den Ausgleich der Anwartschaften aus der Lebensversicherung der Ehefrau verzichtet, “soweit der Ausgleich den Betrag von 1.728 € übersteigen würde”. Damit ist er erkennbar (lediglich) von dem Begehren abgerückt, hinsichtlich des überschießenden gesetzlichen Ausgleichsbetrages ein weiteres Anrecht zu seinen Gunsten bei der Versorgungsausgleichskasse zu begründen, und hat den Ausgleich auf das bei der Beteiligten zu 1 maximal einzahlbare Kapital, bezogen auf das Jahr 2011, begrenzt. Einen noch weiter gehenden Verzicht, etwa in Bezug auf die Verzinsung des an die Beteiligte zu 1 zu zahlenden Ausgleichsbetrages, enthält die Erklärung des Ehemanns weder ausdrücklich, noch kann von einem konkludenten Verzicht auf die Verzinsung ausgegangen werden. Denn der gesetzlich geschuldete Ausgleichsbetrag war stichtagsbezogen auf das Ende der Ehezeit berechnet. Auf den Ausgleich hat der Ehemann durch Beschränkung des Ausgleichsbetrages auf 1.728 € teilweise verzichtet. Das ändert jedoch nichts daran, dass nach allgemeinen Grundsätzen auch für diesen Teil sichergestellt sein muss, dass sich die Wertentwicklung ab Ende der Ehezeit zugunsten des Ausgleichsberechtigten und nicht zugunsten des Ausgleichsverpflichteten oder seines Versorgungsträgers auswirkt. Nur mit dem Inhalt konnte seine Verzichtserklärung aus dem Empfängerhorizont verstanden werden. Daraus folgt die Verzinsung nach dem Rechnungszins des Versorgungsträgers der ausgleichspflichtigen Person von 4 Prozent. Das war nach der Versorgungsordnung der Zielversorgung auch möglich, weil die Begrenzung auf eine Zuzahlung in Höhe von 1.728 € auf das Jahr des Ehezeitendes 2011 bezogen ist und der Berücksichtigung einer dynamischen Entwicklung seit dieser Zeit nicht entgegensteht.

BGH, Beschluss vom 23.01.2013
XII ZB 515/12

OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 16.08.2012
18 UF 347/11

AG Emmendingen, Entscheidung vom 21.11.2011
1 F 63/11

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