Die befristete Beschwerde der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 19. Januar 2009 (35 F 305/08) wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
I.
Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegner haben in der Zeit von 1992 bis 2007 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Dieser Beziehung entstammt der Sohn M… R…, geb. am …. Juni 1995, für den die Eltern am 26. April 1999 eine Sorgeerklärung nach § 1626 a BGB abgegeben haben. Im November 2007 verließ die Mutter mit dem Sohn das bis dahin genutzte gemeinsame Einfamilienhaus in O… und zog zunächst mit dem Jungen in eine Mietwohnung in derselben Stadt. Zwischen Vater und Sohn fanden regelmäßige Umgangskontakte statt. M… besuchte weiterhin wie zuvor das …-Gymnasium in O….
Die Kindesmutter arbeitete ganztags bei der Firma O…. Der Vater ist selbständig als Veranstalter vornehmlich für Motorradreisen in Europa und Afrika tätig. Während seiner beruflich bedingten Abwesenheitszeiten stehen zur Betreuung des Jungen die in der Nähe wohnenden Großeltern und die im selben Hause lebende Schwester des Vaters zur Verfügung; Großmutter und Tante des Kindes besitzen eine Berufsausbildung als Erzieherinnen.
Als die Kindesmutter Ende des Kalenderjahres 2008 nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige Kündigung ihren Umzug zu ihrem Lebensgefährten, der im Raum D… als Arzt tätig ist, ankündigte, leitete der Vater mit Antragsschrift vom 15. Dezember 2008 das vorliegende Verfahren ein, mit dem er das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn erstrebt. Dieser ist am 12. Dezember 2008 nach einem Umgangswochenende nicht in den mütterlichen Haushalt zurückgekehrt und lebt seither beim Vater.
Im Februar 2009 zog die Mutter (ohne den Sohn) zu dem Lebenspartner, mit dem in Kürze die Eheschließung beabsichtigt ist, nach R…. Dieser ist seinerseits Vater von vier Kindern im Alter von etwa 8 – 14 Jahren, die jedoch vorrangig bei ihrer Mutter leben. Die jüngeren drei dieser Kinder pflegen regelmäßigen Umgangskontakt mit ihrem Vater. Die Beschwerdeführerin ist derzeit arbeitslos, jedoch intensiv bemüht, wieder einen Ganztagsarbeitsplatz zu finden. M… besucht sie, vom Großvater mütterlicherseits von und nach T… gebracht, im Übrigen jedoch selbständig mit Bus und Bahn reisend, regelmäßig. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens hat der Jugendliche konstant erklärt, insbesondere wegen der sozialen Kontakte weiterhin in O… leben zu wollen.
Der Kindesvater hat sein Begehren damit begründet, dass es dem Kindeswohl widerspreche, den Jungen gegen seinen Willen aus seiner gewohnten Umgebung zu reißen. Sowohl bei ihrem Auszug anlässlich der Trennung wie auch bei dem jetzigen Umzug habe die Mutter bewiesen, dass sie ihren eigenen Bedürfnissen die ausschlaggebende Bedeutung beimesse und weder auf die Wünsche des Sohnes Rücksicht nehme, noch seine, des Vaters, Zustimmung eingeholt habe. M… sei in O… fest verwurzelt, habe sich nach anfänglichen Schwierigkeiten nun im Gymnasium eingefügt, besitze zahlreiche Freunde in seinem Wohnumfeld, einem dörflichen Ortsteil von O…, besuche seit seinem 7. Lebensjahr regelmäßig den örtlichen Tauchverein, spiele in der Musikschule Gitarre und beabsichtige auch noch dem Handballverein beizutreten. Seine Betreuung durch den Vater sei deshalb besonders gut möglich, weil dieser seinen beruflichen Verpflichtungen weitgehend vom im Wohnhaus gelegenen Büro aus nachgehe. Bei dessen arbeitsbedingter Abwesenheit, die nur einen geringen Umfang erreiche, werde M… problemlos regelmäßig von den Großeltern und der Tante versorgt. In den Ferienzeiten begleite er den Vater auch auf dessen Reisen.
Unter dem Datum des 15. Januar 2009 beantragte die Kindesmutter ihrerseits die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Regelung schulischer Angelegenheiten auf sie. Sie sei über den Wechsel des Sohnes kurz vor Weihnachten 2008 in den väterlichen Haushalt vorab nicht unterrichtet worden. Der Kindesvater könne eine ordnungsgemäße Betreuung von M… schon deshalb nicht sicherstellen, weil er sich in der Vergangenheit rd. 120 Tage pro Jahr im Ausland befunden habe. Die Großeltern seien mit der Versorgung des Jungen möglicherweise überfordert, die Tante arbeite im 4-Schicht-System. In der Vergangenheit habe sie, die Mutter, die sozialen Kontakte von M… gefördert, organisiert und auch allein finanziert. Der Kindesvater habe keinerlei Unterhalt gezahlt. Sie habe sichergestellt, dass M… ein gleichen Bildungszielen wie seine bisherige Schule folgendes Gymnasium in R… besuchen könne. Zu ihrem Lebensgefährten und dessen Kindern habe M… ein gutes Verhältnis.
Bei einer ersten Anhörung des Jugendlichen durch den Amtsrichter am 7. Januar 2009 bestätigte der Junge seinen Wunsch, beim Vater bleiben zu wollen. In einem weiteren Gespräch am 11. Januar 2009 mit der Verfahrenspflegerin bekräftigte M…, keinesfalls nach D… umziehen zu wollen, weil er es dort langweilig finde. Wenn seine Mutter allerdings in O… wohnen würde, könne er sich vorstellen, lieber in ihrem Haushalt zu leben.
Nach einer Anhörung der Kindeseltern, der Verfahrenspflegerin und des Jugendamtes am 14. Januar 2009 erließ das Amtsgericht Oranienburg am 19. Januar 2009 den angefochtenen Beschluss, mit dem das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Jugendlichen auf den Vater übertragen wurde. Zur Begründung wies das Amtsgericht darauf hin, dass aus seiner Sicht ein Umzug des Jugendlichen als Risiko für seine weitere Entwicklung zu bewerten sei. Insbesondere der explizit geäußerte Wille des Jungen sei maßgeblich, die in der Vergangenheit erfolgte Förderung durch die Mutter demgegenüber weniger bedeutsam. Im Übrigen habe der Kindesvater mehr Zeit für den Sohn.
Gegen diese ihr am 23. Januar 2009 zugestellte Entscheidung wendet sich die Kindesmutter mit ihrer am 20. Februar 2009 eingelegten und am 23. März 2009 begründeten Beschwerde, mit der sie weiterhin die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechtes und des Rechtes zur Regelung schulischer Angelegenheit auf sich erstrebt. Zur Begründung des Rechtsmittels verweist die Beschwerdeführerin insbesondere auf die in ihrer Person liegende Erziehungskontinuität. Während der Zeit des Zusammenlebens der Kindeseltern habe sie sich überwiegend, seit der Trennung bis zum Wechsel M…s in den väterlichen Haushalt allein um den Jungen gekümmert. In der jüngsten Vergangenheit sei der Kindesvater längere Zeit berufsbedingt abwesend gewesen. Er sei auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung nicht sehr zuverlässig. Die bisher von ihr geleistete Förderung des Jungen werde nun vernachlässigt. M… habe die Musikschule abgebrochen, beim Tauchunterricht, der nicht weiter bezahlt worden sei, gefehlt und sei auch keinem Handballverein beigetreten. Der Wille von M… sei durchaus schwankend, keineswegs aber verfestigt. Für ihn stellten die größeren erzieherischen Freiheiten einen Anreiz für den Verbleib beim Vater dar, wo er allerdings weitgehend auf sich selbst gestellt sei, während sie ohne Erwerbstätigkeit wesentlich mehr Zeit für den Sohn aufbringen könne.
Dem ist der Kindesvater, der die Zurückweisung der Beschwerde der Kindesmutter beantragt, mit dem Bemerken entgegengetreten, die Beschwerdeführerin respektiere den Willen des Kindes und anderer nicht hinreichend. Zu Zeiten des Zusammenlebens hätte die Erziehung gemeinschaftlich stattgefunden, sodass der Kontinuitätsgrundsatz eher für ihn streite. Die neue Partnerschaft der Mutter sei noch nicht gefestigt, M… die daraus resultierenden Risiken nicht zumutbar. Dem Jungen sei, für einen 14-jährigen Jugendlichen nicht unüblich, der Kontakt zu seinen Freunden wichtiger als derjenige zur Mutter. Während seiner beruflichen Abwesenheit im Januar/Februar dieses Jahres habe sich der Sohn selbst in einem Skilager befunden und sei ansonsten von der Kindesmutter versorgt worden. Die Beendigung der Musikschule habe auf einem durchaus begründeten Wunsch des Jungen beruht.
Die Verfahrenspflegerin hat nach einem weiteren Gespräch mit M… am 17. April 2009 mitgeteilt, dass der Jugendliche mit den Umgangskontakten zu seiner Mutter und seiner übrigen Lebenssituation zufrieden sei, und er abermals bestätigt habe, jedenfalls in O… wohnen bleiben zu wollen.
II.
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist nach § 621 e Abs. 1 ZPO als befristete Beschwerde statthaft und in zulässiger Weise eingelegt und begründet worden (§ 621 e Abs. 3 i. V. m. §§ 517, 520 Abs. 1, 2 u. 3 S. 1 ZPO). Die Beschwerde bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Das Rechtsmittel der Kindesmutter ist unbegründet, weil es (derzeit) nach der Überzeugung des Senats gem. § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB dem Wohl des betroffenen Jugendlichen am besten entspricht, das gemeinsame Sorgerecht der Kindeseltern hinsichtlich des Teilbereichs des Aufenthaltsbestimmungsrechts aufzuheben, dieses jedoch – wie in der angefochtenen Entscheidung geschehen – auf den Kindesvater allein zu übertragen.
Nach der genannten Vorschrift ist einem Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts oder eines Teiles hiervon bei nicht nur vorübergehendem Getrenntleben der Kindeseltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, dann stattzugeben, wenn entweder der andere Elternteil zustimmt, was vorliegend nicht der Fall ist, oder aber die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Die in diesem Rahmen erforderliche Kindeswohlprüfung dient demzufolge zunächst der Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine weiterhin gemeinsame Ausübung des Sorgerechts nach den Kriterien der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. November 1992 (FamRZ 1992, 1179) vorliegen. Dies ist die uneingeschränkte Eignung beider Elternteile zur Pflege und Erziehung des Kindes sowie die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern, d.h. ihr Wille, die Verantwortung für das Kind auch nach der Trennung gemeinsam zu tragen. An letzterem fehlt es vorliegend den Kindeseltern nicht nur im Hinblick auf die Frage des Lebensmittelpunktes von M…, wovon sich der Senat anlässlich ihrer Anhörung überzeugen musste.
Auch wenn im hier zu beurteilenden Fall davon ausgegangen werden kann, dass beide Elternteile zur Pflege und Erziehung des Jugendlichen geeignet sind, obgleich beiderseits Defizite, wie etwa das nachdrückliche Durchsetzen eigener Vorstellungen ohne hinreichende Berücksichtigung der altersgemäßen Belange des Jugendlichen bei der Mutter oder die Gewährung unter erzieherischen Gesichtspunkten nicht immer wünschenswerter Freiräume aufseiten des Vaters, erkennbar wurden, ist nach den Feststellungen des Senats, die in der Anhörung gewonnen werden konnten, dennoch von einer generellen Erziehungseignung beider Elternteile auszugehen.
Unverkennbar besteht hingegen – wovon sich der Senat gleichfalls überzeugen musste – auch längere Zeit nach der Trennung ein Paar-Konflikt fort, der die Kindeseltern daran hindert, die erforderlichen Entscheidungen im Interesse ihres Sohnes einvernehmlich und nach gehöriger Absprache zu treffen und wenigstens in simplen Alltagsfragen zu einer die wechselseitigen Ansichten respektierenden Verständigung zu gelangen, sodass es jedenfalls bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechtes zu einer Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu kommen hat, weil nur so dem Wohl des Kindes entsprochen werden kann.
Vor dem Hintergrund, dass beide Elternteile jeweils die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf sich begehren, ist die Entscheidung des Amtsgerichts im Ergebnis unter Berücksichtigung der nachfolgend genannten Kriterien und Umstände nicht zu beanstanden.
Der Grundsatz der Kontinuität, wonach es auf die Frage ankommt, welcher Elternteil in der Vergangenheit die größeren Erziehungsanteile inne gehabt hat, und der auf der Erfahrung beruht, dass die Fortdauer familiärer und sozialer Bindungen wichtig für eine stabile und gesunde psychosoziale Entwicklung eines heranwachsenden Menschen ist, spricht hier für kein Elternteil mit entsprechender Deutlichkeit.
Während der Dauer des Zusammenlebens der Kindeseltern, also während der ersten 12 Lebensjahre des Jugendlichen, ist von einer gemeinsamen Erziehung durch beide Elternteile auszugehen; die gegenteilige Behauptung der Beschwerdeführerin blieb ohne Substanz. Sie selbst war – wenngleich nach ihren unbestritten gebliebenen Angaben zeitweise in geringerem Umfang als der Kindesvater – ebenso wie dieser berufstätig. Demgegenüber ging der Vater, soweit er sich nicht geschäftlich auf Reisen befand, seiner beruflichen Tätigkeit vom häuslichen Büro aus nach, stand für M… somit nach seinem Bekunden auch tagsüber als Ansprechpartner zur Verfügung.
Ab dem Zeitpunkt der Trennung der Kindeseltern im November 2007 wurde M… dann für die Dauer rund eines Jahres bis Mitte Dezember 2008 im Haushalt der Mutter versorgt und betreut. Gleiches gilt umgekehrt nun jedoch bereits seit über einem halben Jahr, seit dem Wechsel des Jugendlichen am 12.12.2008, für den Vater.
Neben der persönlichen Kontinuität kommt vorliegend aber auch der räumlichen Situation, hinsichtlich derer nur der Vater Kontinuität garantieren kann, erhebliche Bedeutung zu. Bei einem Wechsel zur Mutter käme es für den Sohn hinsichtlich der Örtlichkeiten und der sozialen Kontakte zu einem völligen Abbruch bzw. Neuanfang. Seinen für ihn, aus Gründen, auf die noch näher einzugehen sein wird, besonders bedeutsamen Freundeskreis würde er weitgehend verlieren und in R… neu aufbauen müssen. Die Wohnung der Mutter und ihres Lebenspartners mag für die Aufnahme eines Jugendlichen durchaus geeignet und ansprechend sein. Wie M… bei seiner Anhörung durch den Senat jedoch betont hat, fehlt ihm dort das ländliche Umfeld, das ihm als naturverbundenem Menschen in seiner jetzigen Umgebung wichtig ist. Wenngleich es sich bei diesen Umständen um Vorgänge handelt, mit dem auch Kinder aus intakten Ehen oder Beziehungen beim Umzug der Eltern stets konfrontiert werden, und der Senat von M… den Eindruck eines kontaktfreudigen jungen Menschen gewinnen konnte, ließen sich die mit einem Wechsel des Lebensmittelpunktes verbundenen Risiken bei einem Verbleib des Jugendlichen beim Vater, sofern dem nicht erhebliche Gründe entgegenstehen, vermeiden, weshalb der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den Kontinuitätsgrundsatz ihrem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag.
Auf das sog. Förderungsprinzip, bei dem die Frage im Mittelpunkt steht, von wem der junge Mensch für den Aufbau seiner Persönlichkeit die meiste Unterstützung erwarten kann, führt nicht zu einem deutlichen Übergewicht aufseiten der Kindesmutter. Ihre Behauptung, in der Vergangenheit vorrangig die sozialen Kontakte M…s angebahnt, unterstützt und finanziert zu haben, lässt sich nach dem Ergebnis der Anhörung durch den Senat so nicht objektivieren. Es mag zwar sein, dass die Mutter M… zur regelmäßigen Wahrnehmung dieser Kontakte mehr angehalten hat, als dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Vater tut. Tatsache ist, dass der Besuch der Musikschule beendet wurde, doch geschah dies nach den übereinstimmenden Angaben von Vater und Sohn, weil dem Jugendlichen Einzelunterricht ohne jeglichen Kontakt zu Gleichaltrigen in klassischer Gitarrenmusik nicht (mehr) interessant erschien. Es stellt keinen unüblichen Umstand dar, dass Jugendliche gerade im Alter von etwa 14 Jahren ihre Freizeitaktivitäten ändern und frühere Interessensgebiete nicht mehr attraktiv finden. Da aber die Tauchaktivität abgesehen von saisonalbedingten Unterbrechungen von ihm mit Unterstützung des Vaters fortgeführt werden, und er dem Senat in seiner etwa einstündigen Anhörung überzeugend den Eindruck vermitteln konnte, sich insgesamt in seiner Umgebung wohl zu fühlen und integriert zu sein, besteht keine Veranlassung, den Einzelaspekt des Abbruchs der Musikschule überzubetonen.
Im Rahmen des Förderungsprinzips ist auch die sog. Bindungstoleranz, d.h. die Bereitschaft und die Fähigkeit, den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil zu unterstützen, zu berücksichtigen. Auch dieses Kriterium führt für die vom Senat zu treffende Entscheidung nicht zu einem nennenswerten Übergewicht bei dem einen oder anderen Elternteil. Vielmehr ist als Ergebnis der Anhörung aus Sicht des Gerichts festzuhalten, dass beide Eltern infolge gravierender Kommunikationsschwierigkeiten, die sie hindern, praktikable Absprachen direkt untereinander zu treffen, jedenfalls für den gemeinsamen Sohn die Kontaktaufnahme und
-aufrechterhaltung erheblich erschweren. Schon bloße Terminsabsprachen hinsichtlich der Umgänge führen zu Schwierigkeiten, die auszugleichen sich dann der Jugendliche verpflichtet fühlt. Dabei wird auf seine Belange – wie etwa die zeitliche Parallelität eines Urlaubs mit dem Vater und der Eheschließung der Mutter zeigt – von den Erwachsenen kaum Rücksicht genommen. Für sein Wohl förderlich ist einzig festzustellen, dass die auch von ihm gewünschten Umgangskontakte in etwa regelmäßig ermöglicht werden. Dies sicherzustellen, ist indes Aufgabe jedes verantwortungsbewussten Elternteils und vermag hier keinen Ausschlag für die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts zu geben.
Bezüglich der gefühlsmäßigen Bindung des Jugendlichen kann festgestellt werden, dass trotz aller dezidierter Festlegungen M…s hinsichtlich seines Aufenthaltsortes er im Rahmen des Verfahrens stets zum Ausdruck gebracht hat, sich beiden Elternteilen emotional verbunden zu fühlen. Dies gilt für den Vater ebenso wie ungeachtet der von ihr neu eingegangenen Partnerschaft und des Wegzuges für die Mutter. Seine Beziehung zu deren Lebensgefährten hat M… als freundschaftlich aber auch sonderlich vertieft geschildert. Entscheidungserhebliche Relevanz besitzt demzufolge auch dieses Kriterium nicht.
Bei dieser Sachlage sieht der Senat Anlass, dem Willen des Jugendlichen die ausschlaggebende Bedeutung beizumessen. Dies führt im Ergebnis dazu, augenblicklich dem Kindesvater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.
Dabei verkennt der Senat keineswegs, dass der von einem gerade 14 Jahre alt gewordenen Jugendlichen geäußerte Wille auf seinen Realitätsbezug und seiner Authentizität zu überprüfen ist. Aus diesem Grunde wurde M… in Gegenwart der Verfahrenspflegerin besonders ausführlich angehört. Dabei erwies sich der von ihm konstant geäußerte Wunsch, weiterhin im väterlichen Haushalt wohnen bleiben zu können, als selbstbestimmt, wohl überlegt und an nachvollziehbaren Anknüpfungspunkten festgemacht. Im Ergebnis hat der Jugendliche, der verständlicherweise nach der Trennung in einem Loyalitätskonflikt steht, seine Entscheidung nicht für oder gegen eine Person in Gestalt eines von beiden ihm gleichermaßen nahestehenden Elternteilen getroffen, sondern an dem allgemeinen sozialen Umfeld festgemacht. Er hat in diesem Zusammenhang insbesondere betont, welche Unterstützung er in der Zeit ihn heftig belastender Kontroversen der Eltern aus seinem Freundeskreis, der teilweise ebenfalls aus „Scheidungskindern“ besteht, erfahren hat. Hier scheint er die Probleme ansprechen zu können, die er mit den in ihrem Paar-Konflikt verhafteten Eltern nicht erörtern kann, was diesen im Hinblick auf ihr zukünftiges Verhalten zumindest zu denken geben sollte. Seine Entscheidung ist demnach nicht nur auf die Aufrechterhaltung des ihm gewohnten Status quo gerichtet, sondern vielmehr auch davon bestimmt, dass ihm sein jetziges soziales Umfeld in einer für ihn weiterhin schwierigen Situation die Stütze zu garantieren scheint, die die Eltern selbst ihm durch ihr Verhaftetsein in der persönlichen eigenen Problematik zumindest derzeit nicht gewähren und auf die er anderenorts zunächst nicht hoffen kann. In diesem Zusammenhang spielt auch seine Freundin eine Rolle, mit der er seit sechs Monaten zusammen ist und die ihm offenkundig nicht nur in schulischer Hinsicht eine große Hilfe zu sein scheint. Diese sozialen Bezüge durch eine Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter zu kappen, erscheint dem Senat als mit dem Kindeswohl nicht vereinbar.
Dies gilt umso mehr, als nach dem Ergebnis der Anhörung Betreuungsdefizite im väterlichen Haushalt nicht festgestellt werden mussten. Sicherlich ist der väterliche Erziehungsstil durch größere Freiräume für den Jugendlichen gekennzeichnet, ohne dass der Vater etwa die schulischen Belange des Jungen, um die sich zu kümmern verstärkt Anlass besteht, aus dem Blick verloren hat. Den jüngst in diesem Bereich zutage getretenen Defiziten ist der Kindesvater verstärkt nachgegangen und wird dies auch fortzusetzen haben. Demgegenüber bietet der auf stärkere Kontrolle und Reglementierung ausgerichtete Erziehungsstil der Kindesmutter, der nicht nur aus der Sicht von M… nicht immer altersgerecht erscheint, seinerseits keinerlei Anhaltspunkte für die Garantie einer förderlicheren Entwicklung des Jungen. Von daher bestehen keine Bedenken, dem überzeugend begründeten Willen des Jugendlichen die Bedeutung beizumessen, die ihm angesichts der mangelnden Aussagekraft der übrigen Kriterien zukommt. Dies gilt umso mehr, als sich auch das zuständige Jugendamt für die Respektierung der autonomen Willensbildung des Jungen und damit für einen Verbleib des Jungen im väterlichen Haushalt ausgesprochen hat.
Bei zusammenfassender Betrachtung der vorstehend genannten Überlegungen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass dem Kindeswohl am besten dadurch Rechnung getragen werden kann, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Kindesvater allein übertragen wird.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 S. 2 FGG; die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 30 Abs. 2 S. 1 KostO.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.07.2009
9 UF 21/09