OLG Zweibrücken: Befristung des nachehelichen Krankheitsunterhalts

OLG Zweibrücken: Befristung des nachehelichen Krankheitsunterhalts

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Germersheim vom 8. Dezember 2008 geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt ab 1. April 2009 in Höhe von monatlich 357,00 € zu zahlen, fällig monatlich im Voraus, befristet bis zum 31. Oktober 2012.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zu ¼, dem Beklagten zu ¾ zur Last. Von den Kosten der 1. Instanz haben die Klägerin 5/6, der Beklagte 1/6 zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.284,00 € und für die 1. Instanz in Abänderung der amtsgerichtlichen Festsetzung vom 8. Dezember 2008 auf 12.656,25 € festgesetzt.
Gründe:

Das zulässige Rechtsmittel führt nur teilweise zum Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte nacheheliche Unterhaltsanspruch der Höhe nach zu. Allerdings ist er zu befristen.

I. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin folgt allein aus § 1572 Nr. 1 BGB. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils vom 22. Oktober 2007 und in der Folgezeit bis heute aufgrund ihrer Behinderung (Einschränkung der Sehfähigkeit) nicht in der Lage war und ist, auch nur teilweise eigene Einkünfte durch Erwerbstätigkeit zu erzielen. Mit der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin ist nicht zu rechnen. Sie bezieht auf Dauer eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die genannte Anspruchsgrundlage erfasst nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch den Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht durch das Erwerbshindernis verursacht worden ist, sondern auf dem den angemessenen Lebensbedarf der Klägerin übersteigenden Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (voller Unterhalt) gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB beruht (BGH FamRZ 2009, 406 ff).

II. Der Höhe nach beläuft sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin jedenfalls auf den von ihr verlangten Betrag von 357,00 € monatlich. Dies ergibt sich aus der nachfolgenden Berechnung:

Das Nettoeinkommen des Beklagten aus seiner Tätigkeit bei der D… AG in Wörth hat der Senat aus den Einkommensnachweisen für Januar bis August 2009 unter Einbeziehung eines 13. Monatsgehaltes und Abzug des Betrages für die Sterbekasse ermittelt mit 2.245,00 €

Ein Abzug von vermögenswirksamen Leistungen kommt nicht in Betracht, da solche vom Beklagten nicht erbracht werden. Ohnehin dienen sie der Vermögensbildung, die sich die Klägerin nicht entgegenhalten lassen muss. Allenfalls ein Arbeitgeberzuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen könnte mit seinem Nettobetrag abgezogen werden. Einen solchen erhält der Beklagte aber nicht. Abzuziehen sind pauschale Fahrtkosten für eine einfache Entfernung vom Arbeitsplatz von 22 km, das sind -253,00 €

22*2 km*230 Tage * 0,30 € geteilt durch 12 Monate

Weiter berücksichtigungsfähig ist der Beitrag für die Familienunfallversicherung mit monatlich -22,15 €

Hinzuzurechnen ist die im Jahr 2009 mit Bescheid vom 20. März 2009 erhaltene Einkommensteuererstattung für 2007 mit monatlich 43,16 €

Der Umstand, dass der Beklagte im Jahr 2010 mit einer Steuernachzahlung zu rechnen haben wird, weil ein zu hoher Freibetrag auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragen ist, kann derzeit noch keine Berücksichtigung finden. Dies muss gegebenenfalls einer Abänderung nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides vorbehalten bleiben, wie ohnehin diese Position anhand der jeweils in den folgenden Kalenderjahren ergehenden Einkommensteuerbescheide zu überprüfen sein wird.

Es ergibt sich somit ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 2.013,01 €

von dem nach Abzug des Erwerbsanreizes in Höhe von -201,30 € als unterhaltsprägendes Einkommen des Beklagten zur Verfügung stehen 1.811,71 €.

Die Klägerin bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von derzeit 973,96 €

Der vor dem 1. Juli 2009 niedrigere Rentenbetrag kann außer Betracht bleiben, da er sich auf das Ergebnis nicht auswirkt.

Die Sozialleistungen, welche die Klägerin in Form von Blindengeld und Blindenhilfe erhält, dienen gemäß der gesetzlichen Vermutung des § 1610 a BGB der Deckung krankheitsbedingter Mehraufwendungen. Der Beklagte hat diese gesetzliche Vermutung nicht widerlegt.

Soweit die Klägerin außergerichtlich und im Schriftsatz vom 18. März 2009 die Anrechnung eines Betrages von 300,00 € angeboten hat, geschah dies ausdrücklich im Rahmen eines Vergleichsangebotes bzw. „als Entgegenkommen“. Keineswegs hat sie damit eingeräumt, in dieser Höhe keinen Mehrbedarf zu haben.

Die Klägerin wohnt im beiden Parteien noch je zur Hälfte gehörenden früheren Familienheim. Es handelt sich um ein Wohnhaus mit rund 130 qm Wohnfläche. Bei Ansatz eines Quadratmeterpreises von 5,00 € ist der hälftige Wohnwert mit 325,00 € der Klägerin als Einkommen zuzurechnen.

Die Klägerin zahlt die noch bestehenden Darlehen, auch den vom Beklagten als Gesamtschuldner geschuldeten Betrag, mit einer monatlichen Annuität in Höhe von 771,81 € ab, davon 439,64 € Zinsen und Kosten im Jahr 2008. Für das Jahr 2009 schätzt der Senat den Zinsanteil auf monatlich 430,00 €. Auf den Hälfteanteil der Klägerin entfallen Kosten in Höhe von -215,00 €

Der Tilgungsanteil stellt Vermögensbildung dar und kann deshalb nicht abgezogen werden.

Im Verhältnis zum Beklagten ist es unerheblich, ob die Klägerin bei der Zahlung der Annuitäten von ihren Kindern unterstützt wird. Sollte dies der Fall sein, handelt es sich um eine Zuwendung der Kinder an ihre Mutter, die nicht den Beklagten von seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht entlasten soll.

Soweit die Klägerin auch den Hälfteanteil des Beklagten am gemeinsamen Eigenheim nutzt, stellt sich diese Nutzung nicht als unentgeltlich dar. Denn der Beklagte wird im Gegenzug durch die Zahlungen der vollen Annuitäten von der Klägerin bzw. den Kindern von seiner Verpflichtung aus den Finanzierungsdarlehen befreit und durch die Tilgung wird zu seinen Gunsten Vermögen gebildet. Gegebenenfalls ist insoweit der Nutzungsentgelt- und Vermögensausgleich der Miteigentümergemeinschaft noch durchzuführen. Er wird von der Entscheidung über den Unterhaltsanspruch nicht berührt.

Das unterhaltsprägende Einkommen der Klägerin errechnet sich somit auf 1.083,96 €

Aus dem ehelichen Gesamtbedarf in Höhe von 2.895,67 € ergibt sich der Bedarf der Klägerin mit 1.447,84 € von dem 1.083,96 € durch eigenes Einkommen gedeckt sind.

Die Differenz in Höhe von aufgerundet 364,00 € stellt den gesetzlichen Unterhaltsanspruch dar, von dem die Klägerin lediglich 357,00 € einfordert.

III. Dieser Anspruch ist gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB auf fünf Jahre nach Rechtskraft der Scheidung zu befristen. Nach § 1578 b Abs. 2 BGB kann seit Januar 2008 auch ein Anspruch auf Krankenunterhalt befristet werden, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, eingetreten sind, § 1578 b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB.

1. Ehebedingte Nachteile sind nicht ersichtlich. Zwar war die Klägerin bei der Eheschließung am … 1984 erst 18 Jahre alt, hatte gerade eine zweijährige Ausbildung und nur wenige Monate Erwerbstätigkeit hinter sich und führte ab diesem Zeitpunkt mit dem Beklagten eine typische Hausfrauenehe, während der sie drei in den Jahren 1985, 1987 und 1990 geborene Kinder betreute. Erst im Jahr 2000 nahm sie wieder eine Erwerbstätigkeit in geringfügigem Umfang auf. Dennoch sind ehebedingte Nachteile nicht zu erkennen. Infolge ihrer während der Ehezeit schicksalhaft aufgetretenen Augenerkrankung wäre sie nämlich auch ohne die Ehe nicht mehr in der Lage, ihren Unterhaltsbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit sicher zu stellen. Die Erkrankung selbst ist nicht schon deshalb als ehebedingter Nachteil zu betrachten, weil sie während der Ehe eingetreten ist (BGH FamRZ 2009,406).

Ehebedingte Nachteile wären indessen dann eingetreten, wenn die Klägerin aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hätte. In die Betrachtung einzubeziehen ist dann aber auch, dass der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs ist, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (BGH FamRZ 2008, 1325; FamRZ 2008, 1508). Im vorliegenden Fall sind der Klägerin im Versorgungsausgleich Rentenanwartschaften übertragen worden, die insgesamt 35,63 % der Gesamtrente ausmachen, das sind derzeit 375,88 €, die zu einer Erhöhung der gesetzlichen Rente wegen Erwerbsminderung geführt haben. Da die Klägerin insoweit am höheren Versorgungsstandard des besser verdienenden Beklagten teilnimmt, hat sie jedenfalls insgesamt heute nicht weniger Versorgungsanwartschaften, als sie selbst durch eigene Erwerbstätigkeit ohne die Ehe hätte erlangen können (vgl. BGH FamRZ 2009, 406). Damit sind auch unter diesem Gesichtspunkt keine ehebedingten Nachteile zu erkennen, zumal die Klägerin während der Ehe und durch die Ehe auch das Miteigentum am Familienwohnheim erlangt hat.

2. Da auch Belange gemeinschaftlicher Kinder vorliegend nicht mehr berührt sind, steht als Kriterium für die Befristung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin allein noch der Gesichtspunkt der sog. „fortwirkenden ehelichen Solidarität“ im Raum. Diese hat allerdings gerade beim Krankheitsunterhalt jedenfalls dann ihre Grenzen, wenn – wie hier – die Krankheit ehebedingt ist. Wenn es sich bei der Krankheit und der durch sie bedingten Erwerbsunfähigkeit um eine schicksalhafte Entwicklung handelt, ist eine dauerhafte Unterhaltsverantwortung des geschiedenen Ehegatten für das allein in zeitlichem Zusammenhang mit der Ehe stehende Krankheitsrisiko nicht ohne weiteres zu rechtfertigen (BGH a.a.O.).

Die Parteien waren bis zur Scheidung (der Trennungszeitpunkt, auf den der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang abstellt (FamRZ 1986,886; FamRZ 2009, 406) ist nicht bekannt) mehr als 23 Jahre verheiratet, die Klägerin hat in sehr jungem Alter die Hausarbeit und die Erziehung der drei gemeinschaftlichen Kinder übernommen und dem Beklagten sein berufliches Fortkommen ermöglicht. Sie war allerdings bei der Scheidung erst 42 Jahre alt und erhält neben der gesetzlichen Rente weitere Sozialleistungen in Form von Blindengeld und Blindenhilfe, insgesamt knapp 600,00 €. Wenn auch insoweit im Rahmen der Bemessung des Unterhaltsanspruchs die zu Gunsten der Klägerin streitende gesetzliche Vermutung des § 1610 a BGB vom Beklagten nicht ausgeräumt ist, besteht doch eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass der krankheitsbedingte Mehrbedarf der Klägerin diesen Betrag nicht erreicht, sodass ein weiterer Betrag für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist die Klägerin Miteigentümerin zur Hälfte des Familieneigenheims, was ihr nach Abzahlung der Annuitäten in absehbarer Zeit und nach Durchführung der Auseinandersetzung des gemeinschaftlichen Eigentums die Möglichkeit mietfreien Wohnens oder der Erzielung von Kapitalerträgen verschaffen wird. Damit ist sicher gestellt, dass die Klägerin jedenfalls ein eigenes Einkommen zur Verfügung haben wird, welches den angemessenen Unterhaltsbedarf von derzeit 1.100,00 € übersteigt.

Der Klägerin ist es deshalb zumutbar, sich während einer Übergangszeit auf den niedrigeren Lebensstandard einzurichten, der sich nur auf ihre eigenen Einkünfte stützt. Der Senat bemisst den ihr dafür einzuräumenden Zeitraum auf fünf Jahre ab Rechtskraft der Scheidung, also bis zum 31. Oktober 2012.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und berücksichtigt, dass die Klägerin mit der Befristung unterliegt und erst im Berufungsverfahren den Beginn der verlangten Unterhaltszahlung vom 1. Januar 2008 auf den 1. April 2009 hinausgeschoben und ihre Forderung wesentlich reduziert hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 a.F., 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.

OLG Zweibrücken, Urteil vom 29.10.2009
6 UF 9/09

AG Germersheim, Urteil vom 08.12.2008
1 F 76/08

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