OLG Hamm: Auskunftspflicht nach Umgangsausschluss

OLG Hamm: Auskunftspflicht nach Umgangsausschluss

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen vom 6.2.2009 unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen in Ziffer 2 seines Tenors teilweise abändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller zwei mal im Jahr, jeweils zum 31.Januar und 31.August ein aktuelles Foto aller drei gemeinsamer Kinder, C (geb. 14.7.1996), C1 (geb.23.6.1999) und C2 (geb. 25.5.2001) zu übersenden.

Dem Antragsgegner wird untersagt, die ihm zugesandten Fotos dritten Personen zugänglich zu machen. Von dem Verbot ausgenommen sind die Eltern des Antragsgegners, seine Geschwister und deren Kinder.

2. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden den beteiligten Kindeseltern zu je ½ auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe

I.

Die beteiligten Kindeseltern sind geschiedene Eheleute seit dem 4.6.2009. Die drei im Tenor genannten, aus der Ehe hervorgegangenen Kinder leben seit der Trennung der Parteien am 30.3.2007 bei der Antragsgegnerin unter dem Antragssteller nicht bekannter Anschrift. Umgangskontakte der Kinder mit dem Antragsteller haben seit der Trennung nicht statt gefunden.

Mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen vom 21.9.2007 (Az.: 103 F 184/07) ist die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder auf die Antragsgegnerin allein übertragen worden. Außerdem hat das Familiengericht das Recht des Antragstellers auf Umgang mit den Kindern bis zum 30.3.2008 ausgeschlossen. Seine Beschwerde gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller im Senatstermin vom 2.12.2008 (Az.: 2 UF 216/07) zurückgenommen, nachdem alle drei Kinder im Rahmen der Anhörung durch den Senat massive Angst vor dem Kindesvater bekundet und den Umgang mit ihm nachhaltig abgelehnt hatten.

Im vorliegenden Verfahren macht der Antragsteller von seinem Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB Gebrauch. Das Familiengericht hat seinem Antrag im wesentlichen stattgegeben und die Antragsgegnerin verpflichtet, ihm zweimal jährlich, jeweils 2 Wochen nach Erhalt der Schulzeugnisse Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines schriftlichen Berichts über den Gesundheitszustand der Kinder und über die schulischen Leistungen der Kinder durch Vorlage von Schulzeugnissen mit der Einschränkung, dass es der Antragsgegnerin gestattet hat, die Anschrift der Schule und die Namen der Lehrer unkenntlich zu machen. Außerdem hat es der Antragsgegnerin aufgegeben, dem Antragsteller zweimal jährlich jeweils 2 Wochen nach Erhalt der Schulzeugnisse aktuelle Fotografien der Kinder zu übersenden.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Verpflichtung zur Übersendung der Fotografien von den Kindern. Sie äußert die Befürchtung, der Antragsteller könne die Fotos der Kinder dazu missbrauchen, ihre Anschrift zu ermitteln, um Kontakt mit den Kindern aufzunehmen. Sie weist darauf hin, dass sich der Antragsteller – was zwischen den beteiligten Kindeseltern unstreitig ist – im Herbst 2007 telefonisch bei einer türkischen Fernsehshow gemeldet habe. In der Sendung habe er die Zuschauer aufgefordert, sich bei ihm zu melden, wenn ihnen der Aufenthaltsort der Antragsgegnerin und der Kinder bekannt sei. Sie ist der Ansicht, dass eine durch den Vater erzwungene Kontaktaufnahme derzeit dem Wohl der Kinder widerspräche.

Die Antragsgegnerin beantragt,

abändernd den Antrag des Antragstellers auf Übersendung aktueller Fotografien von den Kindern zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Er weist darauf hin, dass er derzeit keine andere Möglichkeit habe, sich über die Entwicklung der Kinder zu informieren und dass der älteste Sohn C im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin vom 2.12.2008 im Verfahren 2 UF 216/07 gegenüber dem Senat geäußert habe, dem Antragsteller ein paar Fotos von ihm übersenden zu wollen.

Der Senat hat die beteiligten Kindeseltern und die betroffenen Kinder im Termin am 10.11.2009 persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 10.11.2009 und wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen 103 F 184/07 und 103 F 453/07 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Die im Verfahren 103 F 184/07 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Essen mit der Erstellung eines kinderpsychologischen Gutachtens beauftragte Sachverständige Dipl.-Psych. N L hat in ihrem Gutachten zur Frage des Umgangs des Antragstellers mit seinen Kindern ausführlich Stellung genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Begutachtung wird auf das schriftliche Gutachten in der Anlage zum Verfahren 103 F 184/07 und auf die mündlichen Ergänzungen der Sachverständigen im Senatstermin vom 2.12.2008 (Bl. 381 f. der Akten 2 UF 216/07 OLG Hamm) Bezug genommen.

II.

Die gem. den §§ 621 Abs. 2, Zi. 1, 621e Abs. 1 BGB zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Nach § 1686 BGB ist die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über die persönlichen Verhältnisse der gemeinsamen Kinder zu erteilen, wenn und soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse daran hat und dies dem Wohl der gemeinsamen Kinder nicht widerspricht. Zum Inhalt der Auskunft gehört auch die Überlassung von Fotografien von den Kindern (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 813 f.; OLG Naumburg FamRZ 2001, 531 f.; Palandt-Diederichsen, BGB, 68. Aufl., § 1686 Rz. 8). Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Auskunftserteilung durch Übersendung von Fotografien von den betroffenen Kindern sind erfüllt.

1)

Das berechtigte Interesse des Antragstellers an der Auskunft folgt daraus, dass er – jedenfalls faktisch – derzeit keine andere Möglichkeit hat, sich über den Entwicklungsstand der gemeinsamen Kinder zu informieren als durch die Übersendung von Berichten, Schulzeugnissen und Fotografien von den Kindern.

Zwar war der Ausschluss seines Umgangs mit den Kindern durch Beschluss des Familiengerichts vom 21.9.2007 nur bis zum 30.3.2008 begrenzt. Diese Frist ist inzwischen abgelaufen.

Aufgrund der nachhaltigen Ablehnung von Umgangskontakten mit dem Vater, die alle drei Kinder in ihrer Anhörung durch den Senat am 10.11.2009 wiederholt zum Ausdruck gebracht haben, und unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens der Dipl.-Psych. N L vom 3.6.2008 im Verfahren 103 F 184/07 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Essen besteht derzeit jedoch keine realistische Chance des Antragstellers zur Kontaktaufnahme mit den gemeinsamen Kindern.

Die nachhaltige Ablehnung des Antragstellers durch die betroffenen Kinder ist beachtlich, denn es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der von ihnen geäußerte Wille nicht die wirklichen Bindungsverhältnisse der Kinder wiedergibt, und es ist auch nicht zu erwarten, dass der Widerstand der Kinder durch geeignete erzieherische Maßnahmen in absehbarer Zeit überwunden werden kann (vgl. BVerfG FamRZ 2001, 1057; OLG Hamm FamRZ 1996, 363). Die Sachverständige hat im Rahmen ihrer Begutachtung festgestellt, dass die Ablehnung des Vaters durch die Kinder nicht auf einer Beeinflussung der Kinder durch die Mutter beruht, sondern die wirklichen Bindungsverhältnisse der Kinder wiedergibt und auf erlittenen Traumatisierungen durch Gewalterfahrungen mit dem Antragsteller in der Vergangenheit beruht. Sie hat außerdem festgestellt, dass dem Kindesvater die aggressive Komponente seines Verhaltens nicht bewusst ist, und empfohlen, den Umgang des Vaters mit den Kindern auf unbestimmte Zeit auszusetzen, bis der Vater bereit und in der Lage sei, seine eigenen Erziehungsdefizite zu erkennen und – gegebenenfalls nach Durchführung einer Therapie – eine veränderte Basis für das Vertrauen seiner Kinder zu schaffen.

Anhaltspunkte dafür, dass sich an dieser Situation inzwischen etwas geändert hat, bestehen nicht. Die Kinder lehnen die Kontaktaufnahme mit ihrem Vater nach wie vor ab. Der Antragsteller bestreitet weiterhin, in der Vergangenheit gewalttätig gegenüber den gemeinsamen Kindern geworden zu sein. Er ist der Ansicht, die Verweigerungshaltung der Kinder beruhe ausschließlich auf einer Beeinflussung durch die Kindesmutter, auch wenn eine solche durch die Sachverständige in ihrem Gutachten vom 3.6.2008 nicht habe festgestellt werden können.

Unter diesen Umständen besteht derzeit – unabhängig von der Frage, ob dem Antragsteller gem. § 1684 BGB ein Recht auf Umgang mit seinen Kindern zusteht – jedenfalls keine Möglichkeit, den Umgang des Vaters mit den Kindern gegen deren erklärten Willen in einer mit dem Kindeswohl zu vereinbarenden Art und Weise durchzusetzen.

2)

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller mit seinem Auskunftsverlangen dem Kindeswohl abträgliche Zwecke verfolgt und sein Auskunftsrecht missbrauchen wird, indem er sich mit den ihm zur Verfügung gestellten Fotografien an die Öffentlichkeit wendet, um die Wohnanschrift der Kinder ausfindig zu machen und gegen ihren Willen Kontakt mit ihnen aufzunehmen.

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann nur dann durchgreifen, wenn er von Tatsachen getragen wird, die über das bloße Geltendmachen des gesetzlichen Anspruchs hinausgehen (vgl. BayObLG FamRZ 1996, a. a. O.; OLG Naumburg, a. a. O.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB für den vom Umgang mit den gemeinsamen Kindern aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossenen Elternteil in der Regel die einzige Möglichkeit darstellt, sich über die Entwicklung der Kinder zu informieren und an ihrem Leben teilzuhaben. Der Ausschluss oder die Einschränkung des Auskunftsrechts stellt daher jedenfalls dann, wenn für den betroffenen Elternteil eine andere Möglichkeit, sich über die Entwicklung der gemeinsamen Kinder zu informieren, nicht besteht, einen schweren Eingriff in die grundgesetzlich garantierten Rechte des Kindes und in das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 1, 2 GG dar. Eine solche Maßnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn die akute Gefahr des Missbrauchs durch den Auskunftsberechtigten besteht und mildere Mittel zum Schutz des betroffenen Kindes nicht verfügbar sind.

a)

Zwar würde die Veröffentlichung der dem Antragsteller zur Verfügung gestellten Fotografien einen Missbrauch seines Auskunftsrechts zum Nachteil der betroffenen Kinder darstellen. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Fotografien den Medien zur Verfügung gestellt oder lediglich einem kleinen Kreis dritter Personen zugänglich gemacht werden, in der Absicht, den Aufenthaltsort der Kinder zu ermitteln, um mit ihnen gegen ihren Willen Kontakt aufzunehmen.

b)

Eine akute Gefahr dahingehend, dass sich der Antragsteller in entsprechender Weise verhält, besteht jedoch derzeit nicht. Hierfür fehlt es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage.

Zwar hat der Antragsteller gegenüber der Sachverständigen Dipl.-Psych. N L im Rahmen der Begutachtung geäußert, dass er Fotos an deutsche und türkische Medien schicken würde, wenn er seine Kinder nicht sehen könne. Im Termin vor dem Senat in der Scheidungssache (2 UF 199/08) hat er sein Versprechen, Fotografien von den Kindern, wenn sie ihm überlassen würden, nicht zu veröffentlichen davon abhängig gemacht, dass er die Kinder sehen kann.

Dafür, dass er mit diesen Ankündigungen nicht nur den Wunsch, die gemeinsamen Kinder wiederzusehen, unterstreichen will, sondern sie zum Nachteil der Kinder auch in die Tat umsetzen wird, bestehen jedoch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte.

Alleine der Umstand, dass er sich im Herbst 2007 im laufenden Umgangsverfahren telefonisch an einen türkischen TV-Sender gewandt hat, um über die Trennung von seiner Frau und den Kindern zu berichten, reicht hierfür nicht aus. Nach den nicht widerlegbaren Angaben des Antragstellers hat er sich an den TV-Sender gewandt, um sich von dem dort in die Moderation eingebundenen Psychologen beraten zu lassen. Selbst wenn er – wie die Antragsgegnerin behauptet – in der Sendung Personen, die die Antragsgegnerin und die gemeinsamen Kinder kennen, dazu aufgerufen haben sollte, sich bei ihm zu melden, lässt sich daraus nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände darauf schließen, dass er Fotografien von den Kindern zu deren Nachteil in den Medien veröffentlichen würde. Tatsächlich hat er im Herbst 2007 keine Fotografien von den Kindern an den türkischen TV-Sender gesandt.

Darüber hinaus ist der Senat im Rahmen der Anhörung des Antragstellers zu der Überzeugung gelangt, dass dem Antragsteller durchaus bewusst ist, welche Folgen die Veröffentlichung ihm zugesandter Fotografien auf die Bereitschaft der Kinder, in der Zukunft mit ihm Kontakt aufzunehmen, haben kann und dass dadurch seine Chancen, in absehbarer Zeit einen Umgang mit den Kindern durchsetzen zu können, erheblich beeinträchtigt werden.

Unter diesen Umständen erscheint es unverhältnismäßig, dem Antragsteller den Auskunftsanspruch im Hinblick auf die begehrten Fotografien von den Kindern vollständig zu versagen.

c)

Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass derzeit mildere Mittel als der Ausschluss des Auskunftsanspruchs zum Schutz der betroffenen minderjährigen Kinder zur Verfügung stehen. Der Senat hält es insoweit für angemessen, aber auch ausreichend, dem Antragsteller zu untersagen, die ihm zugesandten aktuellen Fotografien von den gemeinsamen Kindern dritten Personen – insbesondere der Öffentlichkeit – zugänglich zu machen.

Davon ausgenommen ist nur der engste Familienkreis (Großeltern der Kinder, Onkel, Tanten und deren Kinder), wobei das Verbot, die Fotografien anderen als den genannten Personen zugänglich zu machen, auch die Verpflichtung des Antragstellers umfasst, dafür Sorge zu tragen, dass die Fotografien nicht von seinen Familienmitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

3)

Hinsichtlich der Zeitabstände, in denen die Fotografien dem Antragsteller zugesandt werden sollen, hält es der Senat für erforderlich, diese nicht von der Erteilung der jeweiligen Schulzeugnisse abhängig zu machen, sondern konkrete Zeitpunkte festzulegen, an denen die Fotografien zur Verfügung gestellt werden sollen. Dabei ist der vom Familiengericht gewählte Umfang (zweimal im Jahr) nicht zu beanstanden.

Die Festlegung konkreter Zeitpunkte erscheint erforderlich, um weitere Streitigkeiten zwischen den beteiligten Eltern, soweit wie möglich, zu vermeiden. Die tiefgreifenden Spannungen zwischen ihnen haben ein erhebliches Ausmaß erreicht. Unter diesen Umständen erscheint es geboten, jeden Zweifel um die Auslegung einer gerichtlichen Anordnung zu vermeiden und die Rechte und Pflichten untereinander so bestimmt wie möglich festzulegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 13a I 2 FGG, 94 III 2, 131 KostO.

OLG Hamm, Beschluss vom 17.11.2009
2 UF 84/09

AG Essen, Beschluss vom 08.02.2009
103 F 290/08

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