OLG Koblenz: Vermögensverhältnisse sind dem anderen offenzulegen im VKH-Verfahren

OLG Koblenz: Vermögensverhältnisse sind dem anderen offenzulegen im VKH-Verfahren

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Diez vom 30. September 2010 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
in der Familiensache

– Antragstellerin und Beschwerdeführerin –
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

gegen

– Antragsgegner –
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

wegen vorläufiger Nutzungsregelung der Ehewohnung

hier: Verfahrenskostenhilfe.

Der 7. Zivilsenat – 4. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Wolff, den Richter am Oberlandesgericht Busekow und die Richterin am Oberlandesgericht Schilz-Christoffel

am 4. November 2010

beschlossen:

Gründe:

Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Die Antragstellerin hat mit dem am 12. August 2010 bei dem Amtsgericht eingegangen Antrag beantragt, ihr die näher beschriebene Ehewohnung vorläufig zur alleinigen Nutzung zuzuweisen und dem Antragsgegner zu verbieten, die Ehewohnung zu betreten. Gleichzeitig hat sie um die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nachgesucht. Dem Antrag war die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen beigefügt. Durch Verfügung vom 13.8.2010 hat das Amtsgericht der Antragstellerin mitgeteilt, dass es beabsichtige, nach § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu verfahren und die Erklärung nebst Belegen der Gegenseite zugänglich zu machen.

Die Antragstellerin hat daraufhin der angekündigten Vorlage der Verfahrenskostenhilfeunterlagen an den Antragsgegner ausdrücklich widersprochen mit der Begründung, eine abstrakte Verpflichtung zur Auskunftserteilung reiche nicht aus, sondern der Auskunftsanspruch müsse Gegenstand des Verfahrens sein. Finde die Zuleitung gleichwohl statt, liege ein Grundrechtsverstoß vor.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht beschlossen, die Erklärung und die Belege zum eingereichten Verfahrenskostenhilfegesuch an die Gegenseite zu übermitteln. Es bedürfe keines konkreten Verfahrens, vielmehr sei es ausreichend, dass zwischen den Beteiligten ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch bestehe. Dies sei bei den getrennt lebenden Beteiligten der Fall.

Hiergegen richtet sich die bei Gericht eingegangene Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt. Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, die Übersendung der Verfahrenskostenhilfeunterlagen an den Antragsgegner sei insbesondere deshalb unzulässig, da für den Auskunftsanspruch das Bestehen eines Unterhaltsrechtsverhältnisses nicht genüge, sondern dieses Gegenstand des Verfahrens sein müsse. Da zwischen den Beteiligten weder Trennungs- noch Kindesunterhaltsansprüche anhängig gemacht worden seien, bestehe kein Recht zur Übersendung der Unterlagen. Eine andere Auslegung der Vorschrift würde dazu führen, dass in allen familienrechtlichen Verfahren zukünftig alle Unterlagen zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe der Gegenseite zugänglich gemacht werden könnten. Dies verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Durch Beschluss vom gleichen Tage hat der zuständige Einzelrichter die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat zur Entscheidung übertragen.

Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Sie richtet sich gegen eine die Antragstellerin belastende Maßnahme innerhalb des Verfahrens über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (Musielak/Fischer, Kommentar zur ZPO, 7. Aufl., § 117 Rn. 17).

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung in dem angefochtenen Beschluss die Übersendung der Erklärung und der Belege zum eingereichten Verfahrenskostenhilfegesuch an die Gegenseite beschlossen. Der in der Beschwerde vertretenen Rechtsauffassung vermag der Senat nicht zu folgen.

Nach der Ergänzung des § 117 Abs. 2 ZPO durch Einfügung des Satzes 2 durch das FGG-RG ist dem Gericht im Interesse der Richtigkeitsgewähr hinsichtlich der Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des den Antrag stellenden Beteiligten grundsätzlich die Befugnis eingeräumt worden, die Erklärung dem Gegner zur Einsichtnahme und Stellungnahme zuzuleiten. Die Regelung soll dazu dienen, eine größere Gewähr für die Richtigkeit der Angaben zu erreichen, weil der andere Beteiligte falsche oder fehlende Angaben aufdecken wird (BT-Drucksache 16/6308, S. 325; Viefhues in Münchener Kommentar zum FamFG, § 77, Rn. 5). Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen den Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Auskunft über die Einkünfte und das Vermögen besteht. Ein solcher Anspruch ist etwa nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1580 oder 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben. Vorliegend besteht ein solcher Anspruch nach § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB. Denn bei Bestehen eines Auskunftsanspruchs können die Beteiligten grundsätzlich jederzeit gegenzeitig Auskunft verlangen. Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie von der Antragstellerin befürchtet, ist daher ebenso wenig ersichtlich wie ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.

Mithin reicht die bloße Existenz eines Auskunftsanspruchs nach den Vorschriften des BGB aus. Der Anspruch muss somit entgegen der von der Beschwerde vertretenen Auffassung weder konkret fällig noch Gegenstand des zugrunde liegenden Verfahrens sein (statt aller Viefhues in Münchener Kommentar, a.a.O. m.w.N., auch zur Gegenansicht).

Der Beschluss des Amtsgerichts ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.

Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.

OLG Koblenz Beschluss vom 04.11.2010
7 WF 872/10

AG Diez, Beschluss vom 30.09.2010
12 F 131/10

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