OLG Thüringen: Kein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegenüber der Mutter

OLG Thüringen: Kein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegenüber der Mutter

  1. Dem “Scheinvater” steht ein Anspruch auf Auskunft gegen die Kindesmutter nach § 242 BGB derzeit nicht zu, da er nach wie vor als rechtlicher Vater des Kindes gemäß § 1592 Nr. 1 BGB gilt.
  2. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.
  3. Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe nicht veranlasst.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1) und 2) waren verheiratet. Sie haben am 30.12.1991 die Ehe miteinander geschlossen. Das Kind M. H. C. K. wurde am 31.05.1992 nach Eheschließung geboren. Die Scheidung der Ehe erfolgte nach der Geburt des Kindes durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Gera vom 19.03.1998 (Az. 2 F 201/96), rechtskräftig seit dem 19.05.1998.

Der Beteiligte zu 1) leistete als Scheinvater des am 31.05.1992 ehelich geborenen Kindes M. H. C. K. Kindesunterhalt. Er wurde durch Urteil des Amtsgerichts Gera vom 07.10.2004 verurteilt, ab Dezember 2002 Unterhalt in Höhe von 60 % des Regelbetrages nach § 2 RegelbetragVO in der jeweiligen Altersstufe zu zahlen. Die titulierten Unterhaltsansprüche zahlte der Beteiligte zu 1) teilweise zu Händen der Beteiligten zu 2) als Kindesmutter, zudem betrieb die Beteiligte zu 2) für das Kind mehrfach erfolgreich die Zwangsvollstreckung.

Aus dem Abstammungsgutachten nach Antragstellung gemäß § 1598 a BGB vom 17.02.2009 ergibt sich, dass der Beteiligte zu 1) nicht der biologische Vater des Kindes ist. Das Gutachten wurde eingeholt, nachdem das Kind im Verfahren vor dem Amtsgericht Gera zum Az. 3 F 353/08 die Mitwirkung gemäß § 1598 a BGB anerkannt hatte und die Beteiligte zu 2) zu den entsprechenden Mitwirkungshandlungen verpflichtet worden war (Az. 3 F 353/08).

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Beteiligte zu 1) beantragt, die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, ihm unter der Benennung von Vor- und Familiennamen, Anschrift und Geburtsdatum Auskunft darüber zu erteilen, mit wem sie im Zeitraum vom 300. Tag bis 181. Tag vor dem 31.05.1992 Geschlechtsverkehr hatte. Zur Begründung seines Antrages hat er vorgetragen, er beabsichtige gemäß § 1607 Abs. 3 BGB übergegangene Ansprüche gegen den leiblichen Vater des Kindes geltend zu machen.

Die Beteiligte zu 2) habe als Kindesmutter selber die Ursachen dafür gesetzt, dass der Beteiligte zu 1) anstelle des tatsächlichen Vaters die Unterhaltszahlungen erbrachte. Bis zur Trennung der Parteien (zwischen Juni und August 1994) habe sie ihn in dem Glauben gelassen, dass er der Vater des Kindes sei. Auch nach der Trennung habe sie das Vertrauen des Beteiligten zu 1) in seine Vaterschaft nicht beseitigt. Sie habe zwar widersprüchliche Angaben zur Vaterschaft gemacht, aber nie erklärt, dass der Beteiligte zu 1) nicht der Vater sei. Erst im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens vor dem Amtsgericht Gera (Az. 3 F 353/08) habe sie sich dahingehend positioniert, dass der Beteiligte zu 1) nicht der Vater sei.

Das Amtsgericht hat dem Beteiligten zu 1) Verfahrenskostenhilfe verweigert und zur Begründung ausgeführt, die Frage, ob der Scheinvater einen Anspruch gegen die Kindesmutter habe, den Namen des leiblichen Vaters ihres Kindes zu benennen, sei in der Rechtsprechung umstritten. Überwiegend werde dieser Anspruch jedoch bejaht, wenn die Kindesmutter gegenüber dem Scheinvater unter den Voraussetzungen des § 826 BGB (Arglist) schadensersatzpflichtig wäre.

Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben. Der minderjährige M. H. C. sei am 31.05.1992 in der 40. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen. Nach Angaben der Kindesmutter sei im Dezember 1991 die Schwangerschaft durch die Frauenärztin in der 17. Schwangerschaftswoche festgestellt worden. Selbst wenn der erste sexuelle Kontakt zwischen den Parteien im September 1991 stattgefunden haben sollte, hätten für den Beteiligten zu 1) aufgrund der Daten Zweifel an der Vaterschaft bestehen müssen. Bereits in dem Unterhaltsprozess (Az. 2 F 44/03) habe der Beteiligte zu 1) Zweifel an der Vaterschaft vorgetragen. Ein Anspruch aus § 826 i. V. m. § 242 BGB sei deshalb nicht gegeben.

Die Klage sei erhoben worden, um Unterhaltsansprüche gemäß § 1607 Abs. 3 BGB geltend zu machen. Dies könne durch den Antragsteller nur dann erfolgen, wenn eine Ausnahme der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB gegeben sei. Allerdings sei es für den Regressanspruch erforderlich, dass die Vaterschaft des Beteiligten zu 1) gegenüber dem minderjährigen Kind gerichtlich ausgeschlossen und die Vaterschaft eines anderen Mannes festgestellt worden sei. Das Amtsgericht halte diese Feststellung in dem Verfahren auf Unterhalt gemäß § 1607 Abs. 4 BGB im konkreten Fall durchaus für möglich; es fehle aber an einem arglistigen Verhalten der Kindesmutter.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1), die anführt, die Anforderungen an die Erfolgsaussicht dürften nicht überspannt werden. Eine Beweiserhebung habe sich im vorliegenden Verfahren aufgedrängt, um der Behauptung nachzugehen, dass die Beteiligte zu 2) den Beteiligten zu 1) in dem Glauben gelassen habe, er sei der Vater und damit arglistig gehandelt habe.

Dass eben der Beteiligte zu 1) in der Vergangenheit die Äußerung gemacht habe, nicht der Vater zu sein, beruhe letztendlich darauf, dass er nicht gewusst habe, ob die Angaben der Beteiligten zu 2) zuträfen oder nicht und mit der er die Beteiligte zu 2) provozieren wollte, ihm eine verbindliche Antwort zu geben.

II.

Die Senatsentscheidung richtet sich gemäß Artikel 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG nach dem seit dem 1. September 2009 geltenden Recht.

Die gemäß § 76 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO vom Einzelrichter zu bescheidende, nach § 76 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat das Familiengericht es abgelehnt, dem Beteiligten zu 1) Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

Dem Beteiligten zu 1) steht gegen die Beteiligte zu 1) der erhobene Anspruch auf Auskunft nach § 242 BGB derzeit nicht zu.

Nach Treu und Glauben besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Auflage, § 261 Rn. 8; vgl. allgemein zum Streitstand betreffend den Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Kindesmutter auf Benennung des Erzeugers (vgl. OLG Schleswig-Holstein, FamRZ 2009, 1924 m w N).

Diese Voraussetzungen eines Auskunftsanspruches liegen insoweit vor, als der Beteiligte zu 1) nicht weiß und ohne die Beteiligte zu 2) nicht wissen kann, wer ihr in der gesetzlichen Empfängniszeit (§ 1600d Abs. 3 Satz 1 BGB) beigewohnt hat und gegen wen er nach §§ 1607 Abs. 3 Satz 2 und 1, 1601, 1602 Abs. 1 1610 Abs. 1 BGB möglicher Weise übergegangene Ansprüche geltend machen kann, nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ungeachtet des § 1600d Abs. 4 BGB (BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008, 1424). Es ist auch mangels weiterer Anhaltspunkte ohne weiteres davon auszugehen, dass die Beteiligte zu 2) diese Angaben machen kann.

Im vorliegenden Verfahren besteht aber die Besonderheit, dass der Beteiligte zu 1) seine Vaterschaft (§ 1592 Nr. 1 BGB) bisher nicht gerichtlich angefochten hat. Das im Rahmen des Verfahrens nach § 1598 a BGB eingeholte Abstammungsgutachten der JenaGen GmbH vom 17.02.2009 ist zwar zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beteiligte zu 1) nicht der biologische Vater des Kindes ist.

Mit der Abstammungsklärung sind aber keine statusrechtlichen sowie familienrechtlichen Konsequenzen verbunden. Es handelt sich um eine „rechtsfolgenlos Klärung der Abstammungsverhältnisse“. Die Rechtslage bleibt also auch bei Widerlegung der Abstammung von dem juristisch als Vater geltenden Mann nahezu unverändert. Der Scheinvater bleibt sorgeberechtigt und unterhaltspflichtig; er kann diese Rechte und Pflichten jetzt allein durch Vaterschaftsanfechtung beendigen; wobei sich das Erfordernis des Anfangsverdachts durch die isolierte Vaterschaftsklärung erledigt (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1598 a, Rn. 15).

Die Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB kann im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2008, 1424) in besonders gelagerten Einzelfällen zwar mit der Folge durchbrochen werden, dass die Vaterschaft des mutmaßlichen Erzeugers inzident festgestellt wird.

Dies wird mit der ausweglosen Situation begründet, in die der Scheinvater ansonsten geriete (Zimmermann, Der Unterhaltsregress des Scheinvaters bei inzidenter Vaterschaftsfeststellung, FPR 2008, 327, 329 unter Hinweis auf BGH, NJW 1993, 1195). Der Mann, den er für den tatsächlichen Vater hält, und der möglicherweise die Regressverpflichtung scheut, macht von seiner Klagebefugnis gem. §§ 1600d BGB keinen Gebrauch, er klagt also nicht auf Feststellung der Vaterschaft, er erkennt die Vaterschaft gem. § 1592 Nr. 2 BGB auch nicht an. Die Mutter betreibt – möglicherweise – ebenfalls keine Feststellung, weder in eigener Person noch als Vertreterin für das Kind. Der Scheinvater war nicht feststellungsberechtigt gem. § 1600e Abs. 1 BGB a. F. (§ 169 Nr. 1 FamFG). Die den Regress vorsehende Bestimmung des § 1607 Abs. 3 BGB läuft damit ins Leere, weil die Feststellung der Vaterschaft vorauszugehen hat und der Scheinvater damit faktisch rechtlos gestellt ist (Zimmermann, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall besteht aber die Besonderheit, dass der Beteiligte zu 1) nach wie vor als rechtlicher Vater des Kindes gemäß § 1592 Nr. 1 BGB gilt und demnach eine anderweitige gerichtliche Feststellung der Vaterschaft gemäß § 1600 d BGB nicht in Betracht kommt, da ein Vaterschaftsfestellungsantrag gemäß § 1600 d Abs. 1 BGB eine ungeklärte Vaterschaft voraussetzt. Es darf kein anderer Mann kraft Gesetzes als Vater des Kindes gelten. Ist das doch der Fall, muss zunächst diese Scheinvaterschaft durch Vaterschaftsanfechtung beseitigt werden (§§ 1600 ff. BGB; vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1600d, Rn. 8).

Es obliegt daher dem Beteiligten zu 1) die gerichtliche Feststellung, dass er nicht der Vater des Kindes ist, zu betreiben.

Die Rechtsverfolgung des Beteiligten zu 1) ist aufgrund der Nichtklärung seiner Vaterschaft derzeit nicht erfolgversprechend. Das Amtsgericht hat ihm zu Recht Verfahrenskostenhilfe verweigert.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

OLG Thüringen, Beschluss vom 02.11.2010
1 WF 353/10

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