I.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht – Eschweiler vom 03.01.2011 – 13 F 133/10 -, mit welchem den Kindeseltern unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Münster vom 14.12.2004 – 39 F 2168/04 – die elterliche Sorge für die im Beschlussrubrum genannten beteiligten minderjährigen Kinder der Verfahrensbeteiligten zu 1. und 2. entzogen, Vormundschaft angeordnet und zum Vormund das Jugendamt T. bestimmt worden ist, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
II.
Der Antrag des Antragstellers, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird mangels Erfolgsaussicht des Beschwerdeverfahrens zurückgewiesen.
III,
Der Antragsgegnerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin X. in P. ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Die Beiordnung von Rechtsanwältin X. in P. erfolgt zu den Bedingungen eines im Bezirk des OLG Köln niedergelassenen Rechtsanwalts.
Gründe
I.
Die gemäß §§ 58, 59, 61, 63, 64, 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG zulässige – insbesondere frist- und formgerecht eingelegte – Beschwerde des antragstellenden Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Eschweiler vom 03.01.2011 – 13 F 133/10 -, mit welchem den Kindeseltern (Antragsteller und Antragsgegnerin) unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Münster vom 14.12.2004 – 39 F 218/04 – die elterliche Sorge für die verfahrensbeteiligten im Beschlussrubrum genannten minderjährigen gemeinsamen Kinder entzogen, Vormundschaft angeordnet und zum Vormund das Jugendamt T. bestellt worden ist, ist unbegründet. Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Familiengericht den Kindeseltern die elterliche Sorge entzogen und auf das Jugendamt der Stadt T. übertragen. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die überzeugenden umfassenden Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung des Familiengerichts. Der Beschwerde führende Antragsteller hat seine Beschwerde nicht weiter begründet, so dass der Senat die tragenden Gründe der familiengerichtlichen Entscheidung lediglich nochmals wie folgt zusammenfasst:
Die elterliche Sorge war den Kindeseltern gemäß §§ 1666, 1666a, 1667 BGB vollständig zu entziehen, da ansonsten einer drohenden nachhaltigen Gefahr für das seelische Wohl der beteiligten gemeinsamen Kinder der Kindeseltern nicht anders begegnet werden konnte. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Entzug des gesamten Sorgerechts nur in Betracht kommt, wenn mildere Mittel nicht ausreichen. Die strikte Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei Trennung des Kindes von der Familie ist oberstes Verfassungsgebot, nach dem sich die Familiengerichte bei der Auswahl der zu treffenden sorgerechtlichen Entscheidung zu richten haben (so BVerfG, NJW 1982, 1379, 1380). Dabei gehört es nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Vielmehr gehören die Eltern und deren sozioökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Daher reicht es jedenfalls für eine Trennung des Kindes von seinen Eltern allein nicht aus, wenn das Kind woanders nur besser erzogen oder gefördert würde (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1666 Rdn. 9 m.w.N.). Ausgehend vom Erziehungsprimat der Eltern und von der Beschränkung des Staates auf das Wächteramt kann sich die staatliche Berechtigung, in die Eltern-Kind-Beziehung einzugreifen, nicht an irgendwelchen gesellschaftspolitischen, religiösen oder sonstigen weltanschaulichen Idealen oder bürgerlichen Höchststandards ausrichten, sondern darf sich sowohl beim Kind als auch bei den Eltern nur von Fällen einigermaßen bedenklicher sozialer Deviation herausgefordert fühlen. Nicht jedes Versagen berechtigt den Staat, die Eltern auszuschalten. Andererseits kann die erzieherische Nichteignung bei den Eltern durchaus unterschiedliche Gründe haben. Ein Verschulden der Eltern diesbezüglich ist nicht erforderlich. Die Rechtfertigung gerichtlicher Maßnahmen liegt in der zu besorgenden Kindeswohlgefährdung, die nicht anders ausgeglichen werden kann (Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rdn. 13 ff.).
Das Familiengericht hat bei seiner Entscheidung diese Maßstäbe beachtet. Die Gefahr einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung in Form gravierender Entwicklungsstörungen der Kinder ist evident. So hat das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten bereits erhebliche Entwicklungsstörungen bei den beteiligten Kindern festgestellt. Diese kindeswohlgefährdenden Entwicklungsstörungen sind gerade durch das erzieherische Fehlverhalten der Kindeseltern begründet. Extrem häufige Trennungen der Kindeseltern verbunden mit häufigen Umzügen sowie die damit verbundenen Loyalitätskonflikte, die den Kindern zugemutet worden sind, haben diese so schwer belastet, dass von den beteiligten Kindeseltern eine störungs- und angstfreie Entwicklung ihren Kindern nicht ermöglicht wurde. Die jeweiligen Trennungen haben zu fortschreitenden Entwurzelungen der Kinder geführt. Die Versuche der Kindeseltern, jeweilige Umgangskontakte zu vereiteln, haben zudem Loyalitätskonflikte bei den Kindern hervorgerufen. Auch dies hat zu nachhaltigen Schäden in der seelischen Entwicklung aller Kinder geführt. Diese Gefährdungssituation ist noch dadurch verstärkt worden, dass – wie der Sachverständige in seinem erstinstanzlich erstellten Gutachten vom 06.08.2010 (vgl. Sonderband Gutachten zu 13 F 133/10) festgestellt hat – bei beiden Elternteilen Defizite in der Elterlichkeit vorliegen, die diese nicht bereit bzw. in der Lage waren durch eine verantwortliche Zusammenarbeit in der gemeinsamen elterlichen Sorge auszugleichen. Auf Seiten des Kindesvaters fielen dabei verstärkend gravierende persönliche charakterliche Defizite ins Gewicht. So scheint der Kindesvater nicht in der Lage zu sein, seine Emotionen in den Griff zu bekommen. Vielmehr neigt er auch in Gegenwart der Kinder zu verbalen Ausfällen und auch Tätlichkeiten zumindest gegenüber der Antragsgegnerin. Dies hat wiederholt zur Flucht der Antragsgegnerin in Frauenhäuser geführt. Andererseits ist auch die Antragsgegnerin nicht in der Lage, Konstanz und Kontinuität in die Erziehungstätigkeit zu bringen. Auch sie ist viel zu sehr in der Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann verhaftet, als dass sie das Wohl ihrer Kinder im Auge hätte. Es ist nicht absehbar, dass sich diese Konflikte trotz ihrer negativen Auswirkungen auf das Bedürfnis der Kinder nach Sicherheit und Stabilität beenden ließen. So ist das Bindungsverhalten der Kinder wie auch deren psychische Stabilität schon massiv beeinträchtigt. In der 23 Jahre dauernden Beziehung der Kindeseltern sollen 17 Trennungen erfolgt sein, wobei zumindest teilweise auch Gewalttätigkeiten des Antragstellers eine Rolle spielten und in die die Kinder jeweils seit ihrer Geburt eingebunden waren und noch sind. Es bedarf keiner weiteren Erläuterungen, dass derart hochemotionale Trennungen und Versöhnungen nicht nur die Eltern an die Grenze des für sie emotional Ertragbaren gebracht haben, sondern, dass auch ihre Kinder hierdurch massiv beeinträchtigt werden mussten.
Auch der Senat verkennt nicht, dass – wie auch der Sachverständige in seinem Gutachten in erster Instanz festgestellt hat – die Kindeseltern aus ihrer subjektiven Sicht durchaus glaubwürdig die Liebe zu ihren Kindern schildern. Gleichwohl sind sie aus objektiver Sicht nicht in der Lage, diese Liebe in verantwortungsvolles elterliche Verhalten umzusetzen und in ihrem täglichen Erziehungsverhalten zum Tragen zu bringen. Vielmehr bedingen das hohe Konfliktpotential sowie die bestehende Konfliktbereitschaft der Kindeseltern und ihr “Aufsichbezogensein” ihre Unfähigkeit zu erkennen, dass hierunter die gemeinsamen Kinder nicht nur leiden, sondern ganz gravierend in ihrer seelisch-geistigen Entwicklung geschädigt werden. Dies gilt sowohl für das zu erlernende Sozialverhalten der Kinder wie auch für das ihnen vermittelte “Menschenbild”, welches insbesondere durch das nicht akzeptable Verhalten des Kindesvaters gegenüber seiner Ehefrau und Mutter seiner Kinder diesen vermittelt wird. So ist es in immer stärkerem Umfang den Kindeseltern auch unmöglich geworden, verantwortlich in wesentlichen die Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder betreffenden Fragen zusammenzuarbeiten. Folgerichtig kommt es auch immer wieder zu Konflikten zwischen den Kindeseltern über Art und Umfang der Ausübung des Umgangsrechts der Kindesmutter mit ihren Kindern.
Aus dem oben Gesagten versteht sich von selbst, dass eine gemeinsame elterliche Sorge ausscheidet, dass aber auch wegen der bestehenden Defizite die alleinige Sorge für ihre Kinder keinem der Elternteile alleine übertragen werden kann. Bei der jeweils auf die eigene Person bezogene Sichtweise der Dinge liegt die Beeinflussung der Kinder zum Nachteil des jeweils anderen Partners auf der Hand.
Gegen eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter und den Verbleib der Kinder bei der Kindesmutter spricht schon der verfestigte erklärte Kindeswille. Wobei auch hier, wie der Sachverständige überzeugend festgestellt hat, dieses mit der Willensbildung verbundene negative Bild der Kinder von ihrer Mutter ganz entscheidend und für die Entwicklung der Kinder schädlich vom Kindesvater mit geprägt worden ist. Bei dieser Sachlage kann dem Willen der Kinder, beim Vater zu bleiben, nur insoweit entsprochen werden, als ein Verbleiben der Kinder bei der Mutter unter Beibehaltung ihres Sorgerechts ausscheidet. Und der Entzug der elterlichen Sorge auf Seiten des Vaters nicht notwendig damit verbunden sein muss, dass die Kinder auch aus seinem Haushalt genommen werden. Das Jugendamt wird in eigener Verantwortung zu prüfen haben, inwieweit trotz der Erziehungsdefizite des Kindesvaters ein Belassen der Kinder in dessen Haushalt möglich ist. Dabei wird der Kindesvater gehalten sein, sich mit dem Jugendamt abzustimmen und insbesondere sein Verhalten gegenüber der Kindesmutter und zu deren Umgangsrecht zu überprüfen. Das Jugendamt wird auch zu besorgen haben, inwieweit gerade auch bei den größeren Kindern der Kindeswille im Hinblick auf den Umgang mit ihrer Mutter zu beachten ist. Auch hier wird es geboten sein, negativen Einflüssen des Kindesvaters entgegenzuwirken. Sollte sich herausstellen, dass der Kindesvater nicht zu einer Zusammenarbeit im Kindeswohlinteresse bereit oder in der Lage ist, müssten seitens des Jugendamtes weitergehende Schritte ins Auge gefasst werden, was unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit bis zur Wegnahme der Kinder aus dem väterlichen Haushalt führen kann.
Für ein Belassen der Kinder vorerst im väterlichen Haushalt spricht, dass deren Versorgung gewährleistet ist. Soweit sich die Situation zwischen den Kindeseltern stabilisieren sollte, erscheint es daher sinnvoller, wenn die Kinder nicht aus ihrer gewohnten Umgebung beim Kindesvater herausgerissen werden. Das setzt allerdings Kooperationsbereitschaft des Antragstellers voraus. Hier wird der Kindesvater erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen. Bis dahin braucht der Vater der erhöhten Aufsicht durch den Vormund. Der Vormund wird insbesondere zu bedenken haben, ob der geplante Wohnortwechsel dem Kindeswohl dient.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
Der Beschwerdewert beträgt 3.000,00 €.
II.
Im Hinblick auf das zu I. dieses Beschlusses Gesagte, kommt eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Kindesvater nicht in Betracht, da die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Beschwerde nicht gegeben ist.
III.
Dagegen war der verfahrensbeteiligten Kindesmutter im Beschwerdeverfahren des Kindesvaters Verfahrenskostenhilfe zu den genannten Bedingungen zu bewilligen (§§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 3; 114, 115 ZPO) entsprechend.
OLG Köln, Beschluss vom 22.03.2011
4 UF 29/11