a) Die Gewährung von Vollstreckungsschutz durch den Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht kann in einem auf die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels nach völkerrechtlichen Verträgen gerichteten Verfahren nur nach Maßgabe von § 52 Abs. 2 und 3 iVm § 57 AUG erfolgen.
b) Sie scheidet aus, wenn es der Schuldner verabsäumt hat, bereits im Beschwerdeverfahren einen Antrag gemäß § 52 Abs. 2 AUG unter Glaubhaftmachung, dass die weiter gehende Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, zu stellen (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 26. Juni 2013 – XII ZB 19/13 – FamRZ 2013, 1299 und vom 17. Juni 2009 – XII ZB 82/09 – FamRZ 2009, 1402).
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. Botur und Guhling beschlossen:
Die vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 30. April 2020 gestellten Anträge auf Gewährung von Vollstreckungsschutz werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Verfahren hat die Vollstreckbarerklärung eines von einem Gericht in Florida erlassenen Unterhaltstitels zum Gegenstand.
Die Beteiligten sind getrenntlebende Ehegatten. Die Antragstellerin ist amerikanische Staatsbürgerin und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt inzwischen in den USA, während der Antragsgegner deutscher Staatsbürger ist und in Deutschland lebt. Die Antragstellerin beantragte bei dem Bezirksgericht in Florida (Circuit Court for Pinellas County) die Scheidung. Auf ihren zusätzlich gestellten Antrag auf vorläufige Unterhaltsregelung erließ das Bezirksgericht einen Beschluss vom 10. Januar 2019, mit dem der Antragsgegner verpflichtet wurde, an die Antragstellerin einen monatlichen vorübergehenden Unterhalt in Höhe von 15.800 US$ zu zahlen.
Dem Antrag der Antragstellerin, diesen Unterhaltstitel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, hat das Amtsgericht stattgegeben. Die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet er sich mit der Rechtsbeschwerde und begehrt die Gewährung von Vollstreckungsschutz durch den Senat. Er beruft sich darauf, dass das Berufungsgericht in Florida (District Court of Appeal of Florida) mit Entscheidung vom 15. April 2020 den Beschluss des Bezirksgerichts aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen habe. Damit fehle es an einem im Ursprungsstaat vollstreckbaren Titel, auch wenn die Berufungsentscheidung bis zur Entscheidung über den von der Antragstellerin angebrachten Antrag auf erneute Anhörung nicht rechtskräftig sei. Die Antragstellerin hält entgegen, die Entscheidung des Berufungsgerichts entfalte wegen des Antrags noch keine Wirksamkeit.
II.
Die Vollstreckungsschutzanträge des Antragsgegners bleiben ohne Erfolg, ohne dass es darauf ankommt, ob der Unterhaltstitel im Ursprungsstaat rechtswirksam aufgehoben worden ist.
1. Die Vollstreckbarerklärung des vom Bezirksgericht in Florida erlassenen Unterhaltstitels richtet sich nach dem Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23. November 2007 (Haager Unterhaltsübereinkommen 2007 – HUÜ 2007; ABl. 2011 Nr. L 192 S. 51), das für die Europäische Union zum 1. August 2014 und für die Vereinigten Staaten von Amerika zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist (vgl. den über die Homepage der Haager Konferenz – https://www.hcch.net/de/home – abrufbaren Statusbericht). Die Ausführung dieses völkerrechtlichen Vertrags wird durch das Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten vom 23. Mai 2011 (Auslandsunterhaltsgesetz – AUG; BGBl. I S. 898) geregelt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a AUG) und bestimmt sich nach §§ 57 ff. AUG, wobei gemäß § 57 AUG die Vorschriften der §§ 36 bis 56 AUG entsprechend anzuwenden sind, soweit in den §§ 58 bis 63 AUG nichts anderes bestimmt ist.
Gemäß der für die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln nach völkerrechtlichen Verträgen geltenden Sondervorschrift des § 60 AUG ist die Zwangsvollstreckung auf Sicherungsmaßregeln beschränkt, solange die Frist zur Einlegung der Beschwerde noch läuft und solange über die Beschwerde noch nicht entschieden ist; im Übrigen gilt § 52 AUG. Nach dessen Absatz 2 kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Schuldners anordnen, dass bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde oder bis zur Entscheidung über diese Beschwerde die Zwangsvollstreckung nicht oder nur gegen Sicherheitsleistung über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen kann. Eine solche Anordnung darf nur erlassen werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die weiter gehende Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Wird Rechtsbeschwerde eingelegt, kann der Bundesgerichtshof gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 AUG auf Antrag des Schuldners eine Anordnung nach Absatz 2 erlassen.
2. Eine solche – vom Antragsgegner nur hilfsweise beantragte – Anordnung nach § 52 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 AUG scheidet vorliegend aus. Das gilt unbeschadet der Frage, ob die hierfür erforderliche Aussicht der Rechtsbeschwerde auf Erfolg (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Juni 2009 – XII ZB 82/09 – FamRZ 2009, 1402 Rn. 8 zu § 22 AVAG) wegen der im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragenen Aufhebung des Unterhaltstitels im Ursprungsstaat vorliegt (vgl. zur Berücksichtigung einer wirksamen Aufhebung etwa Senatsbeschlüsse vom 23. September 2015 – XII ZB 234/15 – FamRZ 2015, 2144 Rn. 11 f. mwN und BGHZ 171, 310 = FamRZ 2007, 989 Rn. 15 mwN).
Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie sie zum Revisions- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ergangen ist, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre. Diese Grundsätze sind nicht nur auf Ehe- und Familienstreitsachen anzuwenden, in denen der Verpflichtete nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG grundsätzlich bereits in der Beschwerdeinstanz die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung unter Glaubhaftmachung, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, beantragt haben muss, um in der Rechtsbeschwerdeinstanz mit einem entsprechenden Antrag erfolgreich sein zu können (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2013 – XII ZB 19/13 – FamRZ 2013, 1299 Rn. 5 f. mwN). Sie gelten gleichermaßen auch für das Vollstreckbarerklärungsverfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Juni 2009 – XII ZB 82/09 – FamRZ 2009, 1402 Rn. 6; Jennissen/ Eichel in Schuschke/Walker/Kessen/Thole ZPO 7. Aufl. § 52 AUG und § 24 AVAG Rn. 4).
Einen diesen Erfordernissen genügenden Antrag hat der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren aber nicht gestellt, sondern lediglich beantragt, durch den „Erlass einer vorläufigen Anordnung die weiteren Vollstreckungsversuche der Antragstellerin und Gläubigerin zu unterbinden, bis zu einer endgültigen rechtskräftigen Entscheidung in Deutschland.“ Unabhängig davon, dass dieses Begehren auf ein anderes Rechtsschutzziel als das von § 52 Abs. 2 AUG vorgesehene gerichtet ist, hat der Antragsgegner gegenüber dem Beschwerdegericht schon nicht dargelegt, dass die über Maßregeln zur Sicherung hinausgehende Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Die von ihm hierzu jetzt angeführten Probleme, die Erstattung eines von der Antragstellerin ggf. ungerechtfertigt vollstreckten Unterhalts gegen diese in den USA durchsetzen zu müssen, konnten – unabhängig von ihrer Eignung, einen nicht zu ersetzenden Nachteil im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 2 AUG zu begründen – ohne weiteres bereits in der zweiten Instanz geltend gemacht werden (vgl. Senatsbeschluss vom 28. März 1990 – XII ZR 3/90 – FamRZ 1990, 996). Dort aber hatte der Antragsgegner in einem weiteren Schriftsatz lediglich beiläufig darauf hingewiesen, dass der Unterhalt möglicherweise verbraucht sein könnte. Die vom Antragsgegner geltend gemachte Aufhebung des Unterhaltstitels im Ursprungsstaat ist für die Frage, ob mit der Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil verbunden ist, ohne Belang.
3. Der Antragsgegner stützt sein Verlangen auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bzw. Aussetzung der Vollziehung sowie Aufhebung eines von der Antragstellerin bereits erwirkten Pfändungsbeschlusses ohne Erfolg einerseits auf § 2 AUG iVm § 64 Abs. 3 FamFG analog und andererseits auf eine entsprechende Anwendung von § 67 Abs. 5 AUG, §§ 769, 770 ZPO.
a) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung durch den Senat in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG hat zu unterbleiben, weil die Verweisungsnorm des § 2 AUG, wonach die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit angewendet werden, soweit im Auslandsunterhaltsgesetz nichts anderes geregelt ist, vorliegend nicht eingreift. Für das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln nach völkerrechtlichen Verträgen treffen die §§ 60, 57, 52 AUG nämlich spezielle Regelungen zu Fragen des Vollstreckungsschutzes, die die familienverfahrensrechtlichen Vorschriften verdrängen.
b) Ebenso wenig kommt der Erlass von einstweiligen Anordnungen entsprechend § 67 Abs. 5 AUG, §§ 769, 770 ZPO in Betracht.
Mit § 67 AUG hat der Gesetzgeber eine Regelung für den Fall getroffen, dass der rechtskräftig für vollstreckbar erklärte ausländische Unterhaltstitel im Ursprungsstaat nachträglich aufgehoben oder geändert wird. Kann der Schuldner diese Tatsache in dem Verfahren auf Zulassung der Zwangsvollstreckung nicht mehr geltend machen, so kann er gemäß § 67 Abs. 1 AUG die Aufhebung oder Änderung dieser Zulassung in einem besonderen Verfahren beantragen. Ausschließlich zuständig für dieses Verfahren ist nach § 67 Abs. 2 AUG das Gericht, das im ersten Rechtszug über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel entschieden hat. Für die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßregeln sind die §§ 769 und 770 ZPO entsprechend anzuwenden (§ 67 Abs. 5 Satz 1 AUG).
Für eine entsprechende Anwendung dieser Vollstreckungsschutzbestimmung auf den – hier vom Antragsgegner geltend gemachten – Fall der Aufhebung des Unterhaltstitels noch während des laufenden Vollstreckbarerklärungsverfahrens fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Viel-mehr ist dieser Umstand auch von den mit den Rechtsbehelfen im Vollstreckbarerklärungsverfahren befassten Gerichten bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss uneingeschränkt zu prüfen (Senatsbeschluss vom 23. September 2015 – XII ZB 234/15 – FamRZ 2015, 2144 Rn. 11 mwN) und mithin zu berücksichtigen. Umgekehrt ist der Schuldner gehalten, zur Vermeidung der mit § 67 Abs. 1 AUG verbundenen, dem § 767 Abs. 2 ZPO entsprechenden Präklusion die Aufhebung des ausländischen Unterhaltstitels schon im Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend zu machen. Für dieses Verfahren hat der Gesetzgeber mit §§ 60, 57, 52 AUG abschließend geregelt, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit die Zwangsvollstreckung aus einem zur Vollstreckung zugelassenen Unterhaltstitel beschränkt ist bzw. werden kann. Diese Bestimmungen sind auch dann einschlägig, wenn der Schuldner sich im Rechtsmittelzug gegen die Vollstreckbarerklärung allein mit dem Einwand zur Wehr setzt, der Unterhaltstitel sei inzwischen aufgehoben.
Im Übrigen ist die Aufhebung des Vollstreckungstitels nach Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung nicht so weit mit derjenigen vor diesem Zeitpunkt vergleichbar, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 – XII ZB 33/18 – FamRZ 2019, 1543 Rn. 18 mwN). Denn Ziel des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach §§ 57 ff. iVm 36 ff. AUG ist, dem regelmäßig auf umgehende Zahlungen angewiesenen Unterhaltsgläubiger zügig die Vollstreckung aus einem ausländischen Unterhaltstitel im Inland zu ermöglichen (vgl. Hausmann IntEuFamR 2. Aufl. M Rn. 794; vgl. auch Art. 23 Abs. 11 HUÜ 2007). Mit Blick darauf hat der Gesetzgeber in § 52 Abs. 2 und 3 AUG nur sehr eingeschränkte und an hohe Voraussetzungen geknüpfte Vollstreckungsschutzanordnungen der Rechtsmittelgerichte während des laufenden Vollstreckbarerklärungsverfahrens zugelassen. Dies korrespondiert zudem mit Sinn und Zweck des Art. 23 Abs. 10 HUÜ 2007, der festlegt, dass ein vom Recht des Vollstreckungsstaates vorgesehenes, dem Erstrechtsmittel nachfolgendes zusätzliches Rechtsmittel nicht zur Aussetzung der Vollstreckung führen darf, es sei denn, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Für die Aufhebung des Unterhaltstitels nach Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung gelten diese Erwägungen zur Verfahrensbeschleunigung hingegen nicht, so dass der Gesetzgeber sich insoweit am Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO mit den hierfür geltenden Vollstreckungsschutzbestimmungen orientiert hat.
BGH, Beschluss vom 27.05.2020
XII ZB 102/20
AG München, Entscheidung vom 03.05.2019
568 F 1884/19
OLG München, Entscheidung vom 11.02.2020
12 UF 774/19