BGH: Nachteilsausgleich beim Realsplitting

BGH: Nachteilsausgleich beim Realsplitting

a) Das Verfahren auf Ersatz der aus dem begrenzten Realsplitting entstandenen Nachteile ist eine Unterhaltssache und als solche eine Familienstreitsache (im Anschluss an Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 – XII ZR 146/05FamRZ 2008, 40).

b) Zu den Anforderungen an den Sachantrag im Rahmen der Beschwerdebegründung in einer Familienstreitsache.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling und Guhling und die Richterin Dr. Krüger beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 26. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts München vom 1. Juli 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Wert: 3.765 €

Gründe

I.

Die Beteiligten sind getrennt lebende Ehegatten. Sie streiten über den Ausgleich von Steuernachteilen, unter anderem über die Erstattung eines Nachteils der Antragstellerin aus dem begrenzten Realsplitting für die Jahre 2015 und 2016.

Das Amtsgericht hat den Antrag insoweit durch Teilbeschluss abgewiesen und das Verfahren im Übrigen (Ausgleichsanspruch und Widerantrag des Antragsgegners für das Steuerjahr 2013) ausgesetzt.

Die Antragstellerin hat gegen den amtsgerichtlichen Teilbeschluss Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdeschrift hat sie auf die nach Verkündung des amtsgerichtlichen Beschlusses erfolgte Nachreichung von Steuerbescheiden für die Jahre 2015 und 2016 Bezug genommen. Einen Antrag hat sie innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist nicht angekündigt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde deswegen verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Der Streitgegenstand des mit der Beschwerde angefochtenen Teilbeschlusses stellt entgegen der von der Rechtsbeschwerde in anderem Zusammenhang vertretenen Ansicht eine Familienstreitsache dar. Es handelt sich insoweit jedoch entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht um eine sonstige Familiensache nach § 266 Nr. 2 FamFG, sondern um eine Unterhaltssache nach §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. Denn der Anspruch auf Ersatz von Nachteilen aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings findet seine Grundlage im gesetzlichen Unterhaltsverhältnis der – geschiedenen – Ehegatten. Das Verfahren ist entsprechend der materiell-rechtlichen Herleitung des Anspruchs folglich als Unterhaltssache einzuordnen (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 – XII ZR 146/05FamRZ 2008, 40 Rn. 10 ff. mwN). Daran hat sich durch das FGG-Reformgesetz nichts geändert (vgl. Keidel/Weber FamFG 20. Aufl. § 231 Rn. 9; Prütting/Helms*/ Bömelburg FamFG 4. Aufl. § 231 Rn. 14 f.; aA ohne Begründung OLG Hamm Beschluss vom 22. Mai 2014 – II-2 UF 6/14 – juris; Grandel/Borth in Musielak/ Borth FamFG 6. Aufl. § 231 Rn. 8 und § 266 Rn. 10; Zöller/Lorenz ZPO 33. Aufl. § 266 FamFG Rn. 14).

Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, weil die angefochtene Entscheidung die Antragstellerin in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 ZPO).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

a) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts genügen die von der Antragstellerin eingereichten Schriftsätze nicht den Anforderungen an die Antragstellung im Rahmen einer Beschwerdebegründung in Familienstreitsachen. Die Schriftsätze enthielten keinen ausdrücklichen bestimmten Sachantrag im Sinne von § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Es lasse sich aus den sehr kurzen Texten auch nicht entnehmen, welches Ziel die Antragstellerin verfolge. Aus den vorgelegten Unterlagen ergäben sich teils widersprüchliche Zahlen im Hinblick auf den Nachteil aus dem begrenzten Realsplitting für 2016. Es könne nicht angenommen werden, dass die Antragstellerin dieselben Anträge wie im ersten Rechtszug stellen wolle.

b) Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat der Beschwerdeführer in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Er muss demnach in der Beschwerdebegründung darlegen, in welchem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung angreifen will und wie er den Angriff begründet. Da § 117 FamFG keine speziellen Regelungen zum Inhalt der Beschwerdebegründung enthält, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, ob ein Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt und ausreichend begründet ist. Deshalb können für den notwendigen Inhalt der Beschwerdebegründung im Wesentlichen die Anforderungen herangezogen werden, die für eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gelten, auch wenn § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG nicht auf § 520 Abs. 3 ZPO verweist. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung beinhalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert der Zweck des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch die Vorschrift soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Daher reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll. Danach sind die Anforderungen, die § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen bestimmten Sachantrag stellt, erfüllt, wenn die Beschwerdebegründung erkennen lässt, in welcher Weise der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll. Eine Schlüssigkeit der gegebenen Begründung ist nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 10. Juni 2015 – XII ZB 611/14FamRZ 2015, 1375 Rn. 9 ff. mwN).

bb) Diesen Anforderungen ist durch die von der Antragstellerin vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingereichten Schriftsätze vom 16. April 2019 und 25. April 2019 noch genügt worden.

Weil ein förmlicher Antrag nicht zwingend erforderlich ist, genügt es, wenn sich der Umfang der Anfechtung mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Zusammenhang ergibt. Das ist hier der Fall. Aus dem angefochtenen Beschluss ergeben sich für die Jahre 2015 und 2016, die allein Gegenstand des Teilbeschlusses sind, die von der Antragstellerin insoweit geltend gemachten Hauptforderungen von 1.969,68 € (2015) und 1.795,67 € (2016). Durch die Einlegung der Beschwerde und Vorlage der Steuerbescheide hat die Antragstellerin trotz der nur kurzen und oberflächlichen Abfassung ihres Beschwerdeschriftsatzes zu erkennen gegeben, dass sie den amtsgerichtlichen Beschluss in vollem Umfang anfechten will.

ntsprechend hat auch das Oberlandesgericht den Beschwerdewert auf (1.969,68 € + 1.795,67 € =) 3.765,35 € festgesetzt. Dass sich aus der Nachteilsberechnung der Steuerberaterkanzlei, wie vom Oberlandesgericht angeführt, für das Jahr 2016 mit 2.747,22 € ein höherer Betrag ergibt, als die Antragstellerin erstinstanzlich geltend gemacht hat, ändert daran ungeachtet der Tatsache, dass sich das Bedenken des Oberlandesgerichts nur auf das Jahr 2016 bezieht, nichts. Da es sich um einen gegenüber der ersten Instanz höheren Betrag handelt, lässt dies keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Antragstellerin den amtsgerichtlichen Beschluss in vollem Umfang anfechten wollte. Anderes würde nur bei einem verringerten Betrag gelten, weil dann mangels ausdrücklicher Antragstellung möglich erschiene, dass die Antragstellerin den amtsgerichtlichen Beschluss nur teilweise anfechten wollte.

Im hier vorliegenden Fall, dass der aus den vorgelegten Unterlagen hervorgehende Betrag höher ist als der erstinstanzlich geltend gemachte, bedürfte es zur Geltendmachung des höheren Betrags in der Beschwerdeinstanz einer Antragserweiterung in der Hauptsache, die allerdings ausdrücklich erklärt werden müsste. Da eine Antragserweiterung hier unzweifelhaft nicht erfolgt ist, wird im Ergebnis noch hinreichend deutlich, dass die Antragstellerin den vom Amtsgericht abgewiesenen Teil ihrer Anträge von vornherein unverändert weiterverfolgen und den amtsgerichtlichen Beschluss mithin in vollem Umfang angreifen wollte.

Den Anforderungen an eine Beschwerdebegründung ist auch im Übrigen genügt. Durch die Bezugnahme auf die für die Jahre 2015 und 2016 vorgelegten Steuerbescheide hat die Antragstellerin ersichtlich auf die entsprechende Begründung der durch den amtsgerichtlichen Teilbeschluss erfolgten Antragsabweisung wegen fehlender Steuerbescheide Bezug genommen. Auch wenn die Begründung lediglich kurz gefasst ist, trifft diese mithin den Kern der vom Amtsgericht für die Antragsabweisung gegebenen Begründung. Da es sich um neue Tatsachen handelt, bedurfte es keiner darüber hinausgehenden Auseinandersetzung mit den Gründen des amtsgerichtlichen Beschlusses (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2018 – XII ZB 418/18 – FamRZ 2019, 378 Rn. 8 mwN).

Die Beschwerdebegründung ist mithin formgerecht vor Ablauf der diesbezüglichen Frist erfolgt, so dass das Rechtsmittel nicht verworfen werden durfte.

c) Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil es sich – aus seiner Sicht folgerichtig – bislang noch nicht mit der Sache befasst hat.

BGH, Beschluss vom 13.05.2020
XII ZB 361/19

AG München, Entscheidung vom 21.03.2019
524 F 9650/18

OLG München, Entscheidung vom 01.07.2019
26 UF 521/19

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