OLG Brandenburg: Befristeter Umgangsausschluss, weil die Mutter nicht will

OLG Brandenburg: Befristeter Umgangsausschluss, weil die Mutter nicht will

Die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Cottbus vom 24.08.2011 (Az.: 97 F 138/10) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Vater auferlegt.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1. und zu 2. sind die Eltern des am ….10.2003 geborenen Kindes L… H…. Sie waren nie miteinander verheiratet, lebten aber zunächst zusammen. Die Trennung erfolgte Ende September 2005. Das Kind verblieb im Haushalt der Mutter.

Der Vater hatte zunächst begleiteten Umgang mit L… und später unbegleiteten Umgang am Wohnort des Kindes in Spremberg. Ab 2008 verbrachte das Kind einmal im Monat ein verlängertes Wochenende bei dem Vater in M… bzw. in H…. Es gab auch wöchentlich Telefonkontakt zwischen Vater und Sohn. Im Sommer 2009 und im März 2010 fuhren das Kind, der Vater und dessen Lebensgefährtin zusammen in Urlaub.

Seit April 2010 streiten die Eltern um den Umgang zwischen Vater und Sohn. Auslöser des Streits sind die Gestaltung und bestimmte Geschehnisse während des Urlaubs im März 2010.

Der letzte Kontakt zwischen Vater und Kind fand am 01.09.2010 im Rahmen eines begleiteten Umgangs statt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.

Durch Beschluss vom 24.08.2011 hat das Amtsgericht – nach Einholung eines Sachverständigengutachtens – das Umgangsrecht des Vaters bis zum 23.02.2013 ausgeschlossen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die ablehnende Haltung der Mutter dem Vater gegenüber und das streitbelastete Verhältnis zwischen den Eltern für das Kind mit einem hohen Maß an psychischer Belastung verbunden sei, sodass jeder weitere Umgangskontakt eine Kindeswohlgefährdung hervorrufen würde. Aus Gründen des Kindeswohls sei es daher geboten, die Umgangskontakte zeitweise auszusetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Vater mit seiner Beschwerde vom 23.09.2011. Er hält den Umgangsausschluss für nicht gerechtfertigt. Die Beziehung zwischen ihm und dem Kind sei normal, wohingegen das Verhältnis zwischen Mutter und Kind gestört sei. Die Mutter leide an einer depressiven Persönlichkeitsstörung mit massiven Ängsten, die sie auch auf das Kind übertrage. Er habe sich im Umgang mit dem Kind nichts zuschulden kommen lassen.

Die Mutter ist der Beschwerde entgegen getreten. Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die von der gerichtlich bestellten Sachverständigen, der Diplom-Psychologin A… M…, getroffenen Feststellungen zu ihrer psychischen Verfassung und den krankheitsbedingten Einschränkungen seien fachlich nicht fundiert.

Der Senat hat das Kind L…, seine Eltern, den Verfahrensbeistand sowie eine Vertreterin des Jugendamtes am 27.02.2012 persönlich angehört.

II.

Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Vaters ist nicht begründet.

Die Voraussetzungen für einen befristeten Ausschluss des Umgangsrechts des Vaters mit dem Kind L… liegen vor.

Gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB kann das Umgangsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Soll dies für längere Zeit geschehen, muss gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB das Kindeswohl konkret gefährdet sein. Geboten ist – unter Berücksichtigung des aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG fließenden Elternrechts und im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen am Maßstab des Kindeswohls. Dabei ist davon auszugehen, dass der Umgang mit beiden Elternteilen in der Regel zum Wohl des Kindes gehört, § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB. Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren. Letzteres setzt eine gegenwärtige Gefahr in einem solchen Maße voraus, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. zum Ganzen BVerfG, FamRZ 2010, 1622; 2009, 1472; BGH FamRZ 1994, 158; Senatsbeschluss vom 29.06.2009, Az.: 9 UF 102/08).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat zu Recht das Umgangsrecht des Vaters mit dem Kind L… bis zum 23.02.2013 ausgeschlossen. Das Wohl des Kindes würde zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch einen Umgang mit dem Vater gefährdet, auch im Fall eines begleiteten Umgangs.

Dies ergibt sich aus dem schriftlichen Gutachten der Diplom-Psychologin A… M… vom 15.06.2011. Die gerichtlich bestellte Sachverständige hat bei ihrer Begutachtung gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls bei Kontakten zwischen Vater und Sohn festgestellt. Nach ihrer Einschätzung kann L… derzeit von einem Umgang mit seinem Vater nicht profitieren, da die Mutter den Kontakt vehement ablehnt.

Sachliche Gründe für die ablehnende Haltung der Mutter vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Umstände, dass der Vater in Gegenwart von L… den Film „Stargate“ anschaute, mit ihm das Schwimmerbecken aufsuchte und das Kind während des Urlaubs in einem eigenen Zimmer schlief, sind nicht geeignet, die Erziehungstüchtigkeit des Vaters anzuzweifeln. Das Verhalten des Vaters kann bei einem überbehüteten Kind – wie es L… ist – allenfalls als fordernd und wenig feinfühlig beschrieben werden, eine Kindeswohlgefährdung ist damit aber nicht gegeben.

Der Mutter fehlt die Fähigkeit und Bereitschaft, die Entwicklung einer tragfähigen und zugewandten Beziehung zwischen Vater und Sohn zuzulassen. Die ablehnende Haltung der Mutter und ihre Ängste bleiben dem Kind nicht verborgen; sie sind für L… mit einem hohen Maß an psychischer Belastung verbunden. Nach den Feststellungen der Sachverständigen A… M… beziehen sich die Ängste des Kindes in erster Linie auf eine Trennung von der Mutter und nicht auf Kontakte mit dem Vater. Die Mutter hat bei L… die Vorstellung erzeugt, der Vater wolle ihn von der Mutter trennen, und bestärkt so die Ängste des Kindes, letztlich auch vor Begegnungen mit dem Vater. Das Verhalten der Mutter verunsichert das Kind zutiefst.

Der Senat schließt sich den Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen A… M… an, die nachvollziehbar, in sich schlüssig und überzeugend sind. Sie stehen auch im Einklang mit den Feststellungen der Sachverständigen S… F… in ihrem psychologischen Gutachten vom 28.01.2012. Die Begutachtung ist in dem vom Familiengericht nach § 1666 BGB eingeleiteten Verfahren (Az.: 97 F 176/11) erfolgt. Die Sachverständige S… F… hat L… als emotional instabiles und belastetes Kind beschrieben. Eine Fortführung der psychotherapeutischen Behandlung ist nach ihrer Einschätzung angezeigt. Auch der Senat hat L… anlässlich seiner Anhörung am 27.02.2012 als sehr belastetes Kind erlebt. Ein Gespräch über den Vater war nicht möglich. Bei der Erwähnung seines Vornamens brach L… in Tränen aus und weigerte sich, über diesen zu sprechen. Das Kind wirkte verzweifelt und stammelte: „Wir wollen ihn nicht sehen.“ Zuvor hatte L… dem Senat noch das mitgebrachte Spiel erklärt, mit dem er sich zwischenzeitlich beschäftigt hatte.

Das jetzt achtjährige Kind befindet sich seit Mai 2010 in ambulanter Psychotherapie und befand sich vom 30.09.2010 bis zum 25.11.2010 in stationärer Rehabilitationsbehandlung in den B…-Heilstätten. Die ärztlichen Maßnahmen sind auf Veranlassung der Mutter, die von Beruf Psychiaterin ist, eingeleitet worden. Sie hat das Kind als psychisch auffällig (Schlafstörungen, Albträume, Einnässen, Rückfall in frühkindliches Verhalten, Verweigerung der Intimpflege etc.) beschrieben und dabei einen Zusammenhang mit dem Ferienaufenthalt bei dem Vater im März 2010 – im Sinne einer Traumatisierung – hergestellt. Die stationäre Rehabilitationsbehandlung des Kindes erfolgte wegen einer Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Symptomatik.

Eine Kontaktanbahnung zwischen Vater und Kind lehnt die Mutter nach wie vor unter Hinweis auf die noch laufende ambulante Psychotherapie L…s und die Gefahr einer Retraumatisierung ab. Hiervon konnte sich der Senat im Rahmen des Anhörungstermins am 27.02.2012 überzeugen. Die Mutter hat ihre ablehnende Haltung dezidiert begründet. Sie ist fest davon überzeugt, für das Kind kämpfen und es um jeden Preis schützen zu müssen.

Der Senat schließt sich – unter dem Eindruck des Anhörungstermins – der Auffassung des Familiengerichts an, dass der hohe psychische Druck, der derzeit auf L… lastet, von ihm genommen werden muss. In der Abwägung der hierfür zur Verfügung stehenden Mittel erweist sich – auch im Lichte des bei Umgangsausschlüssen strikt zu wahrenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – vorliegend allein der befristete Umgangsausschluss als geeignet, einer weiteren Gefährdung des Kindes entgegenzuwirken. Nur hierdurch kann die Belastung L…s auf ein ihn nicht mehr gefährdendes Maß zurückgeführt werden. Ein begleiteter Umgang kommt derzeit nicht in Betracht, weil das Kind damit zusätzlichen Belastungen ausgesetzt würde. Die Mutter lehnt eine Kontaktanbahnung zwischen Vater und Sohn zum gegenwärtigen Zeitpunkt strikt ab. Nach ihrer Auffassung ist das Kind durch die ambulante psychotherapeutische Behandlung noch nicht genügend stabilisiert. Bei der ablehnenden Haltung der Mutter könnte ein begleiteter Umgang nur erzwungen werden. Vollstreckungsmaßnahmen wären erforderlich, die ihrerseits für das Kind eine weitere Belastung darstellen und damit das Wohl des Kindes zusätzlich gefährden würden.

Bei den vorliegenden Gegebenheiten ist schließlich auch die Dauer des Umgangsausschlusses nicht zu beanstanden. Das Familiengericht hat das Umgangsrecht bis zum 23.02.2013 ausgeschlossen und damit eine Ausschlussfrist von fast zwei Jahren angeordnet. Dies entspricht auch zur Überzeugung des Senats der Zeit, die L… braucht, um mit therapeutischer Hilfe Abstand von seinen negativen Empfindungen bezüglich seines Vaters zu gewinnen und seine Ängste zu überwinden. Die Mutter benötigt die Zeit, damit diese an sich und an der Wiederanknüpfung des Kontakts L…s zu seinem Vater mit Aussicht auf Erfolg arbeiten kann. Insoweit legt der Senat der Mutter nahe, in ihrem eigenen Interesse und dem des Kindes, ihre Haltung gegenüber dem Vater zu überdenken und mit Unterstützung ihrer Psychotherapeutin ihre diesbezügliche Angstproblematik anzugehen.

Der Senat weist nachdrücklich darauf hin, dass nach Ablauf der Ausschlussfrist das Umgangsrecht des Vaters mit L… erneut auf den Prüfstand zu stellen ist. Sollten sich die Verhältnisse nicht geändert haben, wird auch die Situation bei der Mutter unter sorgerechtlicher Fragestellung abermals zu beleuchten sein. Ziel des hier bestätigten befristeten Umgangsausschlusses ist die Wiederanbahnung des Umgangs zwischen Vater und Sohn nach Fristablauf. Die Mutter sollte sich zudem dringend vor Augen halten, dass erfahrungsgemäß ein Verhalten, wie sie es hier an den Tag legt, häufig nicht ohne Folgen bleibt. Mit zunehmendem Alter stellt ein derartig betroffenes Kind nicht selten eindringliche Fragen. Im Falle unredlicher oder nicht überzeugender Antworten wendet es sich häufig von dem Elternteil ab, der ihn jahrelang durch sein instrumentalisierendes Verhalten vom anderen Elternteil abgeschnitten und entfremdet hat.

Infolge des Umgangsausschlusses hat der Vater es bis zum 23.02.2013 zu unterlassen, Umgang mit L… zu pflegen. Im wohlverstandenen Interesse des Kindes sollte er der gerichtlichen Anordnung Folge leisten und eigenmächtige Kontaktaufnahmen mit dem Kind – wie am 23.02.2011 – unterlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2012
9 UF 235/11

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