Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Uelzen vom ## November 2023 geändert und wie folgt neu gefasst:
Dem Antragsteller wird für seinen Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft Verfahrenskostenhilfe ohne Festsetzung von Zahlungsraten bewilligt.
Ihm wird Rechtsanwältin Düngefeld, Uelzen, beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller und die Kindesmutter sind seit dem ## Juni 2009 miteinander verheiratet. Während der Ehe wurden die Kinder G. T., am ## März 2012, und H. T., am ## August 2016, geboren. Seit März 2023 leben die Kindeseltern getrennt.
Der Antragsteller begehrt Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft vom ## September 2023, den er unter der Bedingung der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe gestellt hat. In der Antragsschrift trägt der Antragsteller vor, er habe nach der Trennung Zweifel an seiner Vaterschaft bekommen, weil die Kindesmutter und beide Kinder “Menschen of Color” seien, also eine “schwarze” Hautfarbe hätten, er jedoch eine helle Hautfarbe habe. Unter anderem aufgrund von Kommentaren von Freunden und Familie nach der Trennung habe er sich damit beschäftigt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kinder offensichtlich keine Gene von ihm hätten. Bis zur Trennung habe er gedacht, dass dies genetisch möglich sei, nach der Trennung sei ihm jedoch von verschiedenen Seiten zugetragen worden, dass er nicht der biologische Vater der Kinder sei bzw. sein könne.
Das Amtsgericht wies den Antragsteller mit Verfügung vom 11. Oktober 2023 darauf hin, dass es die Zweifel des Kindesvaters an der Vaterschaft mangels konkreten Vortrags zum äußeren Erscheinungsbildes der Kinder nicht nachvollziehen könne und dass ihm das Aussehen der Kinder schon länger als zwei Jahre bekannt sein dürfte. Gleichzeitig gab das Amtsgericht dem Antragsteller Gelegenheit, zur Einhaltung der zweijährigen Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB vorzutragen.
Mit Beschluss vom ## November 2023 wies das Amtsgericht den Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragstellers mit der Begründung zurück, dass die Kinder des Antragsgegners bereits in den Jahren 2012 und 2016 geboren wurden und er mit der Geburt Kenntnis von deren Hautfarbe erlangt habe. Somit habe der Antragsteller vor mehr als zwei Jahren von den Umständen erfahren, die gegen die Vaterschaft sprächen, sodass die Anfechtungsfrist abgelaufen sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde vom ## November 2023. Darin wendet er ein, dass ihm nach der erst im Jahr 2023 erfolgten Trennung mitgeteilt worden sei, dass er nicht der leibliche Vater der Kinder sei. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er davon ausgegangen, der leibliche Vater der Kinder zu sein.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde im Beschluss vom ## November 2023 mit der Begründung, der Anfechtungsantrag sei weiterhin nicht schlüssig, weil der Antragsteller nicht mitgeteilt habe, wann konkret ihm was genau mitgeteilt worden sei, nicht abgeholfen. Im Beschwerdeverfahren trug der Antragsteller ergänzend vor, dass er kurz nach der Trennung von mehreren Bekannten darauf hingewiesen worden sei, dass er unmöglich der Vater der Kinder sein könne. Außerdem habe er ein “Vaterschaftsgutachten” eingeholt, wonach seine biologische Vaterschaft ausgeschlossen sei.
Das “Vaterschaftsgutachten” der E. GmbH vom ## Dezember 2023 kommt zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller sowohl für die Tochter H. als auch für den Sohn G. als Vater ausgeschlossen werden könne, da er in mehr als drei DNA-Systemen nicht die erforderlichen Erbmerkmale aufweise. Der Antragsteller ist der Auffassung, die Anfechtungsfrist habe erst mit dem Ergebnis dieses Gutachtens Kenntnis von den maßgeblichen Umständen erlangt und damit die Anfechtungsfrist zu laufen begonnen.
II.
Die gemäß § 76 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Dem Antragsteller kann Verfahrenskostenhilfe nicht mit der Begründung versagt werden, seine Rechtsverfolgung verspreche keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. §§ 76 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO.
1.
Der Antragsteller ist als rechtlicher Vater der Kinder nach §§ 1600 Abs. 1 Nr. 1, 1592 Nr. 1 BGB anfechtungsberechtigt.
Mit dem “Vaterschaftsgutachten” vom ## Dezember 2023, nach welchem eine Vaterschaft des Antragstellers für die Kinder H. und G. ausgeschlossen ist, liegt ein nach § 171 Abs. 2 Satz 2 FamFG erforderlicher Anfechtungsverdacht vor.
Gemäß § 171 Abs. 2 Satz 2 FamFG sollen mit der Antragsschrift die Umstände, die gegen die Vaterschaft sprechen, sowie der Zeitpunkt, in dem diese Umstände bekannt wurden, angegeben werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Antragsteller für einen schlüssigen Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft Umstände vortragen und ggf. beweisen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes zu wecken und die Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung als nicht ganz fernliegend erscheinen lassen (BGH FamRZ 1998, 955; 2003, 155).
Der bloße Vortrag, nicht der biologische Vater des Kindes zu sein, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ausreichend (Schulte-Bunert/ Weinreich/Schwonberg, FamFG, 7. Auflage, § 171 Rn. 12 f. m.w.N; BGH a.a.O.). Vor diesem Hintergrund sind Gerüchte, Mutmaßungen oder ein bloßer Verdacht untauglich, um einen Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft zu begründen (BGH FamRZ 2008, 501; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1129). Dies gilt gleichermaßen für Umstände wie die fehlende Ähnlichkeit mit Ausnahme erheblicher Abweichungen bei charakteristischen Erbmerkmalen oder die laienhaft falsche Bewertung naturwissenschaftlich unrichtiger Zusammenhänge (z.B. zur Blutgruppenvererbung), die ebenfalls nicht ausreichend sind, um einen Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft zu begründen und den Lauf der Anfechtungsfrist auszulösen (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, a.a.O. Rn. 14 m.w.N.; Prütting/Helms*/Dürbeck, FamFG, 6. Aufl., § 171 Rn. 15 ff.).
Das Vorbringen des Antragstellers, Bekannte hätten ihm nach der Trennung gesagt, dass er nicht der Vater der Kinder sei bzw. sein könne, ist nicht hinreichend substantiiert, um einen Anfechtungsverdacht darzulegen. Der Antragsteller hat auf Nachfragen des Amtsgerichts sowie des Senats nicht konkret vorgetragen, welche Personen ihm wann welche konkreten Informationen mitgeteilt hätten. Es handelt sich folglich nicht um einen konkretisierten Umstand, der bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Zweifel an der Abstammung des Kindes zu wecken.
Ein anknüpfungsfähiger Umstand für den Anfechtungsverdacht ist hingegen das Ergebnis des Abstammungstests, nach dem eine biologische Vaterschaft des Antragstellers zu beiden Kindern ausgeschlossen ist. Der Vaterschaftstest vom ## Dezember 2023 begründet hinreichende Zweifel an der Abstammung der beiden Kinder vom Antragsteller. Zwar hat der Antragsteller das “Abstammungsgutachten” erst nach Einlegung der Beschwerde eingeholt und im Verfahren vorgelegt. Die Beschwerde kann jedoch gemäß §§ 127 Abs. 2, 571 Abs. 2 ZPO auf neue Tatsachen gestützt werden.
Der Antragsteller kann sich für seinen Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft auf den vorgelegten Abstammungstest berufen. Dem steht ein Verwertungsverbot nicht entgegen. Dies wäre hingegen dann anders zu beurteilen, wenn es sich bei der vorgelegten DNA-Analyse um einen sog. heimlichen Vaterschaftstest handeln sollte. Nach der vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind heimlich eingeholte DNA-Gutachten wegen Verletzung des Rechts des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung rechtswidrig und als Beweismittel unzulässig (BVerfG FamRZ 2007, 441; BGH FamRZ 2005, 340, 342). Sie können daher keine Grundlage für den substantiierten Vortrag eines Beteiligten zum Anfechtungsverdacht darstellen (BGH, a.a.O.).
Hiervon ist nach dem vom Antragsteller vorgelegten “Vaterschaftsgutachten” bei der ihm günstigen summarischen Beurteilung im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht auszugehen. Ausweislich des “Vaterschaftsgutachtens” vom ## Dezember 2023 lagen dem durchführenden Labor die Identitätsbestätigungen, die Probeentnahmeprotokolle sowie die Einwilligungen der Beteiligten in den Test vor.
Das Amtsgericht wird jedoch im Hauptsacheverfahren zu prüfen haben, ob die Kindesmutter der Entnahme von genetischen Material (wohl im Wege eines Mundschleimhautabstrichs) bei den Kindern und der Einholung eines “Vaterschaftsgutachtens” wirksam zugestimmt hat und dieses mithin verwertbar ist.
2.
Die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB ist, entgegen der Auffassung des Amtsgerichts im angefochtenen Beschluss, nicht abgelaufen. Mit der jeweiligen Geburt der Kinder wurde die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB nicht in Lauf gesetzt, auch wenn der Antragsteller zu diesen Zeitpunkten Kenntnis von der Hautfarbe der Kinder erlangt hat.
Gemäß § 1600b Abs. 1 BGB kann die Vaterschaft binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen. Die Anfechtungsfrist beginnt daher mit Kenntnis der für einen objektiven Anfangsverdacht erforderlichen Umstände.
a.
Erforderlich ist die Kenntnis objektiver Umstände, die in ihrer Gesamtbetrachtung die nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer Abstammung von einem anderen Mann ergeben, wobei die Vaterschaft eines Dritten nicht wahrscheinlicher sein muss als die des Ehemannes (vgl. Erman/Hammermann, BGB, 17. Auflage, § 1600b Rn. 8). Maßstab für diese Beurteilung ist die Sicht eines verständigen, objektiven Betrachters, der nicht über etwaige Spezialkenntnisse verfügen muss (BeckOGK/Reuß, § 1600b Rn. 42).
Ebenso wie eine fehlende Ähnlichkeit zum Kind allein begründet eine Abweichung der Augenfarbe des Kindes von derjenigen des Mannes oder der Mutter keinen Umstand, durch den die Anfechtungsfrist in Gang gesetzt wird. Hierfür wird maßgeblich darauf abgestellt, dass ein Elternteil als Laie Fragen der menschlichen Vererbungslehre kaum hinreichend zu beurteilen vermag (BGH FamRZ 2005, 501; MünchKomm/BGB/Wellenhofer, 9. Aufl. [2024], § 1600b BGB Rn. 20; BeckOGK/Reuß, § 1599 Rn. 79.1; OLG Celle, FamRZ 2018, 1851; OLG Celle OLGR 2000, 302 [fehlender Haarwirbel]). Eine anderweitige Abstammung soll danach naheliegen, wenn dies allgemein bekannten und anerkannten Erfahrungssätzen entspricht, wofür als Beispiel angeführt wird, dass während der Ehe hellhäutiger Eheleute ein Kind mit anderer Hautfarbe geboren wird (MünchKomm/BGB/Wellenhofer, a.a.O., § 1600b BGB Rn. 20; ebenso BeckOGK Reuß, § 1600b Rn. 42 Fn. 282 [bei Hautfarbeunterschieden]).
Demgegenüber vertritt Rauscher (Staudinger [2011], § 1600 b Rn. 21] die Auffassung das mangels medizinisch bzw. naturwissenschaftlicher Spezialkenntnisse von einem Elternteil nicht erwartet werden könne, von vornherein an der Vaterschaft aufgrund der Tatsache zu zweifeln, dass das Kind die Hautfarbe der Mutter und nicht eine hellere Mischfarbe habe.
Das Thüringer Oberlandesgericht hat im Beschluss vom 22. Januar 2010 (FamRZ 2010, 1822) ausgeführt, dass sich im Falle eines hellhäutigen und blauäugigen Kindes eines ivorischen Vaters mit “schwarzer” (sic) Hautfarbe und einer deutschen Mutter mit “weißer” (sic) Hautfarbe schon mit der Geburt des Kindes bzw. jedenfalls bei der andauernden und nicht nachdunkelnden Hellhäutigkeit des Kindes bis zu dessen siebtem Lebensjahr Zweifel hinsichtlich der biologischen Vaterschaft beim dortigen Antragsteller hätten aufdrängen müssen. In seiner Entscheidung hat der Senat einbezogen, dass die Mutter bei der Geburt des Kindes gegenüber dem dortigen Antragsteller eine weitere intime Beziehung in der Empfängniszeit eingeräumt hatte. Darüber hinaus berücksichtigte das Oberlandesgericht den Umstand, dass ein jüngerer Bruder des Kindes, der biologisch von der dortigen Kindesmutter und dem dortigen Antragsteller abstammte, eine wesentlich dunklere Hautbarbe hatte.
Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (FamRZ 2000, 107) in einer vergleichbaren Konstellation entschieden, dass die Anfechtungsfrist für den hellhäutigen Anfechtungsberechtigten nicht mit der Geburt des Kindes in Gang setzt wird, wenn das Kind bereits bei der Geburt dieselbe dunkle Hautfarbe wie die Mutter und keine Mischfarbe (sic) aufgewiesen hat. In diesem Verfahren hielt der Senat die Tatsache, dass eine jüngere von der dortigen Kindesmutter und dem dortigen Antragsteller abstammende Tochter eine hellere Hautfarbe als die vom Abstammungsverfahren betroffene Tochter aufwies, für irrelevant.
b.
Die unterschiedliche Hautfarbe des Kindes von dem rechtlichen Vater einerseits oder der Mutter andererseits können nur in seltenen Ausnahmefällen einen Anfangsverdacht begründen und den Beginn der Anfechtungsfrist bewirken. Dies beruht darauf, dass die Vererbung der Hautfarbe bzw. des Hauttyps von einem Laien ohne genetische Spezialkenntnisse nicht mit der für die erforderliche Überzeugungsbildung notwendigen Grundlage beurteilt werden kann.
Die Farbe der Haut wird durch deren Pigmentierung bestimmt. Dabei ist die Menge des vorhandenen Melanins, das in zwei Varianten für dunklere (Eumelanin) oder hellere Haut (Phäomelanin) auftritt, in besonderer Weise ausschlaggebend. An der Biosynthese des Melanins ist eine Vielzahl von Enzymen beteiligt. Die genaue Vererbung der Hautfarbe ist aufgrund der unterschiedlichen Gene bisher nicht abschließend geklärt. Aus dem Genom unterschiedlicher Ethnien resultieren entsprechend unterschiedliche Hautfarbverteilungen bzw. unterschiedliche Haupttypen.
Die Hautfarbe wird beim Menschen polygen vererbt, d.h. mehrere Gene sind an der Ausprägung dieses Merkmals beteiligt. Merkmale, die polygen vererbt werden, lassen sich schwieriger untersuchen, weil verschiedene Gene dasselbe Merkmal beeinflussen. Die beteiligten Gene wirken sich unterschiedlich auf den Phänotyp aus, sodass sich die Effekte der verschiedenen Gene summieren. Bei der Polygenie kommt es bei der Merkmalsausprägung zu einer Vermischung der Genwirkung, sodass kein eindeutiger Erbgang vorhanden ist. Die Hautfarbe wird durch die vorhandene Anzahl dominanter Gene bestimmt (vgl. https://cosmiq.de/qa/show/2544597/Wie-wird-die-Hautfarbe-eigentlich-vererbt/). Wie viele Gene an der Vererbung der Hautfarbe beteiligt sind, ist nicht abschließend geklärt. Auch wenn die dunkle Hautfarbe einem dominanten Erbgang folgt, ist es durch die Vererbung rezessiver Allele der entsprechenden Gene möglich, dass zwischen beiden Eltern und dem Kind eine unterschiedliche Hautfarbe auftritt.
Eine informatorische Nachfrage des Senats beim Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf ergab, dass über 100 Gene und Genbereiche für die Ausprägung der Pigmentierung verantwortlich sind. Nach dem von dort mitgeteilten Beispiel ergibt sich bereits bei nur drei an der Pigmentierung beteiligten Genen, die einen unterschiedlich starken Einfluss auf die Pigmentierung haben, unter Berücksichtigung der verschiedenen Allele bereits theoretisch eine Verteilung von 64 verschiedenen Ausprägungen. Die genetischen Grundlagen werden durch einem Bericht in der Ärztezeitung vom Juli 2008 illustriert (https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Seltenes-Ereignis-Ein-Zwilling-ist-schwarz- und-einer-ist-weiss-355960.html), in dem von der Geburt von Zwillingen mit unterschiedlicher Hautfarbe in einem Berliner Krankenhaus berichtet wird. Während der Junge eine helle Hautfarbe aufwies, hatte sein Bruder eine deutlich dunklere Hautfarbe.
Da unterschiedliche Gene einen unterschiedlich starken Einfluss auf die Pigmentierung, also den Hauttyp haben, lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersagen, welchen Hauttyp ein Kind von zwei Eltern mit unterschiedlichen Hauttypen haben wird. Dass das Kind einen Hautton aufweist, der zwischen den Hauttönen der Eltern liegt, ist zwar durchaus wahrscheinlich und wird einer allgemeinen Erwartung entsprechen. Allerdings ist neben einer Vielzahl von Varianten ebenso denkbar, dass das Kind denselben Hautton wie der Vater oder die Mutter bekommt.
c.
Nach diesen Grundsätzen zur polygenen Vererbung der Hautfarbe bzw. des Hauttyps ist keinesfalls zwingend, dass der Hautton eines Kindes zwischen den Hauttypen seiner Eltern liegt, wenn sich diese unterscheiden. Diese Konstellation ist zwar aufgrund des dominanten Erbgangs für dunklere Hauttypen die wahrscheinlichere, jedoch nicht die einzig denkbare Möglichkeit. Eine Übereinstimmung der Hautfarbe eines Kindes mit dem dunkelhäutigen Elternteil bedeutet also – anders als der hiesige Antragsteller es von seinen Bekannten gehört haben will – nicht, dass eine genetische Abstammung von ihm als hellhäutigem Elternteil ausgeschlossen wäre.
Da die laienhaft falsche Bewertung von Umständen, die objektiv naturwissenschaftlich nicht geeignet sind, Zweifel an der Abstammung zu begründen, die Anfechtungsfrist nicht in Gang setzt (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2008, 805 [zur naturwissenschaftlich falschen Aussage eines Hausarztes zur Vererbung des Rhesusfaktors]), kann mit Kenntnis der mit einem Elternteil übereinstimmenden Hautfarbe die Anfechtungsfrist nicht beginnen.
Nach dem Vorbringen des Antragstellers hat dieser selbst eine helle Hautfarbe, während er die Mutter sowie beide Kinder als “Menschen of Colour” bzw. mit dunkler Hautfarbe beschrieben hat. Da die Allele der Gene für dunkle Hautfarbe dominant vererbt werden, lässt sich aus der Hautfarbe der Kinder kein Schluss darauf ziehen, dass der Antragsteller mit heller Hautfarbe nicht deren Vater sei. Ob in einer Konstellation zweier hellhäutiger Eltern und einem dunkelhäutigen Kind eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung durch den Senat.
Vor diesem Hintergrund beginnt die Anfechtungsfrist für den Antragsteller nicht mit der Geburt beider Kinder und der Kenntnis von deren Hautfarbe, sondern erst mit Kenntnis des “Abstammungsgutachtens” vom ## Dezember 2023 und ist somit bei Anhängigkeit des Verfahrens erkennbar nicht abgelaufen.
3.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass nach § 179 Abs. 2 FamFG die Vaterschaftsanfechtung für jedes Kind in einem gesonderten Verfahren erfolgen muss (BeckOK FamFG/Weber, FamFG § 179 Rn. 3, OLG Saarbrücken, BeckRS 2020, 20594 Rn. 3). Denn gemäß § 179 Abs. 1 FamFG können Abstammungssachen nur miteinander verbunden werden, wenn sie dasselbe Kind betreffen oder ein Verfahren auf Feststellung des Bestehens der Vaterschaft mit einer Unterhaltssache nach § 237 FamFG Gegenstand des Verfahrens ist. Im Übrigen ist nach §179 Abs. 2 FamFG eine Verbindung von Abstammungssachen miteinander oder mit anderen Verfahren unzulässig. Daher sind Abstammungssachen für jedes Kind gesondert zu führen und können für Geschwister nicht in einem einheitlichen Verfahren entschieden werden (BGH FamRZ 2007, 124; OLG Celle FamRZ 2012, 467, 468; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, a.a.O., § 179 Rn. 6). Demgemäß wird das Amtsgericht die Anfechtung für eines der beiden Kinder nach § 20 FamFG abtrennen müssen.
Darüber hinaus wird das Amtsgericht zu prüfen haben, ob die betroffenen Kinder im vorliegenden Vaterschaftsanfechtungsverfahrens durch die Kindesmutter vertreten werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Vertretung durch den von der Vaterschaftsanfechtung betroffenen Vater ausgeschlossen. Dies gilt auch für die mit dem Vater verheiratete Mutter der Kinder (BGH FamRZ 2012, 859 ff.; 2016, 531; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, a.a.O., § 172 Rn. 9 ff.; Prütting/Helms*/Dürbeck, a.a.O., § 172 Rn. 6b). Sind beide Eltern von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen, muss ein Ergänzungspfleger bestellt werden. Aus der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2021, 1127, 1129; bestätigt durch BGH FamRZ 2024, 1093 [zur Vertretung des Kindes im Unterhaltsverfahren bei paritätischer Betreuung]) folgt hingegen, dass ein Vertretungsausschluss nach rechtskräftiger Ehescheidung bei fortbestehender gemeinsame elterliche Sorge nicht mehr begründet ist. Daher könnte die Mutter die Kinder nach rechtskräftiger Ehescheidung im Verfahren wirksam vertreten.
OLG Celle, Beschluss vom 16.12.2024
21 WF 178/23