BVerfG: Einstweilige Anordnung zur Entziehung von Teilbereichen des Sorgerechts

BVerfG: Einstweilige Anordnung zur Entziehung von Teilbereichen des Sorgerechts

  1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts München vom 19. September 2013 – 561 F 8157/13 – und des Oberlandesgerichts München vom 21. Januar 2014 – 26 UF 1513/13 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.
  2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
  3. Der Freistaat Bayern hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
  4. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgte Entziehung von Teilbereichen des Sorgerechts für ihren im November 2012 geborenen Sohn.

1. a) Die Beschwerdeführerin ist bulgarische Staatsangehörige und lebte mit ihrem damaligen ebenfalls bulgarischen Lebensgefährten und der gemeinsamen heute 15-jährigen Tochter in Bulgarien. 2011 zog sie nach Deutschland, wo ihr Lebensgefährte eine Arbeitsstelle gefunden hatte. Die Tochter zog später nach. In Deutschland kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Eltern. Die Beschwerdeführerin lernte den Vater des hier betroffenen Kindes kennen und wurde von diesem schwanger. Die Beschwerdeführerin, ihre Tochter wie auch die Väter der beiden Kinder lebten fortan in wechselnden und ungesicherten Wohnverhältnissen. Als das hier betroffene Kind geboren wurde, verfügte die Beschwerdeführerin über keine Unterkunft. Dessen Vater wohnte in wechselnden Unterkünften seiner Arbeitgeber. Unmittelbar nach seiner Geburt wurde das Kind in der Kinderschutzstelle des städtischen Waisenhauses untergebracht. Aufgrund der unklaren Wohnsituation stimmte die Beschwerdeführerin der Unterbringung zu, bis sie eine neue Wohnung gefunden haben würde. Das Kind lebt nunmehr seit Mitte November 2012 in dem Waisenhaus. Die anschließende Wohnungssuche der Beschwerdeführerin gestaltete sich schwierig. Ende Juli 2013 zog sie in ein Frauenobdach.

b) Mit Schreiben vom 23. Juli 2013 regte das Jugendamt an, der Mutter für ihren Sohn das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge sowie das Recht, Hilfen zu Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII zu beantragen, zu entziehen. Die auf die Unterbringung des Kindes im Waisenhaus folgende Zeit sei von wiederkehrender Obdachlosigkeit der Eltern, wenig geklärten familiären Verhältnissen und partnerschaftlichen Verstrickungen geprägt. Die zunächst zweimal täglich vereinbarten Besuchstermine der Eltern im Waisenhaus seien von diesen zunehmend nicht oder nur sehr unzuverlässig eingehalten worden, so dass die Besuchssequenzen sukzessive auf zweimal wöchentlich reduziert worden seien. Bei dem Kindsvater sei häufig Alkoholgeruch festzustellen gewesen. Die Eltern seien nicht in der Lage, die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen. Der Beschwerdeführerin sei es nach mehreren Interventionen besser gelungen, kindgerecht mit dem Kind zu sprechen und sich angemessen mit diesem zu beschäftigen. Ohne direkte Einflussnahme durch pädagogische Fachkräfte wirke sie jedoch hilflos und überfordert. Bei dem Jungen lägen nunmehr aufgrund der Lebensbedingungen in der Schutzstelle (häufiger Wechsel von Betreuungspersonen, zu viele andere Kinder, häufig unruhige Situationen) sowie der unregelmäßigen und unzuverlässigen Besuchskontakte viele Stressfaktoren vor. Der Junge sei in der weiteren Entwicklung des Sozialverhaltens massiv gefährdet, er benötige für eine gesunde Entwicklung dringend ein stabiles, verlässliches Umfeld mit möglichst wenig Bezugspersonen und Einzelzuwendung. Dieses könnten die Eltern aufgrund ihrer Lebensumstände nicht bieten.

2. a) Der vom Amtsgericht bestellte Verfahrensbeistand erstattete am 16. August 2013 Bericht und beschrieb den Jungen als „freundliches und ausgeglichenes Baby“, das nach Mitteilung der Ärzte altersgemäß entwickelt sei. Die Gruppenleiterin im Waisenhaus sei für das Kind eine wichtige Bezugsperson. Beim Umgangskontakt mit den Eltern habe der Junge viel geschrien. Da die Eltern sehr unzuverlässig seien, könne der Umgang nur begleitet stattfinden. Die Psychologin des Waisenhauses habe hierzu ergänzt, dass mittlerweile eine Entfremdung eingetreten sei. Der sichere Hafen für das Kind seien die Gruppenleiterin des Waisenhauses sowie die Mitarbeiterinnen der Wohngruppe.

b) Die mittlerweile anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin wandte sich gegen die Anregung des Jugendamts. Sie habe sich ständig um eine Wohnung bemüht. Das Wohnungsamt, an das sie das Jugendamt verwiesen habe, habe ihr mitgeteilt, dass für bulgarische Staatsangehörige keine Wohnplätze zur Verfügung stünden. Auf dem freien Wohnungsmarkt und ohne finanzielle Unterstützung hätte sie so schnell keine Wohnung finden können. Sie lebe von beiden Vätern getrennt. Um sich finanziell absichern zu können und eine Wohnung zu finden, gehe sie einer Beschäftigung als Reinigungskraft nach. Allein deshalb hätten zahlreiche Besuchstermine abgesagt werden müssen.

c) Das Amtsgericht hörte die Beteiligten am 19. September 2013 an. In diesem Termin übergab das Jugendamt zwei Berichte des Kinderzentrums vom 29. Januar und 1. März 2013. Die Mutter war bei der Untersuchung ihres Kindes nicht eingebunden gewesen. Im Bericht vom Januar 2013 wird ausgeführt, für die Entwicklung des damals drei Monate alten Kindes werde es für dringend indiziert erachtet, dass bald eine kontinuierliche, stabile und enge Beziehung im Rahmen zum Beispiel einer Pflege- oder Adoptivfamilie geschaffen werde, insbesondere weil es die leiblichen Eltern nicht schafften, sich adäquat um den Jungen zu kümmern. Die Notwendigkeit einer festen Bezugsperson wurde auch im Bericht vom März 2013 betont. Aus psychologischer Sicht könne keinesfalls abgewartet werden, ob die Eltern verschiedenen Auflagen nachkämen, sondern es sei dringend die Vermittlung in eine Bereitschaftspflegefamilie anzuraten.

d) Mit einstweiliger Anordnung vom 19. September 2013 entzog das Amtsgericht der Beschwerdeführerin vorläufig die elterliche Sorge.

3. a) Mit ihrer Beschwerde widersprach die Mutter vor allem den tatsächlichen Einschätzungen des Gerichts und bekundete ihre Bereitschaft, öffentliche Hilfen und eine Erziehungsberatung in Anspruch zu nehmen sowie das Kind regelmäßig ärztlich untersuchen zu lassen. Mit weiterem Schriftsatz gab sie bekannt, seit dem 1. Januar 2014 eine private Einzimmerwohnung von ca. 40 qm angemietet zu haben; in dieser Wohnung lebt sie derzeit mit ihrer Tochter. Zudem regte die Beschwerdeführerin an, im Falle der auch vorübergehenden Aufrechterhaltung der Trennung den Umgang zu regeln. Sie habe stets Kooperationsbereitschaft gezeigt und übersehe nicht, dass eine Rückführung nur behutsam vorgenommen werden könne.

b) Der Verfahrensbeistand berichtete mit Schreiben vom 6. November 2013 gegenüber dem Oberlandesgericht, dass der Junge augenscheinlich altersgerecht entwickelt sei. Aus Sicht des Verfahrensbeistands könnten die Grundbedürfnisse des Kindes bei der Mutter jedoch nicht erfüllt werden, das Kind solle mehrere Jahre in eine geeignete Pflegefamilie verbracht werden.

c) Das Jugendamt berichtete dem Oberlandesgericht mit Schreiben vom 14. November 2013 von den Umgangskontakten der Mutter und der Halbschwester, die eine große Belastung darstellten. Das Kind selbst wirke seit drei Monaten fröhlich und agil, habe aber Einschlafprobleme. Die anfänglich hohe Irritierbarkeit habe sich in den letzten Monaten aufgrund des strukturierten Rahmens der Schutzstelle etwas gemildert.

Im Termin am 21. Januar 2014 erklärte das Jugendamt dann, mit dem Waisenhaus vereinbart zu haben, dass insbesondere der Umgang mit der Kindsmutter so unterstützt und erweitert werde, dass auch eine Rückführung des Kindes als mögliche Option vorbereitet werde. Daher sollten insbesondere die Umgangszeiten des Kindes mit der Mutter ausgedehnt werden. Das Kind solle aber bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Waisenhaus bleiben. Die Kindseltern bestätigten ihre Trennung. Der Kindsvater erklärte, den Jungen nicht aufnehmen zu können, sprach sich nunmehr aber anders als früher für eine Rückführung zur Mutter aus.

d) Mit Beschluss vom 21. Januar 2014 änderte das Oberlandesgericht den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend ab, dass nur die Sorgerechtsbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Recht zur Zuführung zur ärztlichen Behandlung und Recht zur Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen entzogen wurden. Im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen.

4. Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

5. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

6. Das Bundesverfassungsgericht hat der Bayerischen Staatsregierung, dem Stadtjugendamt München und dem Verfahrensbeistand des Kindes Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Stadtjugendamt hat sich den gerichtlichen Entscheidungen angeschlossen.

II.

Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Elternrechts der Beschwerdeführerin angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Absatz 2 Satz 1 GG verletzt.

1. a) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine Trennung des Kindes von seinen Eltern stellt den stärksten Eingriff in dieses Recht dar und unterliegt strenger verfassungsgerichtlicher Überprüfung. Dabei kann sich die verfassungsgerichtliche Kontrolle wegen des besonderen Eingriffsgewichts auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 26; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 25). Die Trennung ist allein zu dem Zweck zulässig, das Kind vor nachhaltigen Gefährdungen zu schützen (b) und darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (c). Entsprechendes gilt, wenn wie hier einem Elternteil das Sorgerecht für sein bereits von ihm getrenntes Kind entzogen und damit die Aufrechterhaltung der Trennung des Kindes von ihm gesichert wird. Dabei greift der starke Schutz des Elterngrundrechts auch dann ein, wenn ein Elternteil die Trennung von seinem Kind zunächst freiwillig herbeigeführt hatte und es nunmehr um die Aufrechterhaltung dieses Zustands geht (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 1988 – 1 BvR 585/88 -, juris, Rn. 29).

b) Ein Kind darf von seinen Eltern gegen deren Willen nur dann getrennt werden, wenn die Eltern versagen oder wenn das Kind aus anderen Gründen zu verwahrlosen droht. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie oder einer Rückführung in die Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Ihren einfachrechtlichen Ausdruck hat diese Anforderung in § 1666 Abs. 1 BGB gefunden. Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 28; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 – XII ZB 166/03 -, juris, Rn. 11).

Begehren Eltern – wie hier – die Rückführung ihres bereits fremduntergebrachten Kindes, kann eine solche Gefahr für das Kind gerade aus der Rückführung resultieren. In einem solchen Fall ist es verfassungsrechtlich geboten, bei der Kindeswohlprüfung nach § 1666 BGB die Tragweite einer Trennung des Kindes von seiner bisherigen Bezugsperson einzubeziehen und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung zu berücksichtigen, die negativen Folgen einer eventuellen Traumatisierung der Kinder gering zu halten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 – 1 BvR 2006/98 -, FamRZ 2000, S. 1489). Das Kindeswohl gebietet es, die neuen gewachsenen Bindungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu berücksichtigen und das Kind aus seiner neuen Obhut nur herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von seinen bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes noch hinnehmbar sind (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 – 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 31). Allerdings macht es einen Unterschied, ob das Kind bei Pflegeeltern, oder aber – wie hier – in einem Waisenhaus untergebracht ist. Lebt ein Kind in einem Waisenhaus, entstehen zum einen an die dortigen Bezugspersonen regelmäßig geringere Bindungen als an Pflegeeltern. Zum anderen wird das Kind nicht langfristig in dem Waisenhaus leben, so dass ein Wechsel der Betreuungspersonen und des Betreuungsumfelds ohnehin bevorsteht (vgl. BVerfGE 72, 122 <141>). Bei dieser Sachlage kommt dem Bindungsabbruch grundsätzlich geringere Bedeutung zu als bei der Rückführung aus einer Pflegefamilie.

c) Die Trennung des Kindes von seinen Eltern darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen und aufrechterhalten werden (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). In Übereinstimmung mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen erklärt § 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur dann für zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes schlagen sich insbesondere in einer Verpflichtung nieder, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen ein Zueinanderfinden von Kind und Eltern gelingen kann. Stets ist zu fragen, ob sich die Kindeswohlgefahren durch eine behutsame, insbesondere zeitlich gestreckte, Rückkehr ausräumen lassen. Sind die Eltern nicht ohne Weiteres in der Lage, den erzieherischen Herausforderungen gerecht zu werden, vor die sie im Fall der – sei es auch zeitlich gestreckten – Rückkehr eines über längere Zeit fremduntergebrachten Kindes gestellt sind, sind sie hierbei durch öffentliche Hilfen zu unterstützen (§ 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 – 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 35, m.w.N.). Dies gilt erst recht, wenn nicht die Rückkehr aus einer Pflegefamilie, sondern – wie hier – aus einem Waisenhaus in Rede steht. In einer solchen Situation steht dem Kind ohnehin ein weiterer Wechsel der Bezugsperson bevor, so dass die Rückkehr zu den Eltern in dieser Hinsicht keine Mehrbelastung des Kindes bedeutet. Zudem stehen einander in einer solchen Situation nur die Grundrechtspositionen der Eltern und des Kindes gegenüber (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 31. März 2010 – 1 BvR 2910/09 -, juris, Rn. 25; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2006 – 1 BvR 476/04 -, juris, Rn. 23), nicht aber die von Pflegeeltern. Hier gilt daher umso mehr, dass vorrangig versucht werden muss, den Schutz des Kindes durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>) und eine behutsame Rückführung zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 – XII ZB 68/11 -, juris, Rn. 29).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt die Entscheidung des Amtsgerichts das Elternrecht.

a) Dass das Kind bei einer Rückkehr zur Beschwerdeführerin in einer die Aufrechterhaltung der Trennung rechtfertigenden Weise gefährdet wäre, lässt sich den Ausführungen des Gerichts nicht entnehmen und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

aa) Das Gericht begründet das Vorliegen einer erheblichen Kindeswohlgefährdung im Fall der Rückführung zum einen damit, dass das Kind dringend einer verlässlichen, individuellen und kontinuierlichen Zuwendung bedürfe, dass die Mutter hierzu aber nicht in der Lage sei, da sie keine Arbeit habe, in einem Obdachlosenheim wohne und ihre partnerschaftlichen Verhältnisse nicht geklärt seien. Sie könne eine zuverlässige und altersgerechte Betreuung nicht sicherstellen.

In dieser sehr knappen Begründung bezieht sich das Gericht im Wesentlichen auf die Berichte des Jugendamts vom 23. Juli 2013, des Verfahrensbeistands vom 16. August 2013 und des Kinderzentrums vom Januar und März 2013. Eine eigenständige Würdigung insbesondere im Hinblick auf das entgegenstehende Vorbringen der Kindsmutter zu ihrer aktuellen Lebenssituation (Trennung vom Partner, Wohnen im Frauenobdach), den Schwierigkeiten bei der Umgangswahrnehmung aufgrund eigener Berufstätigkeit sowie der Nichthinzuziehung zu den Untersuchungen des Kinderzentrums unterbleibt. Da das Kind bereits fremduntergebracht war und ihm schon deshalb seitens der Beschwerdeführerin keine Gefahr drohte, drängte der Sorgerechtsentzug zeitlich nicht so sehr, dass das Gericht ausnahmsweise von einer näheren Begründung hätte absehen können.

Die Bezugnahme auf die Berichte des Kinderzentrums vom Januar und März 2013 ist bereits deshalb problematisch, weil nicht erkennbar ist, dass die dort bezüglich des damals erst wenige Monate alten Kindes getroffenen Feststellungen zum Entscheidungszeitpunkt noch unverändert zutrafen. Aus dem Bericht des Verfahrensbeistands vom 16. August 2013 ergibt sich vielmehr, dass sich die zuletzt geschilderten Spannungszustände des Kindes gelöst haben. Auch würdigt das Gericht nicht, dass die in den Berichten geschilderten Probleme maßgeblich auf die Fremdunterbringung des Kindes in dem Waisenhaus zurückzuführen waren und dass die Empfehlung der Ärzte dahin ging, dem Kind eine verlässliche Bezugsperson zur Seite zu stellen. Insoweit war grundsätzlich an die Mutter des Kindes zu denken. Dass die Ärzte eine Empfehlung in Richtung von Pflegeeltern aussprachen, beruhte offenbar weniger auf einer eigenen Sachprüfung als vielmehr auf einer nicht geprüften Übernahme der Angaben der das Kind vorstellenden Personen.

Soweit das Gericht ausführt, dass ein Wechsel des Kindes zur Mutter aufgrund ihrer Lebensumstände nicht in Betracht komme, tragen die Ausführungen nicht. Schilderungen zu „komplexen Verhältnissen zu dem Ex-Partner“ sowie der „externen Beeinflussung“ durch Dritte, auch durch die Halbschwester, bleiben vage und es erschließt sich nicht hinreichend, welche Gefährdung für das Kind hieraus resultieren soll. Soweit das Gericht die Obdachlosigkeit der Beschwerdeführerin für maßgeblich erachtet, kann dies zwar einen Gefährdungsgrund darstellen. Eine Obdachlosigkeit im eigentlichen Sinn lag aber nicht vor. Die Beschwerdeführerin lebte zum Zeitpunkt der Entscheidung in einem Frauenobdach, das auf Mütter mit Kindern eingerichtet ist und damit eine kindgerechte Unterkunft bietet.

bb) Soweit das Gericht zum anderen für maßgeblich erachtet, dass die Beschwerdeführerin die sozialen Bedürfnisse des Kindes, wie sie im Bericht des Kinderzentrums vom 1. März 2013 aufgezeigt worden seien – gemeint ist wohl das Bedürfnis nach einer festen Bezugsperson -, gar nicht erst erkenne, legt es nicht dar, worauf diese Annahme beruht und welche Art und welcher Grad von Kindeswohlgefährdung hieraus resultieren könnten. Wenn das Gericht insoweit auf eine fehlende Erziehungseignung der Beschwerdeführerin schließen möchte, hätte auch dies weiterer Darlegungen bedurft. Zwar mag die Beschwerdeführerin im Umgang mit dem Kind Defizite aufgewiesen haben. Dass diese die Aufrechterhaltung der Trennung rechtfertigen könnten, ist jedoch nicht ersichtlich. Es ist nicht dargelegt und auch nicht ohne Weiteres erkennbar, dass diese nicht hätten ausgeräumt werden können und inwiefern diese überhaupt zu einer schweren Schädigung der seelischen oder geistigen Entwicklung des Kindes führen würden.

cc) Dass das Kind wegen der spezifischen Belastungen einer Rückführung nicht hinnehmbaren Gefahren ausgesetzt wäre, legt das Gericht nicht dar. Zwar kann die Rückführung aus der Pflegestelle zu den Eltern das Kind belasten, weil damit der Abbruch von Bindungen verbunden sein kann, die in der Pflegestelle entstanden sind. Wie gesehen, kommt dem jedoch bei der Rückkehr aus einem Waisenhaus regelmäßig geringere Bedeutung zu als bei der Rückkehr von Pflegeeltern (s.o., II.1.b). Das Gericht hat zur Bedeutung der im Waisenhaus entstandenen Bindungen und zur Notwendigkeit durch eine Trennung entstehenden Beeinträchtigungen zu begegnen, keine Feststellungen getroffen und hat dazu, soweit ersichtlich, auch keine Ermittlungen angestellt.

dd) Zur unzutreffenden Bejahung der Voraussetzungen der Aufrechterhaltung einer Trennung des Kindes von der Mutter mag beigetragen haben, dass das Amtsgericht insofern einen falschen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt haben könnte. Ausweislich des Beweisbeschlusses vom 7. Januar 2014 zur Einholung eines Sachverständigengutachtens im hier nicht gegenständlichen Hauptsacheverfahren hat das Gericht dort die Frage sachverständiger Begutachtung unterzogen, „welche Sorgerechtsregelung am ehesten dem Kindeswohl entspricht“. Dabei sei „auch darauf einzugehen, inwieweit die Rückführung des Kindes zur leiblichen Mutter dem Verbleib in einer Pflegefamilie vorzuziehen“ sei. Beide Fragen entsprechen weder dem in § 1666 BGB vorgesehenen noch dem verfassungsrechtlich gebotenen Prüfungsmaßstab, wonach die Aufrechterhaltung der Trennung nur dann zulässig ist, wenn dem Kind bei den Eltern die nachhaltige Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung droht (s.o., II.1.b).

b) Ungeachtet des Fehlens einer die Sorgerechtsentziehung rechtfertigenden Kindeswohlgefährdung verstößt die Entscheidung des Amtsgerichts gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da das gesamte elterliche Sorgerecht entzogen wurde. Dies wurde nicht begründet und die Notwendigkeit ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Inwieweit die Entscheidung darüber hinaus unverhältnismäßig ist, weil sie sich nicht mit dem Vorhandensein etwaiger milderer Mittel auseinandersetzt, bedarf keiner Entscheidung.

3. Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts verstößt gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

a) Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich nicht mit hinreichender Sicherheit, dass im Falle der Rückführung des Kindes zur Beschwerdeführerin eine den Grundrechtseingriff rechtfertigende nachhaltige Gefahr einer erheblichen Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes besteht.

aa) Das Oberlandesgericht stützt die Annahme einer den teilweisen Sorgerechtsentzug rechtfertigenden Situation zunächst darauf, dass sich bereits aus dem einleitenden Bericht des Jugendamts vom 23. Juli 2013 ergeben habe, dass die Lebensverhältnisse der leiblichen Eltern von Beginn an äußerst unstet waren. Die Feststellungen des Gerichts hierzu bleiben jedoch zu vage, als dass sich daran eine entsprechende Kindeswohlgefährdung ablesen ließe. Dass die Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin unter Kindeswohlgesichtspunkten untragbar unstet seien, macht das Gericht vor allem an ihrer Wohnsituation fest. Zu dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin seit dem 1. Januar 2014 eine Einzimmerwohnung von ca. 40 qm angemietet hat, führt das Gericht dabei jedoch lediglich aus, ein schriftlicher Mietvertrag liege noch nicht vor; inwieweit damit aktuell die Wohnsituation der Beschwerdeführerin gesichert sei, könne noch nicht abschließend eingeschätzt werden. Bei Zweifeln an der tatsächlichen Vermietung oder der Eignung des Wohnraums für die Aufnahme eines Kindes hätte das Oberlandesgericht aber nähere Ermittlungen anstellen müssen. In Sorgerechtsverfahren haben die Familiengerichte das Verfahren so zu gestalten, dass es geeignet ist, eine möglichst zuverlässige Grundlage zu schaffen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Weil bereits der vorläufige Entzug des Sorgerechts einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Eltern und des Kindes darstellt und weil schon die vorläufige Herausnahme des Kindes aus der Familie oder die vorläufige Aufrechterhaltung der bereits erfolgten Trennung Tatsachen schaffen kann, welche später nicht ohne Weiteres rückgängig zu machen sind, sind grundsätzlich auch bei einer Sorgerechtsentziehung im Eilverfahren hohe Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 19 ff.). Die erforderlichen Ermittlungen hätten auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung angestellt werden können und hätten zu keiner wesentlichen Verfahrensverzögerung geführt.

bb) Zwar stellt das Oberlandesgericht fest, dass sich das Jugendamt im Termin am 21. Januar 2014 eine vorsichtige Anbahnung der Rückführung des Kindes zur Mutter vorstellen konnte. Gleichwohl hat das Oberlandesgericht die Aufrechterhaltung des Sorgerechtsentzugs für angezeigt gehalten, weil eine Rückführung derzeit noch nicht verantwortet werden könne. Inwieweit die Wahrung des Kindeswohls der Einleitung der Rückführung entgegensteht, lässt sich den Ausführungen des Gerichts jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen.

Soweit das Oberlandesgericht auf die Berichte des Kinderzentrums vom 29. Januar und 1. März 2013 rekurriert, liegt die Situation, wie sie noch in den Berichten beschrieben wurde, nicht mehr vor. Auslöser einer zum damaligen Zeitpunkt beginnenden Anpassungsstörung war offenbar das Fehlen einer festen Bezugsperson für das Kind angesichts der Unterbringung in einem Waisenhaus mit wechselnden Betreuungspersonen. Dass diese Situation ein Jahr nach Erstellung des ersten Berichts so nicht mehr bestand, ergibt sich bereits aus den die weitere Entwicklung des Kindes beschreibenden Berichten des Verfahrensbeistands und des Jugendamts. Soweit das Gericht in diesem Zusammenhang darauf abstellt, in dem Bericht vom März 2013 heiße es, dass keineswegs abgewartet werden könne, bis die Eltern verschiedenen Auflagen nachkämen, waren damit Auflagen im Zusammenhang mit der Wohnsituation gemeint, die die Mutter jedenfalls nunmehr unzweifelhaft erfüllt hat. Dass die ohne Einbeziehung der Mutter erlangten Untersuchungsergebnisse Rückschlüsse auf deren „erhebliche Defizite“ zulassen könnten, wie das Gericht ohne nähere Erläuterung feststellt, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil das Kind bereits eine Woche nach der Geburt von ihr getrennt wurde.

cc) Auch die übrigen Ausführungen tragen die Annahme einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung nicht. Der Hinweis des Gerichts auf die unsicheren Bindungen zwischen Mutter und Kind lässt für sich genommen nicht darauf schließen, dass bei der Rückführung für das Kind nicht hinnehmbare Belastungen eintreten würden, die von der Mutter nicht aufgefangen werden könnten. Der Hinweis auf die „anhaltend schwierigen Lebensumstände“ der Mutter bleibt in diesem Zusammenhang ebenso vage wie die Feststellung, dass bei einem Wechsel zur Mutter die Grundbedürfnisse des Kindes nicht erfüllt werden könnten. Auch eine nach Einschätzung des Gerichts bis vor kurzem konflikthafte Beziehung zum früheren Partner kann eine Aufrechterhaltung der Trennung eines Kindes von seiner Mutter nicht ohne Hinzutreten weiterer Gefährdungsmomente rechtfertigen.

dd) Dass das Kind wegen der spezifischen Umstände einer Rückführung nicht hinnehmbaren Gefahren durch Bindungsabbrüche ausgesetzt wäre, legt auch das Oberlandesgericht nicht dar. Es hat zur Bedeutung der im Waisenhaus entstandenen Bindungen für das Kind und zur Notwendigkeit, durch eine Trennung etwa entstehenden Beeinträchtigungen zu begegnen, keine Feststellungen getroffen.

b) Die Entscheidung ist, soweit der vom Amtsgericht beschlossene Sorgerechtsentzug bestätigt wird, auch nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

Unverhältnismäßig ist insbesondere die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Selbst wenn man – was das Gericht nicht darlegt – unterstellt, dass dem Kind bei einer sofortigen Rückkehr zur Mutter wegen damit einhergehender Bindungsabbrüche nicht hinnehmbare Gefahren drohten, war die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts unverhältnismäßig. Das Gericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass die Beschwerdeführerin ihre Einsicht in die Notwendigkeit einer behutsamen Rückführung des Kindes bekundet hat, eine missbräuchliche Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrecht durch die Beschwerdeführerin daher nicht zu erwarten und ein Sorgerechtsentzug entsprechend schon aus diesem Grund nicht erforderlich war (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 1984 – BReg 1 Z 91/83 -, juris, Rn. 11). Dafür, dass sich die Beschwerdeführerin nicht an ihrer Äußerung festhalten lassen würde, gibt es keine Anhaltspunkte, das Oberlandesgericht hat hierzu auch nichts ausgeführt.

Das Gericht hat sich auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit etwaige durch eine Rückführung zur Mutter entstehende Belastungen des Kindes durch mildere Mittel, gegebenenfalls unterstützt durch öffentliche Hilfemaßnahmen nach §§ 27 ff. SGB VIII, aufgefangen werden und entsprechende Rückführungshindernisse ausgeräumt werden könnten.

Schließlich hat das Gericht nicht hinreichend in Rechnung gestellt, dass in Fällen, in denen die Rückkehr eines Kindes zu seinen Eltern nicht sofort erfolgen kann, der durch Aufrechterhaltung der Trennung bewirkte Grundrechtseingriff grundsätzlich nur dann verhältnismäßig im engeren Sinne ist, wenn der Staat durch geeignete Fördermaßnahmen auf eine langfristige Rückführung des Kindes hinwirkt und die Rückführungsperspektive offenhält (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 – 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 32; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 – XII ZB 68/11 -, juris, Rn. 29). Dies gilt auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung, da auch in diesem aufgrund der nicht absehbaren Dauer des Hauptsacheverfahrens die Gefahr sich verfestigender Verhältnisse besteht. Das Gebot, Maßnahmen zur Familienzusammenführung zu prüfen, gewinnt gerade im Falle der Trennung eines Kindes unmittelbar nach der Geburt mit Zeitablauf zunehmend an Gewicht (vgl. EGMR (GK), K. u. T. ./. Finnland, Urteil vom 12. Juli 2001, Nr. 25702/94, NJW 2003, S. 809). Das Oberlandesgericht hat letztlich – wie zuvor das Amtsgericht – der Frage zu wenig Beachtung geschenkt, wie eine alsbaldige Wiedervereinigung der Familie erreicht werden könnte, um zu verhindern, dass eine weitere Verfestigung der offenbar bereits begonnenen Entfremdung des Kindes eintreten kann. Insoweit hätte es zumindest nahegelegen, zur Vorbereitung der Rückführung eine die Bindung des Kindes zur Mutter intensivierende Umgangsregelung zu treffen, wie es von der Beschwerdeführerin ausdrücklich angeregt worden war. Die im Termin seitens des Jugendamts angesprochene Vereinbarung mit dem Waisenhaus, den Umgang zu erweitern, wurde bislang lediglich dahingehend realisiert, dass der Beschwerdeführerin über die derzeit zweimal wöchentlich stattfindenden Umgangstermine hinaus eine weitere Stunde begleiteten Umgangs eingeräumt werden soll.

4. Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 19. September 2013 und des Oberlandesgerichts vom 21. Januar 2014 beruhen auf den Verstößen gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte bei verfassungsgemäßer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin getroffen hätten.

5. Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfGE 105, 197 <235>; stRspr).

6. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

BVerfG, Beschluss vom 14.06.2014
1 BvR 725/14

Schreibe einen Kommentar