BGH: Abänderungsverfahren setzt Darlegung veränderter Umstände voraus

BGH: Abänderungsverfahren setzt Darlegung veränderter Umstände voraus

a) Hat das Berufungsgericht die Berufung durch einstimmigen Beschluss nicht nach § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückgewiesen, sondern nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, schließt § 522 Abs. 3 ZPO die allgemeine Anfechtbarkeit nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht aus (Anschluss an BGH Beschluss vom 20. Juni 2006 – VI ZB 75/05 – NJW 2006, 2910).

b) Im Abänderungsverfahren setzt die Herabsetzung eines Unterhaltstitels, der in Form einer Jugendamtsurkunde nach den §§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 60 SGB VIII einseitig errichtet worden ist, die Darlegung veränderter Umstände voraus.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Familiensenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. August 2006 wird auf Kosten des Klägers verworfen.

Beschwerdewert: 3.451 €.

Gründe:

I.

Die Parteien stritten um die Herabsetzung des vom Kläger geschuldeten Kindesunterhalts.

In Jugendamtsurkunden vom 9. April 2001 verpflichtete sich der Kläger, an die Beklagten, seine ehelichen Kinder, monatlichen Unterhalt in Höhe von 190 % des Regelbetrags abzüglich hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Nach der Scheidung von der Mutter der Beklagten ließ der Kläger am 20. November 2002 neue Urkunden errichten, in denen er sich für die Zeit ab Dezember 2002 zur Zahlung monatlichen Unterhalts in Höhe von 114 % des jeweiligen Regelbetrags abzüglich anteiligen Kindergeldes verpflichtete.

Das Amtsgericht hat die auf Abänderung der Unterhaltspflichten aus den ursprünglichen Jugendamtsurkunden vom 9. April 2001 gegen beide Beklagte gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Beklagten zu 1 und 2 zu verurteilen, die vollstreckbaren Ausfertigungen der Jugendamtsurkunden vom 9. April 2001 an ihn herauszugeben. Mit weiterem Schriftsatz vom 24. Juli 2006 hat der Kläger ein – nach seiner Auffassung in den Berufungsanträgen enthaltenes – Abänderungsbegehren zusätzlich mit seinem gegenwärtig erzielten Einkommen begründet.

Mit Beschluss vom 28. Juli 2006 hat das Berufungsgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO “als unzulässig zu verwerfen”, da der Kläger nicht die Beseitigung einer Beschwer aus dem amtsgerichtlichen Urteil erstrebe. In seiner Stellungnahme hat der Kläger seine Rechtsauffassung wiederholt, wonach trotz der geänderten Anträge auch der Streitgegenstand der erstinstanzlichen Abänderungsklage weiter verfolgt werde. Das Berufungsgericht hat die Berufung am 21. August 2006 “durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen”. Zur Begründung hat es auf den Hinweisbeschluss vom 28. Juli 2006 Bezug genommen und ausgeführt, dass das allgemein gehaltene Vorbringen des Klägers auf den Hinweisbeschluss zu keiner anderen Beurteilung führe. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

1. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings statthaft. Nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO findet gegen einen Beschluss, durch den eine Berufung als unzulässig verworfen wird, die Rechtsbeschwerde statt. Ein solcher Beschluss liegt hier vor.

Trotz der missverständlichen Formulierung in den Gründen des angefochtenen Beschlusses hat das Oberlandesgericht die Berufung nicht als unbegründet zurückgewiesen. Zwar ist dort ausführt, die Berufung werde “durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern (§ 522 Abs. 2 ZPO)”. Diese Ausführungen stehen allerdings im Widerspruch zu der weiteren Begründung, wonach auf die Gründe des Hinweisbeschlusses vom 28. Juli 2006 Bezug genommen und die Stellungnahme des Klägers als unerheblich beurteilt worden ist. Sowohl der Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 28. Juli 2006 als auch der weitere Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 21. August 2006 befassen sich ausschließlich mit der Zulässigkeit der eingelegten Berufung. Wegen des in § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausdrücklich niedergelegten Grundsatzes des vorherigen rechtlichen Gehörs ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht seinen einstimmigen Zurückweisungsbeschluss nur auf die Gründe gestützt hat, die es dem Kläger zuvor mitgeteilt hat. Daraus und aus der Bezugnahme in dem angefochtenen Beschluss folgt, dass die Berufung trotz der widersprüchlichen Formulierung in dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen worden ist.

Das Berufungsgericht hat somit keine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO (einstimmige Zurückweisung als unbegründet), sondern eine solche nach § 522 Abs. 1 ZPO (Verwerfung als unzulässig) getroffen. Deren Anfechtbarkeit ist aber nicht nach § 522 Abs. 3 ZPO eingeschränkt (BGH Beschluss vom 20. Juni 2006 – VI ZB 75/05 – NJW 2006, 2910).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Rechtsfrage, ob der in zweiter Instanz angekündigte Herausgabeantrag denselben Streitgegenstand betrifft wie die Abänderungsklage in erster Instanz, weder grundsätzliche Bedeutung noch ist insoweit eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Denn diese Rechtsfrage ist im vorliegenden Rechtsstreit für die Beurteilung der Erfolgsaussicht unerheblich.

Selbst wenn der Antrag auf Herausgabe der Unterhaltstitel vom 26. Juni 2006 auch das Ziel einer Herabsetzung des geschuldeten Kindesunterhalts nach § 323 Abs. 4 ZPO in Verbindung mit den §§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, 59 Abs. 1 Nr. 3, 60 SGB VIII verfolgen würde – wofür wegen der unterschiedlichen Zielrichtung beider Anträge wenig spricht -, wäre die Berufung unzulässig, weil es ihr insoweit an der nach § 520 ZPO erforderlichen Berufungsbegründung fehlt. Die innerhalb der bis zum 7. Juli 2006 verlängerten Begründungsfrist eingegangene Berufungsbegründung befasst sich ausschließlich mit der Frage, ob der Kläger seine “einseitig errichteten Jugendamtsurkunden” ohne Mitwirkung der Beklagten wirksam widerrufen durfte. Obwohl schon das Amtsgericht die Abänderungsklage mangels hinreichenden Vortrags zu der Frage, ob sich die Verhältnisse geändert haben, abgewiesen hatte, enthält auch der weitere Schriftsatz des Klägers vom 24. Juli 2006 lediglich Vortrag zu Unterhaltsansprüchen auf der Grundlage des Einkommens der Jahre 2004 und 2005. Das allein kann eine Abänderung des Titels auf laufenden Kindesunterhalt nicht begründen, da der Vortrag eine Darlegung einer etwaigen Einkommensminderung vermissen lässt.

BGH, Beschluss vom 14.02.2007
XII ZB 171/06

OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 21.08.2006

AG Freiburg, Entscheidung vom 06.04.2006
45 F 1/06

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