BGH: Bedingungen an ehebedingten Nachteil im Unterhaltsrecht

BGH: Bedingungen an ehebedingten Nachteil im Unterhaltsrecht

Ein ehebedingter Nachteil im Sinne des § 1578 b BGB liegt nicht nur vor, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte ehebedingt von der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit absieht oder eine bereits ausgeübte Erwerbstätigkeit aufgibt, sondern auch dann, wenn er ehebedingt seinen Arbeitsplatz wechselt und dadurch Nachteile erleidet.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. November 2011 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin begehrt von dem Antragsteller, ihrem geschiedenen Ehemann, Zahlung nachehelichen Unterhalts.

Die Beteiligten heirateten im Oktober 1984. Aus ihrer Verbindung sind zwei in den Jahren 1983 und 1986 geborene Kinder hervorgegangen. Die Beteiligten trennten sich (spätestens) im Januar 2009. Aufgrund einer notariell beurkundeten Vereinbarung zahlte der Antragsteller einen Trennungsunterhalt von monatlich 832,75 €.

Der 1959 geborene Antragsteller ist Schichtleiter in einem Kraftwerk. Er arbeitet im Drei-Schicht-System. Die 1956 geborene Antragsgegnerin absolvierte nach Beendigung der Oberschule eine Ausbildung als Maschinistin für Wärmekraftwerke. Anschließend war sie in demselben Kraftwerk tätig. 1978 erwarb sie die Qualifikation als Meister in der Fachrichtung Kraftwerkstechnik. Ab 1980 wurde sie als Leitstandsmaschinistin eingesetzt und ab 1987 als Operativ-Technologin. Zuletzt erhielt die Antragsgegnerin für ihre Tätigkeit im Kraftwerk eine Entlohnung nach Lohngruppe 9. Ende Februar 1990 kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis bei dem V. und nahm anschließend eine Tätigkeit als Abstimmerin nach Lohngruppe 6 bei dem W. (W. ) Cottbus auf. Zum 1. Mai 1993 wurde die Antragsgegnerin arbeitslos. In der Folgezeit absolvierte sie eine Umschulung zur Bauzeichnerin. Nach Abschluss dieser Ausbildung nahm sie nach vorübergehenden anderweitigen Beschäftigungen und teilweiser Arbeitslosigkeit im Oktober 2005 eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst mit einer wöchentlichen Grundarbeitszeit von 35 Stunden zuzüglich Überstunden an.

Auf den im Dezember 2009 zugestellten Scheidungsantrag hat das Amtsgericht mit Verbundbeschluss die Ehe rechtskräftig seit dem 21. Juli 2011 geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Ferner hat es dem Folgeantrag der Antragsgegnerin, den Antragsteller zu verpflichten, ihr einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 857,50 € zu zahlen, teilweise stattgegeben und der Antragsgegnerin einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 555,35 € befristet bis einschließlich Dezember 2014 zugesprochen. Auf ihre Beschwerde hat das Oberlandesgericht den Beschluss teilweise abgeändert und ihr antragsgemäß Unterhalt zugesprochen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts hat die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB in der beantragten Höhe, der zurzeit nicht der Begrenzung nach § 1578 b BGB unterliege.

Zur Feststellung der maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Beteiligten sei auf den Zeitraum von einem Jahr vor der Rechtskraft der Ehescheidung abzustellen (1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011). Dies gelte insbesondere, weil ein weiter zurückliegender Zeitraum auch dadurch gekennzeichnet gewesen sei, dass der Ehemann aufgrund seiner Erkrankung nur ein niedrigeres Einkommen habe erwirtschaften können, was jedoch letztendlich nicht als eheprägend angesehen werden könne. Die monatlich gezahlten Leistungszulagen, die Jahressonderzahlung wie auch die gewährten jährlichen Prämien (Leistungsprämie und erfolgsabhängige Prämie) seien für den unterhaltspflichtigen Antragsteller übliche Einkommensbestandteile und damit bei der Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens zu berücksichtigen. Die Arbeit in dem Schichtdienst habe die Ehe der Beteiligten geprägt.

Die gezahlten Zulagen und Prämien seien nicht auf drei Jahre zu verteilen, weil es sich um jährliche Zuwendungen handele, die der Arbeitgeber in der Vergangenheit auch jeweils erbracht habe. Soweit das Amtsgericht die steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nur zu zwei Dritteln in die Unterhaltsberechnung eingestellt habe, sei dies nicht zu beanstanden.

Es ergebe sich im Ergebnis ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 3.865,14 €. Hiervon sei neben den Fahrtkosten von 201,66 € auch der bislang monatlich gezahlte Unterhalt für den volljährigen Sohn von 400 € abzuziehen. Damit betrage das Nettoeinkommen des Antragstellers 3.263,48 €. Hierzu sei die durchschnittliche monatliche Steuererstattung in Höhe von 376,74 € hinzuzurechnen. Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die im Vergleich zu den Vorjahren deutlich höhere Erstattung beruhe auf außergewöhnlichen Belastungen, die der Antragsgegnerin nicht zugutekommen dürften. Worin diese außergewöhnlichen Belastungen bestanden hätten, habe der Antragsteller nicht dargelegt. Es spreche jedoch sehr viel dafür, dass es sich um eine Belastung aus Realsplitting handele, hier also Unterhaltszahlungen an die damals getrennt lebende Ehefrau und/oder das Kind berücksichtigt worden seien. Da der Antragsteller auch weiterhin Unterhalt an die Antragsgegnerin zu leisten habe, sei für die Prognose seiner künftigen Einkünfte davon auszugehen, dass entsprechende Steuervorteile weiterhin erlangt würden bzw. werden könnten. Nach alledem verbleibe dem Antragsteller nach Abzug des Erwerbstätigensiebtels ein Nettoeinkommen von monatlich 3.097,05 €.

Demgegenüber belaufe sich das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen der Antragsgegnerin aus einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden nebst Überstunden unter Berücksichtigung ihrer Fahrtkosten, der anteiligen monatlichen Steuererstattung und des Abzugs des Erwerbstätigensiebtels auf 1.223,89 €. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sie jedenfalls seit November 2010 eine erhebliche Anzahl von Überstunden geleistet habe, und zwar monatlich zwischen 19 und 21 Stunden, die gesondert vergütet worden seien. Für die Zeit ab November 2010 habe sie mithin mindestens in Vollzeit gearbeitet.

Hinsichtlich des vorangegangenen Zeitraums komme eine fiktive Zurechnung weiteren Einkommens nicht in Betracht. Es könne nicht unterstellt werden, dass es der Antragsgegnerin möglich gewesen wäre, bei demselben Arbeitgeber einen Vertrag mit einer höheren Arbeitszeit zu erlangen. Bei einer Vollzeittätigkeit in ihrem erlernten Beruf als Bauzeichnerin betrage der mögliche Verdienst nach einer Internetrecherche 1.914 €, während sie für ihre Teilzeittätigkeit im öffentlichen Dienst Bruttobezüge von 1.980,27 € erhalte. Deshalb sei sie ihrer Obliegenheit zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit in vollem Umfang nachgekommen.

Nach alledem ergebe sich ein rechnerischer Unterhaltsanspruch von 936,58 € (3.097,05 € + 1.223,89 € = 4.320,94 €/2 = 2.160,47 € abzüglich eigener Einkünfte i.H.v. 1.223,89 €). Die Antragsgegnerin habe einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 857,50 € beantragt, der mithin zuzusprechen sei.

Die Voraussetzungen einer Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB lägen derzeit nicht vor. Der Behauptung des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe keine ehebedingten Nachteile erlitten, habe sie entgegengesetzt, der Arbeitsplatzwechsel habe der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie gedient. Da der neue Arbeitsort näher am Wohnort gelegen und besser erreichbar gewesen sei, was der Antragsteller bei seiner persönlichen Anhörung eingeräumt habe, habe sie anlässlich der bevorstehenden Einschulung der Tochter J. diese besser betreuen können. Ohne den Arbeitsplatzwechsel hätte das Kind mit Schulbeginn sowohl den Frühhort als auch den Nachmittagshort besuchen müssen. Andere Gründe für den Arbeitsplatzwechsel hätten nicht vorgelegen. Insbesondere sei zum damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbar gewesen, wie sich die erst bevorstehende wirtschaftliche Wende auf den Betrieb auswirken werde. Von bestehenden Ängsten betreffend den Bestand des Arbeitsplatzes im Kraftwerksbereich habe keine Rede sein können.

Dieses Vorbringen der Antragsgegnerin sei für sich genommen schlüssig. Auch wenn die Antragsgegnerin zuletzt bei ihrem früheren Arbeitgeber lediglich in Frühschicht gearbeitet habe, so sei doch eine bessere Versorgung und Betreuung der Kinder gewährleistet, wenn sich der Weg von und zur Arbeit deutlich verkürze. Nicht nur eine Aufgabe des Arbeitsplatzes zugunsten einer vollständigen Kinderbetreuung durch einen Ehepartner stelle eine ehebedingte Entscheidung dar, die sich auf das berufliche Fortkommen auswirke, sondern auch eine sonstige Veränderung des Arbeitsplatzes, die aus Gründen geschehe, die der Familie dienten.

Es stehe außer Frage, dass die Antragsgegnerin durch den Wechsel des Arbeitsplatzes erhebliche berufliche Nachteile erlitten habe. Während der berufliche Werdegang der Antragsgegnerin seit März 1990 von Brüchen gekennzeichnet gewesen sei, sei die Zeit davor von großer beruflicher Stabilität und Kontinuität sowie einem Aufstieg in Tätigkeit und Bezahlung geprägt gewesen.

Die Erklärung der Antragsgegnerin könne der Antragsteller auch nicht widerlegen. Es könne nicht unterstellt werden, die Erwerbsbiografie der Antragsgegnerin habe sich allein “wendebedingt” ungünstig entwickelt. Auf die Behauptung, der Antragsteller sei mit der Entscheidung zum Arbeitsplatzwechsel nicht einverstanden gewesen, komme es nicht an; die Partner hätten nach der Kündigung des Arbeitsplatzes und der Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit durch die Ehefrau noch weitere 19 Jahre zusammengelebt und auf der Basis dieser Entscheidung gewirtschaftet. Die berufliche Umorientierung habe somit im Zusammenhang mit der praktizierten Ehegestaltung gestanden. Dass der Wechsel der Arbeitsstelle ausschließlich auf Gründen beruht habe, die außerhalb der Ehegestaltung gelegen hätten, lasse sich nicht feststellen. Dies wirke sich zu Lasten des Antragstellers aus.

Berücksichtige man zusätzlich die lange Dauer der Ehe (25 Jahre), so sei vom Fortbestehen ehebedingter Nachteile auszugehen, die einer Befristung entgegenstünden. Da nicht absehbar sei, ob und gegebenenfalls wann diese Nachteile ausgeglichen sein könnten, könne eine Befristung des nachehelichen Unterhalts nicht ausgesprochen werden.

Auch eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs komme nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin könne ohne die ehebedingten Nachteile ein Einkommen erzielen, das den eheangemessenen Bedarf mindestens erreichte. Aufgrund der Erwerbsbiografie der Antragsgegnerin könne davon ausgegangen werden, dass sie ohne Kinder und ohne Ehe ihre berufliche Tätigkeit weiter so wahrgenommen hätte, wie dies vor der Geburt ihrer Kinder der Fall gewesen sei. Die Antragsgegnerin habe damals im Schichtdienst gearbeitet und sich ständig fortgebildet. Sie sei entsprechend befördert worden, was mit einer fortschreitend guten Lohnentwicklung einhergegangen sei. Sie habe behauptet, ohne ehebedingte Nachteile hätte sie denselben Arbeitsplatz erreichen können wie der Antragsteller. Davon sei aufgrund einer Würdigung gemäß § 287 ZPO bei aller gebotenen Vorsicht hinsichtlich einer hypothetischen Entwicklung auch auszugehen. Da beide Ehepartner in der Frühphase der Ehe und vor der Geburt der Kinder erhebliche Anstrengungen unternommen hätten, um sich beruflich fortzuentwickeln, müsse zugunsten der Antragsgegnerin angenommen werden, dass sie dieses Verhalten ohne ehebedingte Nachteile auch weiterhin an den Tag gelegt hätte. Selbst wenn sie nicht genau dieselben Einkommensverhältnisse hätte erreichen können, wie sie der Antragssteller erreicht habe, so könne doch davon ausgegangen werden, dass sie jedenfalls ein Einkommen hätte erwirtschaften können, wie es ihrem eheangemessenen Bedarf von rund 2.160 € netto entspreche.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

a) Die Ermittlung der Höhe des Aufstockungsunterhaltsanspruchs nach § 1573 Abs. 2 BGB ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

aa) Dies gilt zunächst für die Ermittlung des durchschnittlichen unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Antragstellers.

(1) Bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens aus abhängiger Arbeit ist grundsätzlich das zuletzt erwirtschaftete Jahreseinkommen zugrunde zu legen. Dabei können auch die Gehaltsabrechnungen für die letzten zwölf Monate herangezogen werden. Dies empfiehlt sich insbesondere dann, wenn seit Beendigung des letzten Kalenderjahres nicht unerhebliche Änderungen des relevanten Einkommens eingetreten sind (Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis* 8. Aufl. § 1 Rn. 69).

Als Arbeitseinkommen des Unterhaltspflichtigen sind regelmäßig alle Leistungen anzusehen, die im Hinblick auf das Arbeits- oder Dienstverhältnis erbracht werden. Überstundenvergütungen im Rahmen des Üblichen gehören ebenso dazu wie Prämien, Zulagen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie sonstige Nebeneinnahmen (Senatsurteil vom 23. Dezember 1981 IVb ZR 604/80 FamRZ 1982, 250, 251 mwN; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familien-richterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 74).

Auch Zuschläge für Schicht-, Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit sind in der Regel voll anzurechnen, wenn sie berufstypisch sind und entweder in geringem Umfang anfallen oder zumindest das im Beruf des Pflichtigen übliche Maß nicht übersteigen (Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familien-richterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 86 mwN).

(2) Gemessen hieran sind die vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen zur Bemessung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Antragstellers im Ergebnis nicht zu beanstanden.

(a) Vor allem ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Beschwerdegericht davon abgesehen hat, das durchschnittliche Einkommen des Antragstellers im Kalenderjahr 2010 zugrunde zu legen. Insoweit hat das Oberlandesgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Zeitraum unter anderem dadurch gekennzeichnet war, dass der Antragsteller aufgrund seiner vorübergehenden Erkrankung nur ein niedrigeres Einkommen erwirtschaften konnte.

Ebenso wenig ist etwas dagegen einzuwenden, dass das Beschwerdegericht bei der Ermittlung des Einkommens die vom Arbeitgeber des Antragstellers erbrachten Zulagen, die Jahressonderzahlung, die Jahresprämien sowie die steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zugrunde gelegt hat. Es hat hierzu festgestellt, dass diese Vergünstigungen übliche Einkommensbestandteile dargestellt bzw. die Ehe der Beteiligten geprägt hätten.

Dass das Beschwerdegericht die Zulagen und Prämien nicht auf drei Jahre umgelegt hat, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts handelt es sich insoweit um jährliche Zuwendungen, die der Arbeitgeber auch in den vergangenen Jahren jeweils geleistet hat.

Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Beschwerdegericht habe seiner Einkommensberechnung eine einmalige Prämie zugrunde gelegt, findet das in der angefochtenen Entscheidung keine Grundlage. Zwar hatte das Amtsgericht für den Zeitraum von Juli 2009 bis Juni 2010 noch eine tarifliche Einmalzahlung von 899,35 € in Höhe eines Drittels in seine Einkommensermittlung eingestellt. Demgegenüber hat das Beschwerdegericht eine solche Zahlung, die in dem von ihm zugrunde gelegten Zeitraum (Juli 2010 bis Juni 2011) ersichtlich nicht erfolgt war, seinen Berechnungen nicht zugrunde gelegt, was sich ausschließlich zugunsten des Antragstellers auswirkt. Soweit die Rechtsbeschwerde darauf abstellt, dass das vom Amtsgericht ermittelte durchschnittliche Einkommen des Antragstellers deutlich geringer ausgefallen sei, hat sie nicht hinreichend beachtet, dass der Antragsteller nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts von Oktober 2009 bis März 2010 lediglich Krankengeld bezogen hatte.

Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht nach dem so genannten In-Prinzip die Steuererstattung auf den von ihm zugrunde gelegten Beurteilungszeitraum umgelegt hat (vgl. Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis* 8. Aufl. § 1 Rn. 1011).

(b) Allerdings liegt der Berechnung des Beschwerdegerichts ein Rechenfehler zugrunde, der den Antragsteller als Rechtsbeschwerdeführer jedoch nicht beschwert. Das Beschwerdegericht ist bei einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 3.865,14 € nach Abzug der Fahrtkosten von 201,67 € und des Unterhalts für das volljährige Kind von 400 € sowie unter Hinzurechnung der monatlichen durchschnittlichen Steuererstattung von 376,74 € zu einem monatlichen bereinigten Nettoeinkommen von 3.613,22 € gelangt. Tatsächlich beläuft sich die Summe auf 3.640,21 €.

bb) Im Übrigen wird die Unterhaltsberechnung von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen. Sie ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, auch soweit das Beschwerdegericht von der Zurechnung fiktiven Einkommens zu Lasten der Antragsgegnerin abgesehen hat.

b) Dass das Beschwerdegericht eine Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b BGB gegenwärtig abgelehnt hat, hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand.

aa) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder nach der am 1. März 2013 in Kraft getretenen Neufassung des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre (siehe § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB in der Fassung von Art. 3 des Gesetzes zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen sowie zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts und des materiellen Unterhaltsrechts vom 20. Februar 2013 BGBl. I S. 273 vgl. BT-Drucks. 17/11885 und BR-Drucks. 9/13). Nachteile i.S.d. Satzes 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB nF).

(1) Der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs, der nach § 1578 b Abs. 1 BGB die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, bemisst sich dabei nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Erzielt der Unterhaltsberechtigte nach einer ehebedingten Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit lediglich Einkünfte, die den eigenen angemessenen Unterhaltsbedarf nach § 1578 b BGB nicht erreichen, scheidet eine Befristung des Unterhaltsanspruchs regelmäßig aus. Auch dann kann der Unterhalt nach einer Übergangszeit aber bis auf den ehebedingten Nachteil herabgesetzt werden, der sich aus der Differenz des angemessenen Unterhaltsbedarfs mit dem erzielten oder erzielbaren eigenen Einkommen ergibt, was freilich voraussetzt, dass der eheangemessene Bedarf den angemessenen Lebensbedarf übersteigt. Um den ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Die Differenz aus den beiden Positionen ergibt den ehebedingten Nachteil (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 XII ZR 53/09 FamRZ 2010, 2059 Rn. 22 f.).

(2) Ehebedingte Nachteile sind vor allem Erwerbsnachteile, die durch die von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung während der Ehe entstanden sind. Sie können sich ergeben, wenn ein Ehegatte sich entschließt, seinen Arbeitsplatz aufzugeben, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen. Ab welchem Zeitpunkt die Rollenverteilung praktiziert wird, ist nicht von Bedeutung. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob die Ehegatten die Rollenverteilung zu Beginn der Ehe, bei der ehelichen Geburt eines Kindes oder erst später planten und praktizierten (Senatsurteil vom 16. Februar 2011 XII ZR 108/09 FamRZ 2011, 628 Rn. 18). Nach der Gesetzesformulierung kommt es vielmehr darauf an, ob sich die Nachteile (vor allem) aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder aus der Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB). Somit ist auf die tatsächliche Gestaltung von Kinderbetreuung und Haushaltsführung abzustellen, weshalb der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht einwenden kann, dass er den Unterhaltsberechtigten während der Ehe zur Berufstätigkeit angehalten habe (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2011 XII ZR 108/09 FamRZ 2011, 628 Rn. 20 mwN). Ein Nachteil ist nur dann nicht ehebedingt, wenn die Ehegestaltung für den Erwerbsnachteil nicht ursächlich geworden ist. Das wäre der Fall, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Arbeitsplatz ausschließlich aus Gründen aufgegeben oder verloren hätte, die außerhalb der Ehegestaltung liegen, so etwa aufgrund einer von ihm persönlich beschlossenen beruflichen Neuorientierung oder wegen einer betriebs- oder krankheitsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2011 XII ZR 108/09 FamRZ 2011, 628 Rn. 22).

(3) Der Unterhaltspflichtige, der sich auf eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der hierfür sprechenden Tatsachen. In die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt deshalb grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne des § 1578 b BGB entstanden sind. Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch eine Erleichterung nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Nach diesen Grundsätzen trifft den Unterhaltsberechtigten eine sekundäre Darlegungslast, die im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt hat, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (Senatsurteil vom 11. Juli 2012 XII ZR 72/10 FamRZ 2012, 1483 Rn. 40). Dabei kann sich der Unterhaltsberechtigte im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch des Hinweises auf vergleichbare Karriereverläufe bedienen, um sein Vorbringen zu den seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen plausibel zu machen (Senatsurteil vom 11. Juli 2012 XII ZR 72/10 FamRZ 2012, 1483 Rn. 42; vgl. auch Senatsurteil vom 26. Oktober 2011 XII ZR 162/09 FamRZ 2012, 93 Rn. 24).

bb) Gemessen hieran begegnet die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass derzeit die Voraussetzungen für eine Begrenzung nach § 1578 b BGB namentlich wegen des vorliegenden ehebedingten Erwerbsnachteils nicht vorliegen, keinen Bedenken.

(1) Das Beschwerdegericht hat im Einzelnen dargetan, warum die Antragsgegnerin wegen ihres Arbeitsplatzwechsels im Jahre 1990 erhebliche Einkommensnachteile erlitten hat. Es hat in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass die Antragsgegnerin ihrer sekundären Darlegungslast gerecht geworden ist. Dabei hat es maßgeblich auf ihren Vortrag abgestellt, wonach sie einen wohnortnahen Arbeitsplatz habe aufnehmen wollen, um ihre Erwerbstätigkeit besser mit der Betreuung des nunmehr schulpflichtigen Kindes vereinbaren zu können.

Auch die Würdigung des Beschwerdegerichts, dass der Antragsteller es nicht vermocht hat, diesen Vortrag der Antragsgegnerin zu widerlegen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Seine Behauptung, die Antragsgegnerin habe nur aus Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gehandelt, hat das Beschwerdegericht im Ergebnis zu Recht als nicht hinreichend substantiiert angesehen, zumal der Antragsteller schon nicht dargelegt hat, warum die Antragsgegnerin in eine ausbildungsfremde und noch dazu deutlich schlechter bezahlte Beschäftigung hätte wechseln sollen, wenn nicht Gründe der Kinderbetreuung dies erforderten.

Bereits nach den insoweit getroffenen Feststellungen kann nicht von einem Beschäftigungswechsel ausgegangen werden, dem allein eine von der Antragsgegnerin persönlich beschlossene berufliche Neuorientierung zugrunde lag. Dem Vorliegen eines damit einhergehenden ehebedingten Nachteils steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin nach dem Arbeitsplatzwechsel weiterhin Vollzeit beschäftigt war, also nicht ganz oder teilweise in eine Hausfrauenrolle gewechselt ist. Denn unter Berücksichtigung ihres vom Antragsteller nicht widerlegten – Vortrages ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin ihre Erwerbstätigkeit umgestaltet hat, um die Tochter besser betreuen zu können. Die aus einer solchen Fallkonstellation entstehenden Erwerbsnachteile fallen ebenso unter den Schutz des § 1578 b BGB wie die durch eine Arbeitsplatzaufgabe bedingten. Denn in beiden Fällen sind die Nachteile letztlich der Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse geschuldet.

Schließlich ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass es auf die Behauptung des Antragstellers, er sei mit der Entscheidung zum Arbeitsplatzwechsel nicht einverstanden gewesen, nicht ankomme (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2011 XII ZR 108/09 FamRZ 2011, 628 Rn. 20 mwN).

(2) Die Annahme des Beschwerdegerichts, wonach die Antragsgegnerin ohne ehebedingten Nachteil den gleichen Arbeitsplatz wie der Antragsteller hätte besetzen, jedenfalls aber ein Einkommen hätte erwirtschaften können, wie es ihrem eheangemessenen Bedarf von 2.160 € netto entspreche, ist ebenfalls von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen haben die Beteiligten, die bis zum Arbeitsplatzwechsel der Antragsgegnerin im selben Kraftwerk gearbeitet haben, über dieselbe Ausbildung verfügt und in der Frühphase der Ehe erhebliche Anstrengungen unternommen, um sich beruflich fortzuentwickeln. Ausweislich der vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen – Feststellungen des Amtsgerichts hat die Antragsgegnerin “zu DDR-Zeiten” bis zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes Ende Februar 1990 ein gleich hohes, zeitweise sogar höheres Einkommen erzielt als der Antragsteller. Nach den weiteren Feststellungen des Beschwerdegerichts hatte sich die Antragsgegnerin seinerzeit ständig fortgebildet und ist entsprechend befördert worden. Wenn das Beschwerdegericht bei dieser Sachlage das aktuelle Einkommen des Antragstellers, der noch immer in dem Kraftwerk arbeitet, im Ergebnis unter dem Gesichtspunkt eines vergleichbaren Karriereverlaufs als Maßstab heranzieht, ist dies von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass sich der Bedarf der Antragsgegnerin nach § 1578 BGB lediglich auf 2.160 € beläuft und damit deutlich niedriger ist, als das vom Antragsteller bezogene Nettoeinkommen von weit über 3.000 €.

(3) Ebenso wenig ist etwas dagegen zu erinnern, dass das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung zusätzlich die lange Dauer der Ehe von 25 Jahren berücksichtigt hat (vgl. § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB aF und § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB in der seit 1. März 2013 geltenden Fassung).

cc) Es ist schließlich auch folgerichtig, dass das Beschwerdegericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen eine Herabsetzung des Unterhalts gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB abgelehnt hat.

Zu Recht hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB der Unterhalt nur bis zum angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt werden kann. Der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs, der nach § 1578 b Abs. 1 BGB die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhaltes bildet, bemisst sich dabei nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Deswegen ist Voraussetzung für eine Herabsetzung, dass der eheangemessene Bedarf nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB den angemessenen Lebensbedarf gemäß § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB übersteigt. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Beschwerdegerichts ist das hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr entspricht der angemessene Lebensbedarf hier auch (mindestens) dem eheangemessenen Lebensbedarf, so dass kein Raum für eine Herabsetzung nach § 1578 b Abs. 1 BGB bleibt.

BGH, Beschluss vom 13.03.2013
XII ZB 650/11

AG Cottbus, Entscheidung vom 05.04.2011
51 F 317/09

OLG Brandenburg, Entscheidung vom 17.11.2011
9 UF 115/11

Schreibe einen Kommentar