a) Der aus dem Eigentum folgende Herausgabeanspruch eines Ehegatten ist auch nach Rechtskraft der Scheidung nicht zulässigerweise als sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG durchsetzbar, solange der Anwendungsbereich des § 1568 a BGB und damit das Ehewohnungsverfahren nach § 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG eröffnet ist (Fortführung von Senatsbeschluss BGHZ 212, 133 = FamRZ 2017, 22).
b) Ob es sich (noch) um eine Ehewohnung im Sinne des § 1568 a BGB handelt, ist nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung und nicht bezogen auf den Zeitpunkt der die Wohnung betreffenden Entscheidung zu beurteilen.
c) Der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung gemäß § 1568 a Abs. 1 und 2 BGB erlischt ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung, wenn er nicht vorher rechtshängig gemacht worden ist.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2021 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 9. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. April 2020 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
A.
Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin, von der er seit Dezember 2015 rechtskräftig geschieden ist, die Herausgabe einer in seinem Alleineigentum stehenden Wohnung.
Die Wohnung wurde von den Beteiligten während der Ehe gemeinsam bewohnt und wird seit der im Jahre 2014 erfolgten Trennung allein von der Antragsgegnerin genutzt. Die Antragsgegnerin war ursprünglich Alleineigentümerin einer anderen, im selben Haus gelegenen Wohnung, die sie im Jahre 2016 unentgeltlich auf einen Sohn übertrug. Sie zahlt an den Antragsteller weder Miete oder Nutzungsentschädigung noch trägt sie die verbrauchsabhängigen Kosten. Zahlungsaufforderungen des Antragstellers sind ebenso erfolglos geblieben wie Herausgabeverlangen.
In einem früheren Verfahren wurde der auf § 985 BGB gestützte Herausgabeantrag des Antragstellers vom Amtsgericht mit Beschluss vom 17. März 2017 rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen, weil nur eine Ehewohnungssache in Betracht komme. In einer nachfolgenden, ebenfalls vom Antragsteller angestrengten Ehewohnungssache ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. November 2017 zwar die Herausgabe der Wohnung nach einer Übergangsfrist an; das Oberlandesgericht hob diese Entscheidung jedoch auf und wies den Antrag als in dieser Verfahrensart unzulässig ab, weil die Jahresfrist des § 1568 a Abs. 6 BGB verstrichen sei (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 27. Februar 2018 9 UF 211/17 juris).
Daraufhin hat der Antragsteller beim Amtsgericht erneut einen auf § 985 BGB gestützten Räumungs- und Herausgabeantrag gestellt, dem das Amtsgericht durch Beschluss vom 21. Februar 2019 mit einer Räumungsfrist bis spätestens zum 31. Mai 2019 entsprochen hat. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
B.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
I.
Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Rückgriff auf § 985 BGB sei vorliegend nicht durch § 1568 a BGB gesperrt. Ein Ehegatte könne vom anderen ab Rechtskraft der Scheidung nicht ohne jegliche zeitliche Befristung gestützt auf die Sonderregelung des § 1568 a Abs. 1 BGB Überlassung einer in dessen Eigentum stehenden Immobilie beanspruchen, da ansonsten eine tatsächlich nicht mehr vorhandene, noch aus dem Eheband resultierende Einstandspflicht dauerhaft fortgeschrieben und fingiert würde. Die Voraussetzungen der §§ 985, 986 BGB lägen auch vor. Die Antragsgegnerin habe kein Recht zum Besitz. Als solches könnte zwar auch eine Zuweisung nach § 1568 a BGB in Betracht kommen, die die Antragsgegnerin aber weder erwirkt habe noch deren Voraussetzungen ausreichend dargetan seien. Ungeachtet der von der Antragsgegnerin angeführten gesundheitlichen Probleme verbiete sich die Annahme einer unbilligen Härte hier schon deshalb, weil die Antragsgegnerin sich freiwillig und ohne Not ihrer im selben Haus gelegenen Wohnung begeben habe.
Soweit die Antragsgegnerin im Rahmen der Beschwerde hilfsweise und ohne näher zu präzisieren, was damit gemeint sei um Gewährung von Räumungsschutz ersuche, hindere dies weder ihre Inanspruchnahme noch könne es ihr teilweise zum Erfolg verhelfen. Denn über einen Vollstreckungsschutzantrag habe allein das Vollstreckungsgericht zu befinden. Sofern sie auf eine Räumungsfrist abziele, fehle es an dem rechtzeitigen Verlängerungsantrag (§ 721 Abs. 3 ZPO), da das Amtsgericht ihr bereits im angefochtenen Beschluss eine Räumungsfrist gewährt habe.
II.
Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat eine Sperrwirkung des § 1568 a BGB zutreffend abgelehnt und den aus dem Alleineigentum des Antragstellers an der Wohnung folgenden Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.
1. Das auf § 985 BGB gestützte Herausgabeverlangen des Antragstellers ist nicht durch § 1568 a BGB ausgeschlossen und daher vom Oberlandesgericht zu Recht als im Familienstreitverfahren zulässig behandelt worden.
a) Allerdings ist der aus dem Eigentum folgende Herausgabeanspruch eines Ehegatten auch nach Rechtskraft der Scheidung nicht zulässigerweise als sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG durchsetzbar, solange der Anwendungsbereich des § 1568 a BGB und damit das Ehewohnungsverfahren nach § 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG eröffnet ist.
aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass während der Zeit des Getrenntlebens ein auf § 985 BGB gestütztes Verlangen eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig ist. Denn Ehewohnungssachen nach § 1361 b BGB unterfallen den Verfahrensvorschriften der §§ 200 ff. FamFG, die sich erheblich von den für Verfahren auf Eigentumsherausgabe als sonstigen Familiensachen im Sinne des § 266 Abs. 1 FamFG einschlägigen Bestimmungen unterscheiden. Für Letztgenannte gelten gemäß §§ 112 Nr. 3, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und deren Bestimmungen über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend. Der besondere Schutz, den das Gesetz dem räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe und damit auch für Ehewohnungen sowohl materiell-rechtlich durch § 1361 b BGB als auch verfahrensrechtlich durch §§ 200 ff. FamFG gewährleisten will, führt insoweit zu einer materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Sperrwirkung unter den getrenntlebenden Ehegatten gegenüber Herausgabeansprüchen aus anderem Rechtsgrund (Senatsbeschluss BGHZ 212, 133 = FamRZ 2017, 22 Rn. 10 f. mwN). Eine Umdeutung eines unzulässigen Antrags auf Eigentumsherausgabe in einen Antrag auf Ehewohnungszuweisung kommt wegen der entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen des Anspruchsgegners nicht in Betracht (Senatsbeschluss BGHZ 212, 133 = FamRZ 2017, 22 Rn. 28).
Dabei hängt die Qualifizierung als Ehewohnung bis zur Rechtskraft der Scheidung nicht davon ab, dass noch beide Ehegatten in der Wohnung leben. Sie behält ihren Charakter als Ehewohnung vielmehr während der gesamten Trennungszeit. Das folgt gesetzessystematisch nicht nur aus den Regelungen in § 1568 a Abs. 2 bis 5 BGB; insbesondere der gegenständliche Schutz von Ehe und Familie erfordert, dass für den gewichenen Ehegatten selbst nach längerer Abwesenheit noch die Möglichkeit besteht, in die Ehewohnung zurückzukehren, falls etwa Belange des Kindeswohls dies erforderlich machen. Insoweit muss während der Trennungszeit eine Abänderung (§ 48 Abs. 1 FamFG) oder eine erstmalige Zuweisung möglich sein, welche den Fortbestand als Ehewohnung voraussetzt (Senatsbeschluss BGHZ 212, 133 = FamRZ 2017, 22 Rn. 13 mwN).
bb) Für den Zeitraum ab Rechtskraft der Scheidung gilt im Hinblick auf die Sperrwirkung für Herausgabeansprüche aus anderem Rechtsgrund nichts anderes, solange ein Überlassungsanspruch nach § 1568 a BGB iVm §§ 200 ff. FamFG geltend gemacht werden kann.
(1) Gemäß § 1568 a Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte verlangen, dass ihm der andere Ehegatte anlässlich der Scheidung die Ehewohnung überlässt, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere Ehegatte oder die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht. Ist jedoch einer der Ehegatten allein oder gemeinsam mit einem Dritten Eigentümer (oder anderweitig dinglich Berechtigter) des Grundstücks, auf dem sich die Ehewohnung befindet, so kann der andere Ehegatte die Überlassung nach § 1568 a Abs. 2 BGB nur verlangen, wenn dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Besteht kein Mietverhältnis über die Ehewohnung, so kann gemäß § 1568 a Abs. 5 Satz 1 BGB sowohl der Ehegatte, der Anspruch auf die Überlassung hat, als auch die zur Vermietung berechtigte Person binnen Jahresfrist ab Rechtskraft der Ehescheidung (§ 1568 a Abs. 6 BGB) die Begründung eines Mietverhältnisses zu ortsüblichen Bedingungen verlangen.
Die Ansprüche auf Überlassung der Ehewohnung und Begründung eines Mietverhältnisses sind gemäß § 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG Ehewohnungssachen, für die ebenso wie für Ehewohnungssachen bei Getrenntleben im Sinne des § 1361 b BGB die besonderen Verfahrensvorschriften der §§ 200 ff. FamFG gelten. Aus den gleichen Gründen wie während der Trennungszeit sind daher auch im Anwendungsbereich des § 1568 a BGB Herausgabeansprüche aus anderem Rechtsgrund materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich gesperrt.
(2) Ob es sich (noch) um eine Ehewohnung im Sinne des § 1568 a BGB handelt, ist nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung und nicht bezogen auf den Zeitpunkt der die Wohnung betreffenden Entscheidung zu beurteilen (vgl. BeckOGK/Erbarth [Stand: 1. Dezember 2020] BGB § 1568 a Rn. 13; Bork/Jacoby/Schwab*/Cirullies FamFG 3. Aufl. § 200 Rn. 15; Erbarth NZFam 2019, 963, 965 und NJW 2019, 1169, 1172; Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck Familienrecht 7. Aufl. § 1568 a BGB Rn. 3; im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt NZFam 2019, 960, 962; aA Erman/Preisner BGB 16. Aufl. § 1568 a Rn. 3; vgl. zum Meinungsstreit auch Götz NZFam 2017, 433, 435). Soweit der Senatsrechtsprechung zur früheren Hausratsverordnung Abweichendes entnommen werden könnte (vgl. etwa Senatsurteil vom 29. September 1993 XII ZR 43/92 FamRZ 1994, 98, 101), hält der Senat hieran für die gegenwärtige Rechtslage nicht fest.
Die Bestimmung des § 1568 a BGB ist durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) mit Wirkung zum 1. September 2009 eingeführt worden. Zusammen mit der Regelung des § 1568 b BGB zu den Haushaltsgegenständen und mit den verfahrensrechtlichen Gesetzesänderungen hat sie die Hausratsverordnung ersetzt. Diese sah für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung ein gerichtliches Zuweisungsverfahren für die Ehewohnung vor, in dem der Richter Rechtsverhältnisse nach billigem Ermessen gestaltete (§ 2 HausratsVO). An dessen Stelle sind nun zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen getreten, die in dem in §§ 200 ff. FamFG normierten Verfahren nach der Vorstellung des Gesetzgebers schnell, zweckmäßig und einfach durchgesetzt werden können (vgl. BT-Drucks 16/10798 S. 12, 21).
Während § 1 Abs. 1 HausratsVO mit den Worten „Können sich die Ehegatten anlässlich der Scheidung nicht einigen“ lediglich die Gestaltungskompetenz des Richters eröffnete, knüpft der Anspruch in § 1568 a Abs. 1 BGB nun tatbestandlich daran an, dass die Überlassung anlässlich der Scheidung verlangt werden kann, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Damit legt das Gesetz bereits seinem Wortlaut nach nahe, dass für den Anspruch der Zeitpunkt der Scheidung materiell-rechtlich maßgeblich ist (vgl. Erbarth NZFam 2019, 963, 965). Nur mit diesem Verständnis ist zudem der hinreichende Bezug zur Nutzung während der Ehezeit, die mit Rechtskraft der Scheidung endet, hergestellt. Letztlich wird so eine praktikable und rechtssichere Bestimmung der Eigenschaft als Ehewohnung ermöglicht, die nahtlos an die Getrenntlebenszeit anschließt und den Anwendungsbereich des § 1568 a BGB immer dann eröffnet, wenn es sich bei den Räumen auch während des Getrenntlebens um die Ehewohnung gehandelt hat (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 212, 133 = FamRZ 2017, 22 Rn. 13).
(3) Die Frage, ob die Ehewohnung mit Rechtskraft der Scheidung als solche entwidmet wird und diese Eigenschaft damit verliert (so BeckOGK/Erbarth [Stand: 1. Dezember 2020] BGB § 1568 a Rn. 13; Erbarth NJW 2019, 1169, 1172 und NZFam 2019, 963, 965; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 7. Aufl. § 29 Rn. 14; Staudinger/Weinreich BGB [2018] § 1568 a Rn. 17; vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 2020, 410, 411), oder ob es hierfür einer ggf. nach der Scheidung erfolgenden – endgültigen Aufgabe durch einen der (dann ehemaligen) Ehegatten bedarf (vgl. Senatsurteile vom 29. September 1993 XII ZR 43/92 FamRZ 1994, 98, 101 und vom 12. Juni 2013 XII ZR 143/11 FamRZ 2013, 1280 Rn. 8; ebenso etwa OLG Brandenburg FamRZ 2020, 406, 407; BeckOK BGB/Neumann [Stand: 1. Februar 2021] § 1568 a Rn. 7; Götz NZFam 2017, 433, 436; vgl. auch MünchKommBGB/Wellenhofer 8. Aufl. § 1568 a Rn. 14), kann für die Anwendbarkeit des § 1568 a BGB daher dahinstehen. Auch wenn man der erstgenannten Auffassung folgte, wäre der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung maßgeblich. Eine Ehewohnungssache muss daher nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zwingend im Scheidungsverbund (so aber OLG Frankfurt FamRZ 2020, 414, 416), sondern kann auch erst nach Rechtskraft der Scheidung anhängig gemacht werden.
b) Die Sperrwirkung des § 1568 a BGB ist im Ergebnis aber durch § 1568 a Abs. 6 BGB zeitlich begrenzt. Denn ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung erlöschen nicht nur die Ansprüche auf Eintritt in ein Mietverhältnis oder auf seine Begründung, sondern auch diejenigen auf Überlassung der Ehewohnung, wenn sie nicht vorher rechtshängig gemacht worden sind.
aa) Diese Wirkung des § 1568 a Abs. 6 BGB auch auf den Überlassungsanspruch aus § 1568 a Abs. 1 und 2 BGB ist allerdings umstritten.
(1) Nach einer Auffassung ist § 1568 a Abs. 6 BGB für die Überlassungsansprüche aus § 1568 a Abs. 1 und 2 BGB nicht einschlägig. Denn die Vorschrift erfasse nach ihrem Wortlaut allein Ansprüche hinsichtlich eines Mietverhältnisses. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung lägen schon mangels planwidriger Regelungslücke nicht vor. Nach der gesetzlichen Vorgabe müsse nicht jede Überlassung mietvertraglich abgesichert werden. Zudem diene die Bestimmung allein dem Schutz von Drittbeteiligten und Kindeswohlgründe stünden einer zeitlichen Begrenzung entgegen (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2020, 406, 408; OLG Frankfurt FamRZ 2020, 414, 416; Bahrenfuss/von Milczewski FamFG 3. Aufl. § 200 Rn. 13; BeckOK BGB/Neumann [Stand: 1. Februar 2021] § 1568 a Rn. 43; BeckOGK/Erbarth [Stand: 1. Dezember 2020] BGB § 1568 a Rn. 59 ff.; Erbarth NZFam 2017, 132 und NZFam 2019, 963, 965; Kogel FamRZ 2020, 413; MünchKommBGB/Wellenhofer 8. Aufl. § 1568 a Rn. 64; Neumann FamRB 2019, 52).
(2) Demgegenüber vertreten Teile von Rechtsprechung und Literatur die Meinung, dass die Jahresfrist des § 1568 a Abs. 6 BGB auch für die Überlassungsansprüche gilt. Der Überlassungsanspruch bestehe „anlässlich der Scheidung“ und somit nur in engem zeitlichen Zusammenhang mit dieser, und die zeitliche Begrenzung sei erforderlich, um vom Gesetzgeber nicht gewollte, mietvertraglich nicht abgesicherte dauerhafte Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen zu vermeiden. Zudem werde anderenfalls die in § 1568 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB geregelte Kopplung zwischen Überlassungsanspruch und Mietverhältnis aufgehoben. Außerdem schaffe die Jahresfrist Rechtsklarheit (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2020, 410, 412; OLG Hamm Beschluss vom 27. Februar 2018 9 UF 211/17 juris Rn. 23; OLG Bamberg FamRZ 2017, 703, 704 f.; Erman/Preisner BGB 16. Aufl. § 1568 a Rn. 24; Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck Familienrecht 7. Aufl. § 1568 a BGB Rn. 70; jurisPK-BGB/Breidenstein 9. Aufl. § 1568 a Rn. 101; Palandt/Götz BGB 80. Aufl. § 1568 a Rn. 25; PWW/Weinreich BGB 15. Aufl. § 1568 a Rn. 35; Schulz/Hauß/Wunderlin Familienrecht 3. Aufl. § 1568 a BGB Rn. 17; Staudinger/Weinreich BGB [2018] § 1568 a Rn. 110; wohl auch FA-FamR/Weinreich 5. Aufl. Kap. 8 Rn. 418; Grandel/Stockmann/Kloster-Harz/Schönberger SWK FamR 2013 „Wohnungszuweisung nach Scheidung“ Rn. 25; Uecker NJW 2017, 1688 f.).
bb) Der Senat hält die zuletzt genannte Auffassung für zutreffend.
(1) Zwar trifft § 1568 a Abs. 6 BGB seinem Wortlaut nach keine Regelung für die Ansprüche des Ehegatten auf Überlassung der Ehewohnung nach § 1568 a Abs. 1 und 2 BGB, indem er anordnet, dass in den Fällen der Absätze 3 und 5 der Anspruch auf Eintritt in ein Mietverhältnis oder auf seine Begründung ein Jahr nach Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache erlischt, wenn er nicht vorher rechtshängig gemacht worden ist. Vielmehr bezieht er sich damit allein auf den Eintritt des Ehegatten, dem die Wohnung überlassen wird, an Stelle des anderen Ehegatten in das Mietverhältnis bzw. auf die Fortführung des ursprünglich von beiden Ehegatten eingegangenen Mietverhältnisses durch diesen (Absatz 3) sowie die Neubegründung eines Mietverhältnisses über die Ehewohnung (Absatz 5).
(2) Gleichwohl führt das von § 1568 a Abs. 6 BGB angeordnete Erlöschen der auf das Mietverhältnis bezogenen Ansprüche aus § 1568 a Abs. 3 und 5 BGB nach Ablauf der Jahresfrist in Anbetracht von Sinn und Zweck der Regelung und des systematischen Gesamtzusammenhangs dazu, dass dann auch der aus § 1568 a Abs. 1 oder 2 BGB folgende Überlassungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann.
(a) Mit der Bestimmung wollte der Gesetzgeber Ehegatten, die sich während der Trennungszeit vor der Scheidung nicht über die Ehewohnung haben einigen können, Maßstäbe für die Lösung eines Konflikts geben (BT-Drucks. 16/10798 S. 21; BR-Drucks. 635/08 S. 43). Im Interesse der Rechtsklarheit sieht die gesetzliche Regelung als Rechtsfolge ausschließlich die Begründung oder Fortführung eines Mietverhältnisses vor. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollte auch in den Fällen, in denen der nach § 1568 a Abs. 2 BGB zur Überlassung verpflichtete Ehegatte allein dinglich Berechtigter an der Ehewohnung ist, der Abschluss eines Mietvertrags gemäß § 1568 a Abs. 5 BGB der Regelfall sein (BT-Drucks. 16/10798 S. 22; BR-Drucks. 635/08 S. 44).
(b) Zwar soll § 1568 a Abs. 6 BGB nach den Gesetzesmaterialien als Schutzvorschrift zugunsten Dritter den gleichen Zweck erfüllen wie § 12 HausratsVO; mehr als ein Jahr nach Rechtskraft der Scheidung darf nicht mehr gegen den Willen eines Drittbeteiligten in seine Rechte eingegriffen werden (vgl. BT-Drucks. 16/10798 S. 23; BR-Drucks. 635/08 S. 48). Gemäß § 12 HausratsVO durfte der Richter dann, wenn der Antrag auf Auseinandersetzung über die Ehewohnung später als ein Jahr nach Rechtskraft des Scheidungsurteils gestellt wurde, in die Rechte des Vermieters oder eines anderen Drittbeteiligten nur eingreifen, wenn dieser einverstanden war. Die Bestimmung regelte mithin allein den Sonderfall des Eingriffs in Rechte Dritter (vgl. etwa Staudinger/Weinreich BGB [2004] § 1 HausratsVO Rn. 45), während die Hausratsverordnung im Übrigen keine Frist für den Antrag auf Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung nach § 1 Abs. 1 HausratsVO vorsah.
Anders als § 12 HausratsVO enthält § 1568 a Abs. 6 BGB seinem Wortlaut nach aber keine Beschränkung auf die Rechte Dritter. Vielmehr unterfallen der Bestimmung insbesondere auch sämtliche Ansprüche auf Begründung eines Mietverhältnisses nach § 1568 a Abs. 5 BGB. Erfasst sind mithin unter anderem die wechselseitig bestehenden Ansprüche zwischen dem Ehegatten, der die Überlassung verlangen kann, und dem zur Überlassung verpflichteten Eigentümer-Ehegatten, ohne dass es insoweit einer Drittbeteiligung bedarf (vgl. BT-Drucks. 16/10798 S. 22). Genau dies entspricht dem vom Gesetzgeber allgemein in Ehewohnungssachen verfolgten und etwa auch in § 1361 Abs. 4 BGB umgesetzten Ziel, nach Ablauf bestimmter Fristen rechtliche Klarheit zu schaffen (vgl. Staudinger/Weinreich BGB [2018] § 1568 a Rn. 110).
(c) Aus dem gleichen Grund kann nicht angenommen werden, dass § 1568 a Abs. 6 BGB entgegen seinem Wortlaut auf den Anspruch des zur Überlassung Verpflichteten aus § 1568 a Abs. 5 BGB nicht anwendbar ist (so aber Palandt/Götz BGB 80. Aufl. § 1568 a Rn. 24), auch wenn dieser erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Aufnahme in § 1568 a Abs. 5 Satz 1 BGB fand, um den dinglich Berechtigten ausreichend abzusichern (vgl. BT-Drucks. 16/13027 S. 7 f. als Reaktion auf BR-Drucks. 635/08 [Beschluss] S. 8 und BR-Drucks. 635/1/08 S. 9 f.).
Dann muss aber § 1568 a Abs. 6 BGB auch die Möglichkeit des zur Überlassung Berechtigten zeitlich begrenzen, seinen Anspruch geltend zu machen. Anderenfalls könnte er bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen und jedenfalls in den Grenzen der Verjährung nach § 195 BGB auch nach Ablauf der Jahresfrist Überlassung beanspruchen, obwohl dem verpflichteten Eigentümer-Ehegatten die Möglichkeit genommen wäre, die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene Absicherung dieses Überlassungsverhältnisses mittels Mietvertrags durchzusetzen. Darüber hinaus kann sich der Überlassungsanspruch des § 1568 a Abs. 2 BGB nicht nur gegen den anderen Ehegatten, sondern auch gegen einen gemeinsam mit diesem dinglich Berechtigten richten, der keinen rechtlichen Bezug zu dem aus der Ehe herrührenden Rechtsverhältnis hat und daher erst recht des von § 1568 a Abs. 6 BGB beabsichtigten Schutzes bedarf.
(d) Für die Ehewohnung, die die Ehegatten als Mieter nutzten, folgt die zwingende Kopplung des Überlassungsanspruchs nach § 1568 a Abs. 1 BGB an die Jahresfrist des § 1568 a Abs. 6 BGB bereits ohne weiteres aus der gesetzlichen Regelung. Gemäß § 1568 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB tritt der Ehegatte, dem die Wohnung überlassen wird, nämlich mit der Rechtskraft im Wohnungszuweisungsverfahren an Stelle des zur Überlassung verpflichteten Ehegatten in ein von diesem eingegangenes Mietverhältnis ein oder setzt ein von beiden eingegangenes Mietverhältnis allein fort. Dieser sich gegen den Vermieter als Dritten richtende Anspruch erlischt jedoch mit Ablauf der Jahresfrist, wodurch zugleich ein gegenüber dem Ehegatten bestehender Überlassungsanspruch entwertet wird. Denn die an den Überlassungsanspruch insoweit zwingend geknüpfte schuldrechtliche Rechtsfolge fällt weg, so dass der Anspruch letztlich ins Leere geht. Dem weichenden (Mit-)Mieter wäre auch nicht zumutbar, Mietvertragspartei zu bleiben, aber dem anderen Ehegatten die alleinige Nutzung gewähren zu müssen.
(e) Es entspricht mithin in vollem Umfang der gesetzgeberischen Konzeption, dass das Erlöschen des auf Abschluss oder Fortführung eines Mietverhältnisses gerichteten Anspruchs auch zum Erlöschen des diesen Anspruch bedingenden, in § 1568 a Abs. 1 und 2 BGB normierten Überlassungsanspruchs des Ehegatten führt.
Für dieses Ergebnis streitet zudem nicht nur das gesetzgeberische Ziel klarer Rechtsverhältnisse binnen überschaubarer Frist, sondern ebenso der Sinn und Zweck der Bestimmung, nicht mietvertraglich geregelte Nutzungsverhältnisse nach Möglichkeit zu vermeiden. Auch Belange des Kindeswohls stehen diesem Gesetzesverständnis nicht entgegen. Denn der Zeitraum von einem Jahr ab Rechtskraft der Scheidung ist jedenfalls ausreichend, um eine gegebenenfalls nach Ablauf der Trennungszeit noch erforderliche gerichtliche Klärung zu beantragen.
(f) Schließlich sprechen auch Gründe der Praktikabilität und der Rechtssicherheit in erheblichem Umfang dafür, dass die Jahresfrist des § 1568 a Abs. 6 BGB mittelbar den Überlassungsanspruch erfasst. Die Frist verlangt von den Ehegatten, die rechtlichen Verhältnisse betreffend die Ehewohnung zeitnah zur Scheidung zu klären, ohne dass dies stets im Scheidungsverbund erfolgen müsste. Für den dinglich berechtigten Eigentümer ist damit klar geregelt, ab wann er unter Berufung auf sein Eigentum Herausgabe verlangen kann, ohne wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt der Unsicherheit ausgesetzt zu sein, dass dies auch viele Jahre nach rechtskräftiger Scheidung noch aufgrund der Sperrwirkung des § 1568 a BGB bereits verfahrensrechtlich scheitern könnte.
Zudem trägt eine klare zeitliche Grenze dem Umstand Rechnung, dass sich die Rechtfertigung des mit § 1568 a BGB verbundenen Eingriffs in das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG aus der Funktion der Wohnung als Lebensmittelpunkt der Familie ableitet und insoweit eine im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verfassungsgemäße Sozialbindung des Eigentums vorliegt (vgl. BVerfG FamRZ 1991, 1413; 2006, 1596, 1597). Von dem Ehegatten, der auch nach rechtskräftiger Beendigung der Ehe das Eigentum des anderen Ehegatten für eigene Wohnzwecke sowie ggf. Wohnzwecke der gemeinsamen Kinder in Anspruch nehmen will, kann eine zügige Klärung verlangt werden. Er hat die Möglichkeit, gemäß § 1568 a Abs. 5 BGB den Abschluss eines gegebenenfalls auch befristeten Mietvertrags zu erwirken und dadurch eine gesicherte, auch die Belange des Kindeswohls berücksichtigende Rechtsposition zu erlangen. Nicht zuletzt dient eine solche Klärung außerdem der nach Rechtskraft der Scheidung wünschenswerten verzögerungsfreien Entflechtung der Vermögenssphären beider Ehegatten.
c) Im vorliegenden Fall ist die Jahresfrist des § 1568 a Abs. 6 BGB längst verstrichen, ohne dass die Antragsgegnerin Ansprüche aus § 1568 a BGB gerichtlich geltend gemacht hat. Damit ist der Antragsteller verfahrensrechtlich nicht gehindert, seinen auf das Eigentum gestützten Herausgabeanspruch als sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG gerichtlich zu verfolgen.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde dagegen, dass das Oberlandesgericht die Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs des Antragstellers nach § 985 BGB bejaht hat. Der Antragsgegnerin steht kein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB zu.
a) Ein Recht zum Besitz des dinglich nicht an der Ehewohnung berechtigten Ehegatten gegenüber dem Eigentümer-Ehegatten kann zum einen aus dem durch eine gerichtliche Regelung gemäß § 1568 a BGB iVm §§ 200 ff. FamFG begründeten Nutzungsrecht folgen. Dieses wird dann schuldrechtlich regelmäßig auf einem Mietvertrag beruhen. Ausnahmsweise wenn nämlich weder der aus § 1568 a Abs. 2 BGB berechtigte noch der verpflichtete Ehegatte die Begründung eines Mietverhältnisses verlangt hat ergibt sich das Recht zum Besitz aus dem durch die gerichtliche Entscheidung begründeten sonstigen Nutzungsverhältnis. Zum anderen können die Ehegatten aber außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens eine schuldrechtliche Vereinbarung über die Nutzung der Ehewohnung getroffen haben, die dem Nichteigentümer-Ehegatten ein Recht zum Besitz verschafft. Diese kann wiederum in einem Mietverhältnis, aber auch in einem sonstigen Nutzungsverhältnis etwa einer Leihe bestehen.
Beides hat die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin nicht geltend gemacht.
b) Soweit die Rechtsbeschwerde in anderem rechtlichen Zusammenhang geltend macht, das Wohl der mit der Antragsgegnerin in der Wohnung lebenden Kinder sei zu berücksichtigen, lässt sich daraus keine rechtserhebliche Einwendung gegen den Herausgabeanspruch des Antragstellers gemäß § 985 BGB ableiten. Unabhängig davon, dass der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aus § 242 BGB dem Anspruch aus Eigentum ohnehin regelmäßig nicht mit Erfolg entgegengehalten werden kann (vgl. etwa BGH Urteil vom 19. Juni 2012 II ZR 241/10 MDR 2012, 1156 Rn. 12 mwN), fehlt es hierzu an tatrichterlichen Feststellungen ebenso wie an einer darauf bezogenen Verfahrensrüge im Sinne von § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG iVm §§ 559 Abs. 1 Satz 2, 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Gleiches gilt für die in der Beschwerdeentscheidung als Vortrag der Antragsgegnerin erwähnten, nicht näher spezifizierten und von der Rechtsbeschwerde nicht thematisierten „unabsehbaren Folgen“ für den Gesundheitszustand der Antragsgegnerin, die mit einer Wohnungsräumung verbunden seien.
3. Schließlich ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht vom Oberlandesgericht bestätigt die Antragsgegnerin nicht nur zur Herausgabe, sondern auch zur Räumung der streitgegenständlichen Wohnung verpflichtet hat. Allerdings ist der Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe, nicht aber auf Räumung im Sinne des § 546 BGB gerichtet (Senatsurteile BGHZ 197, 235 = NJW 2013, 1881 Rn. 21 und vom 10. Dezember 2014 XII ZR 136/12 NJW-RR 2015, 433 Rn. 16 mwN). Die vorliegende Tenorierung ist jedoch dahin auszulegen, dass die Antragsgegnerin ihre in der Wohnung befindlichen Möbel und sonstigen Gegenstände zu entfernen hat. Dieser Anspruch des Antragstellers ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. etwa BGH Urteile vom 28. Januar 2011 V ZR 147/10 NJW 2011, 1069 Rn. 24 und BGHZ 110, 313 = NJW 1990, 2058, 2059).
BGH, Beschluss vom 10.03.2021
XII ZB 243/20
AG Lemgo, Entscheidung vom 21.02.2019
9 F 120/18
OLG Hamm, Entscheidung vom 24.04.2020
II-9 UF 78/19