BGH: Umgang mit wegen Pädophilie verurteiltem Vater

BGH: Umgang mit wegen Pädophilie verurteiltem Vater

a) Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212).

b) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach § 1666 BGB ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Während die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Sorge nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich bei ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig ist, können weniger einschneidende Eingriffe, zu denen die im Katalog des § 1666 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BGB exemplarisch aufgeführten Maßnahmen zählen, bereits im Fall einer nicht überwiegend wahrscheinlichen Gefahr angemessen sein, soweit es um die Abwehr einer massiven Rechtsgutbeeinträchtigung geht (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212).

c) Wird durch eine auf § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BGB gestützte Schutzanordnung der persönliche Umgang des Elternteils mit dem Kind eingeschränkt oder ausgeschlossen, muss sich diese Anordnung auch an den Voraussetzungen des § 1684 Abs. 4 BGB messen lassen.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2022 durch die Richter Guhling, Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin die Beschwerde des Kindesvaters gegen Ziffer I. (Wegweisung aus der Familienwohnung), Ziffer II. (Betretungsverbot für die Wohnung der Kinder) sowie Ziffer III. (Umgang nur in Anwesenheit der Kindesmutter) des Beschlusses des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2018 zurückgewiesen und Ziffer III. des amtsgerichtlichen Beschlusses um das Verbot des Umgangs in der Wohnung des Kindesvaters ergänzt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Wert: 3.000 €

Gründe:

A.

Das Verfahren betrifft Maßnahmen wegen Gefährdung des Kindeswohls, namentlich familiengerichtliche Weisungen, die darauf gerichtet sind, den persönlichen Kontakt des Beteiligten zu 1 mit seinen leiblichen Kindern zu beschränken. Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Kindesvater) und die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Kindesmutter) sind die miteinander verheirateten Eltern der im März 2014 geborenen Tochter H. und der im Juli 2016 geborenen Tochter M.

Der 1983 geborene Kindesvater ist mehrfach im Zusammenhang mit Sexualstraftaten zum Nachteil von Minderjährigen in Erscheinung getreten.

Im Juli 2007 nahm er in einem Video-Chat Kontakt zu einem erkennbar unter 14 Jahren alten Mädchen auf, zeigte diesem über die Webcam seinen erigierten Penis, führte masturbierende Bewegungen durch und forderte das Mädchen dazu auf, den Pullover hochzuziehen und ihm die Brüste zu zeigen. Im August 2007 forderte er in einem weiteren Video-Chat drei erkennbar noch nicht 14 Jahre alte Mädchen auf, sich vor der Webcam auszuziehen und sexuelle Handlungen an sich selbst und untereinander vorzunehmen. Wegen dieser beiden Taten wurde der Kindesvater am 17. November 2010 durch das Amtsgericht F. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafe wurde – nach Erfüllung von Bewährungsauflagen – im Jahr 2013 erlassen.

Im Rahmen einer polizeilichen Wohnungsdurchsuchung wurden bei dem Kindesvater im Oktober 2007 ein Laptop und eine externe Festplatte sichergestellt, auf denen sich unter anderem 104 eindeutig kinderpornographische Bilddateien befanden, die den sexuellen Missbrauch von Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren abbildeten.

Das diesbezüglich eingeleitete Strafverfahren, in dem der Kindesvater in erster Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, wurde in der Berufungsinstanz nach § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die Verurteilung vom 17. November 2010 eingestellt.

Im Februar 2016 nahm der Kindesvater über den Nachrichtendienst „WhatsApp“ Kontakt zu einem 13-jährigen Mädchen auf, welches sein Alter zunächst wahrheitswidrig mit 28 Jahren angegeben hatte. Auch nachdem das Mädchen im Verlauf der mit dem Kindesvater ausgetauschten Textnachrichten sein tatsächliches Alter offenbart hatte, befragte der Kindesvater es eingehend nach sexuellen Erfahrungen und Neigungen, um das Mädchen auf diese Weise zu einem persönlichen Treffen zu bewegen, bei dem es zu sexuellen Handlungen kommen sollte. Im Zuge des wegen dieses Vorfalls eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde im Juni 2016 eine erneute Wohnungsdurchsuchung durchgeführt.

Dabei wurde eine dem Kindesvater gehörende externe Festplatte sichergestellt, auf der sich – neben mehreren Tausend pornographischen Bilddateien nicht strafbaren Inhalts – im „einfach gelöschten Bereich“ auch 268 kinderpornographische Bilddateien befanden, die im Jahr 2014 gelöscht worden waren. Nach den Angaben des Kindesvaters soll es sich dabei um Dateien gehandelt haben, die er bereits zum Zeitpunkt seiner Verurteilung im Jahr 2010 auf einer CD mit umfangreichem pornographischem Bildmaterial besessen habe. Er habe den gesamten Inhalt der CD auf die externe Festplatte überspielt und die kinderpornographischen Dateien sodann wieder von der Festplatte gelöscht. Aufgrund dieser Taten ist der Kindesvater mittlerweile durch Urteil des Amtsgerichts F. vom 7. November 2018 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und des Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Die Kriminalpolizei informierte das Jugendamt (Beteiligter zu 3) im September 2017 über die Tatvorwürfe gegen den Kindesvater. Der Versuch des Jugendamts, gemeinsam mit den seinerzeit noch zusammenlebenden Eltern einen Schutzplan zu verabreden, scheiterte zunächst an der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft des Kindesvaters. Nach den Angaben der Kindesmutter wurde die Betreuung der Kinder in der Folgezeit unter Einbeziehung der Großeltern als Betreuungspersonen so geregelt, dass der Kindesvater keine Zeit allein mit den Kindern verbringen könne.

Das Amtsgericht leitete auf Anregung des Jugendamts im Januar 2018 sowohl ein einstweiliges Anordnungsverfahren als auch das vorliegende Hauptsacheverfahren ein.

Im Verfahren der einstweiligen Anordnung entschied das Amtsgericht im Februar 2018, dass es keiner Eilmaßnahmen bedürfe. Auf die dagegen gerichteten Beschwerden der Verfahrensbeiständin (Beteiligte zu 4) und des Jugendamts änderte das Oberlandesgericht im April 2018 die Entscheidung des Amtsgerichts ab und erteilte den Eltern im Wege einstweiliger Anordnung die Weisung, die ihnen vom Jugendamt zu bewilligende Familienhilfe anzunehmen und die bislang praktizierte Betreuungsregelung fortzusetzen. Soweit das Oberlandesgericht in dieser Entscheidung davon abgesehen hatte, den Kindesvater vorläufig aus der Wohnung zu verweisen, richtete sich dagegen eine von der Verfahrensbeiständin erhobene Verfassungsbeschwerde, die durch das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden ist (vgl. BVerfG FamRZ 2019, 534).

Im Hauptsacheverfahren hat das Amtsgericht ein psychologisches Gutachten eingeholt, das die Sachverständige im Juni 2018 vorgelegt hat. Nach Anhörung der Beteiligten und ergänzender Befragung der Sachverständigen hat das Amtsgericht im November 2018 verschiedene, bis zum 10. September 2020 befristete familiengerichtliche Weisungen erteilt. Dabei hat es dem Kindesvater unter anderem aufgegeben, die Familienwohnung unverzüglich zu verlassen und diese der Kindesmutter zur alleinigen Nutzung zu überlassen. Ferner hat es dem Kindesvater untersagt, die Familienwohnung – oder eine andere von der Kindesmutter mit den Kindern bewohnte Wohnung – zu betreten bzw. sich dort aufzuhalten, und ihm darüber hinaus verboten, in Abwesenheit der Kindesmutter mit den Kindern Umgang zu haben. Gegen diese Entscheidung haben sich sowohl die Kindeseltern als auch die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt mit der Beschwerde gewendet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerden der Kindeseltern zurückgewiesen und den auf weitergehende Umgangsbeschränkungen für den Kindesvater zielenden Beschwerden von Verfahrensbeiständin und Jugendamt teilweise entsprochen. Es hat die vom Amtsgericht anordneten Maßnahmen bestätigt und diese um die Anordnung ergänzt, dass der (von der Kindesmutter begleitete) Umgang des Kindesvaters mit den Kindern nicht in der Wohnung des Kindesvaters stattfinden dürfe.

Ferner hat es die vom Amtsgericht ausgesprochene Befristung der Maßnahmen entfallen lassen.

Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Kindesvater gegen die Wegweisungsanordnung und die weiteren familiengerichtlichen Weisungen, die den Kontakt mit seinen Kindern einschränken.

B.

Die Rechtsbeschwerde führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Das Beschwerdegericht, dessen Beschluss in FamRZ 2019, 1425 veröffentlicht ist, hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Wegweisungsanordnung des Familiengerichts sei nicht zu beanstanden. Es bestünden konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, aus denen sich die Gefahr einer sexuellen Grenzverletzung durch den Kindesvater gegenüber seinen Töchtern ergebe. Der Kindesvater sei bereits wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und zudem wegen Besitzes von Kinderpornographie verurteilt worden.

Zwar sei nicht zu verkennen, dass der Kindesvater seit mehreren Jahren nicht mehr auf die kinderpornographischen Dateien zugegriffen habe und der sexuelle Missbrauch von Kindern nicht durch körperlichen Kontakt, sondern durch Chatten im Internet stattgefunden habe. Dies vermöge die beim Kindesvater bestehenden Risikofaktoren in Bezug auf seine Töchter aber nicht zu beseitigen. Nach den Feststellungen der Sachverständigen habe das Sexualverhalten des Kindesvaters Suchtcharakter. Auch wenn seine sexuelle Präferenz bei erwachsenen Frauen liege, habe er jedenfalls in der Ausformung der Hebephilie auch eine Neigung zur Pädophilie.

Die Sachverständige habe zwar keine Feststellungen dazu treffen können, dass es bereits zu einem sexuellen Übergriff gegen die Töchter gekommen sei. Sie habe aber auch nicht ausschließen können, dass sich eine Grenzverletzung auch in Bezug zu den Töchtern ereignen könne, zumal die Persönlichkeit des Kindesvaters narzisstische Züge aufweise und er durch seine Taten gezeigt habe, dass er in sexueller Erregung dazu neige, die Grenzen seines Sexualverhaltens zu negieren. Es gebe keine verlässlichen Grundlagen für die Annahme, dass ein solcher Täter in Bezug auf die eigenen Kinder Grenzverletzungen unterlassen werde.

Der Schaden eines solchen Übergriffs für die Kinder wäre ganz erheblich.

Zwar sei angesichts des Alters der Kinder derzeit nicht davon auszugehen, dass der Kindesvater ihnen gegenüber körperlich sexuell übergriffig werden würde. Höchst schädliche Folgen für die Entwicklung der Kinder hätte es aber schon, wenn diese wahrnehmen würden, wie der Kindesvater durch Posen und Handlungen von Kindern sexuell erregt werden und dieser Erregung durch Onanie Befriedigung verschaffen würde. Auch ohne körperliche Übergriffigkeit führe es zu dauerhaften Störungen bei Kindern, wenn diese einen Elternteil sexuell grenzverletzend erleben und dabei wahrnehmen müssten, wie Kinder zum Objekt sexueller Begierden von Erwachsenen gemacht würden. Dies stehe im Einklang mit der gesetzgeberischen Wertung in § 72 a SGB VIII, der im Bereich der Jugendhilfe ein umfassendes Tätigkeitsverbot für Personen normiere, die wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern oder wegen Besitzes von Kinderpornographie vorbestraft seien.

Die Gefährdung von Kindern sei besonders groß, wenn sie mit einer Person mit den Neigungen und der Persönlichkeitsstruktur des Kindesvaters in einem Haushalt lebten. Beim Zusammenleben in einem Haushalt sei es nicht dauerhaft möglich, durch Aufsichtsmaßnahmen anderer Erwachsener zu gewährleisten, dass es zu keiner Grenzverletzung komme. Kinder seien im eigenen Haushalt besonders gefährdet, Warnhinweise auf grenzverletzendes Verhalten nicht zu erkennen und sich vertrauensvoll Situationen hinzugeben, die von Personen mit den Neigungen und der Persönlichkeitsstruktur des Kindesvaters zur Befriedigung seiner sexuellen Triebe ausgenutzt werden könnten. Dieser Gefährdung könne nur dadurch begegnet werden, dass solchen Personen der Zutritt zum Zuhause der Kinder verwehrt werde. Es könne zwar nicht als überwiegend wahrscheinlich angenommen werden, dass der Kindesvater in solcher Weise gegen seine Töchter übergriffig werden würde. Es bestehe jedoch beim Zusammenleben des Kindesvaters in einem Haushalt mit den Kindern und selbst bei Besuchsaufenthalten des Kindesvaters in der Wohnung der Kinder oder beim Aufenthalt der Kinder in der Wohnung des Kindesvaters eine Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent, dass es zu einer entsprechenden Grenzverletzung komme. Ein solcher Grad der Wahrscheinlichkeit rechtfertige es, durch Weisungen nach § 1666 BGB sowohl die Wegweisung anzuordnen als auch den Aufenthalt des Kindesvaters in der Wohnung der Kinder und den Aufenthalt der Kinder in der Wohnung des Kindesvaters zu verbieten. Die Kinder könnten in der Wohnung der Kindesmutter oder in der Wohnung des Kindesvaters nicht dadurch geschützt werden, dass die Kindesmutter oder andere Personen zugegen seien. Selbst wenn am Bemühen der Aufsichtspersonen keine Zweifel bestünden, könne nie ausgeschlossen werden, dass es zu einem unbeobachteten Zusammensein des Vaters mit den Kindern und damit zu einer Situation komme, die grenzverletzendes Verhalten begünstige. Insoweit lägen auch die Voraussetzungen für eine Umgangsbeschränkung nach § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB vor.

Es sei nicht zu verkennen, dass die mit den Anordnungen verbundenen Auswirkungen für die Kinder befremdlich seien und von diesen als nachteilig empfunden werden dürften. Die Kinder hätten den Kindesvater als liebevollen und zugewandten Elternteil erlebt und insbesondere H. habe dem Vater zum Vorwurf gemacht, nicht mehr in der Familienwohnung zu leben. Der hierin liegende Nachteil sei aber mit Blick auf die nicht anders abwendbare Gefährdung und die Wertigkeit des drohenden Schadens hinzunehmen. Die Wegweisungsanordnung sei durch die zwischenzeitliche Trennung der Kindeseltern nicht entbehrlich geworden. Schon wegen der Rechtsposition des Kindesvaters an der Ehewohnung sei es weiterhin geboten, eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, dass dieser keine Besitz- oder Nutzungsansprüche an der Ehewohnung geltend machen könne.

Das Familiengericht habe schließlich auch zu Recht angeordnet, dass der Vater nur in Anwesenheit der Kindesmutter mit seinen Kindern Umgang haben dürfe, weil es auch bei einem Umgang außerhalb der Wohnung der Kinder oder des Vaters zu einer Gefährdung der Kinder kommen könne. Es sei nicht angezeigt, dem Kindesvater einen Umgang mit den Kindern (lediglich) in Anwesenheit der Großeltern väterlicherseits zu gestatten. Es müsse angesichts der eigenen Angaben des Kindesvaters über die Reaktion seiner Eltern auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen, die strafrechtliche Verurteilung und die familiengerichtlichen Maßnahmen davon ausgegangen werden, dass diese die Taten des Kindesvaters bagatellisieren, eine Gefährdung der Kinder negieren und deshalb einen unbeobachteten Umgang des Kindesvaters mit den Kindern nicht verhindern würden.

Die vom Familiengericht angeordnete Befristung der Anordnung sei nicht geboten gewesen. Zwar diene eine solche Frist grundsätzlich der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Nach den Feststellungen der Sachverständigen würden die in der Person des Kindesvaters liegenden Risikofaktoren aber – wenn überhaupt – nur durch eine lang andauernde Therapie beseitigt werden können. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass dies innerhalb der vom Familiengericht gesetzten Frist gelingen könne. Der Kindesvater müsse seine Therapie nicht mit Blick auf eine gerichtliche Frist, sondern mit Blick auf einen Therapieerfolg fortsetzen oder ausweiten, um nach erfolgreicher Behandlung auf eine Änderung der gerichtlichen Anordnungen antragen zu können.

II.

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Gemäß § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Norm ist der besondere Schutz zu beachten, unter dem die Familie nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG steht. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung.

Die Erziehung des Kindes ist damit primär in ihre Verantwortung gelegt, wobei dieses “natürliche Recht” den Eltern nicht vom Staat verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 Rn. 15 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 10 mwN).

2. Es ist allerdings aus Rechtsgründen nichts dagegen zu erinnern, dass das Beschwerdegericht unter den hier obwaltenden Umständen auf der Tatbestandsebene eine Kindeswohlgefährdung bejaht und ein Eingreifen des Staates für zulässig erachtet hat.

a) Generell ist für Maßnahmen nach § 1666 BGB erforderlich, dass eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, zu deren Abwendung die sorgeberechtigten Personen nicht gewillt oder in der Lage sind. Eine solche besteht bei einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dabei kann das erforderliche Maß der Gefahr nicht abstrakt generell festgelegt werden. Denn der Begriff der Kindeswohlgefährdung erfasst eine Vielzahl von möglichen, sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen. Erforderlich ist daher seine Konkretisierung mittels Abwägung der Umstände des Einzelfalls durch den mit dem Fall befassten Tatrichter. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt. Für die Frage, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, kann das Gewicht der zur Beseitigung dieser Gefährdung zu treffenden Maßnahme nach § 1666 BGB hingegen keine Bedeutung erlangen. Erst wenn eine Kindeswohlgefährdung feststeht, stellt sich die Frage nach der erforderlichen und geeigneten Maßnahme und nach deren Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 Rn. 18 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 13 ff. mwN).

Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss in jedem Fall auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. Eine nur abstrakte Gefährdung genügt nicht. Das Gericht hat in jedem Einzelfall darzulegen, welche konkreten Anhaltspunkte bei dem jeweils konkret betroffenen Kind den Eintritt welcher konkreten Schädigung befürchten lassen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 Rn. 19 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 16; Heilmann/Cirullies Praxiskommentar Kindschaftsrecht 2. Aufl. § 1666 BGB Rn. 21; Hammer FamRZ 2019, 604; Splitt FF 2021, 92, 93 f.; vgl. auch BVerfG ZKJ 2022, 303, 304 mwN und FamRZ 2015, 112 Rn. 37 mwN).

Schließlich muss der konkret drohende Schaden für das Kind erheblich sein.

Selbst bei hoher Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines nicht erheblichen Schadens sind Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht gerechtfertigt. In solchen Fällen ist dem elterlichen Erziehungs- und Gefahrabwendungsprimat der Vorrang zu geben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 Rn. 19 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 16 mwN).

b) Gemessen daran ist die Einschätzung des Beschwerdegerichts, dass die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Schädigung der Kinder und damit auf der Tatbestandsebene eine den staatlichen Eingriff rechtfertigende Gefahrenlage im Sinne von § 1666 Abs. 1 BGB vorliegt, entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass der den Kindern drohende Schaden selbst bei einem nur einmaligen sexuellen Übergriff ganz erheblich wäre.

(1) Nach dem derzeitigen Forschungsstand kann allerdings ein einfacher monokausaler Zusammenhang dahingehend, dass der Konsum von Kinderpornographie in sexuelle Übergriffe mit Körperkontakt (sog. Hands-On-Delikte) münden wird, nicht hergestellt werden (vgl. Salzgeber Familienpsychologische Gutachten 7. Aufl. Rn. 999; Schuhmann Zusammenhänge zwischen sexuellen Übergriffen auf Kinder und Konsum von Kindesmissbrauchsabbildungen bei Offlineund Online-Tätern S. 15 f.; Wössner JAmt 2021, 12, 14 f.). Der Umstand, dass sich eine konkrete Gefahr für die Begehung von Hands-On-Delikten an Kindern noch nicht allein mit der Nutzung von kinderpornographischem Material durch den Täter begründen lässt, bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass von Konsumenten von Kinderpornographie prinzipiell kein konkretes Risiko ausgehe, mit Hands-On-Delikten gegenüber Kindern rückfällig zu werden. Um bezüglich des mit der Nutzung von Kinderpornographie auffällig gewordenen Personenkreises die konkrete Gefahr eines körperlichen Übergriffs auf einzelne Kinder beurteilen zu können, ist eine umfassende individuelle Risikoeinschätzung vorzunehmen. Die Gefahr für einen Rückfall mit Hands-On-Delikten steigt beim Vorhandensein weiterer Risikofaktoren, zu denen unter anderem das Vorliegen früherer Hands-On-Taten, sexuelle Belästigung von Minderjährigen über das Internet oder andere elektronische Medien („Cyber-Grooming“), schwere Persönlichkeitsstörungen, Substanzmittelkonsum, emotionale Nähe zu Minderjährigen und Defizite beim Eingehen von Beziehungen zu gleichaltrigen Sexualpartnern gezählt werden; als stärkste rückfallrelevante Faktoren werden dabei – neben früheren Hands-On-Delikten – das Vorliegen einer sexuell devianten Störung wie etwa der Pädophilie, aber auch generelle Dissozialität angesehen (vgl. Salzgeber Familienpsychologische Gutachten 7. Aufl. Rn. 999; Schuhmann Zusammenhänge zwischen sexuellen Übergriffen auf Kinder und Konsum von Kindesmissbrauchsabbildungen bei Offline- und Online-Tätern S. 16 ff.; Wössner JAmt 2021, 12, 15).

Bei der Risikoeinschätzung zu berücksichtigen ist demgegenüber auch eine mögliche Hemmschwelle pädophiler Täter gegenüber einem sexuellen Missbrauch des eigenen leiblichen Kindes (vgl. Salzgeber Familienpsychologische Gutachten 7. Aufl. Rn. 1006, 1008; vgl. auch BVerfG FamRZ 2008, 494, 495 zur Einschränkung des Umgangsrechts nach § 1684 Abs. 4 BGB).

(2) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts liegen bei dem Kindesvater verschiedene risikoerhöhende Faktoren vor.

Er ist in der Vergangenheit nicht nur passiv durch das Betrachten von kinderpornographischem Bildmaterial, sondern auch aktiv durch sexuell ausgerichtete Kontaktaufnahmen mit Minderjährigen über elektronische Medien in Erscheinung getreten. In der Persönlichkeit des Kindesvaters, der einerseits im sexuellen Bereich ständig auf der Suche nach Bestätigung durch andere ist, dem andererseits aber aufgrund emotionaler Unreife das Verantwortungsgefühl für die mit seinem Verhalten konfrontierten Kinder fehlt, sind nach den Ausführungen der Sachverständigen deutlich narzisstische Züge zu erkennen. Die Sexualpräferenz des Kindesvaters ist zwar vorwiegend auf erwachsene Frauen bezogen, weist aber auch eine „pädophile, eher hebephile Nebenströmung“ auf, bei der das sexuelle Interesse auf das Körperschema pubertierender Mädchen gerichtet ist. Der Kindesvater scheint nach der Einschätzung der Sachverständigen zu den Betroffenen zu gehören, die genügend Verhaltenskontrolle aufweisen, um hebephile oder pädophile Interessen über das Betrachten von Fotos und durch Selbstbefriedigung auszuleben, während sie aber auch nicht ausschließen kann, dass er sich ohne therapeutische Begleitung bei seinen sexuell motivierten Kontaktaufnahmen mit potentiellen Partnerinnen über elektronische Medien erneut zur Unterschreitung von Altersgrenzen bereitfinden wird.

Auf der anderen Seite ist aber auch zu berücksichtigen, dass sich auf den im Zuge der polizeilichen Maßnahmen in den Jahren 2007 und 2016 aufgefundenen Datenträgern des Kindesvaters neben kinderpornographischem Bildmaterial eine ganz überwiegende Vielzahl von pornographischen Dateien ohne kinderpornographischen Bezug befand sowie die sich auf der im Jahr 2016 sichergestellten Festplatte befindlichen kinderpornographischen Dateien zwei Jahre zuvor gelöscht worden waren und seitdem kein Zugriff mehr auf sie erfolgte. Ein bereits stattgefundener sexueller Missbrauch der beiden Kinder durch den Kindesvater ist offensichtlich auszuschließen. Die Sachverständige sieht jedenfalls derzeit keine konkrete Gefahr eines Hands-On-Übergriffs auf die beiden Kinder, weil diese schon aufgrund ihres Alters und ihres dementsprechend vorpubertären Körperschemas nicht in die angenommene Sexualpräferenz des Kindesvaters fallen und zudem bei den eigenen Kindern von einer besonderen Hemmschwelle auszugehen ist.

bb) Das Beschwerdegericht hat indessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auch darauf abgestellt, dass die Gefahr eines erheblichen Schadens für die betroffenen Kinder im Sinne des § 1666 BGB nicht nur im Falle unmittelbarer körperlicher Übergriffigkeit, sondern bereits dann droht, wenn diese den erwachsenen Elternteil beim Konsum kinderpornographischer Medieninhalte oder bei der sexuellen Belästigung von Minderjährigen über das Internet wahrnehmen können. Dagegen lassen sich grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken erheben, denn es besteht die Gefahr, dass die betroffenen Kinder solche Verhaltensweisen als normal empfinden, sexuelle Grenzverletzungen nicht als solche wahrnehmen und damit jedenfalls zukünftig leichter Opfer von Straftaten gegen ihre sexuelle Selbstbestimmung werden (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2020, 1648, 1650). Das Vorliegen einer solchen Gefahrenlage hat das Beschwerdegericht im konkreten Fall rechtsbedenkenfrei daraus hergeleitet, dass bei dem Kindesvater nach den Feststellungen der Sachverständigen von einer Übererregbarkeit und von einem erheblich übersteigerten Sexual- bzw. Onanieverhalten auszugehen ist, das besonders exzessiv über den Gebrauch elektronischer Medien ausgelebt wird und das bei hoher sexueller Erregung – und gegebenenfalls im Zusammenhang mit Alkoholeinfluss – ein grenzverletzendes Verhalten gegenüber Kindern begünstigen kann, mit dem die eigenen Kinder bei einem Zusammensein mit dem Kindesvater konfrontiert werden könnten.

cc) Die Annahme des Beschwerdegerichts, dass im Hinblick auf den schwerwiegenden Schaden, der den Kindern bei dem beschriebenen sexuell grenzverletzenden Verhalten des Kindesvaters drohen würde, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Schädigung bestehe, hält sich vor diesem Hintergrund in der Gesamtschau im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Beurteilung.

3. Mit Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde demgegenüber die vom Beschwerdegericht zur Abwehr der festgestellten Kindeswohlgefährdung getroffenen Maßnahmen.

a) Dabei unterliegt es allerdings keinem Zweifel, dass die von dem Beschwerdegericht angeordneten Maßnahmen nach § 1666 BGB grundsätzlich zulässig sind.

aa) Der Maßnahmenkatalog in § 1666 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BGB stellt exemplarisch klar, welche gerichtlichen Anordnungen auch unterhalb der Schwelle der Sorgerechtsentziehung möglich sind. Die Aufzählung ist dabei nicht abschließend, so dass auch andere zur Abwendung der Gefahr geeignete Weisungen in Betracht kommen. Soweit diese Maßnahmen einen erheblichen Eingriff in Grundrechte der Betroffenen bedeuten, ist hierfür jedoch eine gesetzliche Grundlage erforderlich, so dass es sich um die in § 1666 Abs. 3 BGB ausdrücklich benannten oder um diesen vergleichbare Maßnahmen handeln muss (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 23 mwN).

bb) Die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Ausweisung des Kindesvaters („Go-Order“) wird durch § 1666 Abs. 3 Nr. 3 BGB gedeckt, wonach das Gericht dem gefährdenden Elternteil unter anderem verbieten kann, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung zu nutzen. Auch die an den Kindesvater gerichteten Verbote, die vormalige Familienwohnung zu betreten oder sich dort aufzuhalten, mit den Kindern in Abwesenheit der Kindesmutter zu verkehren und den Umgang mit den Kindern in der Wohnung des Kindesvaters auszuüben, finden eine Grundlage im Gesetz. Neben der Wohnungsausweisung ermöglicht § 1666 Abs. 3 Nr. 3 BGB dem Gericht, flankierende Maßnahmen zu treffen und es dem gefährdenden Elternteil unter anderem zu verbieten, sich in einem bestimmten Umkreis der vormaligen Familienwohnung aufzuhalten oder bestimmte Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält; § 1666 Abs. 3 Nr. 4 BGB ermächtigt das Gericht darüber hinaus, dem aus der Wohnung gewiesenen Elternteil zu untersagen, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen.

Der rechtlichen Zulässigkeit der neben der Wohnungsausweisung angeordneten Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung steht es nicht entgegen, dass mit ihnen Einschränkungen des Umgangsrechts einhergehen, die das Gericht auch in einem umgangsrechtlichen Verfahren nach § 1684 Abs. 4 BGB anordnen könnte. Jedenfalls in Bezug auf die Gefährdung des Kindes durch einen (mit-)sorgeberechtigten Elternteil besteht kein rechtliches Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen § 1666 BGB einerseits und § 1684 Abs. 4 BGB andererseits (vgl. Dürbeck ZKJ 2020, 209, 213).

b) Allerdings muss jeder Eingriff in das Elternrecht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Dieser gebietet, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist.

aa) Die anzuordnende Maßnahme muss zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig (angemessen) sein. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gegeben, wenn der staatliche Eingriff unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zumutbar ist. Hierbei ist insbesondere auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs und seiner Folgen, dem Gewicht des dem Kind drohenden Schadens und dem Grad der Gefahr zu berücksichtigen. Dabei kann die – auch teilweise – Entziehung der elterlichen Sorge als besonders schwerer Eingriff nur bei einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes mit einer höheren, im Einzelfall durch Abwägung aller Umstände zu bestimmenden „ziemlichen Sicherheit“ eines Schadenseintritts verhältnismäßig sein. Die Anordnung weniger einschneidender Maßnahmen kann demgegenüber nach dem Grundsatz der umgekehrten Proportionalität von Schadensschwere und Eintrittswahrscheinlichkeit bereits im Fall einer nicht überwiegend wahrscheinlichen Gefahr gerechtfertigt sein, soweit es um die Abwehr einer massiven Rechtsgutbeeinträchtigung geht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 Rn. 33 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 27 mwN).

Zu den weniger einschneidenden und unterhalb der Schwelle des Sorgerechtsentzugs liegenden Maßnahmen gehören die gerichtlichen Interventionsmöglichkeiten, die exemplarisch im Maßnahmenkatalog des § 1666 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BGB genannt sind (vgl. Rake FamRZ 2017, 285, 286). Dies gilt auch für die auf § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BGB gestützten kontaktbegrenzenden Maßnahmen, die den persönlichen Umgang des gefährdenden Elternteils mit dem Kind einschränken. Auch diese Weisungen sind gegenüber einem personensorgeberechtigten Elternteil als milderes Mittel gegenüber der Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts als Teil der Personensorge anzusehen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 6. Juli 2016 – XII ZB 47/15FamRZ 2016, 1752 Rn. 46), selbst wenn weitgehende umgangsbeschränkende Eingriffe – wie namentlich die Anordnung begleiteten Umgangs – in ihrer belastenden Wirkung einer Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts durchaus nahekommen (vgl. BeckOGK/Burghart [Stand: 1. August 2022] BGB § 1666 Rn. 46).

Unabhängig davon müssen sich die auf § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BGB gestützten Schutzanordnungen, die das Umgangsrecht des gefährdenden Elternteils einschränken, jedenfalls an den Voraussetzungen des § 1684 Abs. 4 BGB messen lassen (vgl. MünchKommBGB/Lugani 8. Aufl. § 1666 Rn. 188; Johannsen/Henrich/Althammer/Jokisch Familienrecht 7. Aufl. § 1666 BGB Rn. 118; Grüneberg/Götz BGB 81. Aufl. § 1666 Rn. 36; BeckOK BGB/Veit [Stand: 1. Februar 2022] § 1666 a Rn. 26; Janzen FamRZ 2002, 785, 789). Nach den vom Bundesverfassungsgericht zu § 1684 Abs. 4 BGB entwickelten Maßstäben stellt insbesondere die Anordnung nur begleiteten Umgangskontakts einen erheblichen Eingriff sowohl in das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierte Elternrecht als auch in das Recht des Kindes auf Umgang mit dem nicht betreuenden Elternteil dar. Denn der Umgang zwischen dem nicht betreuenden Elternteil und dem Kind kann seinen Zweck grundsätzlich nur bei einem unbeaufsichtigten und der Beobachtung durch Dritte nicht ausgesetzten persönlichen Kontakt erreichen. Wird die Einschränkung oder der Ausschluss des Umgangsrechts allein auf pädophile Neigungen des umgangsberechtigten Elternteils gestützt, so setzt dies konkrete Feststellungen zu den pädophilen Neigungen des umgangsberechtigten Elternteils sowie eine daraus resultierende konkrete Gefährdung für das Kind voraus. Dabei kann gerade die längerfristige Anordnung begleiteten Umgangs (§ 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB) nicht darauf gestützt werden, dass pädophile Neigungen des umgangsberechtigten Elternteils nach dem Ergebnis der Ermittlungen lediglich möglich erscheinen und damit ein „Restrisiko“ für das Kind verbleibt. Dies stellt nicht nur das Elternrecht des Umgangsberechtigten unverhältnismäßig hintan, sondern greift auch intensiv in das Recht des Kindes ein, mit seinem umgangsberechtigten Elternteil grundsätzlich ohne Beobachtung durch Dritte Umgang zu haben (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 494 f. und FamRZ 2005, 1816, 1817).

bb) Nach diesen Maßgaben ergeben sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durchgreifende Bedenken an der Verhältnismäßigkeit der von dem Beschwerdegericht erteilten Weisungen.

(1) Die Rechtsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass sich die auf § 1666 Abs. 3 Nr. 3 BGB gestützte Wohnungsausweisung bereits als nicht (mehr) erforderlich darstellt.

Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass sich die Kindeseltern getrennt haben und der Kindesvater im Laufe des Verfahrens die vormalige Familienwohnung freiwillig verlassen und eine eigene Wohnung bezogen hat.

Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Trennung lassen sich der Beschwerdeentscheidung ebenso wenig entnehmen wie Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Kindesmutter einem etwaigen Ansinnen des Kindesvaters, erneut gemeinsam mit ihr und den beiden Kindern in der vormaligen Familienwohnung zusammenleben zu wollen, nicht entgegentreten könnte oder würde.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann die Anordnung der Wohnungsausweisung bei dieser Sachlage auch nicht damit begründet werden, dass die Wegweisungsverfügung eine Rechtsgrundlage dafür schaffe, den gefährdenden Elternteil mit der Geltendmachung von Nutzungsansprüchen an der vormaligen Ehewohnung auszuschließen. Mit dem freiwilligen Auszug des Kindesvaters aus der vormals gemeinsam mit den Kindern bewohnten Wohnung besteht die Gefahr einer erheblichen Schädigung der Kinder durch das räumliche Zusammenleben mit dem Kindesvater nicht mehr. Im Übrigen ist es – auch mit Blick auf das elterliche Gefahrenabwehrprimat – Sache der Kindesmutter, darüber zu entscheiden, ob sie den Kindern die vertraute Umgebung erhalten und deshalb möglichen Nutzungsansprüchen des Kindesvaters an der vormaligen Familienwohnung rechtlich entgegentreten oder ob sie eine neue Wohnung für sich und die Kinder suchen will.

(2) Das Beschwerdegericht hat es als erforderlich angesehen, den Umgang des Kindesvaters mit den Kindern ausschließlich in Gegenwart der Kindesmutter zu gestatten.

Soweit es dabei eine Umgangsbegleitung durch andere Personen als milderes Mittel (vgl. dazu Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212 Rn. 30) ausgeschlossen hat, weil es namentlich die Großeltern väterlicherseits als ungeeignet für die Begleitung des Umgangs angesehen hat, beanstandet die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass es für diese Beurteilung an tragfähigen Feststellungen fehlt.

Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten die Empfehlung geäußert, dass der Kindesvater die beiden Kinder in Begleitung der Kindesmutter oder „einer der Großmütter“ so häufig wie möglich sehen solle. Das Amtsgericht hat eine Begleitung des Umgangs durch die Mutter des Kindesvaters mit der Begründung abgelehnt, dass die Sachverständige diese nicht exploriert habe, ohne aus diesem Umstand Folgerungen für den Umfang der gerichtlichen Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts zu ziehen oder eine eigene Sachkunde darzulegen, auf die sich seine Beurteilung stützen könnte, dass die Großmutter zur Begleitung des Umgangs nicht geeignet sei. Das Beschwerdegericht hat die fehlende Eignung der Großeltern väterlicherseits allein aus – nicht näher konkretisierten – Angaben des Kindesvaters über die Reaktion seiner Eltern auf die strafrechtlichen und familienrechtlichen Folgen seiner Straftaten hergeleitet, nach denen davon ausgegangen werden müsse, dass die Großeltern väterlicherseits die Taten des Kindesvaters bagatellisieren, eine Gefährdung der Kinder negieren und einen unbeobachteten Umgang des Kindesvaters mit den Kindern zulassen werden. Dagegen erhebt die Rechtsbeschwerde mit Recht die Rüge einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 26 FamFG).

Art und Umfang der gebotenen Ermittlungen richten sich nach der Lage des jeweiligen Einzelfalls. Dabei gelten in kindschaftsrechtlichen Familiensachen besondere Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung. Denn die verfassungsrechtliche Dimension beeinflusst auch das Verfahrensrecht und seine Handhabung im Kindschaftsverfahren. Das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entsprechen, weshalb insbesondere die zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden müssen. Das bedeutet nicht nur, dass die Verfahrensgestaltung den Elternrechten Rechnung tragen muss; die Gerichte müssen ihr Verfahren so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Juli 2016 – XII ZB 47/15FamRZ 2016, 1752 Rn. 24 mwN und BGHZ 184, 269 = FamRZ 2010, 720 Rn. 29 mwN).

In diesem Zusammenhang hat die Sachverständige bereits in ihrem schriftlichen Gutachten auf die Gefahr hingewiesen, dass Spannungen zwischen den Kindeseltern für die Kinder bald wahrnehmbar seien und auch zunehmen werden. Schon vor diesem Hintergrund durfte das Beschwerdegericht angesichts der erheblichen Bedeutung, der ein möglichst unbelasteter Umgangskontakt zwischen dem Kindesvater und den Kindern sowohl für das Elternrecht als auch für das Kindeswohl zukommt, seine Ermittlungen zum Vorhandensein weiterer geeigneter Begleitpersonen nicht in der geschehenen Weise verkürzen. Zum mindesten wäre im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung eine Anhörung der Großeltern zur Gewinnung eines persönlichen Eindrucks geboten gewesen. Dies gilt umso mehr, als die Großeltern väterlicherseits bereits in der Übergangszeit vor dem Auszug des Kindesvaters aus der Wohnung in eine vom Beschwerdegericht im einstweiligen Anordnungsverfahren gebilligte Schutz- und Betreuungsregelung einbezogen waren, ohne dass insoweit Beanstandungen festgestellt worden wären.

(3) Auch die vom Beschwerdegericht erteilten Weisungen, nach denen sowohl die Ausübung des Umgangs in der Wohnung des Kindesvaters als auch der Aufenthalt des Kindesvaters in der ehemaligen Familienwohnung untersagt ist, sind im Hinblick auf ihre Angemessenheit nicht frei von rechtlichen Bedenken.

Ausgangspunkt für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist dabei der Befund, dass die Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht den sicheren Schluss darauf zulassen, die Sexualpräferenz des Kindesvaters könne (auch) auf eine gelebte Sexualität mit vorpubertären Kindern im Alter der beiden betroffenen Kinder gerichtet sein. Zwar trägt der festgestellte Sachverhalt die Beurteilung, dass bei dem Kindesvater eine hebephile Nebenströmung im Sinne der sexuellen Ansprechbarkeit durch das (früh-)pubertäre Körperschema von Mädchen ab dem Alter von etwa zehn oder elf Jahren vorliegt. Es mag auch nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden können, dass die krankhafte Sexsucht des Kindesvaters dazu führen könnte, unter erhöhtem sexuellen Druck selbst diese Altersgrenze noch zu unterschreiten und gleichzeitig die Inzestschranke zu überwinden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder unter solchen Umständen Opfer eines Hands-On-Delikts werden könnten, kann aber auch bei Einräumung eines großzügigen tatrichterlichen Beurteilungsspielraums nicht mit dem vom Beschwerdegericht angenommenen Wahrscheinlichkeitsgrad von 25 Prozent angesetzt werden. Ein solcher Wahrscheinlichkeitsgrad bezieht offensichtlich auch die vom Beschwerdegericht aufgezeigte Möglichkeit ein, dass die Kinder den Kindesvater dabei wahrnehmen könnten, wie er in sexuell grenzverletzender Weise vor allem im Zusammenhang mit dem Gebrauch elektronischer Medien durch den Konsum von kinderpornographischem Material oder durch die Interaktion mit Kindern sexuell erregt wird und er dieser Erregung durch Onanieren Befriedigung verschafft. Auch wenn bei einem solchen Sachverhalt unbestreitbar eine schwere Schädigung der Kinder eintreten könnte, hätte diese – was im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen ist – doch eine andere Qualität als die massive Verletzung, welche die Kinder als Opfer eines Hands-On-Delikts erleiden würden.

Dem wird die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht gerecht.

Das Beschwerdegericht hat seine Anordnung, einen Umgang des Kindesvaters mit den Kindern sowohl in der von der Kindesmutter bewohnten ehemaligen Familienwohnung als auch in der Wohnung des Kindesvaters zu untersagen, auf die Erwägung gestützt, dass die Kinder in diesen Wohnungen selbst dann nicht geschützt werden könnten, wenn geeignete Begleitpersonen zugegen seien. In der Wohnung sei schon aus objektiven Gründen nie auszuschließen, dass es zu einem unbeobachteten Zusammensein des Kindesvaters mit den Kindern kommen könne.

Unabhängig davon, dass sich die gleiche Problematik auch in anderen, beispielsweise von Familienangehörigen oder Dritten zur Verfügung gestellten Wohnungen stellen würde, in denen ein begleiteter Umgang stattfinden dürfte, lässt sich die vom Beschwerdegericht offensichtlich gesehene Notwendigkeit einer besonders engmaschigen und praktisch minutengenauen Überwachung des Kontakts zwischen dem Kindesvater und den Kindern mit der für die Angemessenheitsprüfung zugrunde zu legenden Gefährdungssituation nicht begründen.

Es ist nicht erkennbar, warum nicht bereits die generelle Anwesenheit einer geeigneten Begleitperson in der Wohnung während des Umgangs mit den Kindern ausreichen könnte, um den Kindesvater in dieser Zeit insbesondere von CyberSex-Aktivitäten abzuhalten und das gerade damit im Zusammenhang stehende Risiko sexueller Grenzverletzungen weitestgehend zu minimieren.

4. Die angefochtene Entscheidung kann somit keinen Bestand haben und ist im Umfang der Anfechtung gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Da weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich sind, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

BGH, Beschluss vom 21.09.2022
XII ZB 150/19

AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 11.09.2018
461 F 25326/17

OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 28.02.2019
5 UF 200/18

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