a) Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein oder wesentlich auf das Alter des Kin-des, etwa während der Kindergarten- und Grundschulzeit, abstellt, wird den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht (im Anschluss an das Senatsurteil vom 30. März 2011 – XII ZR 3/09 – FamRZ 2011, 791).
b) Für die Betreuung des gemeinsamen Kindes ist grundsätzlich auch der barunterhaltspflichtige Elternteil in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet. Wie bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB ist auch im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssen (im Anschluss an das Senatsurteil vom 15. September 2010 – XII ZR 20/09 – FamRZ 2010, 1880).
Auf die Revision des Antragsgegners wird das Urteil des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Februar 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten noch um nachehelichen Unterhalt.
Die 1965 geborene Antragstellerin und der 1953 geborene Antragsgegner hatten im Dezember 2004 geheiratet. Im Januar 2005 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Nach einer kurzfristigen Trennung im März 2005 trennten sich die Parteien im September 2005 endgültig. Auf den im Dezember 2006 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe der Parteien mit Verbundurteil geschieden, das hinsichtlich des Scheidungsausspruchs seit dem 8. Juli 2008 rechtskräftig ist.
Am Tag vor der Heirat hatten die Parteien einen notariellen Ehevertrag geschlossen, in dem sie den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und Gütertrennung vereinbart haben. Daneben haben die Parteien wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt, mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts und des Aufstockungsunterhalts, verzichtet. Die Höhe eines gleichwohl geschuldeten nachehelichen Unterhalts haben sie auf monatlich höchstens 2.000 € begrenzt.
Der gemeinsame Sohn lebt seit der Trennung der Parteien bei der Antragstellerin, der auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde. Der Antragsgegner übt sein Umgangsrecht an jedem Mittwochnachmittag und an jedem zweiten Wochenende von samstags 10.00 Uhr bis sonntags 18.00 Uhr, an den übrigen Wochenenden freitags nachmittags aus. Für den Sohn steht während der Woche von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr ein Ganztagsplatz im Kindergarten zur Verfügung, den er auch in Anspruch nimmt. Die Kosten für den Kindergarten in Höhe von monatlich 345 € incl. 55 € Verpflegungspauschale trägt die Antragstellerin. Der Antragsgegner befindet sich im vorzeitigen Ruhestand und strebt eine Ausweitung seines Umgangsrechts bis hin zu einem Wechselmodell an. Die Parteien streiten über die Höhe seines Einkommens; er ist jedoch für Unterhaltsleistungen bis zur Höhe von monatlich 2.000 € leistungsfähig. Kindesunterhalt zahlt er in Höhe von monatlich 485 €.
Das Amtsgericht hat den Unterhaltsantrag abgewiesen. Auf die Berufung der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und den Antragsgegner neben Unterhaltsrückständen zur Zahlung nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab Januar 2009 in Höhe von insgesamt 1.383 € (1.113 € Elementarunterhalt und 270 € Altersvorsorgeunterhalt) verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Antragsgegners, mit der er sein Begehren auf Abweisung des Unterhaltsantrags weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 – XII ZB 197/10 – FamRZ 2011, 100).
I.
Das Oberlandesgericht hat der Antragstellerin einen Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt zugesprochen, weil sie wegen der Betreuung des gemeinsamen Sohnes gegenwärtig nicht verpflichtet sei, einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachzugehen und ihren Unterhaltsbedarf deswegen nicht selbst decken könne. Mit Vollendung des dritten Lebensjahrs des Kindes beginne zwar grundsätzlich die Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils. Ein abrupter, übergangsloser Wechsel von der elterlichen Vollzeitbetreuung zur Vollzeiterwerbstätigkeit könne aber nicht verlangt werden. Durch die gesetzliche Neuregelung durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz 2008 sei eine Stärkung der Eigenverantwortung und eine Abkehr von einer starren, pauschalen Betrachtung durch das Altersphasenmodell hin zu einer am Einzelfall orientierten Betrachtungsweise beabsichtigt. Aus dieser Konzeption folge als Regel-Ausnahme-Verhältnis, dass der unterhaltsberechtigte Elternteil darlegungs- und beweispflichtig für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahrs des Kindes hinaus sei. Solche Umstände seien vorliegend dargetan und weitgehend unstreitig.
Zwar besuche der Sohn seit einem Jahr ganztags den Kindergarten, und der Besuch gestalte sich auch problemlos. Grundsätzliche Bedenken gegen eine achtstündige Fremdbetreuung bestünden nicht; diese werde auch von beiden Parteien gutgeheißen. Bei einer Öffnungszeit des Kindergartens von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr sei die Antragstellerin aber trotz der weiteren Betreuung durch den Antragsgegner schon rein rechnerisch nicht zu einer Vollzeitbeschäf-tigung mit einem Achtstundentag, einer halbstündigen Mittagspause und einer einfachen Fahrstrecke zum Arbeitsplatz von 45 Minuten in der Lage. Die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes ende nicht mit Kindergartenschluss. Kinder im Kindergartenalter benötigten eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Trotz der Fremdbetreuung könne die Erwerbsobliegenheit somit zu einer überobligatorischen Belastung führen. Zu berücksichtigen sei auch ein (erneuter) Gesellschaftswandel, wonach erwartet werde, dass sich die Eltern intensiv mit ihren Kindern beschäftigten und sie förderten. Nach den Unterhaltsgrundsätzen des Berufungsgerichts könne deswegen bis zur Beendigung der Grundschulzeit die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit regelmäßig nicht erwartet werden. Entsprechend könne auch nach den Leitlinien des Oberlandesgerichts Schleswig bis zum Ablauf des dritten Grundschuljahres nur geringfügige bis halbschichtige Erwerbstätigkeit, vom vierten bis zum Ablauf des siebten Schuljahres grundsätzlich nur halbschichtige Erwerbstätigkeit und ab dem achten Schuljahr des Kindes jedenfalls eine Erwerbstätigkeit von 75 % bis zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit erwartet werden, sofern weder kind- noch elternbezogene Belange entgegenstünden. Ähnlich verhielten sich die Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm. Auch das Oberlandesgericht Nürnberg habe sich in einer Entscheidung vom 19. Mai 2008 im Interesse der Rechtssicherheit für ein Altersphasenmodell ausgesprochen.
Zwar strebe der Antragsgegner eine Ausweitung seines Umgangsrechts an, es bestehe aber keine unterhaltsrechtliche Obliegenheit, dieses Angebot anzunehmen. Wegen des langjährigen vehementen Streits der Parteien bestünden erhebliche Zweifel, ob eine Ausweitung des Umgangsrechts dem Wohl des Kindes diene. Dem Sohn sei es nicht zumutbar, dem Streit seiner Eltern in einem noch größeren Umfang als bisher ausgesetzt zu sein, was zwangsläufig der Fall sei, wenn die Umgangskontakte weiter ausgedehnt oder die Eltern sich die Betreuung im Rahmen eines Wechselmodells teilen würden.
Weder die gemeinsame Lebensplanung noch die sehr kurze Zeit des Zusammenlebens sprächen gegen eine Beschränkung der Erwerbstätigkeit der Antragstellerin. Soweit die Antragstellerin in der Präambel ihres Ehevertrages ausgedrückt habe, dass sie nur im ersten Lebensjahr des Kindes die Betreuung übernehmen und sodann in Teilzeit oder ganztags erwerbstätig sein wolle, handele es sich lediglich um eine Absichtserklärung.
Der Antragstellerin sei eine Erwerbstätigkeit im Umfang von 25 Wochenstunden zumutbar. Bei einer täglichen Arbeitszeit von fünf Stunden könne sie das Kind problemlos bis 14.30 Uhr aus dem Kindergarten abholen. Der verbleibende Nachmittag stehe dann für die häusliche Betreuung oder für Aktivitäten außerhalb des Kindergartens zur Verfügung. Unter Berücksichtigung von 25 Wochenstunden errechne sich ein Bruttomonatslohn der Antragstellerin in Höhe von 3.199,73 €. Davon seien die gesetzlichen Abzüge und die Beiträge für eine private Rentenversicherung in Höhe von 153,39 €, nicht hingegen zusätzlich die Beiträge für die Pensionskasse in Höhe von 351,98 € abzusetzen. Als Fahrtkosten seien lediglich Kosten zu berücksichtigen, die zwischen Wiesbaden und dem Arbeitsplatz der Antragstellerin in Mainz notwendig seien. Von den Kindergartenkosten sei ein Teil in Höhe von 240 € abzusetzen, nicht hingegen 50 € für einen halbtägigen Kindergartenbesuch und die Verpflegungspauschale von 55 €. Nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus ergebe sich ein verbleibendes Nettoeinkommen der Antragstellerin in Höhe von 1.086,80 €. Auf der Grundlage der relativen Sättigungsgrenze von 2.200 € ergebe sich ein ungedeckter Unterhaltsbedarf in Höhe von 1.113 € Elementarunterhalt und weiteren 270 € Altersvorsorgeunterhalt.
Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin sei nicht nach § 1579 Nr. 1 BGB verwirkt. Zwar sei die Dauer der Ehe von knapp zwei Jahren gerade noch als kurz anzusehen. Die Unterhaltspflicht sei unter Wahrung der Belange des zu betreuenden Kindes aber nicht grob unbillig. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe und der Wegfall des Unterhaltsanspruchs die Antragstellerin und den ge meinsamen Sohn in wirtschaftliche Bedrängnis brächte. Weitere Verwirkungsgründe seien nicht gegeben. Auch komme eine zeitliche Begrenzung des Betreuungsunterhalts nach § 1578 b BGB nicht in Betracht. Der Sohn sei gerade erst vier Jahre alt geworden und die künftigen Umstände hingen noch davon ab, welche körperliche, geistige und seelische Entwicklung er nehme.
Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen “im Hinblick auf das neue Recht zum Betreuungsunterhalt und die ungeklärte und in den Leitlinien der Oberlandesgerichte höchst unterschiedlich beantwortete Frage der Gewichtung des Alters des Kindes und der Bildung von altersbezogenen Fallgruppen”.
II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass mit Vollendung des dritten Lebensjahrs des gemeinsamen Kindes grundsätzlich eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils einsetzt. Mit der Neuregelung des Betreuungsunterhalts durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3189) hat der Gesetzgeber einen auf drei Jahre befristeten Basisunterhalt eingeführt, der aus Gründen der Billigkeit verlängert werden kann (BT-Drucks. 16/6980 S. 8 f.). Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung sind nach dem Willen des Gesetzgebers kind- und elternbezogene Verlängerungsgründe zu berücksichtigen. Dabei wird der Betreuungsunterhalt vor allem im Interesse des Kindes gewährt, um dessen Betreuung und Erziehung sicherzustellen (BT-Drucks. 16/6980 S. 9; Senatsurteil vom 30. März 2011 – XII ZR 3/09 – FamRZ 2011, 791 Rn. 18 mwN).
Zugleich hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung dem unterhaltsberechtigten Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus auferlegt. Kind- oder elternbezogene Umstände, die aus Gründen der Billigkeit zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahrs hinaus führen könnten, sind deswegen vom Unterhaltsberechtigten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (Senatsurteile BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 23 und BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 Rn. 97).
Wie der Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat, verlangt die gesetzliche Neuregelung zwar keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit (BT-Drucks. 16/6980 S. 9). Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1 Satz 3 BGB) und elternbezogenen (§ 1570 Abs. 2 BGB) Gründe ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (Senatsurteil vom 30. März 2011 – XII ZR 3/09 – FamRZ 2011, 791 Rn. 20 mwN). Ein solcher gestufter Übergang setzt aber nach dem Willen des Gesetzgebers voraus, dass der unterhaltsberechtigte Elternteil kind- und/oder elternbezogene Gründe vorträgt, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils mit Vollendung des dritten Lebensjahrs entgegenstehen. Nur an solchen individuellen Gründen kann sich der gestufte Übergang im Einzelfall orientieren.
Soweit in Rechtsprechung und Literatur auch zu der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Rechtslage abweichende Auffassungen vertreten wurden, die an das frühere Altersphasenmodell anknüpften und eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts allein oder überwiegend vom Kindesalter abhängig machten, sind diese im Hinblick auf den eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht haltbar (Senatsurteil BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 28). Die kindbezogenen Verlängerungsgründe, insbesondere die Betreuungsbedürftigkeit, und die elternbezogenen Verlängerungsgründe als Ausdruck der nachehelichen Solidarität sind vielmehr nach den individuellen Verhältnissen zu ermitteln.
2. Diesen gesetzlichen Vorgaben trägt das Berufungsurteil nicht hinreichend Rechnung. Die zur Begründung angeführten Umstände können weder als individuelle kindbezogene noch als individuelle elternbezogene Gründe eine Fortdauer des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahrs hinaus rechtfertigen.
a) Kindbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach Billigkeit entfalten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung das stärkste Gewicht und sind deswegen vorrangig zu prüfen (BT-Drucks. 16/6980 S. 9; Senatsurteil vom 30. März 2011 – XII ZR 3/09 – FamRZ 2011, 791 Rn. 23 mwN).
aa) Mit der Neuregelung des Betreuungsunterhalts zum 1. Januar 2008 hat der Gesetzgeber für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahrs grundsätzlich den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahrs eine kindgerechte Einrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte, kann sich der betreuende Elternteil also nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes und somit nicht mehr auf kindbezogene Verlängerungsgründe im Sinne von § 1570 Abs. 1 Satz 3 BGB berufen. Das gilt sowohl für den rein zeitlichen Aspekt der Betreuung als auch für den sachlichen Umfang der Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung (Senatsurteil vom 30. März 2011 – XII ZR 3/09 – FamRZ 2011, 791 Rn. 24 mwN).
bb) Soweit das Berufungsgericht eine persönliche Betreuung des gemeinsamen Kindes durch die Antragstellerin während der Nachmittagsstunden für erforderlich hält, was einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entgegenstehe, hält dies den Angriffen der Revision nicht stand.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der gemeinsame Sohn im Alter von vier Jahren von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr einen Vollzeitkindergarten besucht und beide Eltern gegen diese Fremdbetreuung keine Einwände erheben. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner, der bereits den vorzeitigen Ruhestand angetreten hat, ein großzügiges Umgangsrecht ausübt und angeboten hat, die Antragstellerin in der Betreuung des gemeinsamen Kindes weiter zu unterstützen, um ihr eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts betreut der Antragsgegner das gemeinsame Kind an jedem Mittwochnachmittag sowie im wöchentlichen Wechsel von samstags 10.00 Uhr bis sonntags 18.00 Uhr oder freitags nachmittags. Damit ist schon jetzt eine zusätzliche Entlastung der Antragstellerin verbunden, die die Ausführungen des Berufungsgerichts, der Umfang einer vollschichtigen Er-werbstätigkeit nebst Mittagspause und Fahrzeiten übersteige den Umfang der neunstündigen Betreuungsmöglichkeiten im Kindergarten, jedenfalls für einzelne Tage in Frage stellt. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner eine Ausweitung oder Umgestaltung der Betreuung des gemeinsamen Kindes angeboten hat. Der Senat hat bereits entschieden, dass grundsätzlich auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen ist, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet (Senatsurteil vom 15. September 2010 – XII ZR 20/09 – FamRZ 2010, 1880 Rn. 28; vgl. auch Empfehlung 5 des Arbeitskreises 2 des 18. Deutschen Familiengerichtstages). Wie bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB ist auch im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssen. Ist bereits eine am Kindeswohl orientierte abschließende Umgangsregelung vorhanden, ist diese grundsätzlich vorgreiflich.
Durchgreifende Umstände gegen eine Umgestaltung des Umgangsrechts des Antragsgegners hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es hat insbesondere nicht festgestellt, ob und auf welche Weise der Antragsgegner die Antragstellerin gegenüber dem gemeinsamen Kind abwertet und dadurch dem Kindeswohl zuwider handelt. Die Ausführungen des Berufungsgerichts beschränken sich vielmehr darauf, allgemein die Folgen einer erlebten ständigen Abwertung des jeweils anderen Elternteils darzulegen. Auch eine seelische Belastung des gemeinsamen Kindes durch den Streit der Eltern hat das Oberlandesgericht nicht konkret festgestellt. Es hat lediglich ausgeführt, dass sich ein vehementer Streit der Eltern zwangsläufig als seelische Belastung des Kindes auswirken müsse.
Hinzu kommt, dass hier schon eine Umgestaltung des Umgangsrechts ohne zeitliche Ausweitung zu einer ausreichenden Betreuung des gemeinsamen Kindes während einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit der Antragstellerin führen könnte. Ist – wie hier – der barunterhaltspflichtige Elternteil bereits im Vorruhestand und der betreuende Elternteil noch erwerbstätig, liegt es nahe, das Umgangsrecht mit einem Kindergartenkind so umzugestalten, dass dadurch der betreuende Elternteil entlastet und ihm eine Erwerbstätigkeit ermöglicht wird. Dass eine solche Umgestaltung des Umgangsrechts die jeweilige Rückkehr des Kindes zur Mutter erschweren könnte, hat das Berufungsgericht nicht konkret festgestellt.
cc) Das Berufungsurteil widerspricht dem Willen des Gesetzgebers bei der Neuregelung des Betreuungsunterhalts. Soweit es darauf abstellt, eine Teilzeiterwerbstätigkeit der Antragstellerin ermögliche es ihr, das Kind bis 14.30 Uhr aus dem Kindergarten abzuholen, um dann die häusliche Betreuung zu übernehmen, verkennt es den Wegfall des Vorrangs der persönlichen Betreuung mit Vollendung des dritten Lebensjahrs. Dies widerspricht außerdem der von den Eltern einvernehmlich ausgeübten Praxis. Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung maßgeblich auf die eigenen Leitlinien und entsprechende frühere Leitlinien anderer Oberlandesgerichte gestützt hat, die für den Betreuungsunterhalt ein modifiziertes Altersphasenmodell vorsehen. Indem das Oberlandesgericht darauf abstellt, dass bis zur Beendigung der Grundschulzeit eine vollschichtige Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils nicht erwartet werden kann, stellt es entscheidend auf das Alter des Kindes und nicht auf die gebotenen individuellen Verhältnisse ab. Gleiches ergibt sich auch aus der Bezugnahme auf die früheren Leitlinien der Oberlandesgerichte Schleswig und Hamm und eine frühere Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg, die Umfang und Dauer des Betreuungsunterhalts ebenfalls an einem modifizierten Altersphasenmodell orientierten. Dies widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats. Entsprechend haben das Berufungsgericht und das Oberlandesgericht Schleswig ihre Leitlinien inzwischen der Senatsrechtsprechung angepasst und das Altersphasenmodell aufgegeben.
b) Auch sonst hat das Berufungsurteil keinen Bestand, weil das Berufungsgericht auch keine individuellen elternbezogenen Gründe festgestellt hat.
aa) Die Berücksichtigung elternbezogener Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist Ausdruck der nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Betreuung (BT-Drucks. 16/6980 S. 9). Das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten gewinnt bei längerer Ehedauer oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erziehung gemeinsamer Kinder weiter an Bedeutung (§ 1570 Abs. 2 BGB).
Auch darf die ausgeübte oder verlangte Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils neben dem nach der Erziehung und Betreuung in einer Tageseinrichtung verbleibenden Anteil der persönlichen Betreuung nicht zu einer überobligatorischen Belastung des betreuenden Elternteils führen. Unter Berücksichtigung des konkreten Betreuungsbedarfs ist dann eine Prüfung geboten, ob und in welchem Umfang die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Elternteils auch während der Zeit der möglichen Betreuung des Kindes in einer kindgerechten Einrichtung eingeschränkt ist (Senatsurteil vom 30. März 2011 – XII ZR 3/09 – FamRZ 2011, 791 Rn. 25 mwN).
bb) Elternbezogene Verlängerungsgründe als Ausdruck der nachehelichen Solidarität hat das Berufungsgericht hier nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, weder die gemeinsame Lebensplanung noch die kurze Ehedauer sprächen gegen eine Beschränkung der Erwerbsobliegenheit, verkennt die Darlegungslast der Antragstellerin als unterhaltsberechtigtem Elternteil. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass hier nur von einer begrenzten nachehelichen Solidarität ausgegangen werden kann. Denn die Parteien hatten sich bereits nach drei Ehemonaten kurzzeitig und schließlich bereits nach neun Monaten endgültig getrennt. Ein besonderes Vertrauen auf eine dauerhafte Absicherung innerhalb der bestehenden Ehe konnte deswegen auch im Hinblick auf § 1579 Nr. 1 BGB nicht entstehen. Hinzu kommt, dass die Parteien von Beginn an eine Doppelverdienerehe führen wollten und die Antragstellerin in der Präambel des Ehevertrages ausdrücklich kundgetan hatte, nach Vollendung des ersten Lebensjahrs des Kindes ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen zu wollen. Wenn sie nach der Trennung gleichwohl entsprechend § 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB für drei Jahre die persönliche Betreuung übernommen hat, kann daraus jedenfalls kein besonderes Vertrauen in die gegenseitige Absicherung erwachsen.
Auch eine überobligatorische Belastung der Antragstellerin durch vollzeitige Erwerbstätigkeit und ergänzende Betreuung des gemeinsamen Kindes hat das Oberlandesgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Im Hinblick auf das Betreuungsangebot des Antragsgegners wäre eine Gestaltung seines Umgangsrechts neben der Kindergartenbetreuung möglich, die zu einer nicht unerheblichen Entlastung führen und eine überobligatorische Belastung der Antragstellerin in diesem Umfang verhindern könnte. Dies hat das Oberlandesgericht nicht in seine Entscheidung einbezogen.
3. Mangels hinreichend festgestellter individueller kind- oder elternbezogener Gründe kann das angefochtene Urteil, das von einer nur eingeschränkten Erwerbsobliegenheit im Umfang von 25 Wochenstunden ausgeht, keinen Bestand haben. Die Entscheidung ist aufzuheben und der Rechtsstreit ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats eine neue Billigkeitsabwägung treffen kann.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Soweit das Oberlandesgericht bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens der Antragstellerin bei einem unterstellten Bruttoeinkommen von 3.199,73 € Kosten für eine zusätzliche Altersvorsorge neben der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 153,39 € abgesetzt hat, widerspricht dies der Rechtsprechung des Senats. Wie das Oberlandesgericht selbst anführt, kann eine solche zusätzliche Altersvorsorge nach der Senatsrechtsprechung lediglich bis zur Höhe von 4 % des Bruttoeinkommens berücksichtigt werden (Senatsurteile BGHZ 163, 84, 97 ff. = FamRZ 2005, 1817, 1821 f. und BGHZ 171, 206, 216 = FamRZ 2007, 793, 795). Sollte das Berufungsgericht auch in seiner erneuten Entscheidung von einem erzielbaren Bruttoeinkommen in Höhe von 3.199,73 € ausgehen, wären die zu berücksichtigenden Kosten für eine zusätzliche Altersvorsorge auf rund 128 € monatlich begrenzt.
b) Im Gegenzug hat das Oberlandesgericht von den Kindergartenkosten, die die Antragstellerin allein trägt, nur einen Anteil in Höhe von 240 € berücksichtigt, weil die Kosten für einen halbtägigen Kindergartenbesuch von bis zu 50 € monatlich im Kindesunterhalt enthalten seien. Dies widerspricht der neueren Rechtsprechung des Senats, wonach Kindergartenbeiträge in vollem Umfang als Mehrbedarf des Kindes zu behandeln sind. Lediglich die in einer Kindereinrichtung anfallenden Verpflegungskosten sind mit dem Tabellenunterhalt abgegolten (BGH Urteil vom 26. November 2008 – XII ZR 65/07 – FamRZ 2009, 962 Rn. 25 ff.).
c) Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Befristung des Betreuungsunterhalts nach § 1578 b BGB abgelehnt. Dies scheidet schon deswegen aus, weil § 1570 BGB in seiner seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung insoweit eine Sonderregelung für die Billigkeitsabwägung enthält. Nach Vollendung des dritten Lebensjahrs steht dem betreuenden Elternteil nur noch Betreuungsunterhalt nach Billigkeit zu. Im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung sind bereits alle kind- und elternbezogenen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Wenn sie zu dem Ergebnis führt, dass der Betreuungsunterhalt über die Vollendung des dritten Lebensjahrs hinaus wenigstens teilweise fortdauert, können dieselben Gründe nicht zu einer Befristung im Rahmen der Billigkeit nach § 1578 b BGB führen (Senatsurteil vom 15. September 2010 – XII ZR 20/09 – FamRZ 2010, 1880 Rn. 33 mwN).
BGH, Urteil vom 01.06.2011
XII ZR 45/09
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 06.02.2009
3 UF 124/08
AG Königstein, Entscheidung vom 28.03.2008
13 F 554/06