Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Februar 2023 durch die Richter Dr. Günter, Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterin Dr. Pernice beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 7. Senats für Familiensachen in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juni 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert: 2.125 €
Gründe:
I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschwerde gegen die vom Amtsgericht in Abänderung eines vorherigen Unterhaltstitels ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt. Erstinstanzlich hatte der Antragsgegner beantragt, den Abänderungsantrag der Antragstellerin abzuweisen. Mit am 3. März 2021 verkündetem Beschluss hat das Amtsgericht dem Abänderungsantrag vollumfänglich stattgegeben.
Gegen die ihm am 7. April 2021 zugestellte Entscheidung des Amtsgerichts hat der Antragsgegner mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 22. April 2021, eingegangen beim Amtsgericht per Telefax am 25. April 2021, Beschwerde eingelegt. Dieser Schriftsatz enthält keinen ausformulierten Antrag, sondern bezeichnet die amtsgerichtliche Entscheidung wegen noch vorzunehmender Einkommensabzüge als „korrekturbedürftig“.
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Frage der Anforderungen an einen bestimmten Beschwerdeantrag in Familienstreitsachen (§ 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG) eine Entscheidung des Senats erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Beschwerde sei unzulässig, da nicht binnen der bis zum 7. Juni 2021 laufenden Beschwerdebegründungsfrist ein bestimmter Antrag gestellt worden sei. Der Beschwerdeführer müsse durch den nach § 117 Abs. 1 Satz 1 und 3 FamFG vorgeschriebenen Sachantrag klarstellen, in welchem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung angreife. Ob ein Sachantrag hinreichend bestimmt sei, beurteile sich nach den allgemeinen, zu § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO entwickelten Grundsätzen des Zivilprozessrechts. Die Vorschrift verlange keine besondere Formalisierung der Antragstellung. Es genüge vielmehr, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Beschwerdeführers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergäben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die erstinstanzliche Entscheidung angefochten werden solle.
Die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Schriftsätze des Beschwerdeführers entfalteten eine solche Eindeutigkeit jedoch nicht.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass im abzuändernden Ausgangsbeschluss kein dynamischer Titel geschaffen, sondern ein gleichbleibender Betrag von monatlich 251 € tituliert worden sei, der angesichts des zwischenzeitlich erfolgten Eintritts der Antragstellerin in die zweite Altersstufe und der mittlerweile angepassten Düsseldorfer Tabelle derzeit nicht einmal 100 % des Mindestunterhalts entspreche. Letzteren müsste der Antragsgegner jedoch auch unter Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Abzüge leisten. Dementsprechend habe er sich erstinstanzlich bereits wechselnd dahin eingelassen, einen Betrag von entweder 300 €, 302 €, oder 322 € monatlich zahlen zu wollen. Wenn dann zur Beschwerdebegründung erklärt werde, es werde eine „entsprechende Reduzierung/Anpassung“ der Kindesunterhaltshöhe beantragt, da die erstinstanzlich festgesetzte Höhe nicht den tatsächlichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragsgegners entspreche, so ergebe sich daraus zwar, dass der Antragsgegner offenbar nicht mehr die vollständige Zurückweisung des Abänderungsantrags begehre. Jedoch werde in keiner Weise klar, welchen Kindesunterhalt der Antragsgegner ab wann zu zahlen bereit sei und inwiefern er die erstinstanzliche Entscheidung gegen sich stehen lasse. Dies genüge dem Bestimmtheitserfordernis des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Erwägungen des Beschwerdegerichts zur Zulässigkeit der Beschwerde.
a) Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat der Beschwerdeführer in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung seiner Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Diese Vorschrift beruht auf der Erwägung, dass in den weitgehend nach zivilprozessualen Verfahrensregeln geführten Ehe- und Familienstreitsachen keine vollständige Überprüfung der Entscheidung von Amts wegen stattfindet (BT-Drucks. 16/6308, S. 225).
Der Umfang der Anfechtung richtet sich vielmehr – als Ausfluss der Parteimaxime in der zweiten Instanz – nach dem Sachantrag des Beschwerdeführers, über den das Beschwerdegericht nicht hinausgehen darf (vgl. § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG iVm § 528 ZPO). Ob ein Sachantrag hinreichend bestimmt ist, beurteilt sich nach den allgemeinen, zu § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO entwickelten Grundsätzen des Zivilprozessrechts (vgl. Senatsbeschluss vom 4. September 2013 – XII ZB 87/12 – FamRZ 2013, 1879 Rn. 10 mwN).
b) Zweck des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist es, den Beschwerdeführer im Interesse der Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens dazu anzuhalten, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und das Beschwerdegericht und den Verfahrensgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Die Vorschrift verlangt keine besondere Formalisierung der Antragstellung. Es genügt vielmehr, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Beschwerdeführers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erhellen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die erstinstanzliche Entscheidung angefochten werden soll. Eine Schlüssigkeit der gegebenen Begründung ist dagegen nicht erforderlich (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Juni 2015 – XII ZB 611/14 – FamRZ 2015, 1375 Rn. 11 und vom 1. April 2015 – XII ZB 503/14 – FamRZ 2015, 1009 Rn. 12 mwN).
c) Nach diesen Maßstäben genügt der Beschwerdeantrag des Antragsgegners den Erfordernissen des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
Der Antragsgegner hat die Beschwerde in vollem Umfang eingelegt. Auch aus seiner Beschwerdebegründung ergibt sich keine ausdrückliche Beschränkung des Rechtsmittels. Dass er vor dem Familiengericht (Einigungs-)Bereitschaft signalisiert hat, einen monatlichen Unterhalt zwischen 300 € und 322 € zu zahlen, ändert nichts daran, dass er bis zum Abschluss der ersten Instanz an seinem Abweisungsantrag festgehalten hat. Mangels einer ausdrücklich erklärten Beschränkung der Beschwerde ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Beschwerdeführer seinen erstinstanzlichen Antrag in der Rechtsmittelinstanz weiterverfolgt. Das wird vorliegend auch dadurch flankiert, dass der Antragsgegner wegen eines behaupteten erstinstanzlichen Verfahrensfehlers hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht beantragt hat. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Zurückverweisung der Sache nicht um ihrer selbst willen erstrebt, sondern deshalb, um die Sachanträge aus der ersten Instanz weiter zu verfolgen (vgl. Senatsbeschluss vom 4. September 2013 – XII ZB 87/12 – FamRZ 2013, 1879 Rn. 11 mwN).
Ob die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Angriffe gegen die angefochtene Entscheidung hinreichend substanziiert sind, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Rechtsmittels.
3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Behandlung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
BGH, Beschluss vom 08.02.2023
XII ZB 351/21
AG Fulda, Entscheidung vom 03.03.2021
46 F 172/20 UK
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 29.06.2021
7 UF 57/21