BGH: Verpflichtung zur Auskunftserteilung in einem Zugewinnausgleichsverfahren

BGH: Verpflichtung zur Auskunftserteilung in einem Zugewinnausgleichsverfahren

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Dezember 2019 wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.

Wert: bis 500 €

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen seine Verpflichtung zur Auskunftserteilung in einem Zugewinnausgleichsverfahren.

Die Beteiligten heirateten am 3. Juni 1995 in den Niederlanden. Am Tag zuvor schlossen sie dort einen notariellen Ehevertrag, mit dem sie unter anderem Regelungen hinsichtlich des anwendbaren Rechts und des ehelichen Güterstands trafen. Die Ehegatten trennten sich im Januar 2013.

Das Amtsgericht hat den Antragsteller auf einen Stufenantrag im Scheidungsverbundverfahren verpflichtet, der Antragsgegnerin Auskunft über sein Vermögen an näher bezeichneten Stichtagen (Trennung und Zustellung des Scheidungsantrags) durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses und durch Vorlage der zur Wertermittlung notwendigen Unterlagen zu erteilen. Über den weiteren Antrag der Antragsgegnerin, die Nichtigkeit des Ehevertrags festzustellen, hat das Amtsgericht in der Beschlussformel nicht befunden. Die gegen den Teilbeschluss eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

II.

Die gemäß §§ 112 Nr. 2, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beschwerde sei unzulässig, weil der nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 600 € nicht erreicht sei. Bei einem Rechtsmittel gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung bemesse sich die Beschwer des Rechtsmittelführers nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei dabei auf den für die Erteilung der Auskunft notwendigen Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, wobei zur Bewertung des Zeitaufwands auf die Stundensätze zurückzugreifen sei, die der Auskunftspflichtige als Zeuge im Zivilprozess nach § 20 JVEG erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringe noch einen Verdienstausfall erleide. Im vorliegenden Fall betrage der Zeitaufwand höchstens 20 Stunden, was bei einem Stundensatz von 3,50 € zu einem Wert von 70 € führe. Die Beschwer des Antragstellers erhöhe sich jedoch um seine Aufwendungen zur Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung in Höhe von 240 €, weil die vom Amtsgericht titulierte Verpflichtung zur Belegvorlage nicht vollstreckungsfähig sei. Ein werterhöhendes Geheimhaltungsinteresse sei hingegen nicht dargelegt. Schließlich führe auch der Zwischenfeststellungsantrag der Antragsgegnerin zu keiner weiteren Beschwer, denn das Amtsgericht habe diesen nicht beschieden.

2. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich die Beschwer eines zur Auskunft verpflichteten Beteiligten grundsätzlich nach seinem Interesse richtet, die Auskunft nicht erteilen zu müssen (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschluss vom 8. Juli 2020 – XII ZB 334/19 – FamRZ 2020, 1572 Rn. 7 mwN; BGHZ GSZ 128, 85 = FamRZ 1995, 349, 350 f.). Zur Bewertung des erforderlichen Aufwands an Zeit und Kosten für die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 2020 – XII ZB 334/19 – FamRZ 2020, 1572 Rn. 9 mwN). Gegen den vom Beschwerdegericht in Anwendung dieser Grundsätze geschätzten Zeitaufwand erinnert die Rechtsbeschwerde nichts.

b) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, hat das Beschwerdegericht den auf ein Geheimhaltungsinteresse gerichteten Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren zu Recht als unschlüssig angesehen. Ein solches kann zwar im Einzelfall für die Bemessung der Beschwer erheblich sein. Insoweit muss der Rechtsmittelführer aber sein besonderes Interesse, bestimmte Tatsachen geheim zu halten, und den durch die Auskunftserteilung drohenden Nachteil substantiiert darlegen und erforderlichenfalls glaubhaft machen. Dazu gehört auch, dass gerade in der Person des Auskunft Begehrenden die Gefahr begründet sein muss, dieser werde von den ihm gegenüber offenbarten Tatsachen über das Verfahren hinaus in einer Weise Gebrauch machen, welche die schützenswerten wirtschaftlichen Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden könnte. Allein die Berufung auf allgemeine Belange der Geheimhaltung und des Vertraulichkeitsschutzes ist nicht ausreichend (vgl. Senatsbeschluss vom 12. September 2018 – XII ZB 588/17 – FamRZ 2018, 1934 Rn. 13 mwN). Nach diesem Maßstab fehlt es dem Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren, wonach die Antragsgegnerin mit Kenntnis der von ihr begehrten Vermögensauskünfte seine wirtschaftlichen Interessen zu gefährden versuchen würde, an hinreichend konkreten Anhaltspunkten für einen dem Antragsteller drohenden Nachteil. Auch mit ihrem weiteren Vorbringen begründet die Rechtsbeschwerde kein besonderes Interesse an der Geheimhaltung.

c) Hinsichtlich der vom Beschwerdegericht berücksichtigten Kosten für die Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 8. Juli 2020 – XII ZB 334/19 – FamRZ 2020, 1572 Rn. 11 mwN) erhebt die Rechtsbeschwerde keine Einwände; sie sind von Rechts wegen auch nicht zu beanstanden.

d) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe bei der Bemessung der Beschwer außer Acht gelassen, dass das Amtsgericht nicht nur über den Auskunftsantrag, sondern auch über den Zwischenfeststellungsantrag der Antragsgegnerin entschieden habe. Vielmehr erweist sich die vom Senat uneingeschränkt zu überprüfende Auslegung des Beschwerdegerichts, wonach das Amtsgericht keine solche Entscheidung getroffen hat, als richtig. Wie die Rechtsbeschwerde einräumt, weist die Beschlussformel neben der Verpflichtung des Antragstellers zur Auskunft nach ihrem Wortlaut keinerlei feststellenden Inhalt auf. Auch unter ergänzender Heranziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen des Beschlusses (vgl. BGHZ 159, 66 = GRUR 2004, 755 mwN sowie Senatsbeschluss vom 11. Juli 2001 – XII ZR 270/99 – FamRZ 2002, 1706, 1707 mwN) ergibt sich hier nichts anderes. Zwar hat das Amtsgericht im Rahmen einer inzidenten Prüfung eine Rechtswahl im Ehevertrag zugunsten des niederländischen Rechts als nicht wirksam angesehen und auf dieser Grundlage einen Auskunftsanspruch aus § 1379 BGB bejaht. Zugleich hat es aber ausgeführt, eine Zwischenfeststellung über diese Frage sei „vorliegend nicht angezeigt“.

e) Es begründet ebenfalls keine zusätzliche Beschwer, dass sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht nur gegen seine Verpflichtung zur Auskunft, sondern auch gegen die Begründung des Amtsgerichts gewendet hat, wonach keine wirksame Rechtswahl zustande gekommen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Bewertung des Beschwerdegegenstands nur auf den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung abzustellen. Das daneben auch bestehende Ziel des zur Auskunft Verpflichteten, den Hauptanspruch zu verhindern, geht dagegen über das Ziel des Rechtsmittels hinaus und ist daher bei der Wertfestsetzung nicht zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Februar 2019 – XII ZB 499/18 – FamRZ 2019, 818 Rn. 10 mwN; BGHZ GSZ 128, 85 = FamRZ 1995, 349, 350 f.). Das Beschwerdegericht hat hiernach zu Recht keine gesonderte Beschwer im Hinblick auf die Ausführungen des Amtsgerichts über die Wirksamkeit der Rechtswahl angenommen.

f) Schließlich führt auch der Umstand, dass das Beschwerdegericht eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde gemäß § 61 Abs. 2 FamFG nicht in Betracht gezogen hat, zu keinem Zulassungsgrund nach §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 574 Abs. 2 ZPO.

aa) Im Ausgangspunkt zutreffend weist die Rechtsbeschwerde allerdings darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Beschwerdegericht eine Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nachholen muss, wenn das erstinstanzliche Gericht zu einer solchen Entscheidung keine Veranlassung gesehen hat, weil es erkennbar davon ausgegangen ist, dass die Beschwer des unterlegenen Beteiligten 600 € übersteigt, während das Beschwerdegericht eine ausreichende Beschwer nicht für erreicht hält (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 23. September 2020 – XII ZB 490/18 – MDR 2020, 1461 Rn. 17 und vom 2. Juli 2014 – XII ZB 219/13 – FamRZ 2014, 1445 Rn. 10 mwN).

bb) Zureichende Anhaltspunkte für ihre Annahme, das Amtsgericht sei von einer die Wertgrenze von 600 € übersteigenden Beschwer des Antragstellers ausgegangen, trägt die Rechtsbeschwerde jedoch nicht vor. Ohne Erfolg stützt sie sich darauf, dass das Amtsgericht den Verfahrenswert lediglich für die Ehescheidung, nicht aber für die Zugewinnausgleichssache festgesetzt hat. Wie der Senat bereits entschieden hat, lässt selbst die vorläufige Festsetzung eines Verfahrenswerts von über 600 € für einen Stufenantrag in vermögensrechtlichen Familienstreitsachen für sich genommen noch nicht darauf schließen, dass das Amtsgericht auch von einer entsprechend hohen Beschwer des Auskunftsverpflichteten ausgegangen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Juli 2014 – XII ZB 219/13 – FamRZ 2014, 1445 Rn. 12 mwN und vom 16. November 2016 – XII ZB 550/15 – FamRZ 2017, 227 Rn. 19). Danach lässt der bloße Umstand, dass eine vorläufige Wertfestsetzung ganz unterblieben ist, erst recht nicht auf eine vom Amtsgericht angenommene Beschwer schließen.

cc) Hinzu kommt, dass eine Zulassung der Beschwerde auf der Grundlage des Vorbringens der Rechtsbeschwerde ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre. Die Erheblichkeit der fehlenden Zulassungsentscheidung durch die Instanzgerichte kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren selbst prüfen (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 9. April 2014 – XII ZB 565/13 – FamRZ 2014, 1100 Rn. 23 mwN und vom 23. September 2020 – XII ZB 490/18 – MDR 2020, 1461 Rn. 19). Ein Grund für die Zulassung der Beschwerde ist hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4, 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

BGH, Beschluss vom 16.12.2020
XII ZB 26/20

AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 20.09.2019
459 F 8453/14

OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 30.12.2019
3 UF 213/19

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