Die Beschlüsse des Amtsgerichts Monschau vom 17. Februar 2014 – 6 F 35/14 – sowie vom 17. März 2014 – 6 F 35/14 – und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Mai 2014 – 27 UF 40/14 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Mai 2014 – 27 UF 40/14 – wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Aufrechterhaltung des Entzugs der elterlichen Sorge für ihre beiden Kinder im Eilverfahren.
1. a) Aus der mittlerweile geschiedenen Ehe der Eltern sind im März 2006 geborene Zwillinge hervorgegangen. Seit der Trennung der Eltern im Spätsommer 2006 leben beide Kinder bei der Mutter. Die elterliche Sorge und der Umgang waren seither Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren. Dabei gelang es den Eltern bis zuletzt nicht, einen funktionierenden Umgang zu organisieren. Bereits in einem in einem Umgangsverfahren im Frühjahr 2012 eingeholten Sachverständigengutachten wird der Elternkonflikt als hochstrittig bezeichnet. Insbesondere die Beschwerdeführerin weise Beeinträchtigungen in ihrem Verhalten dahingehend auf, dass sie sich weiterhin – unter anderem aufgrund von Gewalterfahrungen in der Beziehung – in einer starken Vorwurfshaltung gegenüber dem Vater befinde und jegliches Verhalten von diesem in einem negativen Licht interpretiere. Beide Elternteile sähen sich als Opfer des anderen an, die hohe Anspannung zwischen ihnen übertrage sich auf die Kinder, die sich bereits in einem Loyalitätskonflikt befänden.
Die Situation spitzte sich im Herbst 2012 zu, nachdem die gemeinsame Tochter berichtet haben soll, der Vater habe ihr absichtlich an der Scheide wehgetan. Fortan stand die Mutter weiteren Umgangskontakten der Kinder mit dem Vater noch ablehnender gegenüber.
b) Das Amtsgericht nahm die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs zum Anlass, von Amts wegen ein Hauptsacheverfahren nach § 1666 BGB zur Regelung der elterlichen Sorge und der Umgangskontakte einzuleiten. Dieses Verfahren wurde mit einem aufgrund von wechselseitig gestellten Anträgen der Eltern auf Zuweisung der Alleinsorge nach § 1671 BGB eingeleiteten Verfahren verbunden. Im April 2013 führte das Amtsgericht eine mündliche Verhandlung mit den Eltern, dem Verfahrensbeistand sowie dem Jugendamt durch, in der auch ein Antrag des Vaters auf Einrichtung einer Umgangspflegschaft zum selbigen Verfahren dazu verbunden wurde. Auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Sorge und Umgang wurde in diesem Termin erörtert. In der wenige Tage später erfolgten Anhörung erklärten beide Kinder, den Vater nicht mehr sehen zu wollen.
Mit Beschluss vom 8. Mai 2013 beauftragte das Gericht im Hauptsacheverfahren einen Sachverständigen, der klären sollte, welche Aufenthalts- und Sorgerechtsregelung sowie welche Umgangsregelung „dem Wohl der betroffenen Kinder am besten dient“. Zugleich sollten die Angaben des Mädchens zu etwaigen sexuellen Übergriffen aussagepsychologisch bewertet werden.
c) Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 8. Mai 2013 entzog das Amtsgericht beiden Elternteilen vorläufig das Sorgerecht und ordnete eine Vormundschaft durch das Jugendamt an. Gleichzeitig wurde der Umgang beider Kinder mit dem Vater ausgesetzt. Die Entscheidung stützte das Amtsgericht auf § 1671 Abs. 3 BGB (a.F.), §§ 1666, 1666a BGB, § 157 Abs. 3 FamFG und führte zunächst aus, dass eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht komme, die soziale Beziehung und Kommunikation der Eltern sei aufgrund des bis heute unbewältigten, massiven Paarkonflikts seit Jahren nachhaltig gestört. Auch eine Sorgerechtsübertragung nach § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB (a.F.) auf einen Elternteil scheide aus, denn es bestünden Verdachtsmomente, die die Erziehungseignung beider Elternteile in Frage stellten. Sollten sich die geschilderten sexuellen Übergriffe auf das Mädchen als wahr herausstellen, wäre dem Vater die Erziehungseignung abzusprechen. Sollten die eigenen Ängste und Vorbehalte der Mutter zu einer verzerrten Realitätswahrnehmung bei beiden Kindern in Bezug auf den Vater führen, wäre insoweit der Mutter eine Erziehungseignung abzusprechen. Vor diesem Hintergrund erscheine es sachgerecht, die Sorgebefugnisse einstweilen beiden Elternteilen zu entziehen und auf das Jugendamt zu übertragen. Dabei befürwortete das Gericht vorläufig einen Verbleib der Kinder in der Obhut der Mutter, denn eine Trennung derselben von ihrer primären Bezugsperson unter Herausnahme aus ihrer bisherigen Bezugswelt sei mit schwerwiegenden Belastungen verbunden, die derzeit nicht gerechtfertigt erschienen.
d) Nach Vorlage des Sachverständigengutachtens im November 2013 wurde Termin auf den 10. Februar 2014 anberaumt. In einem Schreiben vom 4. Februar 2014 äußerte sich der Vormund dahingehend, dass er bei beiden Kindern ausgehend von dem Gutachten und bei Fortbestand der Belastungssituation Entwicklungsstörungen und den Verlust der Kinder-Vater-Bindung befürchte. Eine Umgangspflegschaft sowie die Einrichtung einer ambulanten Erziehungshilfe werde befürwortet, die Einrichtung einer kompletten Vormundschaft werde für nicht angezeigt gehalten, jedenfalls würde die Einrichtung einer Pflegschaft für Aufenthalt, Gesundheit und Schule ausreichen.
Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2014 ergibt sich, dass eine Endentscheidung aufgrund eines Befangenheitsantrags der Beschwerdeführerin gegen den Sachverständigen nicht erging. Das zunächst ebenfalls in dem Hauptsacheverfahren geführte Umgangsverfahren wurde abgetrennt, dort wurde ebenfalls am 10. Februar 2014 mit dem Einverständnis aller Beteiligter eine Umgangspflegschaft zum Zwecke der Durchführung begleiteter Umgangskontakte eingerichtet.
2. a) Am 11. Februar 2014 stellte die Mutter einen Eilantrag auf Rückübertragung des Sorgerechts, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie der Sorgebereiche Schule und Gesundheit, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Das Hauptsacheverfahren werde verzögert, bislang sei kein hinreichender Grund für den Entzug des Sorgerechts dargelegt, der Entzug sei unverhältnismäßig, die Kinder seien nachweislich gut entwickelt, sie seien sehr gute, zuverlässige und wissbegierige Schüler und bei ihr bestens versorgt. Eile sei geboten, da im Termin am 10. Februar 2014 sogar die Herausnahme der Kinder angedroht worden sei.
b) Das Amtsgericht wies den Antrag mit angegriffenem Beschluss vom 17. Februar 2014 zunächst ohne mündliche Verhandlung zurück. Der von der Beschwerdeführerin abgelehnte Sachverständige habe sich im Hauptsacheverfahren dahingehend geäußert, dass die Erziehungsfähigkeit der Mutter signifikant eingeschränkt sei; er habe sich im Ergebnis für eine Fortdauer der Vormundschaft ausgesprochen. Eine Abänderung der ergangenen einstweiligen Anordnung sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht angezeigt, die familiären Verhältnisse hätten sich nicht zugunsten der Mutter verändert. Die Zweifel an deren Erziehungsfähigkeit seien durch das von ihr angefochtene Gutachten sowie durch deren kompromissloses Verhalten in Bezug auf die Teilnahme der Kinder am Religionsunterricht noch verstärkt worden. Den rechtlichen Streit um die Teilnahme der Kinder an diesem Unterricht habe die Mutter faktisch dadurch gelöst, dass sie für die Kinder in ihrem Haushalt eine unerträgliche Belastungssituation habe entstehen lassen, so dass der Vormund die Kinder schließlich vom Religionsunterricht habe befreien lassen.
Auf Antrag der Beschwerdeführerin fand eine mündliche Verhandlung statt. Aus dem entsprechenden Protokoll ergibt sich, dass das Gericht davon ausging, dass eine Abänderung der Ursprungsentscheidung nur dann erfolgen könne, wenn seit deren Erlass eine wesentliche Änderung der zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände eingetreten wäre und wenn ein dringendes Bedürfnis bestehe, noch vor Erlass der Hauptsacheentscheidung eine neue einstweilige Anordnung zu erlassen. Beides sah das Gericht nicht als gegeben an.
c) Mit angegriffenem Beschluss vom 17. März 2014 wurde die Erstentscheidung aufrechterhalten. Es sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund dargetan oder glaubhaft gemacht, der eine abändernde einstweilige Anordnung rechtfertigen könne.
d) Gegen den Beschluss legte die Beschwerdeführerin eine als sofortige bezeichnete Beschwerde ein. Es gebe keinen Grund, die Erziehungseignung der Mutter in Frage zu stellen. Die Empfehlungen des Gutachtens gingen dahin, dass die Kinder weiterhin bei ihr selbst leben sollten. Somit ergebe sich aus dem – angegriffenen – Gutachten, dass bei ihr keineswegs eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 BGB vorliege. Die Voraussetzungen zur Entziehung des kompletten Sorgerechts seien nie gegeben gewesen. Solange ihr das komplette Sorgerecht entzogen sei, könne die Inobhutnahme der Kinder jederzeit ohne weitere gerichtliche Prüfung erfolgen, dies sei als „Präventivmaßnahme“ nicht verhältnismäßig.
e) Der sofortigen Beschwerde half das Amtsgericht mit angegriffenem Beschluss vom 28. März 2014 nicht ab.
f) Das Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde mit angegriffenem Beschluss vom 2. Mai 2014 zurück. Jedenfalls im Eilverfahren komme eine Abänderung der Entscheidung nicht in Betracht. Die Kinder lebten durchgängig bei der Mutter, eine Herausnahme der Kinder sei nicht geplant, so dass keine Veranlassung für eine einstweilige Regelung erkennbar sei. Nachdem sich die gegen den Vater erhobenen Vorwürfe ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens als weitgehend nicht nachweisbar erwiesen hätten, im Gegenteil eher Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bei der Mutter gegeben seien, komme – ungeachtet der Tatsache, dass die Frage der Befangenheit noch zu klären sei – eine vorläufige Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter derzeit nicht in Betracht. Die Situation der Kinder bei der Mutter sei unverändert, gleiches gelte für die Bedenken an deren Erziehungsfähigkeit. Die Entscheidung in der Hauptsache steuere nach derzeitiger Betrachtung nicht auf eine Übertragung der Alleinsorge auf die Mutter zu. Eine Kindeswohlgefährdung durch den angegriffenen Beschluss oder den Beschluss vom 8. Mai 2013 könne auf der Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse nicht gesehen werden.
g) Die gegen die obergerichtliche Entscheidung eingelegte Anhörungsrüge, hilfsweise Gegenvorstellung wurde mit nicht angegriffenem Beschluss vom 17. Juni 2014 zurückgewiesen. Es bestehe entgegen der Darstellung der Mutter gerade keine aktuelle Gefahr einer Herausnahme der Kinder, die ohnehin nur im Fall einer Kindeswohlgefährdung bei der Mutter in Betracht käme. Der Vormund habe auf Anfrage erneut klargestellt, dass eine Herausnahme der Kinder nicht geplant sei, vielmehr in Kürze eine Familienhilfe eingerichtet werde.
3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Elternrechts. Die jetzige Rechtslage stelle sich als „Vorratsbeschluss“ dar, welcher es ermögliche, die Kinder jederzeit in Obhut zu nehmen. Da die Kinder nach wie vor bei ihr lebten und dies auch seitens des Gutachtens und vom Jugendamt nicht in Frage gestellt werde, ergebe sich, dass offensichtlich keine Kindeswohlgefährdung bei ihr vorliege.
4. Die Akten des Ausgangsverfahrens, des Hauptsacheverfahrens sowie weiterer Vorverfahren lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
5. Das Bundesverfassungsgericht hat der Regierung von Nordrhein-Westfalen, dem Jugendamt und dem Vater Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 17. Februar 2014 und 17. März 2014 sowie gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2014 richtet, nimmt die Kammer die insoweit zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Elternrechts der Beschwerdeführerin angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.
1. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.
a) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich dabei auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>), wobei das Kindeswohl stets die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein muss (vgl. BVerfGE 60, 79 <88> m.w.N.).
Die angegriffenen Entscheidungen halten die in einem vorangegangenen Eilverfahren bereits erfolgte Entziehung des Sorgerechts aufrecht und greifen daher mit hoher Intensität in das Elterngrundrecht der Beschwerdeführerin ein. Dass das Jugendamt als Vormund beide Kinder bislang in ihrem Haushalt belassen hat, ändert daran nichts. Zum einen ist die Beschwerdeführerin bereits durch die Entziehung des gesamten Sorgerechts erheblich belastet, weil sie dies in der Ausübung ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auch dann merklich einschränkt, wenn die Kinder bei ihr leben. Zum anderen hätte das Jugendamt auf der Grundlage des ihm übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts die Möglichkeit, die Kinder ohne weitere Mitwirkung des Familiengerichts aus ihrem Haushalt zu entfernen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2014 – 1 BvR 2695/13 -, juris, Rn. 24).
Aus diesem Grund findet vorliegend auch Art. 6 Abs. 3 GG als Prüfungsmaßstab Anwendung. Zwar meint Art. 6 Abs. 3 GG mit dem Begriff der „Trennung“ des Kindes zunächst die tatsächliche Wegnahme des Kindes aus dem elterlichen Haushalt (vgl. BVerfGE 24, 119 <139>). Allerdings hat die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und Übertragung auf das Jugendamt regelmäßig die tatsächliche Trennung zugunsten eines staatlichen Erziehungseinflusses zum Ziel (vgl. BVerfGE 76, 1 <48>). Auch wenn die Fachgerichte vorliegend eine Trennung der Kinder von der Mutter vorläufig nicht bezweckt haben, kann diese doch, solange das Sorgerecht bei einem Vormund liegt, jederzeit geschehen.
b) Nach Art. 6 Abs. 3 GG dürfen Kinder gegen den Willen der Sorgeberechtigten nur von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat, auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Das elterliche Fehlverhalten muss vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Ihren einfachrechtlichen Ausdruck hat diese Anforderung in § 1666 Abs. 1 BGB gefunden. Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 28; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 – XII ZB 166/03 -, juris, Rn. 11).
c) Maßnahmen, die eine Trennung des Kindes von seinen Eltern ermöglichen, dürfen zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs müssen sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach richten, was im Interesse der Kinder geboten ist. Der Staat ist daher gehalten, sein Ziel durch helfende, unterstützende und auf (Wieder-)Herstellung eines verantwortlichen Elternverhaltens gerichtete Maßnahmen zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>; 60, 79 <93>).
d) Wegen des sachlichen Gewichts der Beeinträchtigung der Eltern im Falle eines Sorgerechtsentzugs, der eine Trennung des Kindes von ihnen ermöglicht, unterliegt dieser strenger Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Neben der Frage, ob die angegriffenen Entscheidungen Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts beruhen, bleiben auch einzelne Auslegungsfehler sowie deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts nicht außer Betracht (vgl. BVerfGE 55, 171 <181>; 60, 79 <91>; 75, 201 <221 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. April 2014 – 1 BvR 3360/13 -, juris, Rn. 8).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Amtsgericht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gerecht geworden.
a) Das Amtsgericht geht bereits einfachrechtlich von einem fehlerhaften Abänderungsmaßstab aus, womit zugleich die Verkennung des Elternrechts der Beschwerdeführerin verbunden ist. Der Antrag der Mutter auf Rückübertragung der elterlichen Sorge löste im Hinblick auf die bestehende vorläufige Sorgeentscheidung ein Abänderungsverfahren nach § 54 FamFG aus. Die Aufhebung oder Abänderung einer von Amts wegen getroffenen Entscheidung im Eilverfahren setzt entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine Veränderung der Sach- oder Rechtslage voraus. Das Gericht ist nicht an seine ursprüngliche Entscheidung gebunden, es hat den Sachverhalt umfassend neu zu würdigen und kann ihn auch abweichend beurteilen (vgl. Stößer, in: Prütting/Helms*, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 54 Rn. 2 f.; Löhnig/Heiß, in: Bork/Jacoby/Schwab*, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 54 Rn. 6; Giers, in: Keidel, FamFG*, 18. Aufl. 2014, § 54 Rn. 11; Borth/Grandel, in: Musielak/Borth, FamFG, 4. Aufl. 2013, § 54 Rn. 6; Feskorn, in: Zöller, ZPO*, 30. Aufl. 2014, § 54 FamFG Rn. 3 unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 28. Mai 1986 – IVb ZB 36/84 -, juris, Rn. 8). Hiernach war es auch nicht an der Beschwerdeführerin, ein dringendes Regelungsbedürfnis für die Rückübertragung des ihr von Amts wegen entzogenen Sorgerechts darzulegen. Schon in dieser – die Chancen der Beschwerdeführerin auf Wiedererlangung des Sorgerechts erheblich reduzierenden – Sichtweise liegt eine Verkennung des Elternrechts der Beschwerdeführerin. Insbesondere hat sich das Amtsgericht, indem es einen fehlerhaften einfachrechtlichen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat, der verfassungsrechtlich gebotenen Prüfung, ob die getroffene Maßnahme (weiterhin) verhältnismäßig war, begeben.
b) Die Ausführungen in den angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts lassen auch sonst nicht hinreichend deutlich erkennen, dass die hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für den vorgenommenen Sorgerechtsentzug erfüllt sind.
aa) Allein aus der Begründung der angegriffenen Beschlüsse ergibt sich nicht, worin das Amtsgericht überhaupt eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung gesehen hat und wie es diese nach Art und Gewicht bewertet hat. In dem Beschluss vom 17. Februar 2014 heißt es hierzu nur, dass sich die zuvor bestehenden Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Mutter durch das angefochtene Gutachten und durch das kompromisslose Verhalten der Mutter in Bezug auf den Religionsunterricht noch verstärkt haben. Wie sich diese Zweifel an der Erziehungsfähigkeit konkret auf das Wohl der Kinder auswirken, hat das Amtsgericht nicht ausgeführt.
bb) Auch der Verweis auf die Ausführungen im Beschluss vom 8. Mai 2013 ergibt insoweit nichts anderes. In dem genannten Beschluss klingt lediglich an, dass eine Gefährdungslage durch das Verhalten der Mutter in Bezug auf den Umgang der Kinder mit dem Vater und die Vermittlung einer verzerrten Realitätswahrnehmung in Bezug auf diesen gegeben sein könnte. Zu Art und Gewicht der aus Sicht des Gerichts für beide Kinder drohenden Gefahren finden sich auch dort keine Ausführungen. Vielmehr ging das Gericht offenbar bis zuletzt davon aus, dass im Haushalt der Mutter gerade keine ein sofortiges Einschreiten rechtfertigende nachhaltige Gefährdungslage vorlag, ansonsten hätte es die Kinder nicht – insoweit mit nachvollziehbaren Erwägungen – im Haushalt der Beschwerdeführerin belassen.
cc) Die vorbeschriebenen Begründungsmängel werden vorliegend auch nicht mit der nur pauschalen Bezugnahme auf das im Hauptsacheverfahren eingeholte und von der Beschwerdeführerin angegriffene Sachverständigengutachten beseitigt. Aus diesem Gutachten ergeben sich zwar deutliche Hinweise darauf, dass aufgrund eines defizitären Bindungsverhaltens der Beschwerdeführerin der Kontakt der Kinder zu ihrem Vater bereits derzeit mit negativen Auswirkungen auf deren Entwicklungsperspektive gefährdet ist und die Mutter die Kinder einem für diese nicht lösbaren Loyalitätskonflikt aussetzt. Dies kann, insbesondere im Zusammenhang mit dem verschärften Elternkonflikt, eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohls darstellen, die die Gefährdungsgrenze des § 1666 Abs. 1 BGB erreicht – ohne dass damit freilich zugleich gesagt wäre, dass in derartigen Fällen ohne weiteres gerade ein vollständiger Sorgerechtsentzug – zumal im Eilverfahren – das geeignete Mittel zur Behebung dieser Gefährdungslage wäre (vgl. Coester, in: Staudinger, BGB, 2009, § 1666 Rn. 146 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – XII ZB 247/11 -, juris, Rn. 26 ff. unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 11. Juli 1984 – IVb ZB 73/83 -, juris, dort Rn. 19 ff. sowie auf BGH, Beschluss vom 12. März 1986 – IVb ZB 87/85 -, juris, dort Rn.16 ff.).
Dass der Sachverständige einen Verbleib der Kinder im Haushalt der Mutter empfohlen hat und auch festgestellt hat, dass eine Herausnahme der Kinder aus dem mütterlichen Haushalt eine Belastung der Kinder darstellte, für welche aktuell keine zwingende Notwendigkeit etwa in Form einer akuten Kindeswohlgefährdung bestehe, wird vom Gericht nicht verarbeitet. Ebenso wird nicht berücksichtigt, dass der Sachverständige in den Bereichen der Grundversorgung, Haushaltsführung und Gesundheitsfürsorge keine bedeutsame Einschränkung der Eltern festgestellt hat und dass die Kinder bislang – trotz zahlreicher Fehlzeiten auch hinsichtlich des Schulbesuchs – eine vergleichsweise unauffällige Entwicklung genommen haben. Vor diesem Hintergrund weiterhin ein Bedürfnis für einen vollständigen vorläufigen Sorgerechtsentzug anzunehmen, ist nicht nachvollziehbar.
dd) Die angegriffenen Entscheidungen genügen auch nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. So ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass der aufrechterhaltene – vollständige – Sorgerechtsentzug geeignet gewesen wäre, die vom Gericht angenommene nachhaltige Kindeswohlgefährdung abzuwehren. An der Eignung einer sorgerechtlichen Maßnahme fehlt es, wenn sie nicht zur Beendigung des zuvor als gefährlich erkannten Zustands beitragen kann und sich die Situation der Kinder durch diese letztlich nicht verbessert (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2014 – 1 BvR 2695/13 -, juris, Rn. 27 und BGH, Beschluss vom 12. März 1986 – IVb ZB 87/85 -, juris, Rn. 17). So liegt es aber hier. Beide Kinder sollten vorläufig bei der Mutter verbleiben in der – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden – Annahme, dass die mit einer Trennung der Kinder von ihrer Hauptbezugsperson verbundenen Vorteile die damit einhergehenden Nachteile nicht überwögen, diese mithin unverhältnismäßig wäre. Entsprechend erwog auch der Vormund selbst keine Fremdunterbringung der Kinder. Der Verbleib im mütterlichen Haushalt führte aber gleichzeitig dazu, dass die Kinder auch im Einflussbereich der Mutter verblieben. Welche weiteren Maßnahmen der insoweit bestellte Vormund hätte ergreifen sollen, um dem mütterlichen Einfluss auf die Kinder zu begegnen, ist nicht erkennbar.
Auch die Erforderlichkeit des vollständigen Sorgerechtsentzugs im Eilverfahren liegt nicht auf der Hand. Dies gilt bereits für die zur Abänderung stehende Ausgangsentscheidung vom 8. Mai 2013. In diesem Beschluss wurde der Umgang der Kinder mit ihrem Vater ausgesetzt, so dass es jedenfalls keinerlei Bedürfnis für einen wie auch immer gearteten Sorgerechtsentzug zur Ermöglichung von Umgangskontakten mit dem Vater gab. Entsprechendes gilt auch zum Zeitpunkt des Erlasses der hier angegriffenen Entscheidungen. Denn mit gerichtlich gebilligter Vereinbarung vom 10. Februar 2014 wurde eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB eingerichtet, die gegenüber einem Sorgerechtsentzug zur Ermöglichung eines Umgangs gerade das mildere Mittel darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. Februar 2012 – 1 BvR 3116/11 -, juris, Rn. 33).
Zur Überprüfung der Erforderlichkeit des vollständigen vorläufigen Sorgerechtsentzugs hätte aber auch im Hinblick auf das Schreiben des vorläufig eingesetzten Vormunds vom 4. Februar 2014 Anlass bestanden, der sich selbst gegen einen vollständigen Sorgerechtsentzug ausgesprochen hatte und eine Familienhilfe – also mildere Maßnahmen – organisieren wollte. Auch hiermit setzt sich das Amtsgericht nicht auseinander.
3. Aus denselben Erwägungen verstößt auch die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.
Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts fußt auf der bereits einfachrechtlich fehlerhaften Annahme, dass es kein dringendes Regelungsbedürfnis für eine Abänderung der ersten vorläufigen Sorgerechtsentscheidung gebe, da die Kinder sich weiterhin bei der Beschwerdeführerin befänden und eine Herausnahme derselben aus der mütterlichen Familie nicht geplant sei. Die nach § 54 FamFG und aus verfassungsrechtlicher Sicht im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfende Frage, ob (weiterhin) ein Bedürfnis für die Aufrechterhaltung des vorläufigen vollständigen Sorgerechtsentzuges besteht, wird auch von dem Senat letztlich nicht geprüft. Worin eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung gesehen wird, die die Aufrechterhaltung des sofortigen Entzugs des gesamten Sorgerechts rechtfertigen könnte, ergibt sich aus dem angegriffenen Beschluss nicht. Die Ausführungen, dass eine Kindeswohlgefährdung durch den angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts beziehungsweise durch denjenigen vom 8. Mai 2013 nicht gesehen werde, geben umgekehrt Grund zur Annahme, dass das Oberlandesgericht den Prüfungsmaßstab grundlegend verkannt hat. Letzteres legte auch der nicht angegriffene Anhörungsrügebeschluss vom 17. Juni 2014 nahe, in dem sinngemäß ausgeführt wird, dass ein dringendes Regelungsbedürfnis für den Antrag der Mutter nicht bestehe, da das Jugendamt eine Herausnahme der Kinder nicht beabsichtige, die ohnehin nur im Falle einer Kindeswohlgefährdung bei der Mutter in Betracht käme. Mit diesen Ausführungen verneint der Senat letztlich eine Kindeswohlgefährdung, ohne aber eine Abänderung der amtsgerichtlichen Anordnung zum vollständigen Sorgerechtsentzug auch nur in Erwägung zu ziehen. Zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz finden sich ebenfalls keinerlei Überlegungen.
4. Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 17. Februar 2014 und vom 17. März 2014 sowie der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2014 beruhen auf den Verstößen gegen das Elternrecht, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin getroffen hätten.
III.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 28. März 2014 richtet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen. Von dem Nichtabhilfebeschluss geht keine eigenständige Beschwer aus, so dass die Verfassungsbeschwerde insoweit bereits unzulässig ist.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
IV.
1. Es wird lediglich der Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG), weil dies den Interessen der Beschwerdeführerin, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten, am besten dient (vgl. BVerfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>). Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 17. Juni 2014 über die Zurückweisung der Anhörungsrüge sowie der hilfsweise erhobenen Gegenvorstellung ist damit gegenstandslos.
2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.
Kirchhof
Eichberger
Britz
BVerfG, Beschluss vom 27.08.2014
1 BvR 1822/14