BVerfG: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Vaterschaftsanfechtung

BVerfG: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Vaterschaftsanfechtung

Der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 16. März 2017 – 276 F 258/15 – und der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 1. November 2017 – 12 UF 82/17 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 1. November 2017 – 12 UF 82/17 – wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Hanseatische Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB. Der Beschwerdeführer macht geltend, als leiblicher Vater in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt zu sein. Ihm sei durch die Vaterschaftsanerkennung seitens des heutigen Ehemannes der Kindesmutter die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft für seine beiden Kinder unmöglich geworden, obwohl er bis zur Trennung von der Kindesmutter mit den Kindern zusammengelebt und unmittelbar nach der Trennung das gerichtliche Verfahren zur Feststellung seiner Vaterschaft eingeleitet habe, bevor ein anderer Mann die rechtliche oder die soziale Vaterrolle eingenommen hatte.

I.

Rechtlicher Hintergrund der Auseinandersetzung ist, dass bei der Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB außer Betracht bleibt, ob bereits ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren des leiblichen Vaters anhängig ist. Der Anerkennende erhält die rechtliche Elternposition mithin auch dann, wenn der leibliche Vater diese gleichzeitig im Wege eines gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens zu erlangen versucht. Dass die Anerkennung seitens eines anderen Mannes wirksam wird, kann der leibliche Vater selbst dann nicht verhindern, wenn alle Beteiligten wissen, dass nicht der Anerkennende, sondern er selbst der leibliche Vater ist. Zur Vaterschaftsanerkennung bedarf es regelmäßig lediglich der Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB). Hat der andere Mann die rechtliche Vaterstellung erst einmal durch Anerkennung erlangt, ist eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft des leiblichen Vaters nicht mehr möglich (§ 1600d Abs. 1 BGB). Zwar kann der leibliche Vater die Vaterschaft des rechtlichen Vaters dann nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB anfechten und damit zugleich selbst die rechtliche Vaterstellung erlangen. Besteht jedoch eine sozial-familiäre Beziehung des rechtlichen Vaters, also des Anerkennenden, zu den Kindern, ist die Anfechtung nach § 1600 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Das gilt nach den angegriffenen Entscheidungen auch dann, wenn der leibliche Vater das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren bereits eingeleitet hatte als noch keine sozial-familiäre Beziehung des jetzigen rechtlichen Vaters zu den Kindern bestand.

II.

1. Der Beschwerdeführer – ein spanischer Staatsangehöriger – ist leiblicher Vater der im März 2008 und im Februar 2010 geborenen Kinder. Er war mit der Mutter der Kinder nicht verheiratet. Nach der Geburt der Kinder lebte die Familie gemeinsam teilweise in Deutschland und teilweise in Spanien, wo der Beschwerdeführer noch immer lebt. Im November 2010 lernte die Mutter ihren heutigen Ehemann kennen. Sie zog im April 2011, noch in Spanien, mit beiden Kindern zu ihm. Im August 2011 zog die Kindesmutter mit den Kindern und mit ihrem heutigen Ehemann nach Deutschland, wo sie bis heute gemeinsam leben.

Einen Tag nach der Trennung von der Kindesmutter im April 2011 hat der Beschwerdeführer ein derzeit wohl noch anhängiges Vaterschaftsfeststellungsverfahren in Spanien eingeleitet. Das erstinstanzliche spanische Gericht stellte im Februar 2012 die Vaterschaft des Beschwerdeführers fest. Diese Vaterschaftsfeststellung hatte jedoch keinen Bestand, weil die dagegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter am 24. März 2014 aus Verfahrensgründen Erfolg hatte. Während das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren des Beschwerdeführers in Spanien weiter lief, erkannte der neue Partner der Mutter noch im März 2014 in Deutschland mit deren Zustimmung nach § 1592 Nr. 2 BGB die Vaterschaft für die Kinder an.

2. Im August 2015 machte der Beschwerdeführer in Deutschland das hier gegenständliche Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB anhängig.

a) Mit Beschluss vom 16. März 2017 wies das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers zurück. Er sei unbegründet, da nach deutschem Recht Voraussetzung für die Feststellung der Vaterschaft des Beschwerdeführers gemäß § 1600d Abs. 1 BGB sei, dass er zunächst gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 4 BGB die bestehende Vaterschaft des Ehemannes der Mutter wirksam angefochten habe. Der Beschwerdeführer habe das hierfür erforderliche Anfechtungsrecht jedoch nicht, da dies gemäß § 1600 Abs. 2 BGB voraussetze, dass zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zwischen den Kindern und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung bestehe, was hier aber der Fall sei.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Negativtatbestandsmerkmal in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB, dass keine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind bestehen dürfe, habe das Gericht nicht. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folge nichts anderes. Auch der vorliegende Fall gebe keinen Anlass, an der Vereinbarkeit der gesetzlichen Ausgestaltung des Zugangs biologischer Väter zur rechtlichen Elternschaft mit deren Grundrechten zu zweifeln. Zwar habe der Beschwerdeführer hier von der Geburt der Kinder im Jahr 2008 und im Jahr 2010 bis zur Trennung der Eltern im April 2011 mit den Kindern zusammengelebt und nach der Trennung zunächst noch eine tatsächliche Verbindung zu den Kindern durch Umgangskontakte aufrechterhalten können.

Die Problematik des Falles liege im Kern aber nicht in der Frage der Verfassungskonformität des § 1600 BGB, sondern in der Kollision des in Spanien angestrengten Vaterschaftsfeststellungsverfahrens einerseits und des in Deutschland anhängig gemachten Anfechtungs- und Feststellungsverfahrens andererseits. Das deutsche Abstammungsverfahren sei erst im Zeitpunkt der Anerkennung der Vaterschaft durch den sozialen Vater, den heutigen Ehemann der Kindesmutter, möglich geworden. Vor einer Anerkennung durch einen anderen Mann sei ein Abstammungsverfahren in Deutschland wegen entgegenstehender Rechtshängigkeit des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens in Spanien unzulässig gewesen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hätte der Beschwerdeführer auch in Deutschland nur einen Feststellungsantrag im Sinne des § 1600d BGB erheben können, was aber verfahrensidentisch mit dem Verfahren in Spanien gewesen wäre. Auch hätte es bis zu diesem Zeitpunkt keine Bedenken gegen die Anerkennung einer mit der Feststellung seiner Vaterschaft abschließenden Entscheidung aus Spanien gegeben, da die Problematik der doppelten Vaterschaft dann nicht bestanden hätte. Dem Beschwerdeführer sei demnach in Deutschland vor der Anerkennung der Vaterschaft durch den Ehemann der Mutter der Zugang zu einem die Abstammung klärenden Verfahren nicht aus Gründen der Ausgestaltung des § 1600 BGB verwehrt geblieben, sondern aus Gründen des (internationalen) Verfahrensrechts.

Der Beschwerdeführer hätte von vornherein – das heißt unmittelbar nach Trennung der Kindeseltern im April 2011, also lange bevor der Ehemann der Mutter im März 2014 die Vaterschaft anerkannt habe – ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht in Spanien, sondern in Deutschland anhängig machen können. Hierzu hätte er die Möglichkeit auch schon gehabt, als noch keiner der Verfahrensbeteiligten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Bis März 2014 – dem Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung durch den heutigen Ehemann – hätte auch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Ehemann der Mutter und den Kindern der Erlangung der rechtlichen Vaterstellung des Beschwerdeführers durch gerichtliche Vaterschaftsfeststellung nicht entgegengestanden, weil diese nur die Anfechtung, nicht aber die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft ausschließe. Ein weitergehender Schutz des Interesses des leiblichen Vaters, auch die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen, sei von Verfassungs wegen nicht geboten (Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 562/13 -, www.bverfg.de).

Habe der Beschwerdeführer sich anfangs nicht für diesen Rechtsweg vor einem deutschen Gericht, sondern für ein Abstammungsverfahren in Spanien entschieden, trage er das Risiko, dass eine dortige gerichtliche Vaterschaftsfeststellung – die insoweit möglich und angesichts der tatsächlich unstreitig bestehenden biologischen Abstammung sogar sehr wahrscheinlich sei – in Deutschland wegen einer späteren, nach deutschem Recht auch in laufenden Abstammungsverfahren zulässigen Vaterschaftsanerkennung durch einen anderen Mann nicht anerkannt werde. Diese – selbst gewählte – Verfahrenskonstellation rechtfertige nicht die Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 1600 BGB.

Zwischen Kindern und rechtlichem Vater habe im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung eine sozial-familiäre Beziehung bestanden. Eine Vorverlagerung des Zeitpunkts komme nicht in Betracht. Hiervon abzuweichen komme auch nicht aus Gründen missbräuchlicher Rechtsausübung in Betracht. Die Vaterschaftsanerkennung durch den Ehemann der Mutter sei keine missbräuchliche Rechtsausübung gewesen, da er mit den Kindern seit spätestens August 2011 in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebe.

b) Mit Beschluss vom 1. November 2017 wies das Oberlandesgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers unter Verweis auf den amtsgerichtlichen Beschluss zurück. Die Rechtshängigkeit des in Spanien anhängigen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens sei für das hiesige Verfahren ohne Bedeutung. Dass der Beschwerdeführer dieses Verfahren eingeleitet und die Mutter hiervon Kenntnis gehabt habe, stehe der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters zu den Kindern nach § 1592 Nr. 2, § 1594 BGB nicht entgegen.

III.

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt zu sein. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar entschieden, dass es verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, den mutmaßlichen biologischen Vater zum Schutz der rechtlich-sozialen Familie von der Vaterschaftsanfechtung auszuschließen; dies gelte jedoch dann nicht, wenn sich der biologische Vater um die Vaterschaftsanerkennung bemühe, dies aber verhindert werde (Verweis auf Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 562/13 -, www.bverfg.de). Anders als in dem genannten Fall habe der Beschwerdeführer hier nach seiner Trennung von der Kindesmutter und vor dem Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung durch deren heutigen Ehemann stets versucht, die Vaterschaft zu erlangen und dafür in Spanien ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft angestrengt.

IV.

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, die Antragsgegner des Ausgangsverfahrens, das am Ausgangsverfahren beteiligte Jugendamt, der Hamburger Kinder- und Jugendhilfe e.V und die Verfahrensbeiständin der Kinder im Ausgangsverfahren hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt das Interesse des leiblichen Vaters eines Kindes, die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen. Dem leiblichen Vater ist Zugang zu einem Verfahren zu gewähren, um auch rechtlich die Vaterstellung erlangen zu können. Prüfung und Feststellung der Vaterschaft sind Teil der verfahrensrechtlichen Gewährleistung aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. grundlegend BVerfGE 108, 82 <104 f.>). Dem dienen im geltenden Abstammungsrecht vor allem das dem leiblichen Vater eingeräumte Anfechtungsrecht (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) und das gerichtliche Verfahren zur Feststellung seiner rechtlichen Vaterschaft (§ 1600d BGB).

Das Verfahren zur Erlangung der rechtlichen Vaterstellung muss hinreichend effektiv sein. Deshalb darf dem leiblichen Vater, der ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungverfahren in einem Zeitpunkt eingeleitet hat, zu dem die Voraussetzungen seiner Vaterschaftsfeststellung erfüllt sind, die Erlangung der Vaterstellung grundsätzlich nicht dadurch versperrt werden, dass ein anderer Mann während des laufenden Vaterschaftsfeststellungsverfahrens die Vaterschaft anerkennt. Das gilt jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens durch den leiblichen Vater noch keine sozial-familiäre Beziehung des anderen Mannes zu den Kindern bestand und der leibliche Vater selbst bereits eine sozial-familiäre Beziehung zu seinen Kindern aufgebaut hatte.

Zwar ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der leibliche Vater zum Schutz einer bestehenden rechtlich-sozialen Familie von der Vaterschaftsanfechtung ausgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 108, 82 <106 ff.>; s. auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 562/13 -, www.bverfg.de, Rn. 7; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 – XII ZB 525/16 -, juris, Rn. 14 m.w.N.). Das gilt auch in Fällen, in denen der leibliche Vater vor und in den Monaten nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind aufgebaut hat (vgl. BVerfGE 108, 82 <87 f., 90, 106, 109, 112 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Dezember 2013 – 1 BvR 1154/10 -, www.bverfg.de, Rn. 5). Selbst wenn der leibliche Vater viele Jahre mit seinem Kind zusammengelebt hat, kann die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes wegen dessen sozial-familiärer Beziehung zum Kind Bestand haben, sofern der leibliche Vater auch nach der Trennung von der Kindesmutter über viele Jahre hinweg die rechtliche Vaterschaft hätte erlangen können und dies nur deshalb nicht geschehen ist, weil er die ihm selbst obliegenden Schritte dazu nicht unternommen hat, ohne dass er daran erkennbar gehindert gewesen wäre (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 562/13 -, www.bverfg.de, Rn. 8).

Jedoch wäre die verfassungsrechtlich gebotene Effektivität des Verfahrens zur Erlangung der rechtlichen Vaterstellung jedenfalls dann nicht gewährleistet, wenn der leibliche Vater, der bereits eine sozial-familiäre Beziehung zu seinen Kindern aufgebaut hatte und der durch Einleitung eines gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens alles in seiner Macht liegende getan hat, um die ihm zu diesem Zeitpunkt rechtlich offen stehende und auch sozial noch nicht weiter vergebene Vaterposition für seine Kinder zu erlangen, tatenlos zusehen müsste, wie ihm im Laufe seines gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens der Zugang zur Elternposition durch die Vaterschaftsanerkennung eines anderen Mannes endgültig versperrt wird. Der leibliche Vater wäre dann einem Wettlauf um die Zeit ausgesetzt, bei dem es von Zufällen und der gerichtlichen Entscheidungsgeschwindigkeit abhinge, ob seine Vaterschaft rechtzeitig festgestellt wird oder aber die Mutter mit ihrem neuen Partner die entscheidenden Schritte schneller ergreift und dem leiblichen Vater damit endgültig den Zugang zur Elternschaft für seine Kinder nimmt. Das kann ihm grundsätzlich nicht zugemutet werden.

Auch wenn zwischen dem rechtlichen Vater und den Kindern zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine sozial-familiäre Beziehung besteht, rechtfertigt dies den endgültigen Ausschluss des leiblichen Vaters vom Zugang zur rechtlichen Elternstellung in einer solchen Konstellation nicht ohne Weiteres. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann entgegen der Ansicht des Familiengerichts nichts Gegenteiliges entnommen werden. Der Anfechtungsausschluss wurde in der zitierten Entscheidung (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 562/13 -, www.bverfg.de, Rn. 8) gerade deshalb als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, weil der leibliche Vater die erforderlichen Schritte zu Erlangung der rechtlichen Vaterschaft nicht unternommen hatte. Hingegen ist in der hier zu beurteilenden Sonderkonstellation, in der ein leiblicher Vater – als ihm die rechtliche Vaterschaft offen stand – alles getan hat, diese zu erlangen, das Interesse am Gleichlauf der rechtlichen Vaterschaft mit der sozial-familiären Beziehung regelmäßig nicht stark genug, um die erhebliche Härte zu rechtfertigen, die das endgültige Scheitern der rechtlichen Vaterschaft für den leiblichen Vater bedeutet. Der vom Amtsgericht benannte Zweck des § 1600 Abs. 2 BGB, „die bestehende Familie davor zu schützen, ihre Interna im Einzelnen aufdecken zu müssen“, läuft weitgehend ins Leere, wenn die leibliche Vaterschaft des Anfechtenden unstreitig ist und der rechtliche Vater erst deutlich nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zu den Kindern begründet hat. Dass der aktuelle Ehemann der Mutter nicht der Erzeuger ihrer Kinder ist, ist dann für sich genommen kein Umstand, vor dessen Aufdeckung die Rechtsordnung schützen müsste. Auch der vom Oberlandesgericht angesprochene Zweck des § 1600 Abs. 2 BGB, davor zu schützen, dass der leibliche Vater nach Erlangung der rechtlichen Elternstellung die bestehende soziale Familie beeinträchtigen könnte, indem er seine Elternrechte geltend macht, kann die besondere Härte nicht aufwiegen, die das Scheitern der Vaterschaftsfeststellung in der vorliegenden Sonderkonstellation für den leiblichen Vater bedeutet. Soweit sich eine solche Beeinträchtigung ergeben sollte, müsste dieser im Regelfall im Rahmen der Sorge- und Umgangsregelungen Rechnung getragen werden.

2. Die angegriffenen Entscheidungen werden den Anforderungen des Elternrechts des Beschwerdeführers nicht gerecht. Sie verletzen im Ergebnis den grundrechtlich geschützten Anspruch des Beschwerdeführers auf Zugang zu einem hinreichend effektiven Verfahren zur Erlangung der rechtlichen Vaterstellung.

a) Das Verfahren zur Erlangung der rechtlichen Vaterstellung war in der von den Gerichten gewählten Auslegung der gesetzlichen Grundlagen nicht hinreichend effektiv. Obwohl der Beschwerdeführer die gerichtliche Feststellung seiner Vaterschaft hier zu einem Zeitpunkt beantragt hat, in dem sie ihm ohne Weiteres offen stand und auch kein anderer Mann eine soziale Vaterstellung für seine Kinder eingenommen hatte, ist seine rechtliche Vaterschaft zwischenzeitlich durch die Vaterschaftsanerkennung des Ehemannes der Kindesmutter endgültig unmöglich geworden, weil die angegriffenen Entscheidungen auch für die vorliegende Sonderkonstellation einerseits an der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung festhalten und andererseits deren Anfechtung wegen der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehenden sozial-familiären Beziehung des rechtlichen Vaters zu den Kindern nach § 1600 Abs. 2 BGB ausschließen.

b) Gründe, die es rechtfertigen könnten, den Beschwerdeführer hier das Risiko des Scheiterns seiner Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft allein tragen zu lassen, sind nicht ersichtlich.

aa) Der Beschwerdeführer hat nicht etwa selbst zu verantworten, dass die gerichtliche Feststellung seiner Vaterschaft gescheitert ist.

(1) Dass es bis zur Vaterschaftsanerkennung durch den heutigen Ehemann der Mutter im Jahr 2014 nicht zur – die Vaterschaftsanerkennung verhindernden – rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft des Beschwerdeführers durch das spanische Gericht gekommen ist, obwohl er das Verfahren dort bereits im April 2011 eingeleitet hatte, kann dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden.

(2) Der Beschwerdeführer konnte auch nicht verhindern, dass zwischen den Kindern und dem rechtlichen Vater zwischenzeitlich eine sozial-familiäre Beziehung entstanden ist, an der nach Auffassung der Gerichte die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft wegen § 1600 Abs. 2 BGB scheitert. Auch dies beruht letztlich auf der langen Dauer des in Spanien geführten gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer dies hier zu verantworten haben könnte.

(3) Das Scheitern seiner rechtlichen Vaterschaft hat sich der Beschwerdeführer auch nicht etwa – wie es in den angegriffenen Entscheidungen anklingt – deshalb selbst zuzuschreiben, weil er das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren von Anfang an in Spanien und nicht in Deutschland geführt hat. Inwiefern ihn ein vor deutschen Gerichten geführtes Verfahren überhaupt verlässlich vor einem Verfahrensverlauf, wie er sich hier zugetragen hat, geschützt hätte, kann dahinstehen. Jedenfalls gibt es keinen sachlichen Grund dafür, dem Beschwerdeführer anzulasten, dass er das Vaterschaftsfeststellungsverfahren vor dem zuständigen spanischen Gericht geführt hat. Dass sich das gesamte Familienleben bis zu diesem Zeitpunkt in erheblichem Ausmaß in Spanien abgespielt hatte und die Kinder mit der Mutter und deren neuem Partner im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung selbst noch in Spanien lebten, mag dies erhellen, verfassungsrechtlich kommt es darauf jedoch nicht an. Die Annahme, der Beschwerdeführer habe das Risiko des Scheiterns einer Vaterschaftsfeststellung deshalb in zurechenbarer Weise in Kauf genommen, weil er das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren in Spanien und nicht in Deutschland angestrengt habe, ist unhaltbar.

bb) Es kann auch nicht angenommen werden, dass hier abweichend von den oben dargestellten Grundsätzen ausnahmsweise doch dem Gleichlauf der rechtlichen Vaterschaft mit der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehenden sozial-familiären Beziehung überwiegendes Gewicht zukäme. Die Gerichte haben – von ihrem rechtlichen Ausgangspunkt her konsequent – den Schutz der sozial-familiären Beziehung nur pauschal unter Hinweis auf § 1600 Abs. 2 BGB angeführt, ohne anhand konkreter Umstände des vorliegenden Falles zu begründen, dass dem hier ausnahmsweise besondere Bedeutung zukäme. Dafür ist auch ansonsten nichts erkennbar. Die Verfahrensbeiständin der Kinder hat im Ausgangsverfahren vielmehr umgekehrt ausgeführt, dass die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft durch den leiblichen Vater im konkreten Fall für die Kinder vorteilhaft sei.

II.

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer aus den genannten Gründen in seinem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht. Ob dies durch die Anwendung des geltenden Rechts behoben werden kann, indem etwa die bestehenden Anfechtungsmöglichkeiten so ausgelegt werden, dass dem leiblichen Vater auch in der konkreten Sondersituation ein hinreichend effektives Verfahren zur Erlangung der rechtlichen Vaterschaft zur Verfügung steht, ist von den Fachgerichten zu klären. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 562/13 -, www.bverfg.de, Rn. 10) kann dabei nicht entnommen werden, von Verfassungs wegen müsse der nach § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB maßgebliche Zeitpunkt, in dem das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind nach § 1600 Abs. 2 BGB die Anfechtung durch den leiblichen Vater ausschließt, zwangsläufig der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sein.

III.

Es wird nur der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 1. November 2017 – 12 UF 82/17 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG), weil dem Beschwerdeführer damit besser gedient ist. Es liegt in seinem Interesse, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. BVerfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>).

IV.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

BVerfG, Beschluss vom 25.09.2018
1 BvR 2814/17

OLG Hamburg, Beschluss vom 30.12.2016
12 UF 135/16

AG Hamburg, Beschluss vom 16.03.2017
276 F 258/15

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