- Das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts vom 26. September 2005 – 2 UF 111/05 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
- Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
- Der Freistaat Thüringen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfahren der Verfassungsbeschwerde und im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu ersetzen.
- Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für den Beschwerdeführer wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000,00 € (in Worten: achttausend Euro) und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 4.000,00 € (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.
- Der Klägerin des Ausgangsverfahrens wird für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde und das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. H. (D.) bewilligt.
des Herrn F…,
– Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Schultheis, Gottlob & Kollegen,
Hauptmarkt 36, 99867 Gotha –
gegen
das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts vom 26. September 2005 – 2 UF 111/05 –
und
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und die Richter Gaier,
Kirchhof
am 18. März 2008 einstimmig beschlossen:
Gründe:
I. Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine unterhaltsrechtliche Abänderungsklage.
1. Der Beschwerdeführer ist gelernter Bohrwerksdreher und war in diesem Beruf bis 1985 in Dortmund tätig, wo auch die 1973 mit der Klägerin des Ausgangsverfahrens geschlossene Ehe des Beschwerdeführers geführt wurde. Von 1986 bis 1994 war der Beschwerdeführer selbständiger Versicherungsmakler. Im Jahre 1994 gründete er eine Bauträgerfirma in Thüringen, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer er war. Die Trennung der Eheleute erfolgte 1996, die Scheidung wurde am 20. Juni 2000 rechtskräftig. Im Jahr 2000 erkrankte der Beschwerdeführer, er war in der Folgezeit bis November 2003 fast durchgehend arbeitsunfähig und bezog Krankengeld in Höhe von monatlich 6.000,00 DM (3.067,00 €). Die Bauträgerfirma meldete im Jahre 2001 Insolvenz an.
a) Im Scheidungsverfahren wies das Amtsgerichts Dortmund durch Urteil vom 15. Dezember 1999 den Antrag der Ehefrau auf Zahlung nachehelichen Unterhalts ab. Die Ehefrau habe die Tatbestandsvoraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs nicht schlüssig dargelegt. Auf die Berufung der Ehefrau änderte das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 26. Oktober 2000 das amtsgerichtliche Urteil ab und verurteilte den Beschwerdeführer zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 556,00 DM (284,00 €). Der Ehefrau stehe ein Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB zu. Die ehelichen Lebensverhältnisse der Eheleute seien geprägt gewesen durch das Einkommen des Beschwerdeführers aus vollschichtiger Tätigkeit, durch das Erwerbseinkommen der Ehefrau aus einer teilschichtigen Berufstätigkeit, sowie durch das Wohnen in einem beiden Parteien gehörenden Einfamilienhaus. Das maßgebliche Einkommen des Beschwerdeführers habe im Bezug von Krankengeld in Höhe von 6.000,00 DM monatlich bestanden. Dieses Krankengeld beziehe der Beschwerdeführer auch weiterhin. Ein Ende der Erkrankung sei nicht absehbar. Entgegen der Auffassung der Ehefrau könne nicht auf das Durchschnittseinkommen der letzten drei Jahre abgestellt werden, weil sich die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers in den letzten drei Jahren in erheblicher Weise verändert habe. Seine Bauträgertätigkeit sei erheblich zurückgegangen und nahezu zum Erliegen gekommen. Die Höhe des Krankengeldes von 6.000,00 DM entspreche im Übrigen auch der Selbsteinschätzung des Beschwerdeführers, der für sich als Geschäftsführer ein Gehalt von monatlich 6.000,00 DM festgesetzt habe. Aus der Verwaltung von Eigentumswohnungen seien dem Beschwerdeführer weitere 700,00 DM monatlich zuzurechnen. Das Einkommen der Ehefrau betrage bereinigt netto 992,00 DM monatlich. Auf Seiten der Ehefrau – die im gemeinsamen Haus in Dortmund weiterlebe, nachdem der Beschwerdeführer zu seiner Lebensgefährtin nach Thüringen gezogen sei – sei ein Wohnvorteil zu berücksichtigen, auf Seiten des Beschwerdeführers monatliche Zahlungen an Darlehensgläubiger in Höhe von 2.080,00 DM. Es errechne sich ein Bedarf der Ehefrau in Höhe von 1.031,00 DM, welcher sich durch die Hinzurechnung weiterer fiktiver Erwerbseinkünfte wegen nicht vollständiger Ausnutzung ihrer Arbeitskraft auf einen Betrag von 556,00 DM reduziere.
b) Auf eine Unterhaltsabänderungsklage der Ehefrau erhöhte das Amtsgericht Gotha mit Urteil vom 18. Dezember 2002 die Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers auf einen monatlichen Betrag von 622,68 €, beginnend ab Februar 2002. Die Verhältnisse hätten sich insoweit verändert, als die monatlichen Darlehenszahlungen des Beschwerdeführers weggefallen seien. Der Beschwerdeführer habe zugestanden, dass er die Darlehen zumindest teilweise nicht mehr bediene, weil er wirtschaftlich dazu nicht mehr in der Lage sei. Weggefallen seien andererseits die Einkünfte des Beschwerdeführers aus der Hausverwaltung. Auf Seiten der Ehefrau seien weiterhin ihr Einkommen in bisheriger Höhe sowie ein Wohnvorteil anzurechnen. Nach Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nunmehr in Abweichung vom abzuändernden Urteil der Unterhalt nach der Differenzmethode zu errechnen, hieraus ergebe sich der ausgeurteilte Betrag von 622,68 €.
2. a) Im Ausgangsverfahren wies das Amtsgericht Gotha mit Urteil vom 10. November 2004 eine auf Erhöhung des titulierten Unterhalts gerichtete Klage der Ehefrau ab und änderte auf die Widerklage des Beschwerdeführers das Urteil des Amtsgerichts Gotha vom 18. Dezember 2002 dahingehend ab, dass der Ehefrau gegen den Beschwerdeführer ab dem 1. November 2003 kein Unterhaltsanspruch mehr zustehe. Nachdem der Bezug von Krankengeld beim Beschwerdeführer weggefallen sei, erziele dieser seit November 2003 nur noch ein Einkommen aus einer Teilzeittätigkeit. Nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit sei der Beschwerdeführer indes zu einer vollen Erwerbstätigkeit verpflichtet. Für den Unterhalt sei daher eine Berechnung nach dem konkret durch den Beschwerdeführer erzielbaren Einkommen vorzunehmen. Der Beschwerdeführer müsse sich so behandeln lassen, als erziele er ein Einkommen aus einer Vollerwerbstätigkeit. Die Behauptung, dass er aus gesundheitlichen Gründen nur zu einer Halbzeittätigkeit fähig sei, habe der Beschwerdeführer nicht beweisen können. Das fiktiv anzusetzende Einkommen könne indes die Höhe des früheren Krankengeldes nicht erreichen. Eine selbständige Tätigkeit durch den Beschwerdeführer dürfte allein aufgrund des zurückliegenden Konkurses seiner Bauträgerfirma nicht in Betracht kommen. Erlernt habe der Beschwerdeführer den Beruf eines Bohrwerkdrehers, dieses Berufsbild existiere faktisch nicht mehr. Derzeit erziele der Beschwerdeführer einen Stundenlohn von 15,00 €, was hochgerechnet auf eine Vollzeittätigkeit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.600,00 € und somit einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.545,85 € entspreche. Dieses Gehalt sei angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage in Ostdeutschland überdurchschnittlich. Abzuziehen seien von diesem Einkommen die ehebedingten Schulden. Hierfür sei monatlich ein Betrag von 510,00 € anzusetzen. Nach Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus und unter Berücksichtigung des seitens der Ehefrau erzielten – für unterschiedliche Zeiträume schwankenden – Einkommens errechne sich nur für einen Teilzeitraum ein geringfügiger Anspruch in Höhe von 66,64 €. Ein solcher Anspruch sei zu versagen, da ein Aufstockungsunterhalt nur bei einer ins Gewicht fallenden Differenz der Einkünfte des Pflichtigen und des Bedürftigen zu bejahen sei.
b) Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil vom 26. September 2005 änderte das Thüringer Oberlandesgericht das amtsgerichtliche Urteil ab und verurteilte den Beschwerdeführer zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von 758,77 € monatlich für den Zeitraum 25. September 2003 bis einschließlich Dezember 2003 und in Höhe von 703,58 € monatlich für die Zeit ab Januar 2004. Die Ehefrau könne in Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils die Zahlung eines erhöhten Unterhalts ab dem 25. September 2004 verlangen. Die Voraussetzungen für eine Abänderung des Urteils nach § 323 Abs. 1 ZPO lägen vor, da auf Seiten der Ehefrau der eheprägende Wohnwert nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess weggefallen sei. Mit dem Amtsgericht sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer fiktiv so zu behandeln sei, als übe er seine eheprägende Erwerbstätigkeit weiter aus. Nicht zu folgen sei dem Amtsgericht dagegen, soweit es dem Beschwerdeführer ein wesentlich geringeres Nettoeinkommen als erzielbar zugerechnet habe als das Oberlandesgericht Hamm in seiner Ursprungsentscheidung vom 26. Oktober 2000. Der Beschwerdeführer habe vorgetragen, krankheitsbedingt das eheprägende Einkommen von 6.000,00 DM (3.067,75 €) nicht mehr erzielen zu können. Dieser Auffassung vermöge der Senat im Gegensatz zum Amtsgericht nicht zu folgen. Der Beschwerdeführer sei darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass er das die ehelichen Lebensverhältnisse prägende Einkommen nicht mehr erziele und nicht mehr erzielen könne. An dem im Zeitpunkt der Scheidung erreichten Einkommensniveau sei er auch dann festzuhalten, wenn er den Nachweis, dass er ein solches Einkommen bei Entfaltung entsprechender Bemühungen nicht mehr erlangen könne, nicht erbracht habe. Vorliegend entsprächen die Bewerbungen des Beschwerdeführers um eine angemessene Tätigkeit weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht den Anforderungen des Senats, sodass dem Beschwerdeführer wegen Verletzung seiner Erwerbsobliegenheiten ein fiktives Einkommen zuzurechnen sei. Dass gesundheitliche Beeinträchtigungen die Ausübung einer Tätigkeit des Beschwerdeführers in einem zu Ehezeiten ausgeübten Beruf unmöglich machten oder einschränkten, sei nicht ersichtlich. In Anbetracht dessen, dass er keine ausreichenden Bemühungen um eine besser bezahlte Tätigkeit dargelegt und nachgewiesen habe, müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer, wenn er ausreichende Bemühungen entfaltet hätte, längst eine besser bezahlte Anstellung in seinem zu Ehezeiten ausgeübten Beruf als Makler gefunden hätte. In diesem Beruf wäre es ihm nach den Erfahrungen des Senats ohne weiteres möglich, das der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zugrunde liegende, zu Ehezeiten nachhaltig erzielte durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen – unter Berücksichtigung des Erwerbstätigenbonus – von 2.629,50 € zu erzielen. Dabei könne der Beschwerdeführer auch nicht damit gehört werden, dass er in der Immobilienfirma seiner jetzigen Ehefrau kein höheres als das derzeit erzielte Einkommen von 2.000,00 € brutto erzielen könne. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich sei, nach welchen Kriterien die Höhe dieses Gehalts bestimmt worden sei, sei augenfällig, dass bei einer Anstellung unter Ehegatten die Bestimmung des Gehaltes völlig willkürlich sei und keinen Hinweis auf reale Verdienstchancen darstelle. Erheblich sei der Vortrag des Beschwerdeführers mithin nur insoweit, als er geltend mache, zu Lasten der Ehefrau sei ein höheres fiktives Eigeneinkommen zu berücksichtigen. Die Ehefrau habe sich insoweit ein Nettoeinkommen von 998,94 € als erzielbares Einkommen für 2003 und in Höhe von 1.052,40 € netto für das Jahr 2004 zurechnen zu lassen. Dies führe zu einem Unterhaltsanspruch der Ehefrau in der ausgeurteilten Höhe.
c) Mit Beschluss vom 3. Januar 2006 verwarf das Thüringer Oberlandesgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen das Urteil vom 26. September 2005 als unzulässig. Die Anhörungsrüge sei nicht in der gesetzlichen Frist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben worden. Der Beschwerdeführer habe das Urteil am 27. September 2005 erhalten und damit Kenntnis erlangt. Gleichwohl sei die Anhörungsrüge erst am 4. November 2005 und damit verspätet beim Oberlandesgericht eingegangen. Soweit die Rügeschrift vertrete, dass die zweiwöchige Frist gewahrt sei, da diese nicht mit Zustellung der vollständigen Urteilsgründe beginne, sondern erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Prozessbevollmächtigte die Prüfung des Urteils im Hinblick auf die Verletzung rechtlichen Gehörs abgeschlossen habe, was erst am 21. Oktober 2005 geschehen sei, vermöge der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen, da sie nicht mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringen sei und zu einer völligen Aushebelung der gesetzlich normierten Frist führen würde, da es – unabhängig von dem durch die Zustellungsurkunde bescheinigten Empfang der vollständigen Entscheidungsgründe – völlig in das Belieben des Empfängers gestellt würde, wann er Kenntnis von der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs nehme.
Daneben sei die Anhörungsrüge auch unbegründet. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Senat eine Gehörsverletzung begangen haben könnte. Die neuerlichen Ausführungen des Beschwerdeführers richteten sich gegen die Rechtsauffassung des Senats. Sie enthielten den Vorwurf, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Hiermit könne der Beschwerdeführer im Rahmen der Anhörungsrüge nicht gehört werden. Der Senat habe in dem Urteil die jetzt von der Anhörungsrüge umfassten Angriffe in vollem Umfang darauf geprüft, ob sie dem Unterhaltsanspruch der Ehefrau entgegenstünden. Er habe unter diesem Gesichtspunkt die Einwendungen sämtlich für nicht durchgreifend erachtet und seine Entscheidung umfassend begründet. Eine Verpflichtung zu einer noch weitergehenden Begründung bestehe nicht.
3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG. Er beantragt zudem den Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, die Zwangsvollstreckung aus dem angegriffenen Urteil einstweilen einzustellen.
4. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens und die Regierung des Landes Thüringen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens verteidigt die angegriffene Entscheidung und tritt dem Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung entgegen. Sie beantragt zudem die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten. Die Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers beantragt die Festsetzung des Gegenstandswertes.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers geboten ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg ordnungsgemäß erschöpft. Ungeachtet der Frage der Verfristung hat das Oberlandesgericht zusätzlich ausgeführt, dass die Anhörungsrüge auch unbegründet sei, wodurch das Rechtsmittel das Ziel der vorherigen fachgerichtlichen Überprüfung des geltend gemachten Gehörsverstoßes erreicht hat.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, weil die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens von monatlich 3.067,75 € netto führt zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Beschwerdeführers, weil es für die Annahme, der Beschwerdeführer sei in der Lage, ein solches Einkommen zu erzielen, an einer tragfähigen Begründung fehlt.
a) Die Auferlegung von Unterhaltsleistungen schränkt den Verpflichteten in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit ein. Diese ist jedoch nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet, zu der auch das Unterhaltsrecht gehört, soweit dieses mit Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang steht (vgl. BVerfGE 57, 361 <378>). Der ausgeurteilte Unterhalt darf nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Unterhaltspflichtigen führen (vgl. BVerfGE 57, 361 <388> unter Hinweis auf 35, 202 <221>). Wird die Grenze des Zumutbaren eines Unterhaltsanspruchs überschritten, ist die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen (vgl. BVerfGE 57, 361 <381>). Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht ist § 1603 Abs. 1 BGB, nach dem nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Das Unterhaltsrecht ermöglicht es insofern den Gerichten, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen und im Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen oder ob dieser die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen übersteigt. Verfassungsrechtlich ist es dabei nicht zu beanstanden, dass bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht allein auf das tatsächliche Vermögen und Einkommen des Verpflichteten, sondern auch auf dessen Arbeits- und Erwerbsfähigkeit abgestellt wird und demzufolge dem Unterhaltsschuldner ein fiktives Einkommen zugerechnet wird, wenn er eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese “bei gutem Willen” ausüben könnte (vgl. BVerfGE 68, 256 <270>).
b) Die Feststellung des Oberlandesgerichts, nachdem der Beschwerdeführer keine ausreichenden Bemühungen um eine besser dotierte Arbeitsstelle nachgewiesen habe, sei davon auszugehen, dass er bei ausreichenden Bemühungen längst eine besser bezahlte Anstellung in seinem zu Ehezeiten ausgeübten Beruf als Makler gefunden hätte und er damit ohne weiteres das zu Ehezeiten nachhaltig erzielte Einkommen von 3.067,75 € erzielen könne, hält diesen Maßstäben nicht stand.
Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG liegt selbst dann vor, wenn man dem Oberlandesgericht darin folgt, der Beschwerdeführer habe sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht nicht ausreichend um eine besser bezahlte Tätigkeit bemüht und sein Gesundheitszustand stehe einer Vollzeitbeschäftigung nicht entgegen. Denn die Zurechnung fiktiver Einkünfte, welche die Leistungsfähigkeit begründen sollen, hat neben den fehlenden subjektiven Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners objektiv zur Voraussetzung, dass die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten überhaupt erzielbar sind, was von den persönlichen Voraussetzungen des Unterhaltsschuldners wie Alter, Ausbildung, Berufserfahrung und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängig ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1995 – XII ZR 231/94 -, FamRZ 1996, S. 345 <346>). Wird einem Unterhaltsschuldner die Erwirtschaftung eines Einkommens abverlangt, welches er objektiv nicht erzielen kann, liegt regelmäßig ein unverhältnismäßiger Eingriff in seine wirtschaftliche Handlungsfreiheit vor. Zwar hatte der Beschwerdeführer zuletzt Krankengeld in Höhe des vom Oberlandesgericht als erzielbar angesehenen Einkommens bezogen, welches die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben mag. Das Krankengeld ist indes unstreitig zum November 2003 entfallen, als der Beschwerdeführer seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangte. In der Folgezeit war er darauf angewiesen, seinen Lebensunterhalt – wie in der Zeit vor seiner Erkrankung – durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Bei der Einschätzung, welches Einkommen der Beschwerdeführer hierbei erzielen konnte, waren die genannten Kriterien zu berücksichtigen. Dabei war zu beachten, dass der Beschwerdeführer während seines gesamten bisherigen Erwerbslebens ein Einkommen in der fingierten Höhe von netto über 3.000.00 € aus Erwerbstätigkeit überhaupt noch nie erzielt hatte. Bei dem vor dem Bezug von Krankengeld zuletzt erzielten Einkommen als Geschäftsführer in Höhe von 6.000,00 DM handelte es sich – unstreitig und darüber hinaus vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgetragen und belegt – um ein Bruttoeinkommen. Das Nettoeinkommen belief sich auf 4.423,92 DM. Die Einkünfte aus der in den Jahren zuvor ausgeübten Tätigkeit als selbständiger Versicherungsmakler waren ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Steuerbescheide noch geringer. Auch wenn im konkreten Fall nicht zu beanstanden ist, dass das Oberlandesgericht die tatsächlichen aktuell erzielten Einkünfte des Beschwerdeführers als Angestellter in der Firma seiner Ehefrau als für seine tatsächliche Leistungsfähigkeit wenig aussagekräftig eingeschätzt hat, so erforderte die Bestimmung der Höhe des Betrags, den der Beschwerdeführer realistischerweise am Arbeitsmarkt zu verdienen in der Lage ist, im Hinblick auf die Vermeidung einer unzumutbaren Belastung eine Orientierung an tragfähigen Tatsachengrundlagen unter Einbeziehung der persönlichen Voraussetzungen des Beschwerdeführers und der Lage am Arbeitsmarkt. Die Aussage, nach den Erfahrungen des Senats könne der Beschwerdeführer als Makler ohne weiteres das zu Ehezeiten nachhaltig erzielte Nettoeinkommen von – nach Abzug des Erwerbstätigenbonus – 2.629,50 € erzielen, lässt – abgesehen davon, dass ein solches Nettoeinkommen durch Erwerbstätigkeit zuvor nie erzielt worden war – nicht erkennen, dass sich das Oberlandesgericht an den persönlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten des Beschwerdeführers und den tatsächlichen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt orientiert hat. Es erscheint wenig plausibel, anzunehmen, der Beschwerdeführer habe nach langer Krankheit im Alter von 55 Jahren und weiterhin bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen unmittelbar im Anschluss an die Beendigung seiner mehrjährigen Arbeitsunfähigkeit eine Beschäftigung als angestellter Makler zu dem vom Oberlandesgericht zugrunde gelegten weit überdurchschnittlichen Gehalt finden können.
3. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Das Urteil vom 26. September 2005 wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG).
Da bereits der festgestellte Grundrechtsverstoß zur Aufhebung der Entscheidung führt, kann dahinstehen, ob auch die weiteren Rügen des Beschwerdeführers begründet sind.
4. Die Anordnung der Auslagenerstattung bezüglich der Verfassungsbeschwerde folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aus § 34a Abs. 3 BVerfGG (vgl.
BVerfGE 89, 91 <96 f.>).
5. Die Festsetzung des Gegenstandswertes im Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000,00 € und im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 4.000,00 € beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.> und – zur einstweiligen Anordnung – BVerfGE 89, 91 <96 f.> m.w.N.).
6. Dem Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin des Ausgangsverfahrens war nach den hierfür geltenden Grundsätzen (vgl. BVerfGE 92, 122 <125 f.>) zu entsprechen.
BVerfG, Beschluss vom 18.03.2008
1 BvR 125/06