Die gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe des in H., belegenen Reihenhauses aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 11. Januar 2005 – 814 C 271/04 – in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. November 2005 – 311 S 9/05 – wird einstweilen für die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens, längstens für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde und der hiermit einhergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffen im Kern ein gegen die Beschwerdeführerin gerichtetes Urteil auf Räumung der – ehemaligen – Ehewohnung. Die Beschwerdeführerin greift das Räumungsurteil im Wesentlichen mit der Rüge an, dass die Zivilgerichte nicht den von Art. 6 Abs. 1 GG umfassten Schutz der (Rest-)Familie beachtet hätten, weil sie ihr Verfahren nicht bis zur endgültigen Entscheidung über ihren vor dem Familiengericht gestellten Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung ausgesetzt hätten. So hätten sie die nach der Hausratsverordnung vorzunehmende Interessenabwägung und die dort vorgesehene Möglichkeit umgangen, sie nachträglich in das von ihrem Ehemann bereits beendete Mietverhältnis – auch gegen den Willen des Vermieters – wiedereinzusetzen. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet.
Von der Möglichkeit, zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Stellung zu nehmen, hat nur die Klägerin des Ausgangsverfahrens Gebrauch gemacht.
Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens hängt die Entscheidung darüber, ob eine einstweilige Anordnung ergeht oder nicht, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von einer Folgenabwägung ab. Das Bundesverfassungsgericht hat die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht ergeht, die angegriffenen Maßnahmen in dem späteren Verfahren jedoch für verfassungswidrig erklärt werden, gegen die Nachteile, die entstehen würden, wenn die angegriffene Maßnahme vorläufig außer Anwendung gesetzt wird, die Verfassungsbeschwerde aber erfolglos bleibt (BVerfGE 12, 276 <279>; 91, 252 <257 f.>; stRspr).
Im vorliegenden Fall führt diese Folgenabwägung zum Erlass der einstweiligen Anordnung. Dabei geht die Kammer davon aus, dass das familiengerichtliche Verfahren zügig durchgeführt wird.
Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde aber später als begründet, ist – nachdem die Räumungsfrist bereits zum 5. Januar 2006 abgelaufen und der nächste Räumungstermin auf den 23. Februar 2006 anberaumt ist – von der zwangsweisen Räumung der Ehewohnung auszugehen. Damit würden Fakten geschaffen werden. Ein Rückumzug nach einer stattgebenden Entscheidung wäre der Beschwerdeführerin kaum zumutbar, abgesehen davon, dass er bei Neuvermietung der streitbefangenen Wohnung auch nicht möglich wäre.
Erginge die einstweilige Anordnung, wäre der Verfassungsbeschwerde aber später der Erfolg zu versagen, so wögen die damit verbundenen Nachteile weniger schwer. Die Beschwerdeführerin hätte mit dem Kind die Ehewohnung vorübergehend weiter bewohnt. Da sie trotz Abgabe der eidesstattlichen Versicherung die Mieten – jedenfalls überwiegend, wenn auch verspätet – gezahlt hat, dürften sich die wirtschaftlichen Risiken für die Klägerin des Ausgangsverfahrens in Grenzen halten.
BVerfG, Beschluss vom 16.02.2006
1 BvR 254/06