BVerfG: Rücknahme des Einverständnis zur Unterbringung und die Folgen

BVerfG: Rücknahme des Einverständnis zur Unterbringung und die Folgen

Die Beschlüsse des Amtsgerichts Hanau vom 13. September 2011 – 61 F 212/10 SO – und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. September 2013 – 3 UF 445/11 – verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe :

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen den Entzug von Teilbereichen des Sorgerechts für ihre im Jahr 2009 geborenen Zwillingskinder.

1. a) Die Mutter ist 1969 in Indien und der Vater 1931 in Deutschland geboren. Die Mutter kam im Jahr 2002 nach Deutschland. Im Jahr 2006 heirateten die Beschwerdeführer.

Am 16. Dezember 2009 brachte die Beschwerdeführerin Zwillinge zur Welt. Die Entbindung der Zwillinge war mit erheblichen Komplikationen für die Mutter verbunden. Sie befand sich wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen nach der Geburt vom 16. Dezember 2009 bis zum 21. Januar 2010 in stationärer Behandlung im Krankenhaus. Weil sie eine ansteckende Infektionskrankheit hatte, konnte sie die Kinder zunächst nicht sehen. Die Klinik informierte das Jugendamt im Januar 2010 darüber, dass die Mutter sehr schwach sei und die Kinder derzeit nicht versorgen könne; der Vater sei hierzu aufgrund seines Alters nicht in der Lage. Bezüglich der Mutter wurde zudem der Verdacht auf eine Depression geäußert. Ihre gesundheitliche Verfassung blieb zunächst instabil. Sie befand sich noch bis zum 16. April 2010 mehrfach stationär in verschiedenen Kliniken.

Nach der ersten Heimkehr der Mutter wurde den Eltern ab dem 21. Januar 2010 durch das Jugendamt eine Notmutter zur Seite gestellt. Wenige Tage später teilte diese dem Jugendamt mit, dass sie nicht mit den Kindern in dem Haushalt bleiben könne. Sie berichtete von einem schlechten Hygienezustand der Wohnung. Die Eltern kümmerten sich nicht um die Kinder. Am 26. Januar 2010 wurde der Notmütterdienst beendet und die Kinder in Obhut genommen. Die Eltern stellten die von der Notmutter aufgestellten Behauptungen über die Wohnverhältnisse in Abrede. Sie erklärten sich dennoch vorerst mit einer Unterbringung der Kinder einverstanden. Diese kamen zunächst in ein Krankenhaus und anschließend getrennt voneinander in Bereitschaftspflegefamilien. Seit dem 21. März 2010 leben sie gemeinsam in einer Pflegefamilie. Diese Unterbringung war zunächst als Bereitschaftspflege konzipiert, wobei die Pflegeeltern auch bereit waren, die Kinder dauerhaft bei sich aufzunehmen. Ein Aufenthalt der Beschwerdeführerin mit ihren Kindern in einer Mutter-Kind-Einrichtung wurde vom Jugendamt nicht als aussichtsreich erachtet, da die Mutter aufgrund ihres Alters nicht in eine solche Einrichtung passe.

In dem zwischenzeitlich auf Antrag des Jugendamts eingeleiteten familiengerichtlichen Verfahren erklärten sich die Eltern in einem Verhandlungstermin am 24. März 2010 mit dem Verbleib der Kinder in der neuen Pflegestelle bis zum Abschluss einer beabsichtigten Begutachtung einverstanden. Die Mutter wünschte jedoch eine Ausweitung der Besuchskontakte. Die Eltern erklärten, dass sie eine Rückführung der Kinder in ihren Haushalt anstrebten.

Zunächst hatten die Eltern ein zweiwöchiges Umgangsrecht mit ihren Kindern. Nachdem sich der Gesundheitszustand der Mutter gebessert hatte, nahmen die Eltern ab Mai 2010 in einem Abstand von zehn Tagen begleiteten Umgang mit den Kindern wahr.

Ein privates Helfersystem der Eltern, das sich insbesondere aus Nachbarn und Mitgliedern der Kirchengemeinde zusammensetzte, nahm intensiv Anteil an der familiären Entwicklung und versuchte, eine Rückkehr der Kinder zu den Eltern zu unterstützen. Dabei gerieten das Helfersystem der Eltern und das Jugendamt zunehmend in Konflikte. Medien berichteten über den Fall.

Mit Schreiben vom 16. November 2010 ließen die Eltern durch ihren Bevollmächtigten einen Antrag auf Einleitung einer sozialpädagogischen Familienhilfe beim Jugendamt stellen, in dem ausgeführt wurde, dass die Eltern bereit und willens seien, Hilfen in Anspruch zu nehmen. Mit Schreiben vom 18. November 2010 lehnte das Jugendamt dies ab, da die Eltern bereits am 4. Februar 2010 einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt hätten und ihnen durch die Fremdunterbringung der Kinder, zu der die Eltern ihr Einverständnis erklärt hätten, bereits Hilfe zur Erziehung gewährt werde. Der neuerliche Antrag sei darum aus Sicht des Jugendamts gegenstandslos.

Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2011 nahmen die Eltern ihr Einverständnis zur Fremdunterbringung der Kinder zurück.

Mit Beschluss vom 11. Februar 2011 entzog das Amtsgericht den Beschwerdeführern im Wege der einstweiligen Anordnung ohne vorherige Anhörung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge sowie die Vertretung in Angelegenheiten nach dem SGB VIII gemäß §§ 1666, 1666a BGB, weil Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung in dem Hauptsacheverfahren noch nicht ausgeräumt seien. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde die einstweilige Anordnung mit Beschluss vom 24. Februar 2011 durch das Amtsgericht bestätigt.

Mit Schreiben an das Amtsgericht vom 15. Februar 2011 sprach sich das Jugendamt unter Bezugnahme auf das zwischenzeitlich erstellte Sachverständigengutachten im Hinblick auf die gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache für den Entzug des Sorgerechts aus, weil eine Rückführung der Kinder in den elterlichen Haushalt dauerhaft nicht zu verantworten sei. Auch sei das Jugendamt der Ansicht, dass unbegleitete Umgänge nicht in Betracht kämen, da es im Rahmen der Umgangskontakte zu kindeswohlgefährdenden Situationen gekommen sei. So habe der Vater mehrfach versucht, den Sohn mit Kuchen zu füttern, obwohl ihm seitens der Pflegeeltern erklärt worden sei, dass das Kind Süßes nicht möge. Auch den Hinweis, dass dem Kind keine Kirschen gegeben werden sollten, da diese Kerne enthalten könnten, habe der Vater missachtet. Ferner habe die Mutter ihrer Tochter Glitzerarmbänder angezogen, obwohl sich beim Öffnen der Packung bereits gezeigt habe, dass der Glitzer sich von den Armbändern ablöst und der Pflegevater die Mutter darauf hingewiesen habe, dass die Tochter alles in den Mund nehme. Auch mit einer intensiven sozialpädagogischen oder therapeutischen Unterstützung lasse sich der Kindeswohlgefährdung nicht begegnen.

Im Termin in der Hauptsache am 3. Mai 2011 signalisierte das Amtsgericht hingegen, dass es derzeit keine Grundlage für eine dauerhafte Unterbringung der Kinder sehe, sondern eine Erweiterung der Umgangskontakte und die Rückführung der Kinder anzustreben sei. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass bei einer Rückführung der Zwillinge in den elterlichen Haushalt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine akute Kindeswohlgefährdung bestehe, da die Mutter aufgrund ihres Gesundheitszustandes in der Lage sei, eine Grundversorgung der Zwillinge durchzuführen. Eine Rückführung sei allerdings nur bei intensiver sozialpädagogischer Familienhilfe möglich. Es wurde eine Zwischenvereinbarung geschlossen, wonach Familienhilfe installiert werden sollte. In der Folge fanden zwischen Juni und September 2011 insgesamt vierzehn von Familienhelfern begleitete Umgänge in wöchentlichen Abständen für die Dauer von jeweils anderthalb Stunden statt.

Mit Zwischenbericht vom 24. August 2011 teilte das Jugendamt mit, dass eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Eltern nicht mehr möglich sei. Eine Rückführung in den elterlichen Haushalt komme aus fachlicher Sicht nicht in Betracht. Auch mittel- oder langfristig erscheine eine Rückführung unverantwortlich.

Nach Stellungnahmen der Beratungsstelle, die die Umgangsbegleitung zunächst übernommen hatte, verliefen die Termine im Mai 2011 angemessen, wenn auch angespannt. Die ab Juni 2011 für die Umgangsbetreuung zuständige Beratungsstelle teilte in ihrem Abschlussbericht im September 2011 zusammenfassend mit, dass die Eltern aufgrund ihrer eigenen Bedürftigkeit in ihrer emotionalen Befindlichkeit die Grundbedürfnisse der Kinder nur sehr eingeschränkt wahrnehmen und befriedigen könnten.

b) Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 13. September 2011 wurde den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und die Vertretung in Angelegenheiten nach dem SGB VIII gemäß §§ 1666, 1666a BGB in der Hauptsache entzogen. Das Amtsgericht stützt sich dabei auf das Gutachten des Sachverständigen und führt aus, der intensive Kontakt zwischen Eltern und Kindern, der in den vergangenen Monaten stattgefunden habe, habe zu keiner wesentlichen Verbesserung der Lage geführt. Die Eltern erschienen derzeit noch nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Kinder richtig zu erkennen. Das Gericht vermisse Anzeichen dafür, dass die Eltern die Arbeit der Familienhelfer würdigen könnten. Ratschläge seien nur bedingt angenommen worden. Eine Zerstörung der Bindung an die Pflegeeltern würde die Kinder erheblich traumatisieren. Auch stellte sich das Gericht die Frage, wie die Mutter mit den Kindern dauerhaft kommunizieren könnte. Sie spreche nur gebrochen Deutsch. Die Kinder, die in einer deutschsprachigen Umgebung aufwüchsen, könnten kein Tamil. Das Gericht bezweifle, dass hier eine wirksame Erziehung mit Erklärungen für die Kinder möglich wäre. Auch dies spreche gegen eine Rückführung der Kinder in absehbarer Zeit.

c) Die Beschwerdeführer legten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde ein. Nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens wurde im Rahmen einer Anhörung vor dem Oberlandesgericht am 14. November 2012 Einigkeit darüber erzielt, dass das Jugendamt die Durchführung eines Erziehungskompetenztrainings mit den Eltern veranlassen werde. Nach Durchführung des Erziehungskompetenztrainings und bis zur nächsten Anhörung sollte die Sachverständige ein ergänzendes Gutachten erstatten. Der für den 12. Dezember 2012 zunächst anberaumte Termin des Erziehungskompetenztrainings wurde durch das Jugendamt abgesagt, weil die mit der Aufgabe betraute Erziehungskompetenztrainerin erkrankt war. Mit der einige Wochen später vom Jugendamt vorgeschlagenen Einrichtung, die ab Juni 2011 die begleiteten Umgänge durchgeführt hatte, konnten sich die Beschwerdeführer hingegen keine weitere Zusammenarbeit vorstellen. Letztlich hat das Training nicht stattgefunden.

Am 25. Februar 2013 schrieb der bereits seit dem 15. März 2012 eingesetzte Umgangsbegleiter, der nicht der Einrichtung angehört, die die Umgangskontakte ab Juni 2011 begleitet hatte, das Jugendamt an und teilte mit, aus seiner Sicht sei eine weitere Umgangsbegleitung nicht erforderlich. Die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamts entgegnete ihm jedoch, der Umgang sei bis zur Beendigung des Gerichtsverfahrens begleitet weiterzuführen.

d) Durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 2. September 2013 wurde die Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Über den angefochtenen Beschluss hinaus wurde den Beschwerdeführern das Recht zur Regelung des Umgangs für die beiden Kinder entzogen und auf den Ergänzungspfleger übertragen.

Eine Gefährdung des Wohls der Kinder werde jedenfalls durch eine Rückführung der Kinder zu ihren leiblichen Eltern zum gegenwärtigen Zeitpunkt begründet. Zur Überzeugung des Senats stehe fest, dass eine Herausnahme der Kinder aus der Pflegefamilie und Rückführung zu den leiblichen Eltern aufgrund der Bindungen an die Pflegeeltern, der langen Betreuung durch diese und des Entwicklungsstands der Kinder sowie ihrer bisherigen Biografie bereits jetzt zu einer nicht hinzunehmenden Schädigung der Kinder führen würde. Der Senat folge dabei den nachvollziehbaren, in sich schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen, die durch die Stellungnahmen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin sowie den Eindruck, den der Senat von den Eltern in den verschiedenen Anhörungen gewonnen habe, bestätigt würden.

Die Eltern seien unverschuldet durch die schwerwiegende Erkrankung der Mutter anlässlich der Geburt der Kinder in die Situation geraten, dass sie ihre Kinder nicht selbst betreuen konnten und eine Fremderziehung erforderlich geworden sei. Bedauerlicherweise habe dann eine Verkettung ausgesprochen unglücklicher Umstände dazu geführt, dass ein Wechsel der Kinder zu ihren leiblichen Eltern nicht mehr ohne zu erwartende Schäden für das Kindeswohl möglich sei. Die bei den Eltern festgestellten Defizite hätten für sich genommen einen Eingriff nach § 1666 BGB nicht gerechtfertigt, ohne zuvor alle Maßnahmen nach der Kinder- und Jugendhilfe ausgeschöpft zu haben. Allerdings sei dies nicht die Ausgangslage der vorliegenden Konstellation, sondern es gehe darum, Kinder, die nie wirklich mit ihren leiblichen Eltern zusammengelebt hätten, nach über dreieinhalb Jahren ihren leiblichen Eltern unter Verlust der sozialen Eltern zuzuführen. Dies setze eine hohe Kompetenz der Eltern und ein ausgesprochen hohes Maß an Einfühlungsvermögen in die Situation und Befindlichkeiten der Kinder voraus, über das die Eltern jedenfalls derzeit nicht verfügten. Hinzu komme, dass zwar verbal die Bereitschaft zur Annahme von Hilfen geäußert werde, eine praktische Umsetzung aber nicht beziehungsweise nur sehr langsam erfolge. Die Verfahrensbeiständin bestätige, dass auch nach langer Zeit der Begleitung die Umgangskontakte immer noch unstrukturiert und unkoordiniert verliefen. Das Jugendamt sehe keine Chance, dass die Eltern diese Defizite, mit welchen Hilfen auch immer, überwinden könnten, da eine Problemeinsicht der Eltern praktisch nicht vorhanden sei.

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 6 und Art. 20 Abs. 3 GG. Am Rande rügen die Beschwerdeführer die Verletzung des Persönlichkeitsrechts sowie ihrer Menschenwürde.

Die Fachgerichte hätten das Elternrecht der Beschwerdeführer aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in seiner Bedeutung und Tragweite verkannt. Den angegriffenen Beschlüssen sei inhaltlich die für eine Trennung des Kindes von seinen Eltern erforderliche schwerwiegende Gefährdung des Kindeswohls nicht konkret zu entnehmen. Es habe keine Abwägung stattgefunden, ob mit anderen staatlichen Hilfen eine Gefährdung bereits hätte ausgeschlossen werden können, etwa durch gezielte Unterstützung der Eltern. Die Beschwerdeführer hätten immer wieder vorgetragen, dass sie bereit seien, Hilfen anzunehmen. Das Jugendamt habe sein Hilfeangebot zunächst am stärkst möglichen Eingriff der Unterbringung der Kinder ausgerichtet und damit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in schwerwiegender Weise verletzt. Sämtliche Bitten der Beschwerdeführer um Hilfen seien vom Jugendamt zurückgewiesen worden.

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

4. Die Verfassungsbeschwerde wurde der Hessischen Landesregierung, dem Jugendamt, dem Ergänzungspfleger und der Verfahrensbeiständin zugestellt. Die Hessische Landesregierung hat keine Stellungnahme abgegeben. Das Jugendamt und die Verfahrensbeiständin haben sich den Gründen der angegriffenen Entscheidungen angeschlossen.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt.

Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Elternrechts der Beschwerdeführer geboten (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

1. Die Beschwerdeführer werden durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Aus dem Elterngrundrecht ergeben sich in der hier zu beurteilenden Konstellation besonders hohe Anforderungen an die Aufrechterhaltung der Trennung (a). Diesen genügen die Entscheidungen des Amtsgerichts (b) und des Oberlandesgerichts (c) nicht.

a) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine Trennung der Kinder von ihren Eltern stellt den stärksten Eingriff in dieses Recht dar. Der Eingriff unterliegt strenger verfassungsgerichtlicher Kontrolle (aa). Die Trennung ist nach Art. 6 Abs. 3 GG allein zu dem Zweck zulässig, das Kind vor nachhaltigen Gefährdungen zu schützen (bb) und darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (cc), wobei sowohl an die Kindeswohl- als auch an die Verhältnismäßigkeitsprüfung spezifische Anforderungen zu stellen sind, wenn, wie hier, die Sorgerechtsentziehung hinsichtlich eines bereits in einer Pflegefamilie untergebrachten Kindes in Streit steht, dessen Rückführung die Ursprungseltern zu sich begehren.

aa) Es kommt ein strenger Kontrollmaßstab zur Anwendung. Zwar sind die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und die Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall grundsätzlich Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Dem Bundesverfassungsgericht obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen (vgl. BVerfGE 72, 122 <138>; stRspr). Bei gerichtlichen Entscheidungen, die Eltern zum Zweck der Trennung des Kindes von den Eltern das Sorgerecht für ihr Kind entziehen, besteht hingegen wegen des sachlichen Gewichts der Beeinträchtigung der Grundrechte von Eltern und Kindern Anlass, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen (vgl. BVerfGE 55, 171 <181>; 75, 201 <221 f.>). Vor allem prüft das Bundesverfassungsgericht, ob das Familiengericht in nachvollziehbarer Weise angenommen hat, es bestehe eine nachhaltige Gefährdung des Kindeswohls und diese sei nur durch die Trennung des Kindes von den Eltern, nicht aber durch weniger eingreifende Maßnahmen abwendbar. Dabei kann sich die verfassungsgerichtliche Kontrolle wegen des besonderen Eingriffsgewichts ausnahmsweise auch auf einzelne Auslegungsfehler (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>; 75, 201 <222>) sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 26; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 25).

bb) Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern geht, ist dieser Grundrechtseingriff allein zu den in Art. 6 Abs. 3 GG genannten Zwecken zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Ihren einfachrechtlichen Ausdruck hat diese Anforderung in § 1666 Abs. 1 BGB gefunden. Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 28; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 – XII ZB 166/03 -, FamRZ 2005, S. 344 <345>).

Begehren die Eltern die Rückführung ihres in einer Pflegefamilie lebenden Kindes, kann die Gefahr für das Kind gerade aus der Rückführung resultieren. In einem solchen Fall ist es verfassungsrechtlich geboten, bei der Kindeswohlprüfung nach § 1666 BGB die Tragweite einer Trennung des Kindes von seiner Pflegefamilie einzubeziehen und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung zu berücksichtigen, die negativen Folgen einer eventuellen Traumatisierung der Kinder gering zu halten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 – 1 BvR 2006/98 -, FamRZ 2000, S. 1489). Das Kindeswohl gebietet es, die neuen gewachsenen Bindungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu berücksichtigen und das Kind aus seiner Pflegefamilie nur herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von seinen bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes noch hinnehmbar sind (vgl. BVerfGK 17, 212 <217> m.w.N.).

Indessen darf der Umstand, dass die Trennung von seinen unmittelbaren Bezugspersonen regelmäßig eine erhebliche psychische Belastung für das Kind bedeutet, nicht dazu führen, dass bei Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie die Wiederzusammenführung von Kind und Eltern immer dann schon ausgeschlossen ist, wenn das Kind dadurch in den Pflegeeltern seine „sozialen“ Eltern gefunden hat (vgl. BVerfGE 75, 201 <219 f.>). Aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, dass Pflegeverhältnisse nicht in der Weise verfestigt werden dürfen, dass die leiblichen Eltern mit der Weggabe in nahezu jedem Fall den dauernden Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie befürchten müssen (vgl. BVerfGE 68, 176 <189 f.>; 75, 201 <219>). Weil eine Rückkehr zu den Eltern auch nach längerer Fremdunterbringung vorbehaltlich entgegenstehender Kindesbelange grundsätzlich möglich bleiben muss, dürfen die Belastungen des Kindes, die mit einem Wechsel der Hauptbezugspersonen immer verbunden sind, eine Rückführung nicht automatisch dauerhaft ausschließen (vgl. BVerfGE 68, 176 <191>; BVerfGK 2, 144 <146>; 9, 97 <103>; 17, 212 <220>).

cc) (1) Die Trennung des Kindes von seinen Eltern darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen und aufrechterhalten werden (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). Das setzt voraus, dass die Trennung zur Erreichung der Abwendung einer nachhaltigen Kindeswohlgefahr geeignet und erforderlich ist und dazu in angemessenem Verhältnis steht. Insbesondere muss der Staat wegen des Erforderlichkeitsgebots zur Vermeidung der Trennung der Kinder von ihren Eltern nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>; 60, 79 <93>). In Übereinstimmung mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen erklärt § 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur dann für zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann.

An die Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Trennung sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 Satz 1 BGB bei der Wegnahme des Kindes nicht vorlagen (vgl. BVerfGE 68, 176 <189>). Strengere Anforderungen gelten auch dann, wenn die ursprünglich durch § 1666 BGB begründete Trennung des Kindes von seinen Eltern nicht auf einer missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge, sondern auf einem unverschuldeten Elternversagen beruhte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 – XII ZB 68/11 -, juris, Rn. 22). Die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verschärfen sich auch dann, wenn die Eltern (mittlerweile) grundsätzlich als erziehungsgeeignet anzusehen sind und den Kindern in deren Haushalt für sich genommen keine nachhaltige Gefahr droht, sondern die Kindeswohlgefährdung gerade aus den spezifischen Belastungen einer Rückführung resultiert.

(2) Diese strengeren Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes schlagen sich insbesondere in einer erhöhten Verpflichtung der beteiligten Behörden und Gerichte nieder, Maßnahmen in Betracht zu ziehen, mit denen ein Zueinanderfinden von Kind und Eltern gelingen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 – XII ZB 68/11 -, juris, Rn. 29). Stets ist zu fragen, ob sich die Kindeswohlgefahren durch eine behutsame, insbesondere zeitlich gestreckte, Rückkehr reduzieren lassen. Sind die Eltern nicht ohne Weiteres in der Lage, den erzieherischen Herausforderungen gerecht zu werden, vor die sie im Fall der – sei es auch zeitlich gestreckten – Rückkehr eines über längere Zeit fremduntergebrachten Kindes gestellt sind, sind sie hierbei in besonderem Maße durch öffentliche Hilfen zu unterstützen (§ 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Verpflichtung des Staates, die Eltern bei der Rückkehr ihrer Kinder durch öffentliche Hilfen zu unterstützen, kann in einer solchen Konstellation nach Art und Maß über das hinausgehen, was der Staat üblicherweise zu leisten verpflichtet ist.

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts, durch die den Eltern wesentliche Teile des Sorgerechts in der Hauptsache entzogen wurden, nicht mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar.

aa) An die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs sind hohe Anforderungen zu stellen, weil die Notwendigkeit der zunächst mit Einverständnis der Eltern erfolgten Fremdunterbringung nicht auf einer missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge beruhte, sondern allenfalls auf einem unverschuldeten Unvermögen der Eltern infolge der schweren und länger andauernden Erkrankung der Mutter nach der Geburt.

bb) Ob den Kindern im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts bei einer Rückführung zu ihren Eltern eine die Aufrechterhaltung der Trennung verfassungsrechtlich rechtfertigende Gefahr gedroht hätte, kann dahinstehen. Die Sorgerechtsentziehung war jedenfalls unverhältnismäßig. Es ist nicht erkennbar, dass das Amtsgericht im verfassungsrechtlich gebotenen Maße Möglichkeiten erwogen hat, mit denen die behutsame Rückführung der Kinder erreicht werden könnte.

Noch im Termin im Hauptsacheverfahren am 3. Mai 2011 hatte das Amtsgericht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens die Vorbereitung der Rückführung der Kinder ins Auge gefasst und eine Zwischenvereinbarung zwischen Jugendamt und Eltern herbeigeführt, die dieses Ziel insbesondere durch Installation einer Familienhilfe und durch verstärkte Umgangskontakte der Eltern mit ihren Kindern umsetzen sollte, um auf dieser Grundlage im September 2011 gegebenenfalls endgültig eine Rückführung anstoßen zu können.

Das Jugendamt, das demgegenüber bereits im Februar 2011 die Auffassung vertreten hatte, dass eine Rückführung nicht angezeigt und dauerhaft nicht zu verantworten sei, hat die Rückführung allerdings bereits im August 2011 für endgültig gescheitert erklärt. Auch mittelfristig oder langfristig erscheine eine eventuell zu planende Rückführung unverantwortlich. Unabhängig davon, wie die Entwicklung der aufgrund der Zwischenvereinbarung durchgeführten Umgangskontakte verfassungsrechtlich im Einzelnen zu würdigen ist, ist die frühe Festlegung angesichts der in diesem außergewöhnlichen Fall auch das Jugendamt in besonderem Maße treffenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung, auf die Ermöglichung einer Rückkehr der Kinder hinzuwirken, schwer nachvollziehbar.

Im September 2011 hat schließlich auch das Amtsgericht eine Rückkehr nicht weiter verfolgt, sondern hat den Eltern wesentliche Teile des Sorgerechts in der Hauptsache entzogen. Dass so der frühe Ausschluss der Rückkehroption seitens des Jugendamts auch gerichtlich nachvollzogen und durch den Sorgerechtsentzug rechtlich verstärkt wurde, wird dem Elterngrundrecht nicht gerecht. Die gerichtliche Billigung der raschen Aufgabe der Rückkehroption ist insbesondere vor dem Hintergrund unverständlich, dass der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung am 3. Mai 2011 ausgeführt hatte, dass eine Rückführung über einen langen Zeitraum vorbereitet werden müsste und zunächst intensive Kontakte, etwa über das Wochenende hergestellt werden müssten; das Ganze müsse sich wohl bis zu einem Jahr hinstrecken. Dass die kindeswohlverträgliche Rückführung gleichwohl bereits im September 2011 endgültig unmöglich erscheinen musste, lässt die Entscheidung nicht erkennen und drängt sich auch ansonsten nicht auf. Die vom Amtsgericht bemängelten Defizite der Eltern hätten unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gegebenenfalls zu einer Intensivierung der Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII führen müssen, hätten aber nicht die Aufgabe der Rückführungspläne gerechtfertigt. Wenn etwa die zum damaligen Zeitpunkt wohl bestehende Sprachbarriere im konkreten Fall tatsächlich die vom Gericht beschriebenen Probleme aufgeworfen hätte, wäre an eine Förderung der Sprachkompetenz sowohl der Mutter als auch der Kinder zu denken gewesen.

c) Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 2. September 2013 hält der verfassungsrechtlichen Überprüfung an Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG im Ergebnis nicht stand.

aa) An die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs sind besonders hohe Anforderungen zu stellen. Dies folgt zum einen – wie schon im Hinblick auf die Entscheidung des Amtsgerichts – daraus, dass die Notwendigkeit der zunächst mit Einverständnis der Eltern erfolgten Fremdunterbringung nicht auf einer missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge beruhte, sondern allenfalls auf einem unverschuldeten Unvermögen der Eltern infolge der schweren und länger andauernden Erkrankung der Mutter durch die Geburt. Zum anderen ergeben sich strenge Anforderungen daraus, dass das Oberlandesgericht die Gefährdung des Kindeswohls gerade darin sieht, dass die Kinder zu ihren leiblichen Eltern zurückgeführt werden sollen, eine von der Rückführung unabhängige Kindeswohlgefährdung durch das Erziehungsverhalten der Eltern hingegen nicht explizit feststellt.

bb) Ohne Weiteres nachvollziehbar ist die auf die Feststellungen der Sachverständigen gestützte Annahme des Gerichts, dass mit der Rückführung zum Zeitpunkt der Entscheidung ein hohes Risiko einer Traumatisierung der Kinder verbunden war, da die Kinder zu diesem Zeitpunkt bereits lange Zeit bei den Pflegeeltern gelebt hatten.

cc) Angesichts der spezifischen Umstände der Fremdunterbringung der Kinder und des konkreten behördlichen und gerichtlichen Verfahrensverlaufs hätte aber auch das Oberlandesgericht nach der hier ersichtlichen Sachlage unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die Möglichkeit einer baldigen Rückkehr der Kinder zu ihren Eltern nicht ausschließen dürfen, sondern hätte zur Sicherung des Kindeswohls mildere Maßnahmen als den Sorgerechtsentzug in Betracht ziehen müssen. Dass eine kindeswohlverträgliche Rückkehr endgültig unmöglich war, lässt sich der Entscheidung nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen (1). Das Gericht hätte dabei weitere Maßnahmen öffentlicher Hilfen erwägen müssen (2).

(1) Das Oberlandesgericht geht gestützt auf die ergänzenden Ausführungen der im Verfahren vor dem Oberlandesgericht tätigen Sachverständigen davon aus, dass die Eltern die zur kindeswohlverträglichen Gestaltung einer Rückkehr erforderlichen Erziehungskompetenzen nicht besitzen und auch nicht mehr innerhalb eines Zeitraums erwerben können, in dem eine Rückführung noch möglich wäre. Dass dies zutrifft, lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen.

Das Oberlandesgericht stützt sich unter anderem auf die Aussage der Verfahrensbeiständin, dass die Umgangskontakte auch nach langer Zeit der Begleitung noch unstrukturiert und unkoordiniert abgelaufen seien. Perspektivisch nimmt es aufgrund der Angaben der Sachverständigen an, dass der Kompetenzzuwachs, der insbesondere bei der Mutter gesehen werde, zu langsam sei, um dem Entwicklungsprozess und den Bedürfnissen der Kinder standzuhalten. Die Voraussetzungen könnten auch durch eine sozialpädagogische Familienhilfe nicht geschaffen werden; diese Zeit stehe nicht mehr zur Verfügung.

Diese insbesondere auf Aussagen der Verfahrensbeiständin und der Sachverständigen gestützten Einschätzungen stehen in Gegensatz zu den Aussagen des seit März 2012 eingesetzten Umgangsbegleiters, der im Anhörungstermin am 14. Mai 2013 dem Oberlandesgericht durchweg positiv berichtete. Den Eltern gelinge es, den Kindern Liebe und emotionale Wärme zu vermitteln; sie seien in der Interaktion mit ihren Kindern meist freundlich, zugewandt und liebevoll. Es gelinge ihnen, ihren Kindern mit Achtung und Respekt zu begegnen und Rituale und Gewohnheiten zu schaffen, die ihren Kindern Struktur, Verlässlichkeit und Kontinuität geben. Sie sorgten für eine Umgebung, die ihre Kinder anregte. Sie seien in der Lage, angemessene Regeln und Grenzen zu setzen und für die Sicherheit ihrer Kinder zu sorgen. Entsprechend hatte der Umgangsbegleiter bereits im Februar 2013 unbegleitete Umgangskontakte für möglich gehalten, was das Jugendamt allerdings ablehnte.

Auch die Sachverständige schildert in ihrem Bericht über den letzten von ihr beobachteten Umgangstermin Veränderungen im Verhalten der Eltern zum Positiven. Es wird ausgeführt, dass die Mutter die Rückmeldungen, die in der Erstbegutachtung bezüglich ihres Interaktionsverhaltens gegeben worden seien, offensichtlich zur Kenntnis genommen habe und sich bemühe, hier Veränderungen einzuleiten. Sie habe erkannt, dass sie mehr Übersicht und Ruhe aufbringen müsse, dass sie sich intensiver mit den Kindern beschäftigen müsse.

Mit beidem setzt sich das Gericht nicht auseinander, so dass sich nicht nachvollziehen lässt, warum den für die Weiterverfolgung der hier grundsätzlich gebotenen Rückkehroption sprechenden positiven Schilderungen der Umgangskontakte neben den negativen Berichten keine Bedeutung beigemessen wurde.

(2) Angesichts der Besonderheiten des konkreten Falls hätte das Gericht bei Zweifeln am vorhandenen Erziehungspotenzial der Eltern zudem weitere Maßnahmen öffentlicher Hilfen erwägen müssen.

Als mildere Mittel kommen hier Maßnahmen in Betracht, die die Rückführung der Kinder in die Obhut der Beschwerdeführer mit staatlicher Hilfe noch ermöglichen könnten. Zwar haben die Beschwerdeführer seit der Geburt der Kinder öffentliche Hilfen erhalten, die in erster Linie in der Fremdunterbringung der Kinder bestanden. Darin erschöpft sich die staatliche Verpflichtung, die Rückkehr der Kinder zu ihren Eltern zu unterstützen, jedoch nicht. Aufgrund der Vorgeschichte waren hier Leistungen in Betracht zu ziehen, die nach Art und Umfang über das hinausgehen können, was der Staat üblicherweise zu leisten verpflichtet ist.

Hätten die Kindeseltern ihnen angebotene Maßnahmen nicht ergriffen und sich angebotenen Hilfen verweigert, könnte dies allerdings die Einstellung von Hilfemaßnahmen begründen. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Die Eltern haben nach der Geburt die Unterstützung durch eine Notmutter angenommen. Sie haben anschließend in eine vorübergehende Fremdunterbringung der Kinder und in eine zeitliche Streckung der Rückführung der Kinder nach Genesung der Mutter eingewilligt; ihr Einverständnis zur Fremdunterbringung haben sie erst im Februar 2011 zurückgenommen. Ein Aufenthalt in einer Mutter-Kind-Einrichtung wurde vom Jugendamt von vornherein verworfen. Bereits im November 2010 haben die Beschwerdeführer zudem einen Antrag auf Einleitung einer sozialpädagogischen Familienhilfe gestellt. Diesen lehnte das Jugendamt mit der Begründung ab, er sei „gegenstandslos“, weil bereits eine öffentliche Hilfe nach § 33 SGB VIII in Gestalt der Fremdunterbringung der Kinder erbracht werde. Warum die Behörde gar nicht erst in Betracht gezogen hat, den Eltern zusätzliche Hilfen insbesondere im Hinblick auf die Stärkung ihrer Erziehungskompetenz zu gewähren, erschließt sich nicht, zumal das Jugendamt einerseits offenkundig erhebliche Zweifel an der bestehenden Kompetenz der Eltern hegte und andererseits von Verfassungs wegen gehalten war, auf eine Rückkehr der Kinder hinzuarbeiten.

Auch dass es nicht zu dem im Rahmen der Anhörung am 14. November 2012 mit dem Jugendamt vor dem Oberlandesgericht vereinbarten Erziehungskompetenz-training gekommen ist, ist den Beschwerdeführern kaum zuzuschreiben. Der für den 12. Dezember 2012 zunächst anberaumte Termin des Erziehungskompetenztrainings wurde durch das Jugendamt abgesagt, weil die mit der Aufgabe betraute Trainerin erkrankt war. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer auf die baldige Durchführung des Trainings gedrungen hatte, erwies sich, dass sich die Erkrankung der Trainerin längere Zeit hinzog. Mit der daraufhin vom Jugendamt vorgeschlagenen Einrichtung, die auch in der Zeit von Juni 2011 bis September 2011 die begleiteten Umgänge durchgeführt und darüber im Ergebnis eher negativ berichtet hatte, konnten sich die Beschwerdeführer eine weitere Zusammenarbeit nicht vorstellen. Die Beschwerdeführer sprachen selbst eine Trainerin an, die ihre ursprünglich geäußerte Bereitschaft, das Training durchzuführen, allerdings später zurückzog. Dass das Jugendamt nach dem krankheitsbedingten Ausfall der ursprünglich beauftragen Trainerin nicht zügig Ersatz organisiert hat und den Beschwerdeführern später ein Angebot unterbreitete, das anzunehmen ihnen offenkundig viel zugemutet hätte, ist schon deshalb schwer nachzuvollziehen, weil die Sachverständige im Anhörungstermin am 14. November 2012 unmissverständlich auf den hohen Zeitdruck hingewiesen hatte; es bestehe ein Dilemma, weil einerseits ein etwaiger Prozess der Rückführung Zeit brauche, andererseits wegen der Altersentwicklung der Kinder die Zeit davon laufe.

Dass das Jugendamt die Rückkehr der Kinder nicht für angezeigt hielt und eine Rückführung bislang nicht mit hoher Intensität unterstützt hat, spricht nicht gegen die Eignung weiterer öffentlicher Hilfen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 49 f.). Das Oberlandesgericht kann vielmehr davon ausgehen, dass das Jugendamt im Fall einer gerichtlich vorgegebenen Rückkehrperspektive die Gewährung öffentlicher Hilfen entsprechend effektuieren würde. Ansonsten könnten die Beschwerdeführer – sofern ihnen das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen nicht entzogen würde – ihre in der vorliegenden Konstellation gesteigerten Hilfeansprüche nach §§ 27 ff. SGB VIII gegebenenfalls im Verwaltungsrechtsweg durchsetzen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2014 – 1 BvR 2695/13 -, juris, Rn. 37; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 52).

2. Ob darüber hinaus die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Verstöße gegen Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen, kann hier dahinstehen.

3. Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 13. September 2011 und des Oberlandesgerichts vom 2. September 2013 beruhen auf den Verstößen gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführer getroffen hätten.

4. Es erscheint angezeigt, nur den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG), denn es liegt im Interesse der Beschwerdeführer, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. BVerfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>).

5. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
 
Kirchhof
Eichberger
Britz

BVerfG, Beschluss vom 22.05.2014
1 BvR 2882/13

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