1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Oldenburg vom 20. Februar 2017 – 5 F 1433/16 EASO – und des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 25. April 2017 – 4 UF 39/17 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Oldenburg zurückverwiesen.
2. Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
3. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich, auch im Wege des Eilantrags, gegen den im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgten teilweisen Entzug der elterlichen Sorge für seine beiden im Jahr 2016 geborenen Zwillingstöchter.
1. a) Der Beschwerdeführer, ein belgischer Staatsangehöriger, ist Vater zweier Kinder. Die Eltern leben voneinander getrennt. Der Beschwerdeführer wohnt und arbeitet in Belgien, die Mutter lebt in Deutschland. Die Mutter ist gebürtige Ivorerin, betreibt in der Bundesrepublik ein Asylverfahren und verfügt über eine entsprechende Aufenthaltsgestattung. Nachdem die Eltern im Sommer des Jahres 2015 eine kurze Beziehung eingegangen waren, hielt sich der Beschwerdeführer, der ursprünglich aus Guinea stammt, zunächst von Herbst 2015 bis in das Frühjahr des Jahres 2016 in Afrika auf. Von der Schwangerschaft und der Geburt der Kinder wusste der Beschwerdeführer zunächst nichts. Nach der Geburt im März 2016 kümmerte sich die Mutter allein um die Kinder. Im August/September 2016 erfuhr der Beschwerdeführer erstmals von seiner Vaterschaft.
b) Am 13. Dezember 2016 nahm das Jugendamt die Kinder, die sich zu diesem Zeitpunkt bei der Mutter aufhielten, aufgrund erheblicher Kindeswohlgefährdungen in Obhut. Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 21. Dezember 2016 entzog das Amtsgericht der Mutter im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Gesundheitsfürsorge, das Recht zur Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen sowie das Recht der Vertretung bei Behörden und ordnete insoweit Ergänzungspflegschaft des Jugendamts an. Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt weder dem Jugendamt noch dem Familiengericht bekannt.
c) Der Beschwerdeführer erkannte seine Vaterschaft am 19. Dezember 2016 mit Zustimmung der Mutter an. Die Eltern gaben zugleich eine gemeinsame Sorgerechtserklärung ab. Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 6. Januar 2017 bestellte das Amtsgericht im Verfahren der einstweiligen Anordnung eine Verfahrensbeiständin, die die Eltern sogleich kontaktierte und sich in ihrer Stellungnahme vom 23. Januar 2017 gegen eine Rückkehr der Kinder zu der Mutter und für einen begleiteten Umgang der Kinder sowohl mit der Mutter als auch mit dem Beschwerdeführer aussprach. Unter dem 24. Januar 2017 gab das Jugendamt ebenfalls eine Stellungnahme ab, in der es die Erziehungsgeeignetheit der Mutter und die Vaterschaft des Beschwerdeführers in Frage stellte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 17. Februar 2017 wurden die Vertreterin des Jugendamtes sowie die Eltern angehört. Das Jugendamt sprach sich für eine dauerhafte Fremdunterbringung aus und beantragte, den Eltern die gesamte elterliche Sorge zu entziehen. Die Erziehungsfähigkeit der Mutter sei erheblich eingeschränkt, was unter anderem auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen sei. Im Anhörungstermin erklärte der Beschwerdeführer, dass es sein Wunsch sei, dass die Kinder zu ihrer Mutter zurückkehrten. Es sei geplant, dass er in der Zukunft mit den Kindern und der Mutter, mit der er sich in einer Beziehung befinde, zusammenlebe. Beide Elternteile wollten, dass es den Kindern gut gehe.
d) Mit angegriffenem Beschluss vom 20. Februar 2017 hielt das Amtsgericht den teilweisen Sorgerechtsentzug in Bezug auf die Mutter aufrecht und entzog nunmehr auch dem Beschwerdeführer das Sorgerecht im selben Umfang wie der Mutter. Im Falle einer weiteren Versorgung durch die Mutter sei das Kindeswohl der beiden Kinder erheblich gefährdet. Auch durch andere Hilfeleistungen durch das Jugendamt könne diese Gefährdung nicht beseitigt werden. Die Mutter habe sich geweigert, einen entsprechenden Antrag zu Jugendhilfemaßnahmen zu unterschreiben. Sie sei auch nicht in der Lage, die Kinder angemessen zu versorgen. Ihre Nachlässigkeiten hätten letztlich in dem von ihr als Unfall geschilderten Vorfall gegipfelt, bei dem eines der Kinder massive Verbrennungsverletzungen erlitten habe. Die Hilfen, die bisher eingerichtet worden seien, hätten nicht dazu geführt, dass sie ihr Verhalten reflektiert und geändert habe. Ob dies aufgrund einer psychischen Beeinträchtigung der Fall sei und ob eine Rückführung der Kinder gegebenenfalls mit Hilfestellungen möglich sei, solle im Rahmen eines einzuholenden Erziehungsfähigkeitsgutachtens im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Auch dem Beschwerdeführer seien Teile des Sorgerechts zu entziehen, da er mitgeteilt habe, dass er sich wünsche, dass die Kinder zur Mutter zurückkehrten.
e) Gegen den vorgenannten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 3. März 2017 Beschwerde ein und stellte einen Aussetzungsantrag gemäß § 64 Abs. 3 FamFG. Zur Begründung führte er aus, dass in Bezug auf seine Person weder eine Kindeswohlgefährdung festgestellt noch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen worden sei.
f) Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 12. April 2017 wies das Oberlandesgericht den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen Beschlusses vom 20. Februar 2017 zurück und wies darauf hin, dass es die Absicht habe, die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen. Folge des Entzugs der elterlichen Sorge der Kindesmutter sei der Übergang der Gesamtsorge auf den Beschwerdeführer gemäß § 1680 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 BGB, was diesem das Recht verschaffen würde, die Kinder zu sich zu nehmen, über wesentliche Belange der Gesundheitsfürsorge zu entscheiden, Jugendhilfemaßnahmen zu beantragen, aber auch abzulehnen und die Kinder gegenüber den Behörden zu vertreten. Zum jetzigen Zeitpunkt sei nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer in der Lage und geeignet sei, diese Aufgaben der elterlichen Sorge zum Wohl der Kinder wahrzunehmen. Der von dem Beschwerdeführer im Termin zur mündlichen Erörterung geäußerte Wunsch, die Kinder mögen zur Mutter zurückkehren, zeige, dass er sich selber nicht in der Lage sehe, die Bereiche, insbesondere die Betreuung und Versorgung der Kinder, zum jetzigen Zeitpunkt wahrzunehmen und dass er eine Maßnahme anstrebe, die mit dem Wohl der Kinder nicht vereinbar sei und sich mithin als kindeswohlgefährdend darstelle. Soweit der Beschwerdeführer zur Begründung der begehrten Aussetzung erklärt habe, dass er mit einer Verbleibensanordnung einverstanden wäre, da er nicht vorhabe, die Kinder abrupt aus der Einrichtung herauszunehmen und diese derzeit in der Einrichtung verbleiben sollten, sei zu berücksichtigen, dass sich diese Bereitschaft offensichtlich zunächst nur auf die beantragte Aussetzung der Vollziehung beziehe und zudem im Widerspruch zu den früheren Bekundungen im Termin zur mündlichen Erörterung am 17. Februar 2017 stünde. Es könne daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht verantwortet werden, dass der Beschwerdeführer seine Meinung unter Umständen ändere, die Kinder kraft seiner Sorgerechtskompetenz aus der Einrichtung herausnehme und es dadurch zu einer Gefährdung des Kindeswohls komme. Hierbei sei im Besonderen zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Leben der Kinder bislang keine Rolle gespielt habe. Eine tragfähige Beziehung habe bis dato nicht aufgebaut werden können. Insoweit bedürfe es in Bezug auf den Beschwerdeführer auch nicht der Feststellung eines nachhaltigen und ursächlichen Fehlverhaltens, da dieser die elterliche Rolle bislang noch überhaupt nicht wahrgenommen habe. Hieran vermöge der allein rechtlich bedeutsame Aspekt der Abgabe einer Sorgerechtserklärung nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer sei mithin derzeit im Rahmen der erforderlichen Abwägung zwischen einer Fremdunterbringung und einer vorrangig zu prüfenden Unterbringung bei ihm selbst als anderem sorgeberechtigtem Elternteil nicht als vorzugswürdig anzusehen. Die Übernahme der elterlichen Sorge durch den Beschwerdeführer nach dem vorläufigen Entzug gegenüber der Mutter komme daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht. Mildere Mittel seien nicht gegeben. Nachdem der Beschwerdeführer nun in das Leben der Kinder getreten sei, sei es seine vorrangige Aufgabe, eine tragfähige Beziehung aufzubauen und gegebenenfalls mit der Mutter gemeinsam die Voraussetzungen zu schaffen, um den Kindern ein tragfähiges, am Kindeswohl orientiertes Zuhause zu bieten. Ob der Beschwerdeführer hierzu allein oder seinem Wunsch entsprechend gemeinsam mit der Mutter in der Lage und geeignet sei, müsse der Klärung durch ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten vorbehalten bleiben, welches im bereits eingeleiteten Hauptsacheverfahren einzuholen sein werde. Entsprechende Ermittlungen im Rahmen der summarischen Prüfung des einstweiligen Anordnungsverfahrens seien weder angezeigt noch geboten.
g) Zu dem Hinweis des Oberlandesgerichts verwies der Beschwerdeführer unter anderem darauf, dass er die Erziehungsgeeignetheit seiner Person nicht unter Beweis stellen müsse. Im Falle der Aufrechterhaltung seines Sorgerechts wolle er die Kinder nicht aus der Bereitschaftspflegefamilie, in der sie sich zurzeit aufhielten, herausnehmen. Er sei vielmehr mit einer Verbleibensanordnung einverstanden. Er beabsichtige auch nicht, die Kinder ohne weitere Aufsicht der Mutter zu überlassen.
h) Mit angegriffenem Beschluss vom 25. April 2017 wies das Oberlandesgericht die Beschwerde zurück. Zur Begründung verwies es auf den Inhalt des Hinweisbeschlusses vom 12. April 2017. Der Beschwerdeführer habe im Leben der Kinder bislang keine Rolle gespielt. Er sei erstmalig durch die unter dem 19. Dezember 2016 abgegebenen Erklärungen zur Anerkennung der Vaterschaft sowie zum gemeinsamen Sorgerecht in das Leben der Kinder getreten. Den Kindern sei es daher nicht möglich gewesen, eine tragfähige Beziehung zum Beschwerdeführer aufzubauen. Diese müsse erst noch geschaffen werden. Eine alleinige Sorgerechtsübernahme durch den Beschwerdeführer, die gemäß § 1680 Abs. 3 BGB kraft Gesetzes eintreten würde, stelle sich daher zum jetzigen Zeitpunkt als kindeswohlgefährdend dar.
2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.
Die Gerichte hätten die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung verkannt. Er habe wiederholt deutlich gemacht, dass er keineswegs beabsichtige, die Kinder abrupt aus der Pflegefamilie herauszunehmen. Auch hätten die Gerichte verkannt, dass er als Elternteil seine Erziehungsfähigkeit nicht positiv unter Beweis stellen müsse. Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen Gewährleistungsinhalt des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ergebe sich aus einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung.
3. Die Akte des Ausgangsverfahrens lag dem Bundesverfassungsgericht vor.
4. Das Bundesverfassungsgericht hat der Landesregierung Niedersachsen, dem Jugendamt, der Verfahrensbeiständin der Kinder und der Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II.
Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des gerügten Elternrechts des Beschwerdeführers angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden und die Verfassungsbeschwerde hiernach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Der Beschwerdeführer ist in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.
1. Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts sind nicht mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar.
a) aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar, der nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen beziehungsweise aufrechterhalten werden darf (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt diesen Eingriff nur unter der strengen Voraussetzung, dass das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>; 72, 122 <140>; 136, 382 <391>; stRspr). Eine solche Gefährdung des Kindes ist dann anzunehmen, wenn bei ihm bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. November 2014 – 1 BvR 1178/14 -, juris, Rn. 23, m.w.N.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Februar 2017 – 1 BvR 2569/16 -, juris, Rn. 44 m.w.N.).
Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, unterliegt wegen des besonderen Eingriffsgewichts einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung, die sich nicht darauf beschränkt, ob die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts beruht (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>), sondern auch auf einzelne Auslegungsfehler (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>) sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 136, 382 <391>) erstreckt ist.
bb) Der Grundrechtsschutz beeinflusst auch die Gestaltung des Verfahrensrechts (vgl. BVerfGE 53, 30 <65>; 55, 171 <182>; 79, 51 <66f.>; 99, 145 <162>). Das Gericht hat von sich aus – nach pflichtgemäßem Ermessen – die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranlassen und durchzuführen sowie die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Allerdings bestimmt das Fachgericht zugleich – auch in kindschaftsrechtlichen Verfahren – selbst über den Umfang seiner Ermittlungen (vgl. BVerfGE 79, 51 <62>). Das Verfahren muss aber grundsätzlich dazu geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182 f.>).
Im Eilverfahren bemessen sich die Möglichkeiten des Gerichts, das Sorgerecht ohne abschließende Ermittlung des Sachverhalts zu entziehen, einerseits nach dem Recht des Kindes (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG), durch die staatliche Gemeinschaft vor nachhaltigen Gefahren geschützt zu werden, und andererseits insbesondere nach dem Recht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), von einem unberechtigten Sorgerechtsentzug verschont zu bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 22). Weil bereits der vorläufige Entzug der gesamten Personensorge einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Eltern darstellt, sind grundsätzlich auch bei einer Sorgerechtsentziehung im Eilverfahren hohe Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung zu stellen. Soll das Sorgerecht vorläufig entzogen werden, sind die Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung umso höher, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden des Kindes wiegt, in je größerer zeitlicher Ferne der zu erwartende Schadenseintritt liegt und je weniger wahrscheinlich dieser ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 23). Einfachrechtlich drückt sich diese Anforderung in der Vorschrift des § 49 Abs. 1 FamFG aus, die ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden erfordert, was voraussetzt, dass ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht möglich ist, weil diese zu spät kommen würde, um die zu schützenden Interessen (hier: das Kindeswohl) zu wahren. Nicht ausreichend ist, dass die gerichtliche Entscheidung dem erstrebten Ziel (hier: dem Kindeswohl) am besten entsprechen würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2015 – 1 BvR 1084/15 -, juris, Rn. 20 m.w.N.).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen verletzen die angegriffenen Entscheidungen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Es wurden weder hinreichende Feststellungen zum Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung in Bezug auf den Beschwerdeführer getroffen (aa), noch erweist sich der vollständige Entzug der elterlichen Sorge als verhältnismäßig (bb).
aa) Dass eine den Sorgerechtsentzug bezüglich des Beschwerdeführers tragende Kindeswohlgefahr hinreichend wahrscheinlich ist, lässt sich den angegriffenen Entscheidungen nicht entnehmen und ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Das Oberlandesgericht geht bereits von einem unzutreffenden Entscheidungsmaßstab aus. Ferner haben die Gerichte den Sachverhalt im Hinblick auf das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung nicht im erforderlichen Maß ermittelt.
(1) Das Oberlandesgericht legt seiner Entscheidung einen unzutreffenden Entscheidungsmaßstab zugrunde. Indem es seine Entscheidung, dem Beschwerdeführer das Sorgerecht zu entziehen, darauf stützt, dass er gegenüber dem Vormund „nicht als vorzugswürdig“ anzusehen sei, verkennt es, dass die bloße Existenz „besserer“ Alternativen den Entzug der elterlichen Sorge nicht zu rechtfertigen vermag. Dieser kommt allein dann in Betracht, wenn im Falle des Verbleibs des Sorgerechts beim Betroffenen eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung zu befürchten wäre.
(2) Die Begründungen der angegriffenen Entscheidungen lassen das Vorliegen einer hinreichend konkreten Kindeswohlgefährdung, die es ohne weitere Aufklärung des Sachverhaltes rechtfertigen könnte, dem Beschwerdeführer das Sorgerecht sofort zu entziehen, nicht erkennen.
Insbesondere vermag das vom Oberlandesgericht angeführte Fehlen einer tragfähigen Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen Kindern allein keine Kindeswohlgefährdung zu begründen.
Die angegriffene Beschwerdeentscheidung beschränkt sich in der Sache auf die Äußerung der Befürchtung, der Beschwerdeführer werde künftig der Mutter die Betreuung der Kinder überlassen. Das Oberlandesgericht hat hierzu allerdings keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Es stützt sich ausschließlich auf die Äußerung des Beschwerdeführers im amtsgerichtlichen Anhörungstermin vom 17. Februar 2017, wonach er eine Rückkehr der Kinder zur Mutter wünsche. Demgegenüber hat der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren schriftsätzlich mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass er keineswegs einen unbeaufsichtigten Umgang der Kinder mit der Mutter befürworte und gerade nicht anstrebe, die Kinder abrupt aus der Bereitschaftspflegefamilie zu nehmen und der Mutter – unbeaufsichtigt – zu überlassen, sondern im Gegenteil eine Fortdauer der Fremdunterbringung anrege und auch akzeptieren werde. Die Ernsthaftigkeit dieser Angaben hätte das Oberlandesgericht näher überprüfen müssen. Insbesondere hätte es hierzu weiterer Ermittlungen etwa durch die Befragung der Fachkräfte (Jugendamt, Verfahrensbeiständin) und gegebenenfalls einer persönlichen Anhörung des Beschwerdeführers durch das Oberlandesgericht bedurft.
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung ergeben sich auch nicht aus dem Verweis des Oberlandesgerichts auf die Äußerungen der Verfahrensbeiständin und des Jugendamtes. Der Bericht der Verfahrensbeiständin vom 23. Januar 2017 enthält zu der Frage des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung, die aus der Sorgeberechtigung des Beschwerdeführers resultieren könnte, keinerlei Ausführungen und regt lediglich eine Begutachtung der Mutter an. Die im einstweiligen Anordnungsverfahren eingeholte Stellungnahme des Jugendamtes vom 24. Januar 2017 beschränkt sich auf die Aussage, dass der Beschwerdeführer nach Ansicht des Jugendamtes nicht der sorgeberechtigte Vater der Kinder sei, weshalb dieser im Zuge der Maßnahmen der Hilfe und Inobhutnahme nicht zu informieren gewesen sei und mangels Kontakts des Vaters zu den Zwillingen keine Umgangskontakte befürwortet würden. Im Rahmen der amtsgerichtlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2017 sprach die Vertreterin des Jugendamtes zwar der Mutter die Erziehungsfähigkeit ab, traf jedoch keine Aussage zum Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung durch den Beschwerdeführer im Falle der Ausübung des Sorgerechts durch ihn.
Die unzureichende Ausermittlung des Sachverhaltes war auch nicht deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich, weil ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden bestanden hätte (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2015 – 1 BvR 1084/15 -, juris, Rn. 25). Das Vorliegen eines dringenden Bedürfnisses für den sofortigen Sorgerechtsentzug lässt sich weder der Entscheidung des Amtsgerichts, noch der Entscheidung des Oberlandesgerichts entnehmen. Im Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen waren die Kinder bereits fremduntergebracht. Der Beschwerdeführer hatte zudem im Beschwerdeverfahren schriftsätzlich erklärt, die Kinder nicht voreilig zu sich nehmen zu wollen, sondern die Absicht kundgetan, diese in der Pflegefamilie zu belassen. Danach waren die Gefahren, die den Kindern im mütterlichen Haushalt drohten, gebannt; eine besondere Dringlichkeit lag daher nicht vor.
bb) Darüber hinaus ist der sofortige Entzug der elterlichen Sorge gegenüber dem Beschwerdeführer unverhältnismäßig (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG).
Die Begründung des Oberlandesgerichts lässt nicht erkennen, dass es erforderlich war, dem Beschwerdeführer im Wege einstweiliger Anordnung die gesamte Personensorge zu entziehen. Die vom Oberlandesgericht angenommene und vom Beschwerdeführer akzeptierte Notwendigkeit einer (vorübergehenden) Fremdunterbringung der Kinder allein erfordert nicht zwangsläufig den Sorgerechtsentzug. Selbst wenn eine Fremdunterbringung geboten ist, kann der Sorgerechtsentzug zur Abwendung einer dem Kind drohenden Gefahr insbesondere dann entbehrlich sein, wenn der erziehungsberechtigte Elternteil die Fremdunterbringung mitträgt und unterstützt und alle im Zusammenhang hiermit notwendig werdenden Mitwirkungshandlungen vornimmt oder vorzunehmen bereit ist. Sind die Eltern willens, die Gefahr für ihr Kind im Wege der Fremdunterbringung abzuwenden, ist ein familiengerichtliches Einschreiten grundsätzlich nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2014 – 1 BvR 725/14 -, juris, Rn. 39; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2015 – 1 BvR 1084/15 -, juris, Rn. 22 m.w.N.).
Der Beschwerdeführer hat einer Inobhutnahme der Kinder zu keinem Zeitpunkt widersprochen. Zwar hat er im Anhörungstermin vom 17. Februar 2017 geäußert, sich eine Rückkehr der Kinder zur Mutter und künftig ein Zusammenleben mit ihr und den Kindern zu wünschen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass er die Kinder aus der Bereitschaftspflegefamilie herausnehmen und der Mutter übergeben werde, sobald er die elterliche Sorge allein ausüben würde. Vielmehr hat der Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ausdrücklich eine Verbleibensanordnung und einen temporären Umgangsausschluss in Bezug auf die Mutter angeregt und zugleich versichert, die Kinder nicht voreilig zu sich nehmen zu wollen. Ausreichende Feststellungen dazu, weshalb zu befürchten sein könnte, dass er sich nicht an seine Zusicherung halten werde, lassen sich der Entscheidung nicht entnehmen.
Auch in der von dem Oberlandesgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Amtsgerichts finden sich keine Ausführungen, anhand derer sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür ergäbe, dass der Beschwerdeführer die Kinder unvermittelt und ohne vorherige Absprache aus ihrem derzeitigen Umfeld herausnehmen würde.
Selbst wenn nach – hier nicht durchgeführten – Ermittlungen des Oberlandesgerichts Zweifel an dieser Zusage des Beschwerdeführers fortbestanden hätten, wäre zu erörtern gewesen, ob der Erlass einer Verbleibensanordnung als milderes Mittel zu einem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts in Betracht gekommen wäre. Auch dies hat das Oberlandesgericht vorliegend nicht getan.
Sollte der Erlass einer Verbleibensanordnung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen als milderes Mittel nicht in Betracht kommen, hätte im Falle eines Herausgabebegehrens des Beschwerdeführers im Übrigen immer noch die Möglichkeit bestanden, ihm dann das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Eilverfahren zu entziehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2015 – 1 BvR 1084/15 -, juris, Rn. 24).
Ferner hat das Gericht keine Anhaltspunkte dafür benannt, dass das Jugendamt ohne einen sofortigen und vollständigen Sorgerechtsentzug daran gehindert gewesen wäre, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Kinder zu ergreifen, etwa weil der Beschwerdeführer notwendige Mitwirkungshandlungen nicht vorgenommen hätte. Weder die angegriffenen Entscheidungen noch die in Bezug genommenen Stellungnahmen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin lassen erkennen, dass und weshalb der Beschwerdeführer nicht willens oder in der Lage wäre, die im Rahmen der Personensorge erforderlichen Entscheidungen zum Wohle seiner fremduntergebrachten Kinder zu treffen und an den hierfür notwendigen Maßnahmen mitzuwirken, so dass es eines Entzugs der vollständigen elterlichen Sorge bedurft hätte.
c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesen Verstößen gegen das Elterngrundrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fachgerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers getroffen hätten.
2. Es erscheint angezeigt, nur den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG), weil dem Beschwerdeführer damit besser gedient ist. Denn es liegt in seinem Interesse, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. BVerfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>).
3. Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts gerichtet ist, bedarf es keiner Entscheidung, weil infolge der Aufhebung und Rückverweisung der Entscheidung des Oberlandesgerichts der Rechtsweg vor den Fachgerichten wieder eröffnet ist (vgl. BVerfGE 129, 1 <37>; 134, 106 <121>).
4. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
BVerfG, Beschluss vom 13.07.2017
1 BvR 1202/17