Moin,
beim Kindesunterhalt haben wir ja schon häufiger die Wechselwirkungen zwischen Sozial- und Familienrecht aufgrund der unterschiedlichen Bedarfs- und Leistungsfähigkeitsermittlung diskutiert ...
Habe mir aber gerade mal o.g. aktuellen Beschluß des BGH durchgelesen (<hier> veröffentlicht)... es geht noch verwirrender.
Wenn ich es richtig verstehe (und das ist bezogen auf diesen Beschluß nicht sicher):
1. Ein bedürftiger Elternteil hat vorrangig einen Anspruch auf Leistungen nach §§ 41 ff. SGB XII zu prüfen (Grundsicherung).
2. Danach kommt der familienrechtliche Unterhaltsanspruch (Elternunterhalt).
3. Bei weiterhin ungedecktem Bedarf kommt dann ein Anspruch nach § 19 Abs. 2 Satz 2, 27 ff. SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) in Betracht.
Der verhandelte Fall (so wie ich es verstanden habe):
Mutter ist bedürftig. Zwei Kinder, eines davon Brutto >100.000 EUR.
Grundsicherung wird wegen des einen gutverdienenden Sohnes verwehrt (§ 43 Abs. 3 Satz 6 SGB XII).
Vor Inanspruchnahme von "Hilfe zum Lebensunterhalt" wurde die Mutter an beide Söhne verwiesen.
Familienrechtlich wird eine Haftungsquote ermittelt. Der reiche Sohn zahlt, der nicht so reiche wehrt sich, weil er nix dafür kann, daß Mama Grundsicherung verwehrt bleibt.
Das geht durch die Familienrechtsinstanzen. Mutter verliert auf allen Ebenen.
Der BGH bestätigt nunmehr, daß Mutter zu Recht verloren hat, obwohl die Begründungen der Vorinstanzen falsch waren.
Die nunmehr seitens BGH aufgeführte "richtige" Begründung (Punkte 46/47) basiert auf § 242 BGB (Treu und Glauben), der kurzerhand (wenn auch nur ausnahmsweise) auch als anwendbar auf die Zukunft ausgelegt werden kann ...
Fazit:
Wenn erst hochbezahlte Richter durch verwirrende Rechtsauslegung zu einem rechtskräftigen Ergebnis kommen, daß dem logischen Menschenverstand folgend nachvollziehbar ist, dann sollte auch dem mindergebildeten Gesetzgeber einleuchten, daß seine Gesetzgebung leichte Schwächen aufweist.
Gruß
United
Genau. Es ist schon ein Unding, dass man überhaupt Anwälte benötigt um den Rechtsdschungel zu verstehen, denn schließlich ist ja jeder Bürger gehalten, sich an die Gesetze zu halten.
Noch absurder wird es, wenn man sich klar macht, dass es nicht mal mehr reicht Jura zu studieren und sich Vollzeit und von Berufswegen damit zu beschäftigen, sondern dass selbst das nur noch zu bewältigen ist, wenn sich Richter und Anwälte auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisieren und konzentrieren.
Nur der doofe Michel hat ALLE Gesetze zu kennen, weil er sich ja auch an ALLE halten muss.
Ich kann mich ja auch nicht, wenn ich mal bei Rot über ne Ampel gefahren bin, damit raus reden dass ich mich im Verkehrsrecht leider nicht so gut auskenne, weil ich nur Spezialist für europäisches Obst- und Gemüserecht bin.
Ein Mann, der seine Frau verlässt, ist ein Schuft.
Ein Mann, der von seiner Frau verlassen wird, ist auch ein Schuft, denn sonst hätte sie ihn ja nicht verlassen müssen.
Moin nochmal,
was ich mich nunmehr allerdings (unter dem Vorbehalt, daß ich den Beschluß richtig verstanden habe) frage:
Wer kommt jetzt für den ungedeckten Bedarf der Mutter auf ?
Muß sie sich jetzt noch bis zum BSG durchprozessieren ?
Oder Verfassungsgericht ?
Gruß
United
Moin United,
ich muß mir noch mal antworten ...
§ 242 Leistung nach Treu und Glauben
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Hat der BGH jetzt das Sozialgesetzbuch XII für sittenwidrig erklärt ?
Die werden mir langsam sympathisch.
Gruß
United
Noch absurder wird es, wenn man sich klar macht, dass es nicht mal mehr reicht Jura zu studieren und sich Vollzeit und von Berufswegen damit zu beschäftigen, sondern dass selbst das nur noch zu bewältigen ist, wenn sich Richter und Anwälte auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisieren und konzentrieren.
Nur der doofe Michel hat ALLE Gesetze zu kennen, weil er sich ja auch an ALLE halten muss.
Ich gehe noch einen Schritt weiter ...
Gegen irgendwelche Abstruse Rechtsprechung kann man sich nur noch wehren, wenn man VKH beantragen kann, oder unverschämt reich ist. Der gebildete "Normalo" fällt dabei raus, da er das Risiko überhaupt nicht abwägen kann.
Auch die Rechtsprechung ist hier in ihrer Argumentation nicht abschätzbar, und somit ist diese Justiz für meine Begriffe nicht demokratisch. In einer Demokratie müssen Entscheidungen nachvollziehbar sein, allgemeinverständlich und gleichbleibend sein. Natürlich verändert sich die Gesellschaft und die Rechtsprechung hat diesem zu folgen. Allerdings erweck sich der Eindruck, wie wenn die Justiz sich nicht auf die Gesellschaft einstellt, sondern 10 Jahre hinterher hinkt, oder diese kontinuierlich ignoriert.
Insgesamt also nur meine bescheidene Meinung.
Gruß
Kasper
Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge zu ertragen, die ich nicht Ändern kann, den Mut, Dinge zu Ändern, die ich Ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Hallo,
Ich verstehe ja noch die Reihenfolge, aber bizarr wird es wenn der Sohn mit dem geringerem Einkommen nicht zahlen muss, aber es letzlich auch keinen gibt, der die damit verbundene Lücke schliesst.
Vermutlich geht es darum aber gar nicht, das Urteil besagt, dass der Sohn mit geringerem Einkommen nicht zahlen muss, alles andere können dann weitere Gerichte klären! Zu weiter gehenden Entscheidungen war das Gericht gar nicht befugt.
Wenn man sich überlegt, dass die Mutter fast 80 ist, vermutlich keine höhere Schuldbildung genossen hat und jetzt einfach im Regen stehen gelassen wird, dann ist das ein Skandal. Ich will den etwas ärmeren Sohn nicht verurteilen, er hat halt seine Rechte gewahrt. Der Skandal ist ein politischer, weil es nicht Aufgabe eines Gerichts ist sinnvolle Gesetze zu erlassen, dafür ist der Gesetzgeber zuständig! Andererseits ist mittlerweile der GEsetzgeber auch überfordert, weil er eben auch nicht mehr durchsieht, was verständlich ist.
Irgendwie ist das ein Zirkelschluss, der dazu führt, dass der Rechtsstaat keiner mehr ist, weil ein Rechtsstaat von der Akzeptanz des Rechts und dem Vertrauen auf die Gesetze beruht.
VG Susi