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Mit der Scheidung in die Armut

 
 Uli
(@Uli)

Besonders Frauen leiden finanziell unter der Trennung - Millionen-Kosten für den Staat
von Inga Michler

Berlin - Sie hatte es geahnt, seit Monaten schon. Aber sie wollte nichts wissen. Sie lächelte müde, wenn ihr Mann immer später nach Hause kam. Bis sie nicht mehr lächeln konnte. Dann ging alles ganz schnell: Das Geständnis, ja, er habe eine Geliebte, die Trennung - und der soziale Abstieg. Das Geld aus dem Verkauf des Bremer Reihenhauses floß direkt an die Bank, um die Schulden zu tilgen. Christa M. zog mit ihren zwei Kindern, 14 und 16 Jahre alt, in eine kleine Wohnung. Doch ihr Mann, ein Arbeiter bei Kellogg's, konnte die beiden getrennten Haushalte nicht unterhalten. Der gelernten Schneiderin, seit 16 Jahren Hausfrau und Mutter, blieb nur der "Gang zu den Behörden". Dem Stich ins Herz folgte der Kratzer an der Ehre.

So wie Christa M. sind Tausende Frauen in Deutschland nach einer Trennung auf staatliche Hilfe angewiesen. Studien zeigen: Scheidung ist teuer: Für beide Eheleute - und für den Staat. Rund 214 000 Ehen wurden im vergangenen Jahr in Deutschland geschieden. Ob bei der Zahlung von Prozeßkosten, bei Vorschüssen für den Unterhalt oder mit dem Auffangnetz der Sozialhilfe, immer häufiger springt in gescheiterten Beziehungen die Allgemeinheit ein. Besonders hilfsbedürftig sind Frauen wie Christa M., die ihren Beruf aufgegeben haben, um zu Hause bei den Kindern zu bleiben. Dies ist paradoxerweise genau das Modell, zu dem der Staat seine Bürger ermuntert.

"Durch die Steuerprogression und die mangelnde Kinderbetreuung setzten wir genau die falschen Anreize", sagt Gert Wagner Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Mütter würden in die Hausfrauenrolle gedrängt, so der Forscher, der an den Armuts- und Reichtumsberichten der Regierung mitarbeitet. "Viele von ihnen schlagen damit einen sehr riskanten Weg ein." Statt auf wirtschaftliche Unabhängigkeit zu setzen, machten sie sich faktisch abhängig von ihrem Mann.

Bei der Scheidung sind in der Tat die abhängigen Partner meist die großen wirtschaftlichen Verlierer. Nach einer Studie des Kölner Sozialwissenschaftlers Hans-Jürgen Andreß haben sie ein Jahr nach der Trennung im Durchschnitt ein Drittel ihres vorherigen Pro-Kopf-Einkommens eingebüßt. Die ehemaligen Ehemänner dagegen verlieren nur etwas mehr als ein Zehntel. Entsprechend hoch ist der Anteil der Frauen, die in die Armut abgleiten. Zwei Jahre vor der Trennung galten 20 Prozent der Frauen als arm. Ein Jahr nach der Trennung war ihr Anteil auf 34 Prozent gestiegen. Zu diesem Schluß kommt Andreß' repräsentative Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums.

Die Kosten, die dem Staat aus den Scheidungen entstehen, hat bisher noch kein Ministerium errechnet. Hauptfaktor dürfte allerdings die steigende Zahl von Sozialhilfeempfängern sein. Mit der "besonderen Situation Trennung oder Scheidung" zählten die Statistiker im Jahr 2003 rund 390 000 Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, darunter 260 000 Mädchen und Frauen. Das waren rund 14 Prozent aller Hilfsempfänger. Ob die Trennung allerdings der Hauptgrund für die Hilfsbedürftigkeit war, läßt sich aus den Zahlen nicht herauslesen. Weiterer Kostenfaktor für die Allgemeinheit ist der Zuschuß, der mittellosen Streitenden zu den Gerichtskosten gewährt wird. Im Jahr 2003 bekamen fast 216 000 Parteien in einem Scheidungsverfahren Prozeßkostenhilfe. Und auch in einem weiteren Fall springt der Staat ein: Wenn ein Ehepartner seinen Unterhaltspflichten für die Kinder nicht nachkommt, bezahlt die Unterhaltsvorschußkasse. 2004 gab die Kasse rund 793 Mio. Euro aus. Nur 20 Prozent davon konnte sie sich von den säumigen Eltern zurückholen - den Rest übernahmen die Steuerzahler.

Das alles ist teuer. Das "Institut Scheidung" darf man deswegen nach Ansicht des Wirtschaftsprofessors Wagner jedoch keineswegs in Frage stellen. "Scheidung gehört zu einer liberalen Gesellschaft dazu. Das sollten wir uns immer leisten können", sagt der DIW-Experte. Die "Zwangsehe", unter der über Jahrhunderte vor allem Frauen litten, ist keine Alternative. Wohl aber einer Veränderung der staatlichen Anreize. Es gelte, die Frauen zu mehr wirtschaftlicher Selbständigkeit zu ermuntern.

Ein solches Umdenken fordert auch Familienforscher Andreß. Er empfiehlt, auf den Ausbau der Kinderbetreuung und die Förderung der Frauenerwerbstätigkeit zu setzen. Das Steuer- und Sozialsystem sollte in Richtung Individualbesteuerung umgebaut werden, um den staatlichen Anreiz zur Hausfrauenehe zu nehmen.

Im Bundesfamilienministerium stößt zumindest ein Teil der Forderungen auf offene Ohren. Immerhin steht ein Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten ganz oben auf der politischen Agenda. Allerdings sind bisher erst 1500 Euro im Jahr für die Betreuung von Kindern von der Steuer absetzbar. Ein Pferdefuß für die Erwerbstätigkeit von Ehefrauen und Müttern ist zudem noch immer das Steuersystem. Die Kombination von hoher Progression und Ehegattensplitting befördert die klassische "Versorgerehe".

Das Grundproblem der Scheidung bleibt ohnehin bestehen: Finanziell gesehen gibt es fast nur Verlierer. "Durch eine Scheidung werden selbst Normalverdiener an den Rand des Existenzminimums gedrängt", weiß Reinhard Popp von der Kanzlei Hans Dr. Popp & Partner in München. Von 3000 Euro netto im Monat könne zum Beispiel eine vierköpfige Familie gemeinsam gut auskommen. Zwei Wohnungen ließen sich mit dem Geld in München aber kaum finanzieren. Besonders schlecht stellen sich zerstrittene Eheleute, wenn sie die Wohnung oder das gemeinsame Haus unter Druck verkaufen. "Dann werden in der Regel nur Schulden verteilt", berichtet Popp.

Hinzu kommen die Kosten für die Scheidung: Die Standard-Trennung bei einem Familiennettoeinkommen von 3000 Euro im Monat und zwei Kindern kostet rund 1700 Euro. Bei weiteren Streitigkeiten wird es teurer. Davon profitieren vor allem Anwälte. Für sie sind Scheidungen ein blühendes Geschäft. 5943 Familienanwälte sind bei der Bundesanwaltskammer registriert. Übertroffen wird diese Gruppe nur von den Fachanwälten für Arbeitsrecht. Davon gibt es genau fünf mehr

Quelle: www.welt.de/data/2005/08/27/765999.html

Zitat
Geschrieben : 28.08.2005 01:20
(@weisnich)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Hallo Uli,
"Die ehemaligen Ehemänner dagegen verlieren nur etwas mehr als ein Zehntel."
Wie rechnen die das? Ich habe das subjektive Gefühl, dass es mehr ist. Und mein Konto sagt das selbe.

Oder brauche ich mir also doch keinen Kopf zu machen? 10% kann se haben 😎

Gruss

AntwortZitat
Geschrieben : 28.08.2005 02:08
 Xe
(@_xe_)
Registriert

Der gute Mann hat etwas unter... öhm... vergessen:

STK III/1:

Monatliches Bruttogehalt:
3000.00€
Lohnsteuer:
270.16 €
Kirchensteuer:
0.00 €
Solidaritätszuschlag:
0.00 €
Krankenversicherung:
250.50 €
Pflegeversicherung:
25.50 €
Rentenversicherung:
292.50 €
Arbeitslosenversicherung:
97.50 €
Monatliches Nettogehalt:
2063.84 €
Arbeitgeberbelastung:
3639.00 €

STK I/0,5:

Monatliches Bruttogehalt:
3000.00€
Lohnsteuer:
561.00€
Kirchensteuer:
0.00€
Solidaritätszuschlag:
26.52€
Krankenversicherung:
250.50€
Pflegeversicherung:
25.50€
Rentenversicherung:
292.50€
Arbeitslosenversicherung:
97.50€
Monatliches Nettogehalt:
1746.48€
Arbeitgeberbelastung:
3639.00 €

2063.84 €- 1746.48 € = 317,36 € oder -15,4 %.

Somit hat er den Verlust des Mannes ausschließlich durch die Steuerklasse berechnet, nicht aber durch den Regelunterhalt für (in diesem Beispiel) 1 Kind sowie den Unterhalt für die Ehegattin. Von seinem (bereinigten) Netto verbleibt 890 € SB, da die Halbquote für die Ehegattin nicht erreicht wird; nach Scheidung ist der SB gegenüber der Ehegattin je nach OLG um die 1000 €, die verbleiben. Somit pendelt sich im Beispiel der Verlust um die 50% ein. Somit ist die Aussage

"Von 3000 Euro netto im Monat könne zum Beispiel eine vierköpfige Familie gemeinsam gut auskommen. Zwei Wohnungen ließen sich mit dem Geld in München aber kaum finanzieren."

reiner Hohn - insbesondere, da nach Mikrozensus (destatis) ein solches Einkommen bereits über dem Durchschnitt liegt, insbesondere für nichtakademische Berufe.

Zu den zitierten 20% UVG-Rückholraten sei gesagt, daß ein Experiment mithilfe einer freien Kanzlei durchgeführt wurde. Die Rückholrate der Kanzlei im Vergleich zur UVG-Stelle war identisch, obwohl die Kanzlei ausschließlich auf Provisionsbasis arbeitete (19% zu 18%). Ausschließlich die Unterzeichnungen einer Anerkennung war signifikant höher, wurde aber später wieder durch die Zahlungsunfähigkeit der Unterzeichner dann revidiert.

Die Wirtschaftsfalle liegt in einem simplen Nebensatz. Wir haben hier mal ausgerechnet, daß jemand mit STK und nur einem einzigen Kind (!) über 4000 Euro brutto verdienen muß, damit der Anspruch der Ehegattin und des Kindes sowie der SB erfüllt ist. Dann erst verbleibt von jedem weiteren Euro 50 Cent beim Unterhaltszahler, darunter fließt alles in die Unterhaltsleistungen. Dieses wird allerdings in der Untersuchung genauso unterschlagen wie die Tatsache, daß innerhalb der Ehe ein einzelner Verdiener da ist, die Dame aus dem Beispiel allerdings seit der Geburt des ältesten Kindes zuhause war. Aus meiner Sicht kann es für eine derartig lange Abwesenheit vom Arbeitsmarkt kaum eine sinnvolle Bergründung geben, die einer logischen Betrachtungsweise standhält. Der Wiedereinstig ist nach derart langer Nichtberufstätigkeit irgendwo zwischen "extrem schwierig" und "unmöglich" anzusiedeln, was sich in einer in diesem Fall vermutlich lebenslangen Unterhaltspflicht niederschlägt.

Summa summarum (und auch, um niemanden zu tode zu langweilen) ist die gesamte Studie zielgerichtet, einseitig und kaum brauchbar - wie die meisten Studien im Auftrag des Bundesministeriums, daß Männer unter "ferner liefen" im Namen trägt. Solange diese auch nur aus demselben Kühlschrank essen, denn dort ist angeblich die Familie.

Gruß, Xe

AntwortZitat
Geschrieben : 28.08.2005 02:10
DeepThought
(@deepthought)
(Fast) Eigentumsrecht Moderator

Ich kann ja wieder nicht meine Klappe halten. Leserbrief von eben gerade:


Alte Klischees bedient

Sehr geehrte Damen und Herren,

erschreckend, in welcher Form sich die Forschung als H ure des BMFSFJ hergibt. Erschreckend, mit welch realitätsfremden Zahlen gearbeitet wird. Nicht überraschend, dass publikumswirksame Klischees bedient werden.

Allein durch den Übergang von Steuerklasse 3 in Steuerklasse 1 erleidet die "abgewickelte" Familie einen finanziellen Schaden von mehr als 300 Euro bei einem Bruttoverdienst i.H.v. 3.000 Euro. Ein Gehalt übrigens, welches gem. Mikrozensus nur auf einen geringen Teil der Bevölkerung zutrifft. Ferner ist es i.A. der Mann, der durch Unterhaltslasten bis auf den Selbstbehalt von 890 Euro gedrückt wird und zudem die Umgangskosten alleinig zu bestreiten hat.

Im Sinne einer objektiven Berichterstattung sollten sie für sich selbst einmal ausrechnen, welches Bruttoeinkommen ein nur einem 6-jährigen Kind und seiner nicht erwerbstätigen Ex-Frau zu Unterhalt verpflichteten Mann erzielen muss. Sie werden auf einen Betrag von über 4.100 Euro kommen. Erst dann ist der Unterhaltsbedarf von Kind und Ex erfüllt und der Mann hat nichts weiter als den Selbstbehalt. Von jedem Euro mehr darf er dann 50 Cent behalten.

Es ist ja geradezu grotesk, dass eine liberale Gesellschaft sich wohl offensichtlich erst durch hohe Scheidungsraten qualifiziert.

Es ist eine Schande, dass für solche Ausarbeitungen Steuergelder verschwendet werden.

Mit freundlichen Grüße

(Name)
www.vatersein.de

Der 15. Senat des OLG Celle befindet vatersein.de
in den Verfahren 15 UF 234/06 und 15 UF 235/06
als "professionell anmutend".
Meinen aufrichtigen Dank!

AntwortZitat
Geschrieben : 28.08.2005 16:39
 Xe
(@_xe_)
Registriert

Moin,

gehen wir doch mal Daten sammeln, woll? 🙂

Interessant ist auch dieser Artikel von Prof. Andreß. Definitiv widerspricht sich auch dieser Artikel, selbst nur beim Überfliegen des Artikels fielen diverse Ungereimtheiten auf.

Gruß, Xe

AntwortZitat
Geschrieben : 28.08.2005 20:56