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NRW: Veranstaltung zum Cochemer Modell

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(@andreadd)
Registriert

Hallo zusammen,

was mich noch beeindruckt hat, war folgendes:

Richter Rudolf berichtete, seinerzeit gegen seinen Willen zum Familienrichter "befördert" worden zu sein. Er hätte sich bis dahin im Baurecht u.a. mit Fugenklebern beschäftigt. Das wäre auch heute noch gängige Praxis. Man könne den Richtern nicht übel nehmen, dass sie die Situationen nicht kennen und nicht einschätzen können. Er selbst hätte sich anfänglich auch gerne auf Gutachter verlassen. Das wäre bestimmt keine Böswilligkeit.

Ihm sei ein Fall besonders in Erinnerung, in dem ein Sohn ihm einen Brief geschrieben hat, in dem er bat, seinen Vater nicht mehr besuchen zu müssen. Er wäre dem Wunsch dieses jungen damals selbstverständlich gefolgt. Erst später hätte er begriffen, dass der Junge bis zum Mai des vorherigen Jahres ein gutes Verhältnis zu seinem Vater gehabt hatte und hatte diesen seitdem überhaupt nicht mehr gesehen...

Heute täten ihm die Entscheidungen, die er damals getroffen hätte, leid. Der angerichtete Schaden sei nicht wieder gut zu machen.

Die Eingaben zur Kindschaftsrechtsreform seien 1982 erfolgt. 1998 wäre dann endlich das gemeinsame Sorgerecht und das Umgangsrecht in der jetzigen Form (abgespeckt) beschlossen worden.

Mir ist bekannt, dass das Cochemer Modell mit der Begründung abgelehnt wird (zumindest hier in Düsseldorf), es sei zu teuer. Richter Rudolf hat gestern deutlich gemacht, warum das nicht stimmt. Folgeprozesse sind nämlich die Ausnahme, weil die Eltern gemeinsam eine Einigung erzielt haben und dazu gebracht werden, wieder miteinander zu sprechen.

Es bleibt nur zu wünschen, dass möglichst viele Entscheidungsträger das schnell kapieren, damit es nicht wieder 16 Jahre zu einer Reform braucht.

Liebe Grüße
Andrea

Die 7 Todsünden der modernen Gesellschaft? Reichtum ohne Arbeit. Genuss ohne Gewissen. Wissen ohne Charakter. Geschäft ohne Moral. Wissenschaft ohne Menschlichkeit. Religion ohne Opfer. Politik ohne Prinzipien.
Dalai Lama

AntwortZitat
Geschrieben : 11.09.2007 17:38
(@brille007)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Moin,

ich muss es mal wieder schreiben: Ehen werden im Himmel geschlossen, aber auf Erden geschieden. Die Crux ist, dass man für die Auflösung einer Beziehung, zu deren Eingehen man heute nicht mal mehr ein Aufgebot oder Trauzeugen, sondern nur einen Standesbeamten braucht, die gleichen Mittel benutzt werden wie zur Aburteilung von Mördern: Gerichte, Richter, Anwälte, Schriftsätze und Gutachter. Das löst den unreflektierten Umkehrschluss aus: Wenn das die "Werkzeuge" zur Beendigung einer Ehe sind, muss es dabei ja auch (mindestens) einen Bösen geben. Bei einer Scheidung sehen viele Menschen nicht einfach das Ende eines gemeinsamen Weges (wie bei einem Job, den man irgendwann kündigt), sondern nur die Scherben von etwas, das mit einer Kutsche und einem weissen Kleid begonnen hat und lebenslang dauern sollte - einfach so.

Das Problem ist bekannt: Scheidungen sind ein gutes Geschäft - nicht nur für die beteiligten Anwälte, sondern für eine ganze Industrie. Und Interessenverbände haben ein grosses Interesse daran, alles so zu lassen wie es ist. Auch in der Medizin gibt es seit langem das Phänomen, dass man ein Medikament entwickelt - und hinterher die passende Krankheit dazu. Und wie AndreaDD geschrieben hat: Vielen Richtern ist offenbar gar nicht bewusst, welche Einschnitte ihre Entscheidungen im Leben der Menschen hinterlassen, über die sie "richten": Sie kennen die Beteiligten überhaupt nicht und haben trotzdem mit den wenigen Sätzen ihrer Urteile und Beschlüsse einen schwerwiegenden Einfluss auf deren weiteres Leben.

Modelle wie das Cochemer wären - guten Willen vorausgesetzt - innerhalb eines Jahres in nationales Recht umgesetzt. Und wenn man mit Streiten, mit Lug und Trug, mit Kindesentzug, Verleumdung und Umgangsboykott nichts mehr gewinnen kann, wäre das auch sehr schnell witzlos: Eltern wären damit auch nach ihrer Trennung einfach zur Kooperation im Interesse ihrer Kinder "verurteilt". Und mit Lösungen, die man gemeinsam gefunden hat, kann man hinterher auch viel besser leben.

Aber ich bin skeptisch: Wirklich etwas ändern wird sich erst, wenn der Zusammenhang zwischen dem geltenden Familienrecht und dem Rückgang der Geburten nicht mehr zu leugnen ist. Meinem 18-jährigen Sohn habe ich jedenfalls aus gutem Grund schon vor längerer Zeit zum Gebrauch von mindestens drei Kondomen übereinander geraten - ganz egal, was die Damen ihm über die Pille erzählen. Und irgendwann werde ich ihm erklären, was ein guter Ehevertrag ist...

Grüssles
Martin

When a mosquito lands on your testicles you realize that there is always a way to solve problems without using violence.

AntwortZitat
Geschrieben : 11.09.2007 20:13
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