Wechselmodell - wel...
 
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Wechselmodell - welcher Rhythmus für kleinere Kinder?

 
(@ponchik)
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Hallo zusammen,

hatte vor kurzem eine aufschlussreiche Diskussion zu den juristischen Hintergründen und Erfolgsaussichten des Wechselmodells
http://www.vatersein.de/forum-topic-8515.0.html

Nun würde ich gerne für die Praxis Erfahrungen einholen, welchen Wechselrhythmus man für meine Tochter (fast 22 Monate) am besten vereinbaren soll. Muss dazusagen, dass meine Frau ganztags berufstätig ist und das Kind auch in "ihrer" Betreuungsphase nur abends und am Wochenende sehen würde...

Freue mich auf Tipps!

Zitat
Themenstarter Geschrieben : 03.02.2007 11:47
(@haddock)
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Hallo, ponchik

generell kann man sagen: je kleiner / jünger das Kind, desto kürzer sollten die Wechselintervalle sein. Ein Kleinkind hat noch keinen Zeitbegriff. Es ist für es ein Abschied für immer, wenn ein Elternteil sich für 1 Woche verabschiedet. Dieser Abstand ist zu groß, zu abstrakt für das Kleinkind, als dass es die regelmäßige Wiederkehr des geliebten Elternteils in sein Urvertrauen aufnehmen, verinnerlichen könnte.

Fachleute sind sich einig, dass bei einem Kind von 22 Monaten eine Trennung von 3 (höchstens mal 4) Tagen die Bindung zum länger wegbleibenden ET auf mittelfristig leidet. Bim Kontakt mit dem Kind spielt es keine (große) Rolle ob deine Ex euer Kind nur Abends zu Gesicht bekommt: Es wird merken, das die KM für sie da ist, zuverlässig wiederkehrt und es nicht im Stich lässt - darauf kommt es an, nicht auf die Zeit. Wäre natürlich schön, wenn die Mutter auch ganze Tage mit dem Sprößling haben könnte - genau, wie das für dich gilt.

Ich habe irgendwo gelesen, dass es eine Studie mit eben deiner Fragestellung gibt. Ich werde mal danach zuchen und ggfs. hier einstellen.

Gruß
Haddock

AntwortZitat
Geschrieben : 03.02.2007 13:41
(@haddock)
Nicht wegzudenken Registriert

Hi,

Here it is:

Jan Piet H. de Man - 26.10.2005

Das Alter und die gleichmäßige Beherbergung (Unterbringung)

      Die gleichmäßige Beherbergung - genau so wie jede andere Aufenthaltsregelung - muss an das Alter des Kindes angepasst sein. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass, je älter man wird desto schneller die Zeit vergeht; oder anders gesagt, je jünger das Kind ist desto länger dauert Zeit für es. Um eine Idee von der subjektiven Erfahrung der Zeit zu bekommen, kann man sie so zum Ausdruck bringen, dass man sie prozentual zum Alter setzt. Auf diese Weise würde 1Tag für ein einjähriges Kind - in seiner subjektiven Zeiterfahrung - ebenso lange dauern wie für seine 30-jährigen Eltern 1 Monat; und 12 Tage (zwischen 2 Umgangswochenenden in der traditionellen Aufenthaltsregelung) ebenso lange wie 1 Jahr. Das bedeutet also, je jünger ein Kind ist, desto weniger besitzt es die Fähigkeit, eine Trennung von einer bestimmten Dauer auszuhalten.

      Der Weltexperte auf dem Gebiet von Kindern unter 3 Jahren, Dr. Michael Lamb und eine der Weltexpertinnen für Scheidungskinder, Dr. Joan Kelly, haben zusammen im Schlusskapitel von ihrem Artikel "Benutzung der Untersuchungen über die Entwicklung von Kindern, um auf Grund davon geeignete Entscheidungen zu treffen über die Aufenthalts- und Umgangsregelungen für Kleinkinder" die am besten fundierten Antworten gegeben auf die Frage: " Wie lang ist die angemessene Zeitdauer einer Trennung von Bindungspersonen?" [1]/. Tatsächlich zeigt sich, dass die Bedürfnisse von den Kindern, nicht zu lange von ihren Bindungspersonen getrennt zu sein, sich mit ihrem Alter entwickelt. Bedauerlicherweise gibt der Artikel nur konkrete Bezeichnungen (3 bis 6 Jahre: 3 bis 4 Tage; von rund 7 bis 8 Jahre: 5 bis 7 Tage) ab dem Alter von 3 Jahren. Für jüngere Altersstufen kann man das Buch von dem französischen Psychoanalytiker Dr. Maurice Berger zurate ziehen [2]/ (jedoch mit Vorsicht: es scheint nur auf Expertisen von besonderen Fällen zu basieren). Für Babys von 0 bis zu 1 Jahr meint er, dass "das Kind seinen Vater 2 bis 3 mal pro Woche sehen dürfe, während jeweils 3 bis 4 Stunden ohne Übernachtung"; "ab einem Jahr kann eine Nacht dazu kommen und ab 3 Jahren ein ganzes Wochenende mit 2 Nächten" (Seite 114). Man kann jedoch eher Joan Kelly den Vorzug geben, weil ihre Untersuchungen mehr auf den Ergebnissen von vielen empirischen wissenschaftlichen Untersuchungen in größeren und mehr allgemeinen Stichproben basieren.

      Ausgegangen von einer schrittweisen Evolution der Fähigkeiten des Kindes, könnte man folglich, auf Basis von all den Autoren, den folgenden "sehr genauen progressiven Kalender" vorschlagen, der jeweils an das Alter des Kindes angepasst ist:
     
      0 bis 6 Monate  3 mal pro Woche, jedes Mal 3 Stunden mit dem Vater
      6 Monate bis 1 Jahr  3 mal pro Woche, je 4 Stunden mit dem Vater und 1 Übernachtung
      1 bis 3 Jahre 3 mal pro Woche, je 5 Stunden, aber 24 Stunden am Wochenende mit dem Vater
      3 Jahre  nicht mehr als 3 Tage mit 1 Elternteil
      4 Jahre nicht mehr als 4 Tage mit 1 Elternteil
      5 und 6 Jahre nicht mehr als 5 Tage mit 1 Elternteil, z.B. 5 / 5 / 2 / 2 (Freitag-Montag)
      7 Jahre nicht mehr als 6 Tage mit 1 Elternteil
      8 bis 9 Jahre nicht mehr als 7 Tage mit 1 Elternteil (1 Woche) und 10 Tage in den Ferien
      10 bis 13 Jahre nicht mehr als 7 Tage mit 1 Elternteil (1 Woche) und 2 Wochen in den Ferien
      14 Jahre und älter nich mehr als 2 Wochen mit einem Elternteil, wenn die/er Jugendliche/r es wünscht (Übergänge am Freitag)

      Der obige Kalender entspricht gut "den Untersuchungen über Scheidungen, die feststellen, "dass eine Trennung von 12 Tagen von" "dem Elternteil, bei dem die Kinder im Augenblick am wenigsten übernachten" "für viele Kinder oft viel zu lang ist (.....) Außerdem gibt diese Option dem Elternteil", bei dem das Kind die 12 Tage bleibt "wenig Entlastung von der Verantwortlichkeit gegenüber den Kindern." [3]/ Der Kalender entspricht auch gut "einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen," die gezeigt haben, dass viele Kinder, in der Hauptsache Jungs, mehr Zeit mit dem Vater zusammen sein wollen als traditionell ausgehandelt oder befohlen wurde; dass Kinder und Jugendliche im Erwachsenenalter den Verlust und Kontakt mit einem Elternteil als wichtigsten negativen Aspekt von der Scheidung ansehen; und dass Kinder immer wieder sagen, dass sie ihren Vater vermissen [4]/. Trotz solcher Forschungsergebnissen hat sich die Rechtsprechung nur langsam geändert." [5]/

      Damit Scheidungskinder schneller in den Genuss von den an ihr Alter angepasste Aufenthaltsregelungen kommen, sollte man im Bürgerlichen Gesetzbuch (z. B. in einem "gesetzlichen Scheidungssystem") einen einfacheren Gesetzestext als obigen Kalender einbringen: das ein Kind nicht mehr Tage von einem Elternteil getrennt sein darf als es Jahre alt ist (also 1 Tag für ein einjähriges Kind, 2 Tage für ein zweijähriges, usw.). Oder noch einfacher - und kostengünstiger für die Eltern -: "Solange die Eltern nichts anderes vereinbaren, werden ihre Kinder abwechselnd je einen Tag von jedem Elternteil untergebracht werden".

      [1] - Joan B. Kelly and Michael E. Lamb: Using child development research to make appropriate custody and access decisions for young children. Family and conciliation courts review, Vol. 38 No. 3, July 2000, 297-311: p. 308-309: "How much separation from primary attachment figures is appropriate?"
      - De Man, Jan Piet H.: Benutzung der Untersuchungen über die Entwicklung der Kinder, um auf Grund davon geeignete Entscheidungen zu treffen über die Aufenthalts- und Umgangsregelungen für junge Kinder. (teilweise Übersetzung von: Joan B. Kelly and Michael E. Lamb: Using child development research to make appropriate custody and access decisions for young children. Family and conciliation courts review, Vol. 38 No. 3, July 2000, 297-311.) Edegem (B): Europäisches Institut für das Wohl des Kindes, 21.10.2005.

      [2] Berger, Maurice & Gravillon, Isabelle: "Mes parents se séparent", Ed. Albin Michel, 2003.

      [3] Joan B. Kelly, Ph.D.: Some Options for Child Custody Parenting Plans (for Children of School Age) www.ColoradoDivorceMediation.com 2003. (basé sur ce que les dernières recherches cliniques et concernant le développement nous apprennent).

      [4] - Fabricius, W. V., & Hall, J. (2000). Young adults' perspectives on divorce: Living arrangements. Family and Conciliation Courts Review, 38, 446-461;
      - Healy, J., Malley, J., & Stewart, A. (1990). Children and their fathers after parental separation. American Journal of Orthopsychiatry, 60, 531-543.
      - Hetherington, E. M. (1999). Should we stay together for the sake of the children? In E. M. Hetherington (Ed.), Coping with divorce, single parenting, and remarriage (pp. 93-116). Mahwah, NJ: Erlbaum.
      - Hetherington, E. M., Cox, M., & Cox, R. (1982). Effects of divorce on parents and children. In M. Lamb (Ed.), Nontraditional families (pp. 233-288). Hillsdale, NJ: Erlbaum.
      - Laumann-Billings, L., & Emery, R. E. (2000). Distress among young adults in divorced families. Journal of Family Psychology, 14, 671-687.
      Wallerstein, J. S., & Kelly, J. B. (1980). Surviving the breakup: How children and parents cope with divorce. New York: Basic Books.

      [5] Kelly , Joan B. and Robert E. Emery: Children's Adjustment Following Divorce: Risk and Resilience Perspectives. Family Relations, 2003, 52, 352-362, p. 354.

Fundstelle: http://www.paPPa.com/divorce_child/deMan-Alter+gleichmaessige-Beherbergung.html

Gruß
Haddock

AntwortZitat
Geschrieben : 03.02.2007 14:57
(@ponchik)
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Hallo Haddock,

vielen dank für den Rat und die Studie, eine Nachfrage: meintest du mit

Fachleute sind sich einig, dass bei einem Kind von 22 Monaten eine Trennung von 3 (höchstens mal 4) Tagen die Bindung zum länger wegbleibenden ET auf mittelfristig leidet.

dass auch bei einem längeren Rhythmus 2-3-2 die Beziehung mittelfristig leidet, oder bei einem Rhythmus von mehr als 3-4 Tagen?

Gruß

Ponchik

AntwortZitat
Themenstarter Geschrieben : 06.02.2007 01:19
(@haddock)
Nicht wegzudenken Registriert

Hallo, Ponchik

Antwort: Ich meinte letzteres.

ich sehe bei 2-3-2 keine Lücke von mehr als 4 Tagen. Selbst wenn man weiterführte: 2-3-2-2-3-2-2-3-2 etc. (wobei dies kein 50/50 Wechselmodell ist)
Grundsätzlich ist es so, dass jedes Kind anders ist. Was für den einen ok ist, ruft bei einem anderen Kind heftige Reaktionen hervor.
Mein Sohnemann hatte im Alter von 3 Jahren geradezu depressiv reagiert, als meine Ex und ich eine ungünstige Regelung hatten.

Man muss sich auch nicht sklavisch an diese Intervalle halten - größere Lücken gibt es immer mal (z.B. Ferien), aber solange sie nicht an der Tagesordnung sind, sollte das auch ok sein.

Jedenfalls sollten sich beide Seiten einig sein, nach Ablauf einer gewissen Zeit das Modell nochmal zu diskutieren - insbesondere im Hinblick auf die Art und Weise wie die Kinder (das Kind?) damit klarkommen.

Gruß
Haddock

AntwortZitat
Geschrieben : 06.02.2007 09:03
(@steevied)
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Also ich kann Dir raten, den Abstand der einzelnen Kontakt möglichst kurz zu halten, sprich lieber kürzere Zeiträume, dafür öfter. Kinder in diesem Alter haben noch ein etwas anderes Gefühl für Zeitdimensionen, so daß die klassische Regelung wie "alle 2 Wochen zum Vater" zu einer Art Entfremdung führen könnte.

Viele Grüße
Stefan

AntwortZitat
Geschrieben : 06.02.2007 11:33
(@ponchik)
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Hallo zusammen,

danke für die Antworten,

@Haddock: danke für die Bestätigung, wir wollen den 2-3-2-Rhythmus jede Woche wechseln, aber auch flexibel handhaben, insbesondere wenn dann die KiGa-/Schulferien kommen. Klar müssen wir es ausprobieren und hoffen das unsere Tochter diese Regelung annimmt. Ich habe in die SFV reingeschrieben, dass der Wechselrhythmus mit der Zeit (im Einvernehmen)  verändert werden kann. Wenn es gut läuft, kann man z.B. im Schulalter allmählich zum Wochenrhythmus übergehen ...

@SteevieD: Du hast Recht, auch unsere ursprüngliche Idee eines Wochenrhythmus ist für die Kleine noch viel zu früh, deswegen tendiere ich auch zu nicht mehr als 3 Tagen am Stück.

AntwortZitat
Themenstarter Geschrieben : 06.02.2007 18:04
(@hallifax83)
Zeigt sich öfters Registriert

Ja hi haddock deine Studie hat mir sehr geholfen sehe meine Tochter zwar nicht so wie deine studie es sagt aber ohne sie hätte ich sie noch weniger gesehen. Durch meine Arbeit sehe ich meine Tochter zwar zweimal manchmal 3 mal die woche, aber nur 3 Stunden und ich habe sie alle 4 Wochen übers Wochenende. Liegt aber an der Arbeit und nicht an der Mutter. Ich habe sie auch wenn ich länger Frei habe. Ja deine Studie hat meiner Ex die Augen geöffnet so das sie meinte das es so ok für sie ist. Eine friedliche Einigung war dadurch möglich. Danke.

AntwortZitat
Geschrieben : 05.03.2007 01:22
(@haddock)
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Hallo,

schön auch mal sowas zu hören!  :thumbup:

Alles Gute.
Haddock

AntwortZitat
Geschrieben : 05.03.2007 10:01