Liebe Forengemeinde,
bin gerade dabei, meine Unterlagen zu ordnen und frage mich, ab wann eigentlich bei eigengenutzter Immobilie die Tilgungsleistung auf den Wohnvorteil anrechenbar war. Für 2016 bin ich mir recht sicher, dass nur die Zinsen anrechenbar waren, und höchstens Teile der Tilgung als "Vorsorgeaufwendungen" gerechnet werden konnten.
Wer kennt die Historie?
Hallo tomatenfisch,
Wer kennt die Historie?
Hat sich denn da überhaupt irgend viel verändert? Ich kenne es ehrlich gesagt nur so, dass die Zinsen direkt vom Wohnwert abgezogen, die Tilgungszahlungen hingegen unabhängig davon als zusätzliche Altersvorsorge geltend gemacht werden.
Nebenbei bemerkt, solange man mit seiner Tilgung unterhalb der maximal anrechenbaren zusätzlichen Altersvorsorge ist (i.d.R. mindestens 4 Prozent vom Bruttoeinkommen), wäre ein Direktabzug von sowohl Zinsen als auch Tilgung von der fiktiven Kaltmiete nicht besser, sondern u.U. sogar schlechter - weil es nämlich keinen negativen Wohnvorteil gibt, d.h. wenn bereits die Zinszahlungen den Wohnvorteil auf Null drücken, dann wäre die Tilgung unterhaltsrechtlich wirkungslos, wenn man sie nicht als zusätzliche Altervorsorge geltend machen könnte.
Zurück zur Frage, ob sich was verändert hat. Als Beispiel, die Süddeutschen Leitlinien, die freundlicherweise bis hier ins Jahr 2010 zurück aufgelistet sind: https://oberlandesgericht-stuttgart.justiz-bw.de/pb/,Lde/Unterhaltsrechtliche+Leitlinien
Ich habe spaßeshalber mal die aktuelle Version mit der Version von 2010 verglichen, und der Wortlaut von "5. Wohnwert" ist in beiden Fassungen identisch - zumindest nach Ansicht der süddeutschen Oberlandesgerichte scheint sich also seit 2010 nichts verändert zu haben, oder?
Wobei, dieser Abschnitt 5 ist natürlich auch mal wieder so ein Musterbeispiel für die heutzutage übliche Unbestimmtheit der Juristen, denn es heißt dort lapidar: "Hiervon können in Abzug gebracht werden der berücksichtigungsfähige Schuldendienst, (...)".
Ja schön, "berücksichtigungsfähig" - aber genau die Festlegung dessen, was berücksichtigungsfähig ist, das wäre doch das, was man von ordentlich geschriebenen Leitlinien erwarten würde, und das fehlt hier!
Viele liebe Grüße,
Malachit
Wenn ein Staat die Leistungsgerechtigkeit zugunsten der Verteilungsgerechtigkeit aufgibt, dann kommt man bald an den Punkt, wo es mangels Leistung nichts mehr zu verteilen gibt.
Ah Danke, es war mir nicht klar, dass die OLG's so eine hübsche Historie ihrer Leitlinien vorhalten. Damit konnte ich meine Frage klären.
... und es zeigt sich mal wieder der Wahnwitz föderaler Rechtsprechung 🤣: Beim OLG Schleswig heisst es bis 2019:
5.3: Zinsen sind absetzbar, Tilgungsleistungen in der Regel nur, wenn sie nicht der
einseitigen Vermögensbildung dienen oder wenn und soweit sie eine Form der
zulässigen zusätzlichen Altersvorsorge darstellen.
... und ab 2020:
5.3: Zinsen und Tilgungsleistungen sind absetzbar. Dienen die Tilgungsleistungen
ausschließlich der eigenen Vermögensbildung, sind die Tilgungsleistungen
nach Vorabzug der Zinsen nur bis zur Höhe des Wohnwerts zu berücksichti
gen; darüberhinausgehende Tilgungsleistungen können im Rahmen der zu
sätzlichen Altersvorsorge (Ziffer 10.1.2.) berücksichtigt werden (BGH FamRZ
2017, 519; BGH FamRZ 2018, 1506).
Immerhin verleiht das OLG Schleswig seinen Leitlinien an dieser Stelle m.E. deutlich mehr Aussagekraft als es die schwammigen Ausführungen der süddeutschen OLG-Kollegen tun. 😉
Und ja, die Neuregelung ab 2020 sieht erstaunlich freundlich für Unterhaltszahler aus: Die Tilgung mindert also ggf. den Wohnwert auf Null und der Rest geht dann als zusätzliche Altersvorsorge in die Berechnung ein, womit es deutlich unwahrscheinlicher wird, die Höchstgrenze für zusätzliche Altersvorsorge zu reißen!
Wenn ein Staat die Leistungsgerechtigkeit zugunsten der Verteilungsgerechtigkeit aufgibt, dann kommt man bald an den Punkt, wo es mangels Leistung nichts mehr zu verteilen gibt.
Rein interessehalber noch eine Ergänzungsfrage:
In die OLG-Leitlinien Schleswig (s.o) hat die Regelung ja erst 2020 Einzug gehalten, stützt sich jedoch offensichtlich auf das Urteil BGH FamRZ 2018, 1506 aus dem Jahre 2018.
Heißt das eigentlich, dass schon ab 2018 die Vollanrechnung der Tilgung (mit den genannten Einschränkungen Wohnwert nicht negativ und mögliche weitere Anrechnung als Vorsorge) möglich gewesen wäre, oder erst ab 2020?
Ich bin da nicht so bewandert, wann welche Urteile/Leitlinien "allgemeingültig" werden.
P.S.: ... ja und ich weiß, Recht haben und Recht bekommen sind 2 Paar Schuhe
Wenn es einen Titel gibt, ist das egal. Denn eine Änderung zu deinen Gunsten muss eh eingeklagt werden oder dein Gegenüber hat kein Problem mit einer gütlichen Einigung. Bei tatsächlichen Neuberechnungen gilt immer die aktuelle Fassung, auch wenn die sich auf ältere Urteile beruft.