Hallo zusammen,
ich habe heute mehrere Fragen zum Thema Unterhalt im Wechselmodell - diesmal nicht für mich, sondern für eine gute Freundin.
Kurz zum Sachverhalt: Diese Freundin (KM) ist geschieden und die beiden aus der Ehe hervorgegangenen Kinder (Zwillinge, 7 Jahre alt) leben im Wechselmodell (nicht gerichtlich festgelegt) bei ihr und dem KV. Nebenbei bemerkt hat der KV das Wechselmodell vorangetrieben von Beginn an, damals waren die Kinder noch sehr klein (etwas über 1 Jahr alt) - er übt dieses aber nur aus, wenn alles gut ist (kranke Kinder werden grundsätzlich der KM abgegeben, obwohl er in seiner Selbständigkeit viel flexibler ist, was Arbeitszeiten angeht und als IT-ler auch sehr gut von zu Hause aus arbeiten kann). Aber das nur am Rande.
Der KV verdient weitaus mehr als die KM, sodass er trotz WM Unterhalt zahlen muss. Aktuell wird der Unterhalt neu berechnet. Die Sache liegt beim Anwalt, da der KV über das Thema Geld eher nicht so gut mit der KM kommuniziert.
Der Anwalt hat einige Unterlagen zur Berechnung erhalten, allerdings sind diese nicht vollständig. Die Neuberechnung wurde gegen Ende 2023 angestoßen, sodass auch die Steuererklärung / Bilanz der 3 Firmen, die der KV hat, zur Berechnung hinzugezogen werden muss. Trotz Fehlens dieser Unterlagen hat der Anwalt eine grobe Berechnung vorgenommen, diese wurde aber noch nicht nach außen getragen.
Die KM hat nun zur Berechnung einige Fragen. Vielleicht kann der/die Ein(e) oder Andere hier helfen:
1. Der KV lässt sich aus einer Firma ein gutes Geschäftsführergehalt auszahlen, eine Gewinnausschüttung (auch aus den anderen beiden Firmen) erfolgt nach seinen Angaben (ohne Belege) nicht. Ist das rechtens bzw. muss der KV das in irgendeiner Form belegen und ggf. auch begründen (und wenn ja, wie belegt man das)?
2. Der KV verdient ungefähr das 3-fache der KM (nach Bereinigung und trotz der bisher vorliegenden nur unvollständigen Unterlagen). Beim Residenzmodell habe ich gelesen, dass der UET in solchen Fällen teilweise komplett von der Unterhaltspflicht befreit werden kann. Gibt es diese "Regel" auch beim WM bzw. hat dazu schon jemand etwas gehört / gelesen? Also könnte in diesem Fall der KV ggf. allein unterhaltverpflichtet ggü seinen Kindern sein und das Einkommen der KM komplett außen vor bleiben?
3. In den Unterlagen, die der Anwalt erhalten hat, hat der KV zwei laufende Kredite mit Raten von insgesamt ca. 1000,00 EUR monatlich angegeben. Diese Kredite wurden nach Trennung / Scheidung aufgenommen - mehr (z. Bsp. Verwendungszweck) ist nicht bekannt. Der Anwalt hat diese Kreditraten zur Bereinigung des Einkommens des KV angesetzt. Muss der KV nicht belegen, wofür diese Kredite aufgenommen wurden? Ich meine gelesen zu haben, dass Kredite, die nach Trennung / Scheidung in Kenntnis der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern (nicht der KM - sie hat auf nachehelichen Unterhalt verzichtet!) aufgenommen wurden, schwerlich zur Bereinigung des unterhaltsrelevanten Einkommens herangezogen werden können (schon gar nicht bei Einkommen jenseits der 9000,00 EUR netto / bereits bereinigt).
4. Da das Einkommen beider Elternteile zusammen über die 15. Stufe der DDT hinausgeht - wie wird die Unterhaltshöhe festgelegt? Wird die DDT einfach fiktiv fortgeschrieben?
5. Die Zahlungsmoral des KV ist eher schwierig, die KM muss ihn jeden Monat mehrfach an die Zahlung des KU erinnern. Meist geht das Geld erst in der Monatsmitte ein. Ein Titel besteht nicht. Ist es sinnvoll, den neu berechneten Unterhalt dann titulieren zu lassen bzw. geht das im WM überhaupt? Und was für Schritte gibt es zwischen Erinnerung des KV durch die KM und Pfändung? Sonst müsste die KM je faktisch jeden Monat pfänden lassen (das möchte sie nicht), denn eine Zahlung erfolgt seit Jahren immer nur nach Erinnerung und dann eben zu spät. Ist evtl. ein Machtspiel des KV, denn das Geld sollte bei seinem Einkommen sicher vorhanden sein (aktuell zahlt er ca. 1000,00 EUR für beide Kinder zusammen).
Ich danke allen, die sich die Zeit genommen haben, das zu lesen und zu beantworten, schon im Voraus sehr!
Viele Grüße, Lortaro
Hallo zusammen,
1. Der KV lässt sich aus einer Firma ein gutes Geschäftsführergehalt auszahlen, eine Gewinnausschüttung (auch aus den anderen beiden Firmen) erfolgt nach seinen Angaben (ohne Belege) nicht. Ist das rechtens bzw. muss der KV das in irgendeiner Form belegen und ggf. auch begründen (und wenn ja, wie belegt man das)?
Dazu kann ich nichts sagen.
2. Der KV verdient ungefähr das 3-fache der KM (nach Bereinigung und trotz der bisher vorliegenden nur unvollständigen Unterlagen). Beim Residenzmodell habe ich gelesen, dass der UET in solchen Fällen teilweise komplett von der Unterhaltspflicht befreit werden kann. Gibt es diese "Regel" auch beim WM bzw. hat dazu schon jemand etwas gehört / gelesen? Also könnte in diesem Fall der KV ggf. allein unterhaltverpflichtet ggü seinen Kindern sein und das Einkommen der KM komplett außen vor bleiben?
Eine solche Regelung ist mir beim Wechselmodell nicht bekannt, da der Sinn des Wechselmodells gerade darin besteht, dass beide betreuen und zahlen. Der Unterhaltsbedarf wird aber nach dem Einkommen der Eltern gequotelt. Dabei wird von jedem bereinigten Einkommen der angemessene Selbstbehalt von 1750 Euro abgezogen und dann gequotelt.
Beispiel: KM bereinigtes Einkommen 2750 Euro - 1750 Euro = 1000 Euro, KV bereinigtes Einkommen 10750 Euro -1750 Euro = 9000 Euro
Quoteln KM 1000/(1000 + 9000) = 0,1 --> KM zahlt 10% des Unterhalts, KV 9000/(1000 + 9000) = 0,9 --> KV zahlt 90% .
Die Berechnung geht nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofd Az. XII ZB 565/15 v. 11.01.2017 .
Das Kindergeld ist wie folgt aufzuteilen, jeder bekommt 1/4 und dann wird die andere Hälfte ebenfalls nach Einkommen der Eltern gequotelt, d.h. im Beispiel bekommt die KM 1/4 + 1/20 = 6/20 und der KN 1/4 + 9/20 = 14/20.
3. In den Unterlagen, die der Anwalt erhalten hat, hat der KV zwei laufende Kredite mit Raten von insgesamt ca. 1000,00 EUR monatlich angegeben. Diese Kredite wurden nach Trennung / Scheidung aufgenommen - mehr (z. Bsp. Verwendungszweck) ist nicht bekannt. Der Anwalt hat diese Kreditraten zur Bereinigung des Einkommens des KV angesetzt. Muss der KV nicht belegen, wofür diese Kredite aufgenommen wurden? Ich meine gelesen zu haben, dass Kredite, die nach Trennung / Scheidung in Kenntnis der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern (nicht der KM - sie hat auf nachehelichen Unterhalt verzichtet!) aufgenommen wurden, schwerlich zur Bereinigung des unterhaltsrelevanten Einkommens herangezogen werden können (schon gar nicht bei Einkommen jenseits der 9000,00 EUR netto / bereits bereinigt).
Da der Unterhaltsbedarf weit weg vom Mindestunterhalt liegt wird man es bei den Krediten eher "locker" sehen. Zwar gibt es Urteile, wo nur Kredite aus Ehezeiten berücksichtigt werden, aber es gibt eben auch Entscheidungen, wo die Kredite berücksichtigt wurden, wenn eine gewisse Notwendigkeit für die Ausgaben nachweisbar ist. Wenn der KV nicht angeben will wofür die Kredite sind, dann wird man auch nicht um ein gericht erhum kommen.
4. Da das Einkommen beider Elternteile zusammen über die 15. Stufe der DDT hinausgeht - wie wird die Unterhaltshöhe festgelegt? Wird die DDT einfach fiktiv fortgeschrieben?
Der Bundesgerichtshof hat im Beschluss mit dem Az. XII ZB 499/19 vom 16.09.2020 entschieden:
(22) ".... Im Vergleich zum Ehegattenunterhalt beinhalten die in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Steigerungssätze schon keine quotenmäßige (lineare) Beteiligung am Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Vielmehr sind die Unterhaltssteigerungen jeweils am Mindestunterhalt orientiert und führen im Zusammenhang mit der Bemessung der Einkommensgruppen dazu, dass die Beteiligungsquote am Elterneinkommen (degressiv) stetig abnimmt. Eine dieses beibehaltende (und gegebenenfalls mit größer dimensionierten Einkommensgruppen versehene) Fortschreibung würde dementsprechend nur zu moderaten einkommensabhängigen Steigerungen des Kindesunterhalts führen. Daneben bleibt dem unterhaltsberechtigten Kind die konkrete Darlegung eines höheren Bedarfs unbenommen. "
Es wird also nicht linear und auch ansonsten nicht wirklich fortgeschrieben und es wird auch nicht auf die 15. Stufe begrenzt. Unterm Strich heißt das, dass sich die Eltern einigen müssen wieviel über der 15. Stufe der Unterhalt liegen soll, ggf. durch Darlegung des tatsächlichen Bedarfs. Einen Anspruch auf "Luxus" gibt es nicht.
5. Die Zahlungsmoral des KV ist eher schwierig, die KM muss ihn jeden Monat mehrfach an die Zahlung des KU erinnern. Meist geht das Geld erst in der Monatsmitte ein. Ein Titel besteht nicht. Ist es sinnvoll, den neu berechneten Unterhalt dann titulieren zu lassen bzw. geht das im WM überhaupt? Und was für Schritte gibt es zwischen Erinnerung des KV durch die KM und Pfändung? Sonst müsste die KM je faktisch jeden Monat pfänden lassen (das möchte sie nicht), denn eine Zahlung erfolgt seit Jahren immer nur nach Erinnerung und dann eben zu spät. Ist evtl. ein Machtspiel des KV, denn das Geld sollte bei seinem Einkommen sicher vorhanden sein (aktuell zahlt er ca. 1000,00 EUR für beide Kinder zusammen).
Durch das Wechselmodell wird es schwieriger den Unterhalt bzw. Unterhaltsanteil einzuklagen. Anspruch auf den Unterhalt bzw. den Titel hat das Kind und das Kind wird durch die Eltern vertreten.
"Beim Wechselmodell dagegen teilen sich die Eltern die Kinderbetreuung nahezu gleichmäßig auf. Daher kann keiner von ihnen als gesetzlicher Vertreter vor Gericht auftreten. Vielmehr muss entweder ein Ergänzungspfleger bestellt werden oder ein Elternteil, der seinen Expartner für barunterhaltspflichtig hält, muss vor Gericht die Übertragung der Befugnis zur Geltendmachung des Kindesunterhalts auf sich nach § 1628 BGB verlangen (OLG Celle, Beschluss v. 26.08.2014, Az.: 10 UF" (siehe hier )
Wird eine Pfändung erreicht, dann würde das Geschäftsführereinkommen automatisch gepfändet und in der Regel unbefristet (solange eine Unterhaltspflicht besteht). Auch eine (regelmäßige) Kontopfändung wäre möglich.
VG Susi
Vielen Dank @Susi!
Zum Punkt 5, da das ja jeden Monat immer wieder Thema ist: Die KM hat also (wenn sie es nicht bis zur Pfändung treiben will und auch nicht vor Gericht möchte) nur die Möglichkeit, dem KV jeden Monat weiterhin 3 Bittsteller-Mails zu schreiben, bis er zahlt? Gibt es keine Möglichkeit zwischen Betteln und Gerichtsverfahren?
Es ist ja nicht so, dass er nicht zahlt, nur eben muss man ihn betteln. Ich kenne den KV seit Jahren persönlich, das ist genau das, was er will. Die KM muss betteln. Und für sie ist das jeden Monat eine erneute Erniedrigung, die sie aber über sich ergehen lassen muss, da sie den Unterhalt braucht.
Hallo,
vielleicht hilft es, wenn die Mutter dem Vater erklärt, dass dies über einen ergänzungspfleger gerichtlich festgelegt werden kann und er dann ggf. Einen Titel erhält. Sie möchte das logischerweise nicht, aber wenn das Geld zukünftig nicht unaufgefordert bis zum 3. eines Monats auf ihr Konto eingeht, würde sie sich über die Beauftragung eines ergänzungspflegers informieren und dies gerichtlich festlegen lassen, da sie eine Verlässlichkeit benötigt. Insofern würde es seine Entscheidung sein, ob sie diesen Weg gehen wird.
und dann abwarten. Vermutlich wird er spätestens dann einknicken, wenn er merkt, dass seine Machtspielchen nicht mehr ziehen. Und ggf. Muss er bei der Vorgeschichte die Kosten für den ergänzungspfleger auch allein zahlen.
sophie
Hallo Lontaro,
zu 1. Es gibt ein OLG Urteil, wonach der Unterhaltspflichtige die Bilanz seiner Firma vorlegen muss, wenn er so viele Anteile an der Firma hat, dass die übrigen Gesellschafter, so es denn welche gibt, ihn nicht überstimmen können.
zu 2. Die Antwort ergibt sich aus rein logischer Überlegung: Wenn schon beim Residenzmodell, bei dem ja ein Elternteil das Kind mehr oder weniger allein betreut, dieser Elternteil zusätzlich zum Selbsttragen des Unterhalts verpflichtet werden kann (wenn er 3x soviel verdient wie der andere Elternteil), dann muss dies für einen Elternteil im Wechselmodell erst recht gelten. Im Wechselmodell betreut der der 3x soviel verdienende Elternteil ja nur etwa die Hälfte.
Mit anderen Worten, wenn dem Gutverdiener, der die ganze Care-Arbeit leistet, zugemutet wird, den KU zusätzlich zu zahlen, dann kann es dem Gutverdiener, der nur die Hälfte der Care-Arbeit leistet, ganz bestimmt auch zugemutet werden.
@zebra Logik und Gerichte ist nicht so einfach.
Aber auch in diesem Fall ist es ja so, dass der Alleinzahler in diesem Fall an die KM 50% des Unterhalts als Ausgleichsbeitrag überweisen müsste, im Beispiel man der Sache schon ziemlich nahe kommt, wenn die KM 10% und der KV 90% zahlen muss, dann ist der Ausgleichsbetrag an die KM 40% des KU.
Sollte die KM allerdings ein bereinigtes Einkommen unter 1750 Euro haben, dann zahlt der KV sowieso den gesamten Unterhalt (bzw. den Ausgleichsbetrag von 50% an die KM). In diesem Fall ist der Unterhaltsbedarf aber auch reduziert, da nur das Einkommen des KV zählt.
VG Susi
@AnnaSophie Danke für den Vorschlag, den gebe ich mal weiter. Vielleicht hilft das tatsächlich. Das ist gerade auch akut das wichtigste Thema.
@Zebra: Danke insbesondere für die Antwort zum 1. Punkt. Er ist alleiniger Inhaber von zwei der drei Firmen und hält 50% der dritten und größten Firma. Das sollte also auf ihn zutreffen.
Zum 2. Punkt: Es geht der KM im Grunde nicht darum, dass sie keinen Anteil am KU übernehmen möchte. Sie möchte einfach einen ordentlich berechneten Unterhalt und vor allem diesen dann auch regelmäßig ohne irgendwelche Spielchen erhalten. Die Frage 2 war hauptsächlich interessehalber, falls es hart auf hart kommen sollte. Dann könnte man das noch ins Feld führen, geplant ist das aber nicht.