OLG Saarbrücken: Ertraglose Selbstständigkeit, Anrechnung fiktiver Einnahmen

OLG Saarbrücken: Ertraglose Selbstständigkeit, Anrechnung fiktiver Einnahmen

Erzielt ein Unterhaltsschuldner über einen längeren Zeitraum wegen seiner selbstständigen Tätigkeit keine beziehungsweise nur geringfügige Einkünfte, ist ihm ein fiktives Einkommen aus abhängiger Tätigkeit zuzurechnen.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Ottweiler vom 17. Februar 2010 – 12 F 643/09 UK – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die betroffenen Kinder sind aus einer nichtehelichen Beziehung des Antragsgegners (Kindesvater) und der gesetzlichen Vertreterin der Antragsteller (Kindesmutter), die bis Ende September 2007 bestand, hervorgegangen. Der Antragsgegner hat die Vaterschaft anerkannt. Der Kindesmutter steht die elterliche Sorge allein zu.

Zwischen den Kindeseltern waren mehrere Verfahren vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Ottweiler anhängig, die die Regelung des Umgangsrechts des Antragsgegners mit den betroffenen Kindern (12 F 792/07 UG, 12 F 918/08 UG, 12 F 322/09 UG = 9 UF 95/09) sowie die Entziehung der elterlichen Sorge der Kindesmutter gemäß § 1666 BGB zum Gegenstand hatten (12 F 464/08 SO = 9 UF 21/09). Bezüglich des Verfahrens 9 UF 21/09 ist vor dem erkennenden Senat ein Restitutionsverfahren anhängig (9 UF 39/10).

In einem am 15. Oktober 2007 zugleich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeleiteten Verfahren vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Ottweiler – 12 F 794/07 UK – nahmen die betroffenen Kinder, vertreten durch die Kindesmutter, den Antragsgegner im Wege der Stufenklage auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. In jenem Verfahren wurde der Antragsgegner mit rechtskräftigem Urteil vom 14. Januar 2008 verurteilt, auf der Grundlage der 1. Einkommensgruppe und der 1. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1. Januar 2007, abzüglich des gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB anzurechnenden Kindergeldes an das Kind A.- L. monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 196 EUR und an das Kind L. monatlich 196 EUR zu zahlen (Bl. 84 ff d.BA. 12 F 794/07 UK).

Nach Erreichen des 6. Lebensjahres des Kindes A.- L. erklärte der Antragsgegner auf anwaltliche Aufforderung gemäß Schreiben vom 5. Juni 2009 mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Juni 2009, dass er beginnend mit dem 1. Juli 2009 für das Kind A.- L. einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 240 EUR monatlich und für das Kind L. einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 199 EUR zahlen werde (Bl. 11/12, 13 d.A.). Für die Monate Juli bis einschließlich September 2009 wurde der Kindesunterhalt in der anerkannten Höhe gezahlt.

Der Kindergartenbeitrag für das Kind L. beträgt für das Jahr 2009 monatlich 78 EUR und für das Jahr 2010 monatlich 85 EUR.

Mit dem Monat Oktober 2009 stellte der Antragsgegner, der einen Onlineshop betreibt, die Unterhaltszahlungen ein.

Mit am 17. November 2009 eingegangenem und mit einem Verfahrenskostenhilfegesuch verbundenen Antrag haben die Antragsteller eine Abänderung des Urteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Ottweiler vom 14. Januar 2008 – 12 F 794/07 UK -, zuletzt mit Schriftsatz vom 13. Januar 2010, dem Antragsgegner zugestellt am 22. Januar 2010 (Bl. 85 d.A.), dahingehend begehrt, dass an die Antragstellerin zu 1. ein monatlicher Unterhalt für die Monate Oktober bis Dezember 2009 in Höhe von 240 EUR und ab dem 1. Januar in Höhe von 272 EUR, und an den Antragsteller zu 2. ein monatlicher Unterhalt für die Monate November und Dezember 2009 in Höhe von 238 EUR und ab 1. Januar 2010 in Höhe von 267,50 EUR zu zahlen ist. Sie verweisen auf die entsprechende Eingruppierung in die Altersstufen der Düsseldorfer Tabelle, das Anerkenntnis des Antragsgegners vom 15. Juni 2009, die Höhe des Kindergeldes sowie den Umstand, dass die Kindergartenbeiträge hälftig zwischen den Kindern zu teilen seien. Sie verweisen ferner auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Antragsgegners sowie darauf, dass er selbst als ungelernter Arbeiter bei vollschichtiger Beschäftigung und hieraus zu erzielender monatlicher Nettoeinkünfte von 1.100 EUR sowie seiner Einkünfte aus dem Online- Handel in Höhe von monatlich 838 EUR, für den er allenfalls 1 Stunde am Tag aufwenden müsse, einen den Mindestunterhalt der minderjährigen Kinder sicherndes Einkommen zu erzielen in der Lage sei.

Der Antragsgegner ist dem entgegen getreten und hat unter Nachsuchung von Verfahrenskostenhilfe auch für einen Widerantrag, den Antragstellern zugestellt in der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2010, eine Abänderung des Urteils des Amtsgerichts – Familiengerichts – Ottweiler vom 14. Januar 2008 – 12 F 794/07 UK – dahingehend begehrt, dass er mit Wirkung der Antragszustellung an das Kind A.- L. einen monatlichen Unterhalt nur noch in Höhe von 19,10 EUR und an das Kind L. einen monatlichen Unterhalt nur noch in Höhe von 15,80 EUR zu zahlen verpflichtet ist. Er hat dies im Wesentlichen damit begründet, zu einer Leistung höheren Unterhalts nicht fähig zu sein. Er habe neben seiner selbständigen Tätigkeit (Onlineshop „Z.-P.“) im März 2008 zunächst über eine Zeitarbeitsfirma eine vollschichtige Tätigkeit als Hilfsarbeiter aufgenommen, diese Tätigkeit indes im Mai 2008 aufgegeben und gleichzeitig eine vollschichtige Tätigkeit als Aushilfsarbeiter bei der Fa. C.technik B. aufgenommen. Aber auch diese Tätigkeit habe er mit Blick auf den bedenklichen Einbruch seiner Umsätze aus selbständiger Tätigkeit im November 2008 aufgegeben. Aus der nichtselbständigen Tätigkeit habe er -im Einzelnen ausgeführt – monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von 1.057,04 EUR gehabt. Nach Steuern ergebe sich aus selbständiger Tätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen von 97,08 EUR, gesamt also 1.155,02 EUR (Bl. 57 bis 60 d.A.). Hiervon seien Verbindlichkeiten in Höhe von 150 EUR (Darlehen PKW, Bl. 61 d.A.) und in Höhe von 123,31 EUR (Beiträge private Krankenversicherung während der ausschließlich selbständigen Tätigkeit, Bl. 62 d.A.) abzuziehen, so dass in 2008 ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 881,71 EUR verbleibe. In 2009 habe er zur Sicherstellung seiner Unterhaltsverpflichtung neben seiner vollschichtigen selbständigen Tätigkeit einen Nebenerwerb in Form der Unterrichtung bei der Schülerhilfe aufgenommen. Insoweit habe er insgesamt Einkünfte in Höhe von 10.058,78 EUR (Bl. 76 d.A.) und 3.499,25 EUR erzielt (Bl. 63 ff d.A.), gesamt 13.558,03 EUR, was einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1001,33 EUR entspreche. Nach Abzug seiner Zahlungsverpflichtungen (s.o.) ergebe sich ein durchschnittliches bereinigtes Einkommen von 934,91 EUR. Unter Berücksichtigung seines Selbstbehalts errechne sich für A.- L. ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 19,10 EUR und für L. in Höhe von 15,80 EUR. Bei dieser Sachlage und den von ihm unternommenen Anstrengungen zur Sicherung des Kindesunterhalts seien ihm auch keine fiktiven Einkünfte zuzurechnen, zumal er über keinen Berufsbildungsabschluss verfüge und nur Hilfsarbeiterlohn beziehen könne.

Das Familiengericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2010 den Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen unter Hinweis darauf, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg verspreche, da er im Hinblick auf seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit verpflichtet sei, den Mindestunterhalt für die Antragsteller zu zahlen (Bl. 93 d.A.).

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 8. März 2010, auf den Bezug genommen wird (Bl. 96 ff d.A.), den Antragsgegner unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts – Familiengerichts – Ottweiler vom 14. Januar 2008 – 12 F 794/07 UK – verurteilt, an die Antragstellerin zu 1. für die Monate Oktober, November und Dezember 2009 monatlich eine Unterhaltsrente in Höhe von 240 EUR und ab Januar 2010 in Höhe von 272 EUR, und an den Antragsteller zu 2. für die Monate November und Dezember 2009 in Höhe von 238 EUR und ab 1. Januar 2010 in Höhe von 267,50 EUR zu entrichten, sowie den Widerantrag abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass der gemäß § 238 Abs. 1 FamFG zulässige Abänderungsantrag der Antragsteller vom 13. Januar 2010 begründet (Verzug des Antragsgegners ab Juli 2010, Anerkenntnis gemäß Schreiben vom 5. Juni 2009), hingegen der Widerantrag unbegründet sei, weil der Antragsgegner auf Grund seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit als leistungsfähig anzusehen sei. Dies werde belegt durch das aus seiner vollschichtigen Tätigkeit bei der Fa. C.technik erzielte monatliche Einkommen. Der Antragsgegner sei nicht berechtigt gewesen, diese Tätigkeit zu Gunsten seiner selbständigen Tätigkeit, aus der er ein den Mindestkindesunterhalt sicherndes Einkommen nicht erzielen könne, aufzugeben. Mit Blick auf das zuzurechnende fiktive Einkommen, von dem nach Lage der Dinge das PKW- Darlehen nicht in Abzug zu bringen sei, sei der Antragsgegner auch zur Zahlung des hälftigen Kindergartenbeitrages leistungsfähig.

Gegen den seinen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurückweisenden Beschluss, dem Antragsgegner zugestellt mit Rechtsmittelbelehrung am 23. Februar 2010 (Bl. 102 d.A.), hat der Antragsgegner mit am 18. März 2010 eingegangenen Faxschreiben Beschwerde eingelegt (Bl. 107 d.A.), der das Familiengericht unter Hinweis auf Fristversäumung nicht abgeholfen hat (Bl. 141 d.A.).

II.

Die gemäß § 113 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners, als welche sein Rechtsmittel zu behandeln und das zu bescheiden dem Einzelrichter gemäß § 113 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO vorbehalten ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Antragsgegner kann sich gegenüber dem Unterhaltsanspruch der Antragsteller nicht auf Leistungsunfähigkeit berufen. Vielmehr muss er sich auf Grund der ihm gegenüber seinen minderjährigen Kindern bestehenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit unterhaltsrechtlich ein fiktives Einkommen aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis in Höhe von mindestens 1.448 EUR netto zurechnen lassen.

a. Erzielt ein Unterhaltsschuldner über einen längeren Zeitraum wegen seiner selbständigen Tätigkeit keine bzw. nur geringfügige Einkünfte, ist ihm ein fiktives Einkommen aus abhängiger Tätigkeit zuzurechnen (vgl. Kalthoener/ Büttner/ Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rz. 736, m.w.N.; OLG Hamm, NJW-RR 1993, 776; OLG Koblenz, FamRZ 2000, 288).

Der Umstand, dass der Unterhaltspflichtige seit Jahren selbständig tätig ist und bei vollschichtigem Einsatz aus seiner bisherigen selbständigen Tätigkeit (Online-Handel) kein den Kindesunterhalt sicherndes Einkommen bzw. nach eigenem Vorbringen nur ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1001,33 EUR erzielt, lässt nur den Schluss zu, dass die selbständige Tätigkeit entweder nicht lukrativ ist, weil das Einkommen in keinem Verhältnis zu dem Arbeitsaufwand steht und es sich insoweit als „Liebhaberei“ darstellt, oder aber tatsächlich höhere Einkünfte erzielt werden. Der Unterhaltspflichtige kann sich gegenüber seinem minderjährigen Kind nicht darauf berufen, eine solche völlig unwirtschaftliche Tätigkeit zu seinen Lasten fortsetzen zu wollen (vgl. OLG Koblenz, FamRZ 2009, 1921).

b. Bei der gegebenen Sachlage –selbständige Tätigkeit über einen längeren Zeitraum ohne Erzielung kindesunterhaltssichernden Einkommens – muss sich der Antragsgegner deshalb unterhaltsrechtlich darauf verweisen lassen, seine Selbständigkeit aufzugeben und eine besser bezahlte abhängige Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

Unter Berücksichtigung dessen ist dem Antragsgegner jedenfalls ein, wie vom Familiengericht beanstandungsfrei festgestellt, durchschnittliches fiktives Einkommen aus abhängiger Tätigkeit, wie er es als Hilfsarbeiter bei der Fa. C.technik erzielt hat, in Höhe von monatlich durchschnittlich 1.350 EUR zuzurechnen. Zur Sicherung des Kindesunterhalts durfte er diese Tätigkeit nicht zu Lasten der Weiterführung der nicht den Kindesunterhalt sichernden selbständigen Tätigkeit aufgeben.

Weiterhin ist dem Antragsgegner ein Einkommen aus seinem neben der vollschichtigen Tätigkeit betriebenen Online-Handel in Höhe von monatlich 98 EUR, wie von ihm für das Jahr 2008 angegeben, zuzurechnen.

Bei einem durchschnittlichen monatlichen Einkommen in Höhe von 1.448 EUR ist der Antragsgegner in der Lage, den Mindestunterhalt seiner minderjährigen Kinder zu decken sowie für den hälftigen Kindergartenbeitrag für das Kind L. aufzukommen.

c. Im Übrigen ist es dem Antragsgegner im Rahmen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit anzusinnen, auch andere Tätigkeiten in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Sicherung des Kindesunterhalts auszuüben.

Die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten wird nicht allein durch das tatsächlich vorhandene Einkommen des Unterhaltsschuldners, sondern vielmehr auch durch seine Erwerbsfähigkeit bestimmt. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, seine Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise einzusetzen und eine mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben (BGH, FamRZ 2003, 1471). Gegenüber minderjährigen Kindern erfährt diese Verpflichtung aufgrund der Vorschrift des § 1603 Abs. 2 BGB eine Verschärfung dahin, dass den Unterhaltspflichtigen eine noch erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung seiner Arbeitskraft trifft (zuletzt BVerfG, FamRZ 2007, 273). Dies gilt insbesondere, wenn die aus einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte nicht ausreichen, den geschuldeten Unterhalt zu leisten. Deshalb muss sich der Unterhaltspflichtige, insbesondere wenn er teilschichtig arbeitet, eine weitere Beschäftigung suchen, um zusätzliche Mittel für den Kindesunterhalt zu erwirtschaften. Hierbei hat er alle Erwerbsobliegenheiten auszuschöpfen und muss auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebensgestaltung in Kauf nehmen. Im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit muss der Unterhaltspflichtige bei Arbeitsstellen mit geringeren Einkommen entweder eine neue Arbeitstelle oder eine weitere Beschäftigung aufnehmen, um zusätzliche Mittel zu erlangen, etwa zusätzliche Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten, wobei Arbeitszeiten im Rahmen eines vollschichtigen Wochenpensums durchaus zumutbar sind. Die Elternverantwortung erfordert, für die Ausübung einer Nebentätigkeit auch Zeiten in Betracht zu ziehen, die üblicherweise dem Freizeitbereich zuzuordnen sind, sowie jede Art von Tätigkeit anzunehmen (BGH, aaO). Für seine die Sicherung des Regelbetrages betreffende Leistungsfähigkeit ist der Unterhaltsverpflichtete in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet. Legt der Unterhaltsverpflichtete nicht dar, dieser Obliegenheit, die ihre Grenze allein in der Unmöglichkeit findet, vollständig gerecht geworden zu sein, muss er sich so behandeln lassen, als ob er über ein solches Einkommen verfügt (Senat, Beschl. v. 17. Oktober 2008, 9 WF 89/08, Beschl.v. 29. Januar 2009, 9 WF 115/08, Beschl.v. 28. Mai 2009, 9 WF 53/09; vgl. hierzu auch OLG Brandenburg, ZFE 2008, 231, m.w.N.).

Dies gilt auch im Fall der Arbeitslosigkeit. Auch in diesem Fall ist dem Unterhaltspflichtigen ein fiktives Einkommen zuzurechnen, wenn ihm ein verantwortungsloses, mindestens leichtfertiges unterhaltsbezogenes Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Bei eigener Arbeitslosigkeit hat sich der Pflichtige durch intensive Suche um eine Erwerbsstelle zu bemühen. Bei Arbeitsstellen mit geringeren Einkommen ist entweder eine neue Arbeitstelle oder eine weitere Beschäftigung zu suchen, um zusätzliche Mittel zu erlangen, etwa zusätzliche Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten. Hierbei sind Arbeitszeiten im Rahmen eines üblichen vollschichtigen Wochenpensums durchaus zumutbar, ebenso kommen für die Ausübung einer Nebentätigkeit Zeiten in Betracht, die üblicher Weise dem Freizeitbereich zuzuordnen sind. Die beruflichen Dispositionsmöglichkeiten treten dabei weitgehend hinter der Elternverantwortung zurück, weshalb sich die Bemühungen um die (Wieder-) Erlangung einer Arbeit nicht auf den Bereich des erlernten Berufes oder der zuletzt ausgeübten Tätigkeit beschränken dürfen. Vielmehr ist es dem Unterhaltspflichtigen grundsätzlich anzusinnen, sich jedenfalls nach einiger Zeit um jede Art von Tätigkeit, auch eine solche unterhalb des Ausbildungsniveaus, zu bemühen und auch Arbeiten für ungelernte Kräfte, Arbeiten zu ungünstigen Zeiten oder zu wenig attraktiven Arbeitsbedingungen anzunehmen (Senat, aaO; Saarländisches Oberlandesgericht, Beschl v. 14. April 2008, 2 UF 28/07, m.z.w.N.; OLG Brandenburg, aaO, m.w.N.). Hierbei ist für die Suche nach Arbeit selbst die Zeit aufzuwenden, die erforderlich ist, alle der nach Vorgesagtem in Betracht kommenden Stellen zu erfassen, sich darauf zu bewerben und Vorstellungsgespräche wahrzunehmen. Dies wird bei Arbeitslosen in aller Regel dem Zeitaufwand eines vollschichtig Erwerbstätigen entsprechen (Saarländisches Oberlandesgericht, aaO, m.w.N.; Senat, aaO, sowie Beschl.v. 5. November 2008, 9 WF 77/08, m.w.N., Beschl. v. 21. Oktober 2008, 9 UFH 71/08).

Regelmäßige Meldungen beim Arbeitsamt und die Wahrnehmung sämtlicher von dort angebotenen Vermittlungen sind in diesem Zusammenhang selbstverständlich, indes für sich allein nicht ausreichend. Vielmehr ist auch bei einfachen Arbeitsplätzen die regelmäßige und kontinuierliche Auswertung der gesamten einschlägigen örtlichen wie gegebenenfalls auch überörtlichen Tages- und Wochenpresse erforderlich sowie die Schaltung eigener Annoncen bei allen in Betracht kommenden Arbeitgebern. Bewerbungen sind – auch bei einfachen Arbeitsplätzen – grundsätzlich in schriftlicher Form abzufassen und so zu gestalten, dass sie geeignet sind, den Adressaten von der Ernsthaftigkeit der Bewerbung und der Eignung des Bewerbers zu überzeugen. Bloße telefonische Bewerbungen sind demgegenüber auch bei einfachen Arbeitsplätzen in aller Regel nicht ausreichend, da bei der heutigen Arbeitsmarktlage davon ausgegangen werden muss, dass ein gewerblicher Arbeitgeber nur schriftliche Arbeitsgesuche in die engere Auswahl einbezieht. Jedenfalls sind auch persönliche oder telefonische Vorsprachen zumindest in verifizierbarer Form aufzulisten. Dabei können von dem Unterhaltspflichtigen 20-30 Bewerbungen im Monat erwartet werden (Senat, aaO, m.w.N.; OLG Brandenburg aaO).

Für die ordnungsgemäße Erfüllung sämtlicher der zuvor dargestellten Voraussetzungen ist der Unterhaltsverpflichtete darlegungs- und beweisbelastet. Dies gilt auch für die Richtigkeit der Behauptung fehlender realer Beschäftigungschancen. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass wegen hoher Arbeitslosigkeit, mangelnder Ausbildung, fortgeschrittenen Alters oder sonstiger ungünstiger Bedingungen trotz gehöriger Bemühungen keine Beschäftigungsmöglichkeit besteht, existiert nicht. Auch ältere Arbeitnehmer, wozu der Antragsgegner unzweifelhaft nicht gehört, sind – trotz schwieriger allgemeiner wirtschaftlicher Lage – von ihrer Darlegungslast nicht befreit, da die Sicherstellung des Minderjährigenunterhalts (Regelbetrages) im Familienrecht absolute Priorität genießt (vgl. hierzu auch OLG Saarbrücken, ZFE 2005, 100 f. – für 63-jährigen Unterhaltsschuldner; OLG Hamm, FamRZ 2005, 297 – für 57-jährigen Unterhaltsschuldner). Zweifel daran, dass bei angemessenen Bemühungen eine Beschäftigungschance von vornherein auszuschließen ist, gehen daher zu Lasten des Unterhaltsverpflichteten (OLG Brandenburg, aaO).

Dass er sich nach Maßgabe dessen unter Anspannung aller Kräfte und insbesondere intensiver und ernsthafter Bemühungen um eine Arbeitsstelle bemüht und sich bietende Erwerbsmöglichkeiten ausgenutzt hat, um einen den Unterhaltsbedarf seiner minderjährigen Kinder deckenden Nettoverdienst zu erzielen, hat der darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegner nicht – auch nicht ansatzweise – nachprüfbar dargelegt.

Auch aus diesem Grund muss sich der Antragsgegner aus der Ausübung einer seiner Ausbildung bzw. seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit ein Einkommen in Höhe von mindestens 1.448 EUR monatlich netto zurechnen lassen, mit dem er den Mindestunterhalt seiner minderjährigen Kinder sichern kann.

d. Ist dem Antragsgegner ein fiktives Einkommen in Höhe von jedenfalls 1.448 EUR netto zuzurechnen, wobei, wie das Familiengericht zutreffend festgestellt hat, die von dem Antragsgegner angegebenen Belastungen keine Berücksichtigung finden können, ist er in der Lage, den von dem Familiengericht zugesprochenen Kindesunterhalt und den hälftigen Kindergartenbeitrag für L. zu zahlen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 113 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO).

OLG Saarbrücken Beschluß vom 28.4.2010
9 WF 41/10

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