OLG Stuttgart: 10 Bewerbungen im Monat nicht ausreichend

OLG Stuttgart: 10 Bewerbungen im Monat nicht ausreichend

1. Dem Beklagten wird hinsichtlich der versäumten Frist zur Berufung gegen das
Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Balingen vom 14.09.2007 (Az. 5 F
126/07) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht –
Balingen vom 14.09.2007 (Az. 5 F 126/07) zum Teil abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Balingen vom 18.07.2007 (Az. 5 F 126/07) wird insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte zur Zahlung von monatlichem Kindesunterhalt an die Kläger in folgender Höhe verurteilt worden ist:

An die Klägerin Ziff. 1:

– 01.06.2007 bis 30.06.2007 101,00 EUR
– 01.07.2007 bis 31.10.2007 monatlich 97,00 EUR
– ab 01.11.2007 monatlich 85,00
EUR

An den Kläger Ziff. 2:

– 01.06.2007 bis 30.06.2007 101,00 EUR
– 01.07.2007 bis 31.10.2007 monatlich 97,00 EUR
– ab 01.11.2007 monatlich 72,00
EUR

Die Unterhaltsbeträge sind jeweils fällig im voraus zum 1. eines jeden Monats und für den Zeitraum von Juni 2007 bis Februar 2008 im jeweiligen Monatsbetrag ab dem 1. des jeweiligen Monats zu verzinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 18.07.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten in beiden Instanzen tragen die Parteien jeweils 1/3.

Der Beklagte trägt jeweils 1/3 der außergerichtlichen Kosten beider Kläger. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Kläger jeweils 1/3. Im übrigen trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens:

Klage der Klägerin Ziff. 1: 1.527,00 EUR
Klage des Klägers Ziff. 2: 1.394,00
EUR
insgesamt somit 2.921,00
EUR


Die Kläger machen Kindesunterhalt ab 1.6.2007 (Rechtshängigkeit der Klage) geltend.

Die Kläger sind die minderjährigen Kinder des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe mit Frau A.. Die Kläger werden von der Mutter betreut und versorgt.

Der Beklagte ist erneut verheiratet und hat aus dieser Ehe das Kind D., geboren am … 2004 sowie das Kind J., geboren am … 2007. Der Beklagte wie auch seine Ehefrau sind nicht berufstätig. Die Familie lebt von Arbeitslosengeld II. Zeitweise hatte der Beklagte eine Nebenbeschäftigung im Umfang eines 400 EUR-Jobs.

Durch das dem Beklagten am 01.10.2007 zugestellte Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Balingen vom 14.09.2007, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, wurde der Beklagte unter teilweiser Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Balingen (Az: 5 F 126/07) vom 18.07.2007 (Verurteilung zu 100 % des Regelbetrags) für Juni 2007 zu einem monatlichen Kindesunterhalt von jeweils 123,– EUR, für die Monate Juli bis Oktober 2007 zu einem monatlichen Kindesunterhalt von jeweils 120,– EUR und ab 01.11.2007 für die Klägerin Ziff. 1 zu einem Kindesunterhalt von 132,– EUR monatlich und für den Kläger Ziff. 2 zu einem Kindesunterhalt von 113,– EUR monatlich verurteilt. Im Übrigen wurde das Versäumnisurteil vom 18.07.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Gegen die Verurteilung richtet sich die am 22.11.2007 nebst Antrag auf Wiedereinsetzung eingelegte Berufung mit Berufungsbegründung. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war ein Prozesskostenhilfeantrag vom 29.10.2007 für die beabsichtigte Berufung, eingegangen am 31.10.2007, vorausgegangen. Mit Beschluss vom 8.11.2007, zugestellt am 16.11.2007, wurde dem Beklagten antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt.

Der Beklagte trägt vor, dass das Amtsgericht den Sachverhalt sowohl unter tatsächlichen wie auch rechtlichen Gesichtspunkten unzutreffend beurteilt habe. Eine Verletzung der Obliegenheit, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen, liege nicht vor. Ferner sei das vom Erstgericht angenommene fiktive Einkommen mit einem Stundenlohn von brutto 9,– EUR deutlich übersetzt. Als ungelernte Kraft mit mangelnden Deutschkenntnissen könne er allenfalls einen Stundenlohn von 7,– EUR erzielen. Des weiteren sei bei der fiktiven Einkommensberechnung die 5 %-ige Erwerbspauschale nicht berücksichtigt worden. Auch habe das Erstgericht die Tatsache, dass der Beklagte erneut verheiratet ist und seine Ehefrau wegen der Kinderbetreuung über kein eigenes Einkommen verfügt, vollkommen außer Betracht gelassen. Nicht berücksichtigt sei ferner, dass am 26.11.2007 ein weiteres Kind des Beklagten geboren wurde.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Balingen vom 14.09.2007 – Az. 5 F 126/07 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind der Ansicht, dass der Beklagte hinsichtlich der Bemühungen um einen Arbeitsplatz seiner Darlegungs- und Beweislast nicht genügt hat. Das vom Amtsgericht fiktiv zugrunde gelegte Einkommen von 9,– EUR pro Stunde sei angemessen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Verhandlungsprotokoll vom 15.01.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.

Auf die nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige Berufung hin ist das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage zum Teil als unbegründet abzuweisen.

Zu Recht hat das Amtsgericht festgestellt, dass den Klägern gegen den Beklagten ein Anspruch auf Kindesunterhalt gemäß § 1601 BGB zusteht.

Ohne weitere Darlegung seitens der Kläger ist von einem Bedarf der Kinder noch der Einkommensgruppe I der Düsseldorfer Tabelle auszugehen (BGH FamRZ 2002, 536).

Vorliegend ist eine Leistungsfähigkeit zur Zahlung des Unterhalts aufgrund der tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Beklagten nicht gegeben. Der 42-jährige Beklagte ist seit Februar 2004 arbeitslos. Er bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ferner hatte er ab dem 01.08.2007 vorübergehend eine Nebenbeschäftigung, bei der er monatlich 400,– EUR verdiente. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit kommt es auf die unterhaltsrechtlich relevanten Einkünfte an. Keine Einnahmen in diesem Sinn sind Sozialleistungen, die nicht Lohnersatzfunktion sondern Unterhaltsersatzfunktion haben, wie die frühere Sozialhilfe. Arbeitslosengeld II ist die Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, wobei diese auf dem Leistungsniveau der früheren Sozialhilfe stattfindet (vgl. Münder, SGB II, 2. Aufl., Einleitung Rn. 5). Der Struktur nach ist Arbeitslosengeld II Sozialhilfe für bedürftige aber arbeitsfähige Personen. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. SGB II sind daher kein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen (SüdL, Stand 01.01.2008, Ziff. 2.2). Das vom Beklagten bezogene Arbeitslosengeld II ist ausschließlich bedarfsabhängige Sozialleistung, die daher bei ihm keine Leistungsfähigkeit begründet.

Auch der mit Gesetz der Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) nachträglich eingefügte § 11 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 SGB II führt zu keiner anderen Beurteilung. Aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 SGB II sowie aus den gesetzgeberischen Motiven wird deutlich, dass bei der Bewilligung des Arbeitslosengeldes II lediglich übergangsweise eine Unterhaltszahlung bei bestehendem Titel berücksichtigt werden soll. Die Auffassung, Entgelte aus Nebentätigkeit neben des Bezugs von Arbeitslosengeld II seien ohne Berücksichtigung der Selbstbehaltssätze der Unterhaltsleitlinien an das unterhaltsberechtigte Kind auszuzahlen, findet im Gesetz keine Stütze. Insbesondere ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien kein Hinweis darauf, dass die Einführung des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II die Stellung der unterhaltsberechtigten Kinder in der Weise stärken sollte, dass sie auf Einkünfte des Unterhaltsschuldners auch Zugriff nehmen können, wenn dessen notwendiger Selbstbehalt nicht gewährleistet ist. Vielmehr ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners stets zu beachten. Das Existenzminimum muss dem Unterhaltsschuldner stets verbleiben (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1905).

Somit ist lediglich das zeitweise erzielte Einkommen aus Nebenbeschäftigung in Höhe von 400,– EUR unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen. Dieses liegt jedoch unter dem Selbstbehaltsatz der Düsseldorfer Tabelle und begründet damit keine Leistungsfähigkeit.

Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners nicht nur durch das tatsächlich vorhandene Einkommen bestimmt wird, sondern auch durch seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Der Unterhaltsverpflichtete muss seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen. Vorliegend ist dem Beklagten, der keine Berufsausbildung hat, zur Zahlung des Kindesunterhalts jede Art von Hilfstätigkeit zumutbar.

Von den Klägern wird bestritten, dass sich der Beklagte hinreichend um eine Arbeitsstelle bemüht hat. Die vom Beklagten dargelegten Bemühungen um eine Arbeit sind nicht als ausreichend anzusehen. Von einem Arbeitssuchenden kann grundsätzlich verlangt werden, dass er den für eine vollschichtige Erwerbstätigkeit notwendigen Zeitaufwand auf seine Arbeitssuche verwendet. 20-30 Bewerbungsschreiben pro Monat können im Einzelfall zumutbar sein (vgl. Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rn. 620). Die Darlegungs- und Beweislast für die erfolglose Arbeitssuche trifft den Unterhaltspflichtigen. Es muss substantiiert vorgetragen und ggf. bewiesen werden, welche konkreten Bemühungen entfaltet wurden, um Arbeit zu finden. Der Beklagte trägt lediglich unsubstantiiert vor, dass er „monatlich Bewerbungen schreibe“. Hierbei legt er 3 Bewerbungen vom 23.09.2007, 3 Bewerbungen vom 08.10.2007 sowie 4 Bewerbungen vom 06.12.2007 vor. Die geringe Anzahl der Bewerbungen zeigt, dass der seit Februar 2004 erwerbslose Beklagte sich nicht mit der erforderlichen Intensität um eine Arbeitsstelle bemüht. Es ist ihm daher ein fiktives Einkommen anzurechnen.

Das Amtsgericht ist in seinem Urteil zutreffend von einem möglichen Stundenlohn von 9,– EUR brutto ausgegangen. Diese Einschätzung erscheint insbesondere vor dem Hintergrund des erhaltenen Lohns für frühere Erwerbstätigkeiten des Beklagten als angemessen. Der Beklagte ging in der Vergangenheit folgenden Tätigkeiten nach: Von Februar 1984 bis zur Übersiedelung nach Deutschland im September 1993 arbeitete der Beklagte als Taxi- und Lkw-Fahrer in Syrien. Von September 1996 bis Oktober 2002 arbeitete er als Hilfsarbeiter an einer Vorbrecheranlage in einem Schotterwerk zu einem Stundenlohn von brutto 19,– DM; vom 24.03.2003 bis 31.08.2003 nahm der Beklagte eine unbekannte Tätigkeit für eine Firma G.. GmbH wahr zu einem Stundenlohn von brutto 8,– EUR; von Oktober 2003 bis Februar 2004 arbeitete er als Aushilfe in unbekanntem Umfang für die Firma F. in Stockach und erzielte dort ein Nettoentgelt von 763,97 bis 823,97 EUR. Der Beklagte, der nur schlecht Deutsch spricht, ist 42 Jahre alt. Er hat einen Pkw-Führerschein. Er ist von kräftigem Körperwuchs, über gesundheitliche Beeinträchtigungen ist nichts bekannt. Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte bei einer schwereren körperlichen Arbeit durchaus in der Lage wäre, als Hilfsarbeiter einen monatlichen Stundenlohn von 9,– EUR zu erzielen.

Soweit der Beklagte einwendet, dass er aufgrund der vergleichweise hohen Arbeitslosigkeit in Oberfranken allenfalls eine Beschäftigung bei einer Zeitarbeitsfirma finden könne, die lediglich Stundenlöhne zwischen 6,50 bis 7,00 EUR brutto zahle, kann er hiermit nicht gehört werden. Der Beklagte hat sich bisher nicht ausreichend um eine feste Anstellung bemüht. Allein aufgrund des allgemeinen Hinweises auf eine schlechte Arbeitsmarktlage kann nicht vom Fehlen jeglicher Beschäftigungschance in einer festen Anstellung ausgegangen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beklagte bei Aufwendung der erforderlichen Bemühungen durchaus in der Lage wäre, eine feste Anstellung als Hilfsarbeiter zu erlangen. Für eine Tätigkeit als ungelernter Hilfsarbeiter kann auch in Oberfranken ein Stundenlohn von brutto 9,– EUR erzielt werden (vgl. z.B. OLG Bamberg, Beschluss vom 12.01.2005, 2 U 273/04).

Es ist daher von einem fiktiven monatlichen Einkommen von brutto (173 x 9) 1.557,– EUR auszugehen. Das Amtsgericht hat das monatliche Nettoeinkommen nach Steuerklasse III zutreffend mit 1.237,– EUR ermittelt.

Abweichend vom erstinstanzlichen Urteil ist jedoch eine 5 %-ige Erwerbspauschale in Abzug zu bringen. Diese ist auch im Mangelfall zu berücksichtigen (vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 1738). Die 5 %-ige Erwerbspauschale beträgt 61,85 EUR, so dass ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.175,15 EUR verbleibt.

Zur Ermittlung der geschuldeten Unterhaltsleistungen ist vorliegend eine Mangelfallberechnung durchzuführen.

Der Beklagte wendet ohne Erfolg ein, dass das Amtsgericht bei der Mangelfallberechnung zu Unrecht seine 2. Ehefrau nicht berücksichtigt habe. Sowohl nach dem früheren als auch nach dem jetzigen Recht ist die 2. Ehefrau in die Mangelfallberechnung nicht einzubeziehen.

Gemäß § 36 Ziff.7 EGZPO bleiben vor dem 01.01.2008 fällig gewordene Unterhaltsleistungen unberührt, d.h. dass sich die Unterhaltsansprüche bis zum 31.12.2007 nach dem früheren Recht richten. Zwar bestimmt § 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F., dass der Ehegatte, also sowohl der geschiedene als auch der neue Ehegatte, den minderjährigen Kindern im Rang gleichsteht. Andererseits sieht § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. vor, dass bei mehreren unterhaltsbedürftigen Ehegatten der geschiedene Ehegatte mit einem Unterhaltsanspruch wegen Kindesbetreuung nach § 1570 BGB dem neuen Ehegatten vorgeht. Mit dieser Rechtsfolge wäre es nicht vereinbar, die Unterhaltsansprüche der minderjährigen Kinder sowohl den Ansprüchen des geschiedenen Ehegatten als auch denen des neuen Ehegatten im Rang gleichzustellen. Wegen des Widerspruchs zwischen § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. einerseits und § 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. andererseits bedarf es einer Auslegung über den Wortlaut der Regelungen hinaus. Diese muss sich von dem Ziel der Rangregelungen leiten lassen, dass in Mangelfällen in erster Linie der Unterhalt besonders schutzwürdig erkannter Angehöriger gesichert werden soll. Dem von § 1582 BGB a. F. als Nachwirkung der früheren Ehe beabsichtigten besonderen Schutz des geschiedenen Ehegatten kann nur dadurch Rechnung getragen werden, dass der Anwendungsbereich des § 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. in Mangelfällen bei einer Kollision mit der Rangregelung des § 1582 Abs. 1 BGB a. F. im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend eingeschränkt wird, dass der in § 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB angeordnete Gleichrang mit dem Ehegatten nur für den nach § 1582 Abs. 1 BGB a. F. privilegierten geschiedenen und nicht auch für den neuen Ehegatten gilt (BGH FamRZ 1988, 705). Auch in den Fällen, in denen dem geschiedenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch an sich zustehen würde und er diesen lediglich deshalb nicht geltend macht, um wenigstens den Regelbedarf der minderjährigen Kinder zu sichern, bleibt es beim Nachrang des neuen Ehegatten gemäß § 1582 Abs. 1 BGB a. F. mit der Folge, dass diesem die minderjährigen Kinder im Rang vorgehen (BGH NJW 2005, 2145). Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Mutter der Kläger im maßgeblichen Zeitraum bis 31.12.2007 ebenfalls unterhaltsberechtigt war. Sie betreute die 9 bzw.10 und 11 bzw. 12 jährigen Kläger, eine vollzeitige Erwerbstätigkeit war ihr daher nicht zumutbar. Sie bestritt ihren Lebensunterhalt durch Arbeitslosengeld II und Einkommen aus einem Nebenerwerb in Höhe von monatlich 296,10 EUR. Da § 1582 Abs. 1 BGB a. F. nicht darauf abstellt, ob der geschiedene Ehegatte seinen Unterhaltsanspruch tatsächlich geltend macht, und der geschiedene Ehegatte auch nicht gezwungen sein kann, seinen eigenen Unterhaltsanspruch nur deshalb geltend zu machen, um den Vorrang der Unterhaltsansprüche seiner minderjährigen Kinder zu sichern, gilt der Nachrang der 2. Ehefrau auch vorliegend, wo die Mutter der Kläger keinen nachehelichen Ehegattenunterhalt geltend macht. Die fehlende Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau ist nach der Zweckrichtung mit freiwilligen Leistungen Dritter vergleichbar, die nicht den Zweck haben, die neue Familie des Beklagten zu begünstigen (BGH NJW 2005, 2145). Die 2. Ehefrau des Beklagten ist daher bei der Mangelfallberechnung für den Zeitraum bis 31.12.2007 nicht zu berücksichtigen.

Nach dem neuen Recht sind gemäß § 1609 Ziff. 1 BGB n. F. minderjährige Kinder den Elternteilen vorrangig, so dass auch für die Zeit ab 1.1.2008 die 2. Ehefrau nicht zu berücksichtigen ist.

Die Mangelfallberechnung stellt sich vorliegend wie folgt dar:

Unterhalt im Juni 2007:

Es steht ein Einkommen von 1.175,15 EUR abzüglich des Selbstbehalts von 890,– EUR (Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.07.2005) somit 285,15 EUR für Unterhaltszwecke zur Verfügung.

Gemäß der Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.07.2005 ist der Einsatzbetrag für den Kindesunterhalt der 6. Einkommensgruppe zu entnehmen.

Es sind daher folgende Beträge zugrunde zu legen:

Kläger Ziff. 1 (2. Altersstufe):  334,00 EUR
Kläger Ziff. 2 (2. Altersstufe):  334,00 EUR
D. (1. Altersstufe):  276,00 EUR

Der Gesamtbedarf der Kinder beträgt daher 944,– EUR. Nachdem nur 285,15 EUR für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehen erfolgt eine Reduzierung der Unterhaltsansprüche auf 30,21 %, mithin für die beiden Kläger auf je 100,90 EUR, gerundet 101,– EUR.

Unterhalt im Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.10.2007:

Das verfügbare Einkommen beträgt 1.175,15 EUR abzüglich des Selbstbehalts von 900,– EUR (Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.07.2007) somit 275,15 EUR.

Nach der Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.07.2007 ist der Einsatzbetrag für den Kindesunterhalt dem Tabellenbetrag der 6. Einkommensgruppe zu entnehmen.

Es sind daher folgende Einsatzbeträge zugrunde zu legen:

Kläger Ziff. 1 (2. Altersstufe):  331,00 EUR
Kläger Ziff. 2 (2. Altersstufe):  331,00 EUR
D. (1. Altersstufe):  273,00 EUR

Der Gesamtbedarf der Kinder beträgt daher 935,– EUR. Da lediglich 275,15 EUR für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehen, werden die Unterhaltsansprüche auf 29,43 % reduziert, somit für beide Kläger auf je 97,41 EUR, gerundet 97,– EUR.

Unterhalt im Zeitraum vom 01.11.2007 bis 31.12.2007:

Das verfügbare Einkommen beträgt 1.175,15 EUR abzüglich des Selbstbehalts von 900,– EUR (Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.07.2007) somit 275,15 EUR.

Nach der Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.07.2007 sind die Einsatzbeträge der 6. Einkommensgruppe zu entnehmen.

Es ist von folgenden Beträgen auszugehen:

Kläger Ziff. 1 (3. Altersstufe):  389,00 EUR
Kläger Ziff. 2 (2. Altersstufe):  331,00 EUR
D.. (1. Altersstufe):  273,00 EUR
J.. (1. Altersstufe):  273,00 EUR

Der Gesamtbedarf der 4 Kinder beträgt 1.266,– EUR.

Da lediglich 275,15 EUR für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehen, sind die Unterhaltsansprüche auf 21,73 % zu reduzieren, somit für den Kläger Ziff. 1 auf 84,53 EUR, gerundet 85,– EUR und für den Kläger Ziff. 2 auf 71,93 EUR, gerundet 72,– EUR.

Unterhalt ab 01.01.2008:

Das verfügbare Einkommen beträgt 1.175,15 EUR abzüglich des Selbstbehalts von 900,– EUR (Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.01.2008) somit 275,15 EUR.

Nach der Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.01.2008 und den Süddeutschen Leitlinien, Stand 01.01.2008, Anhang Ziff. 2.2 entspricht der Einsatzbetrag dem Zahlbetrag, also der Einkommensgruppe 1 abzüglich hälftigem Kindergeld (§ 1612 b Abs. 1 Ziff. 1 BGB n. F.).

Es ist daher von folgenden Beträgen auszugehen:

Kläger Ziff. 1 (3. Altersstufe):  365,00 – 77,00 =  288,00 EUR
Kläger Ziff. 2 (2. Altersstufe):  322,00 – 77,00 =  245,00 EUR
D. (1. Altersstufe):  279,00 – 77,00 =  202,00 EUR
J. (1. Altersstufe):  279,00 – 77,00 =  202,00 EUR

Der Gesamtbedarf der 4 Kinder beträgt daher 937,– EUR. Da lediglich 275,15 EUR für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehen, sind die Unterhaltsansprüche auf 29,36 % zu kürzen, somit für den Kläger Ziff. 1 auf 84,56 EUR, gerundet 85,– EUR und für den Kläger Ziff. 2 auf 71,93 EUR, gerundet 72,– EUR.

Hinsichtlich dieser Beträge war das erstinstanzliche Urteil aufrechtzuerhalten und die Berufung zurückzuweisen.

Der Zinsausspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB. Für die Zukunft kann ein Zinsanspruch nicht zuerkannt werden, da es insoweit an der Fälligkeit der Forderungen fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der vorliegende Fall hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Rechtsfortbildung oder Rechtsvereinheitlichung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Daher war die Revision nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

OLG Stuttgart, Urteil vom 05.02.2008
18 UF 225/07

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