Unterhaltsrechtliche Leitlinien OLG Hamm – Stand 01.01.2023

Unterhaltsrechtliche Leitlinien OLG Hamm – Stand 01.01.2023

Die Leitlinien sind von den Familiensenaten des Oberlandesgerichts Hamm erarbeitet worden, um eine möglichst einheitliche Rechtsprechung im gesamten OLG-Bezirk zu er­zielen. Sie stellen keine verbindlichen Regeln dar – das verbietet sich schon mit Rücksicht auf die richterliche Unab­hängigkeit – und sollen dazu beitragen, angemessene Lösungen zu finden, ohne den Spielraum einzuengen, der erforderlich ist, um den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden. Wesentliche Änderungen zum Vorjahr sind durch Unterstreichung markiert.

Unterhaltsrechtliches Einkommen

1. Geldeinnahmen

1.1
Auszugehen ist von einem durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommen einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie sonstigen Zuwendungen, auch Sachbezügen und Gewinnbeteiligungen.
1.2
Höhere einmalige Zuwendungen (z.B. Jubiläumszulagen) können auf einen längeren Zeitraum verteilt werden. Abfindungen sind regel­mäßig auf einen angemessenen Zeit­raum zur Aufrechter­haltung eines angemessenen Lebensstandards umzulegen. Grundsätzlich sind Abfindungen bei der Aufnahme einer neuen Arbeitsstelle mit dauerhaft geringerem Einkommen bis zur Höchstgrenze des Bedarfs aufgrund des früheren Einkommens sowohl beim Kindes- als auch beim Ehegattenunterhalt für den Unterhalt zu verwenden; ob eine Aufstockung bis zum bisherigen Einkommen unter vollständiger Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards geboten ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der beim Pflichtigen zu erwartenden weiteren Einkommensentwicklung. Beim Ehegattenunterhalt gilt dies nicht, soweit der Abfindungsbetrag bereits güterrechtlich Be­rücksichtigung gefunden hat.
1.3
Überstundenvergütungen sind Einkommen, wenn die Überstunden entweder in ge­ringem Umfang anfallen oder berufstypisch sind. Ver­gütungen für Überstunden, die deutlich über dieses übliche Maß hin­ausgehen, sind nach Billigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichti­gung der Umstände des Einzelfalles sowie des in § 1577 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens anzurechnen. Beim Ehegattenunterhalt sind Überstundenvergütungen nach vor­stehender Maßgabe bedarfsbestimmend zu berück­sichtigen, wenn sie bereits die intakten Lebensver­hältnisse mitgeprägt haben. Die gleichen Erwägungen gelten für Einkünfte aus einer Neben­tätigkeit, die neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. In Fällen gesteigerter Unterhaltsverpflichtung (§ 1603 Abs. 2 BGB) kann es dem Pflichtigen obliegen, zur Deckung des Mindestunterhalts Über­stunden zu leisten und/oder eine Nebentätigkeit auszuüben, soweit dies möglich und zumutbar ist, jedoch nicht über die Grenzen der §§ 3 und 6 ArbZG hinaus.
1.4
Über die Anrechenbarkeit von Auslösungen und Spesen ist nach Maßgabe des Ein­zelfalls zu entscheiden. Im Zweifel kann davon ausgegangen werden, dass eine Er­sparnis eintritt, die mit einem Drittel der Nettobeträge zu bewerten und insoweit dem anrechenbaren Einkommen zuzu­rechnen ist.
1.5
(1) Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ist an Hand der Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. der Einnahmen-Überschuss-Rech­nungen zu ermitteln. Zur Ermittlung der laufenden und zukünftigen Einkünfte ist auf einen mehr­jährigen Zeitraum abzustellen; in der Regel sind hierzu drei Jahre ausreichend, während bei erheb­lichem Einkommensrückgang oder Anhaltspunkten für Mani­pulationen zur Überprüfung weitere Jahr­gänge einbezogen werden können. In diesem Zusammenhang kann den Entnahmen eine Indizwirkung zukommen. Für die Vergangenheit ist von den in den jeweiligen Jahren erzielten Einkünften auszugehen. Eine Durchschnittsberechnung über den Zeitraum, für den Unterhalt verlangt wird, ist möglich.
(2) Lineare Abschreibungen (AfA) von Wirtschaftsgütern sind regelmäßig als gewinnmindernd anzuer­kennen. Hinsichtlich des Umfanges der Abschreibungen haben die von der Finanzverwaltung herausge­gebenen AfA-Tabellen die Vermutung der Richtig­keit für sich. Soweit Abschreibungen unterhaltsrechtlich nicht anerkannt werden, kommt die Berücksichtigung der Tilgungsleistungen in Betracht.
1.6
Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapital­vermögen
1.6.1
Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sind – vermindert um die Aufwendung­en zur Finanzierung und Erhaltung des Objektes – Einkommen. Die Berücksichtigungsfähigkeit von Tilgungsleistungen richtet sich nach den Umständen des Einzel­falles. AfA-Beträge sind für Ge­bäude regelmäßig nicht abzusetzen.
1.6.2
Einnahmen aus Kapitalvermögen sind nach Abzug der Werbungs­kosten als Ein­kommen zu berücksichtigen.
1.7
Steuererstattungen bzw. Steuernachzahlungen sind grundsätzlich auf das Zahlungsjahr umzulegen (sog. In-Prinzip); insbesondere bei Selbständigen und Gewerbetrei­benden kann es sich allerdings zum Zwecke der Entzerrung empfehlen, die für das jeweilige Kalenderjahr veranlagten Steuern anzusetzen (sog. Für-Prinzip). Es besteht die Ob­liegenheit, mögliche Steuervorteile in Anspruch zu nehmen. Dies gilt für das steuer­liche Realsplitting nur, soweit die Unterhaltsverpflichtung auf einem Anerkenntnis oder rechtskräftiger Verurteilung beruht oder freiwillig erfüllt wird.
1.8
Sonstige Einnahmen (z.B. Trinkgelder).

2. Sozialleistungen

2.1
Arbeitslosengeld (§ 117 SGB III), Krankengeld, Krankentagegeld und Übergangsgeld (§ 24 SGB II) sind Einkommen.
2.2
Arbeitslosengeld II (§§ 19 – 32 SGB II) ist Einkommen bei dem Ver­pflichteten; bei dem Berechtigten dagegen nicht. Allerdings kann die Geltendmachung rückständigen Unterhalts neben bereits gewährtem Arbeitslosengeld II ausnahmsweise treuwidrig sein, wenn dies wegen eines ge­setzlichen Ausschlusses des Anspruchsüberganges auf den Leistungsträger (§ 33 Abs. 2 SGB II) zu einer doppelten Befriedigung des Berechtigten führen würde.
2.3
Wohngeld ist Einkommen, soweit es nicht überhöhte Wohnkosten deckt.
2.4
BAföG-Leistungen sind mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG Ein­kommen. Das gilt in der Regel auch dann, wenn sie als Darlehn gewährt werden.
2.5
Elterngeld ist als Einkommen zu behandeln; für den Mindestbetrag von monatlich 300 € bzw. im Fall des § 6 S. 2 BEEG von monatlich 150 € gilt dies nur ausnahmsweise (§ 11 S. 4 BEEG).
2.6
Unfall- und Versorgungsrenten sowie Übergangsgelder aus der Unfall- bzw. Ren­tenver­sicherung sind Einkommen.
2.7
Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld und ähnliche Sozial­leistungen sind Einkommen, wobei § 1610a BGB zu beachten ist.
2.8
Pflegegeld nach §§ 37 ff SGB XI, das an den Pflegenden weiterge­leitet wird, ist nur unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 6 SGB XI Einkommen. Pflegegeld nach § 64 SGB XII für eigene schwerbehinderte Kinder und nach § 39 SGB VIII für die Aufnahme fremder Kinder ist mit seinem im Einzelfall zu be­messenden Vergütungsanteil Einkommen.
2.9
Leistungen zur Grundsicherung nach den §§ 41 – 43 SGB XII sind Einkommen beim Verwandtenunterhalt.
2.10
Sonstige Sozialhilfe (SGB XII) ist in der Regel kein Einkommen. Bei der Geltend­machung rückständigen Unterhalts und Ausschluss des Anspruchsüberganges (§ 94 Abs. 3 SGB XII) gilt Nr. 2.2 (Satz 2) entsprechend.
2.11
Für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gelten die Aus­führungen unter Nr. 2.2 und 2.10.

3. Kindergeld / Kindergeldanrechnung

(1) Das staatliche Kindergeld zählt nicht zum bedarfsprägenden Ein­kommen der Eltern. Es mindert den Barbedarf des Kindes in voller Höhe bzw. in Höhe der Hälfte des Kindergeldbetrages, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht gegenüber einem minder­jährigen Kind durch Betreuung erfüllt – § 1612b Abs.1 BGB (siehe dazu die Kinder­geld­anrechnungstabelle in Anhang II). Von der An­rechnung auf den Bedarf des Kindes ausgenommen ist der sog. Zählkindervorteil (§ 1612b Abs. 2 BGB). Das volljährige Kind hat im Fall des § 1612b Abs.1 Nr. 2 BGB gegen den Empfänger des Kindergeldes Anspruch auf Auszahlung, soweit dies nicht zur Deckung seines Bedarfs ver­wendet wird.
(2) Kinderzulagen und Kinderzuschüsse zur Rente sind, wenn die Gewährung des staatlichen Kinder­geldes entfällt, in Höhe des fiktiven Kindergeldes wie Kindergeld zu behandeln (§ 4 BKGG, § 65 EStG, § 270 SGB VI, § 1612c BGB).

4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers

Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers aller Art, z.B. Firmen­wagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie ent­sprechende Aufwendungen ersparen. Die hierfür steuerlich in An­satz gebrachten Beträge bieten einen Anhaltspunkt für die Bewertung des geldwerten Vorteils.

5. Wohnwert

5.1
Der Vorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Haus oder in der Eigentums­woh­nung – Wohnvorteil – ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens wie Ein­kommen zu behandeln.
5.2
(1) Beim Ehegattenunterhalt ist  während der Trennungszeit bis zur endgültigen Vermögensauseinandersetzung oder bis zum endgültigen Scheitern der Ehe – also in der Regel bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags – der Wohnvorteil des bleibenden Ehegatten entsprechend der nur noch eingeschränkten Nutzung mit dem sog. an­gemessenen Wohnwert anzusetzen. Dieser richtet sich nach dem Mietpreis (Nettokaltmiete) auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine den ehelichen Lebensver­hältnissen angemessene kleinere Wohnung. Die gemäß § 556 BGB nicht umlagefähigen Betriebskosten (z.B. Kosten für die Verwaltung und Geldverkehr) und die erforderlichen – konkreten – Instand­haltungskosten mindern den angemessenen Wohnwert. (Zu den Finanzierungslasten s. Nr. 5.4).
(2) Ebenso berechnet sich der Wohnwert in dieser Phase für den Kindesunterhalt; nur in eng begrenzten Ausnahmefällen kann im Hinblick auf § 1603 Abs. 2 BGB der Ansatz des objektiven Wohnwerts (Nr. 5.3) geboten sein.
5.3
Nach der endgültigen Vermögensauseinandersetzung oder dem endgültigen Scheitern der Ehe richtet sich der Wohnvorteil im Ehegattenunterhalt bei der Bedarfsbemessung (§ 1578 BGB) nach dem objektiven oder vollen Mietwert (Marktmiete) unter Abzug der unter Nr. 5.2 genannten Be­lastungen. Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten eine andere Verwertung der Wohnung, insbesondere durch seinen Auszug noch nicht möglich oder zumutbar ist. Nach der Veräußerung des Familienheimes treten die tatsächlichen bzw. die erzielbaren Einkünfte aus dem Erlös an die Stelle des Wohnwertes, ohne auf diesen beschränkt zu sein.
5.4
(1) Finanzierungslasten (Immobiliendarlehen) mindern den Wohnwert, soweit sie tatsächlich durch Ratenzahlungen bedient werden. Für die Berechnung des Ehegattenunterhalts bis zum endgültigen Scheitern der Ehe sind Ratenzahlungen in aller Regel mit Zins und Tilgung zu berücksichtigen.
(2) Nach dem endgültigen Scheitern der Ehe mindern Zinszahlungen weiterhin den Wohnwert. Für die Berücksichtigungsfähigkeit von Tilgungsleistungen kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Frage, ob Miteigentum an der Immobilie besteht, ob einseitige Vermögensbildung betrieben wird, ob eine Streckung/Aussetzung der Tilgung möglich und zumutbar ist, ohne dass eine Zwangsversteigerung droht. Von einseitiger Vermögensbildung kann grundsätzlich nicht ausgegangen werden, soweit den Tilgungsanteilen ein entsprechender Wohnvorteil gegenüber steht. Ein den Wohnvorteil dann noch übersteigender Tilgungsanteil kann im Rahmen der sekundären Altersvorsorge (vgl. Nr. 10.1) zu berücksichtigen sein. Im Einzelfall kann zu prüfen sein, ob eine Obliegenheit zur Vermögensumschichtung durch Verkauf der Immobilie besteht. Dabei ist allerdings zu beachten, dass selbst genutztes Immobilieneigentum nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII zum geschützten Vermögen gehört.
(3) Beim Kindesunterhalt gilt für die Berücksichtigung der Finanzierungslasten im Rahmen des § 1603 Abs. 1 BGB ein großzügigerer, im Anwendungsbereich des § 1603 Abs. 2 BGB hingegen ein strengerer Maßstab.
(4) Auch beim Elternunterhalt sind neben den Zinsen die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen, ohne dass dies seine Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert. Der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil ist im Rahmen der sekundären Altersvorsorge auf die Altersvorsorgequote des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.

6. Haushaltsführung / Zusammenleben

6.1
Für die unentgeltliche Führung des Haushalts eines leistungs­fähigen Dritten, ins­besondere eines neuen Partners, ist eine ange­messene Ver­gütung zu fingieren und als Einkommen zu berück­sichtigen. Dieses kann im Falle einer Vollversorgung mit Be­trägen von 250 € bis 500 € an­gesetzt werden.

6.2
Das Zusammenleben in einer häuslichen Gemeinschaft kann unter dem Gesichts­punkt ersparter Wohn- und Haushaltskosten nach den Umständen des Einzelfalles – bei Leistungs­fähigkeit des Partners – die Leistungs­fähigkeit steigern. In der Regel kann dieser geldwerte Vorteil für die Gemeinschaft mit bis zu 20 % des Selbst­be­halts/Eigenbedarfs bemessen und dem jeweiligen Partner zur Hälfte zugerechnet werden. Vgl. auch Nr. 21.5.

7. Einkommen aus überobligatorischer (unzumut­barer) Er­werbs­tätigkeit

Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Vgl. im Übrigen Nr. 1.3, Nr. 10.3 sowie Nr.17.3.

8. Freiwillige Leistungen Dritter

Freiwillige Leistungen Dritter (z.B. Geldleistungen, Wohnungsge­währung) sind regelmäßig nicht als Einkommen zu berücksichtigen, es sei denn die Berücksichtigung entspricht dem Willen des zu­wendenden Dritten. Im Mangelfall kann jedoch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit bzw. Be­dürftigkeit eine Anrechnung derartiger Leistungen auch gegen den Willen des Zuwendenden erwogen werden.

9. Einkommensfiktion

Zum Einkommen können auch Einkünfte zu rechnen sein, die aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielt werden müssten, aber tatsächlich nicht erzielt werden.

10. Bereinigung des Einkommens

10.1
In dem jeweiligen Jahr gezahlte Steuern auf das Einkommen sind vom Brutto­einkommen abzuziehen. Auf Nr. 1.7 wird verwiesen. Abzu­ziehen sind ebenfalls notwendige Vorsorgeaufwendungen. Hierzu zählen Auf­wendungen für Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeits­losenver­sicherung. Im Rahmen der Altersvorsorge können über die Aufwendungen für die Grundversorgung (primäre Altersvorsorge) hinaus in angemessenem Umfang tatsächlich ge­leistete Zahlungen für eine zusätzliche private Altersvorsorge (sekundäre Altersvorsorge) anerkannt werden. Personen, die der gesetzlichen Ver­sicherungspflicht nicht unterliegen, können für ihre primäre Altersversorgung entsprechend dem Aufwand eines nicht Selbständigen in der Regel etwa 20 % des Bruttoeinkommens einsetzen, es sei denn, die Altersvorsorge ist bereits auf andere Weise gesichert. Beim Ehegattenunterhalt ist für die sekundäre Altersvorsorge in der Regel ein Betrag von bis zu 4 % des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres angemessen, beim Elternunterhalt ein Betrag etwa in Höhe von 5 % und beim Kindesunterhalt in Höhe von bis zu 4 %, soweit der Mindestunterhalt gedeckt ist. Höhere Altersvorsorgeaufwendungen während der Ehe können ab dem endgültigen Scheitern der Ehe nicht mehr berücksichtigt werden.
10.2
Berufsbedingte Aufwendungen
10.2.1
Notwendige berufsbedingte Aufwendungen von Gewicht mindern das Einkommen, soweit sie konkret dargelegt werden. Werden fiktiv Erwerbseinkünfte zugerechnet, kann für beruflichen Aufwand pauschal ein Abzug von 5 % des Nettoeinkommens vorgenommen werden.
10.2.2
Für Fahrten von der Wohnung zum Arbeitsplatz sind – jedenfalls in engen wirt­schaftlichen Verhältnissen – in der Regel nur die Kosten öffentlicher Verkehrsmittel absetzbar. Ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar, sind die Kosten der PKW-Nutzung in der Regel mit 0,42 € (für die Zeit bis 31.12.2021 0,30 €) je Kilometer (Formel: Entfernungskilometer x 2 x 0,42 € x 220 Arbeitstage ÷ 12 Monate) abzugsfähig. Wenn die einfache Entfernung über 30 Kilometer hinausgeht, wird empfohlen, die weiteren Kilometer wegen der eintretenden Kostenersparnis nur mit den Betriebskosten von 0,28 € (für die Zeit bis 31.12.2021 0,20 €) je Kilometer anzusetzen. Neben den Fahrtkosten sind regelmäßig keine weiteren Kosten (etwa für Kredite oder Reparaturen) abzugsfähig.
10.2.3
Bei einem Auszubildenden sind in der Regel 100 € als Ausbildungsaufwand abzu­ziehen (Nr. 12.2), soweit dieser Aufwand nicht bereits in dem Bedarfssatz enthalten ist (Nr. 13.1.2).
10.3
Das Einkommen aus einer neben der Kinderbetreuung ausgeübten Erwerbstätigkeit kann um den notwendigen, konkret dargelegten Auf­wand für die Betreuung des Kindes vermindert werden. Zum Aufwand für die Betreuung des Kindes zählen nicht die Kosten des Kindergartenbesuchs; diese sind Mehrbedarf des Kindes und nach dem Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte zwischen den Eltern aufzuteilen (Nr. 12.4). Fallen keine konkreten Betreuungskosten an, kann – sofern besondere Erschwernisse dargelegt werden – ein Teil des Einkommens nach Billigkeitsgrundsätzen entsprechend § 1577 Abs. 2 S. 2 BGB (für den unterhaltsberechtigten Ehegatten vgl. Nr. 17.3) anrechnungsfrei bleiben. Das gilt ebenfalls bei der Prüfung der Frage, ob ein Elternteil auch zum Barunterhalt eines von ihm betreuten Kindes beitragen muss (§ 1603 Abs. 2 S. 3 BGB). Auf Nr. 12.3 wird verwiesen.
10.4
Schulden
10.4.1
(1) Schulden können das anrechenbare Einkommen vermindern. Beim Ehegattenunterhalt sind Verbindlichkeiten zu berück­sichtigen, wenn sie schon vor oder während des ehelichen Zusammenlebens eingegangen wurden. Nach der Trennung entstandene Schulden können das anrechenbare Einkommen mindern, wenn sie berücksichtigungswürdig sind.
(2) Eine den Billigkeits­grundsätzen entsprechende Gesamtabwägung der Einzelfallumstände kann es erfordern, dass die jeweils für sich anerkennungsfähigen Verbindlichkeiten nur im Rahmen eines ver­nünftigen Tilgungsplans in angemessenen Raten (Zinsen und Tilgung) abzugsfähig sind.
10.4.2
Beim Unterhalt für minderjährige und privilegierte volljährige Kinder sind Schulden nach obiger Maßgabe regelmäßig nur dann voll berücksichtigungsfähig, wenn der Mindestunterhalt sichergestellt wird. Andernfalls ist, wenn die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht möglich oder nicht zumutbar ist, lediglich ein Anwachsen der Ver­bindlichkeiten zu ver­meiden (nur Abzug von Kreditzinsen).
10.5
Zurzeit nicht besetzt.
10.6
Vermögenswirksame Leistungen vermindern das Einkommen nicht, soweit sie nicht im Rahmen zulässiger sekundärer Altersvorsorge berücksichtigungsfähig sind (Nr. 10.1). Jedoch sind dem Pflichtigen bzw. Berechtigten in jedem Fall etwaige Zusatz­leistungen des Arbeitgebers für die vermögens­wirksame Anlage (mit dem Nettobetrag) sowie die staatliche Sparzulage voll zu belassen.
10.7
Notwendige Kosten des Umgangs mit Kindern können das Einkommen mindern, wenn ansonsten der notwendige Selbstbehalt unterschritten würde.

Kindesunterhalt

11. Bemessungsgrundlage

Der Unterhaltsbedarf minderjähriger sowie volljähriger unverheirateter Kinder ohne eigene Lebensstellung ist der Unter­haltstabelle (Düsseldorfer Tabelle) zu entnehmen (siehe Anhang I).

11.1
In den Tabellensätzen sind Beiträge zur Kranken- und Pflegever­sicherung nicht enthalten.
11.2
Eingruppierung
11.2.1
Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Pflichtige zwei Be­rechtigten Unterhalt zu gewähren hat, ohne Rücksicht auf deren Rang. Bei einer größeren Anzahl von Berechtigten können Abschläge, bei einer geringeren Anzahl Zuschläge – durch Einstufung in höhere/niedrigere Gruppen – angemessen sein. Eine Eingruppierung in eine höhere Einkommensgruppe setzt jedoch voraus, dass dem Pflichtigen nach Abzug des Kindesunterhalts und des Ehegattenunterhalts bzw. des Unterhalts für Berechtigte nach § 1615l BGB der für die höhere Einkommensgruppe maßgebende Bedarfskontrollbetrag (Nr. 11.2.2) verbleibt.
11.2.2
Der Kindesunterhalt muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem Betrag stehen, der dem Pflichtigen nach Abzug des Kindesunterhalts (Zahlbetrag) und des Ehegattenunter­haltes für den eigenen Bedarf verbleibt (Bedarfskontrollbetrag). Wird der Bedarfskontrollbetrag unter­schritten, ist der Unterhalt der nächst niedrigeren Einkommensgruppe, deren Bedarfskontrollbetrag gewahrt wird, zu entnehmen.

12. Minderjährige Kinder

12.1
Minderjährige Kinder haben Anspruch auf den Mindestunterhalt nach § 1612a BGB; dem entspricht der Barunterhalt aus der ersten Einkommensgruppe der Unterhalts­tabelle in der jeweiligen Altersstufe. Der Betreuungsunterhalt im Sinne des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB entspricht wertmäßig in der Regel dem vollen Barunterhalt.
12.2.
Einkommen des Kindes wird hälftig auf seinen Bedarf angerechnet. Die Ausbildungsvergütung ist – nach Kürzung um den ausbildungsbedingten Mehrbedarf (Nr. 10.2.3) – als Einkommen zu be­handeln. Zur Kindergeldanrechnung siehe Nr. 3.
12.3
(1) Der Elternteil, der in seinem Haushalt ein minderjähriges unverheiratetes Kind be­treut, braucht deshalb (vgl. Nr. 12.1) neben dem anderen Elternteil regelmäßig keinen Barunterhalt zu leisten.
(2) Eine Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils kann jedoch entfallen oder sich ermäßigen, wenn er zu Unterhaltszahlungen nicht ohne Beeinträchtigung seines angemessenen Unterhalts in der Lage wäre, während der andere Elternteil neben der Betreuung des Kindes auch den Barunterhalt leisten könnte, ohne dass dadurch sein eigener angemessener Unterhalt gefährdet würde und ohne die Beteiligung des betreuenden Elternteils am Barunterhalt ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehen würde. In solchen Fällen entfällt die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB, also die Beschränkung auf den notwendigen Selbstbehalt. Die Unterhaltspflicht mit dem Einkommen, das den angemessenen Selbstbehalt übersteigt, wird davon nicht berührt. Erzielt der betreuende Elternteil über das Dreifache der Nettoeinkünfte des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils, kann es allerdings der Billigkeit entsprechen, den betreuenden Elternteil den Barunterhalt in voller Höhe aufbringen zu lassen. Unterhalb dieser Schwelle kann bei einer erheblichen Einkommensdifferenz eine beiderseitige Barunterhaltspflicht der Eltern nach Nr. 13.3 der Leitlinien in Betracht kommen, wobei zugunsten des betreuenden Elternteils eine wertende Veränderung des Verteilungsmaßstabs vorzunehmen ist.
12.4
Bei Zusatzbedarf (Verfahrenskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) haften die Eltern grundsätzlich anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter Wahrung ihres Selbstbehalts (vgl. Nr. 13.3.2). Zum Mehrbedarf des Kindes zählen die Kindergartenkosten.

13. Volljährige Kinder

13.1.1
Volljährige Kinder ohne eigene Lebensstellung erhalten, wenn keine besonderen Umstände vor­liegen, den Tabellenbetrag der vierten Altersstufe. Ihr Bedarf bestimmt sich – wenn beide Elternteile barunterhaltspflichtig sind – nach dem zusammenge­rechneten Einkommen der Eltern aus der Unterhalts­tabelle (dazu Nr.11), und zwar ohne Abzug wegen doppelter Haus­halts­führung. Diese Grundsätze finden auch auf privilegierte volljährige Kinder (§ 1603 Abs. 2 S. 2 BGB) Anwendung. Zur Kindergeldanrechnung siehe Nr. 3.
13.1.2
Der Bedarf eines Studenten beträgt bei auswärtiger Unterbringung in der Regel 930 € (darin sind Kosten für Unterkunft und Heizung bis zu 410 € enthalten). Von diesem Betrag kann bei erhöhtem Bedarf oder mit Rücksicht auf die Lebensstellung der Eltern abgewichen werden. Dieser Bedarfssatz kann auch sonst für ein Kind mit eigenem Hausstand angesetzt werden. Ein eigener Kranken- bzw. Pflegever­sicherungsbeitrag ist in diesem Betrag nicht enthalten. Dagegen sind in dem Bedarfssatz ausbildungs- bzw. be­rufsbedingte Aufwendungen bis zu einem Betrag von monatlich 100 € enthalten.
13.2
Einkommen des Kindes, auch BAföG-Darlehn und Ausbildungsbei­hilfen, wird – ge­kürzt um ausbildungsbedingte Aufwendungen (vgl. Nr.10.2.3) – in voller Höhe auf den Bedarf angerechnet. Überobligationsmäßig erzielte Einkünfte bleiben entsprechend § 1577 Abs. 2 BGB ganz oder teilweise unberücksichtigt.
13.3
Beiderseitige Barunterhaltspflicht / Haftungsanteil
13.3.1
Die Haftungsanteile der Eltern (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB), die für ein volljähriges Kind unterhaltspflichtig sind, bestimmen sich nach dem Verhältnis ihrer anrechen­baren Einkommen grundsätzlich abzüglich ihres ange­messenen Selbstbehalts (1.650 €) und ab­züglich der Unterhaltsleistungen an vorrangig Berechtigte.
13.3.2
Für die Unterhaltspflicht gegenüber privilegierten volljährigen Kindern i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB bemessen sich die Haftungs­anteile der Eltern grundsätzlich nach dem Verhältnis ihrer anrechenbaren Ein­kommen abzüglich ihres angemessenen Selbstbe­halts (1.650 €), im Mangelfall abzüglich ihres notwendigen Selbstbehalts (1.120 € bzw. 1.370 €). Die Barunterhaltspflichten gegenüber minderjährigen Kindern sind auch in diesem Fall vorweg abzuziehen. Hiervon kann im Einzelfall abgesehen werden, wenn der Vorwegabzug zu einem unbilligen Ergebnis führt.
13.3.3
Ein Elternteil hat jedoch in der Regel höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein nach seinem Einkommen aus der Unterhalts­tabelle ergibt.

14. Zur Anrechnung des Kindergeldes siehe Nr. 3.

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1
(1) Der Anspruch eines Ehegatten wird begrenzt durch den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB). Die ehelichen Lebensverhältnisse werden grundsätzlich durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind. Umstände, die auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären, und Umstände, die bereits in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren, sind zu berücksichtigen. Dies gilt für normale absehbare weitere Entwicklungen von Einkünften aus derselben Einkommensquelle, wie für übliche Lohnerhöhungen sowie einen nicht vorwerfbaren nachehelichen Einkommensrückgang, etwa durch Arbeitslosigkeit, Eintritt in das gesetzliche Rentenalter oder Krankheit.
(2) Ist der Pflichtige wieder verheiratet, berechnet sich der Bedarf des früheren Ehegatten aufgrund einer fiktiven Besteuerung der Einkünfte des Pflichtigen nach der Grundtabelle, also ohne den Splittingvorteil.
(3) Unterhaltsleistungen, die während der Ehe für Kinder erbracht worden sind, prägen die Ehe und sind daher bei der Bedarfsberechnung grundsätzlich vorweg in Abzug zu bringen. Zu den bei der Bedarfsberechnung zu beachtenden Umständen gehört auch das Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter bis zur rechtskräftigen Ehescheidung.
(4) Auch ein Unterhaltsanspruch aus § 1615l BGB, den der betreuende Elternteil eines vor der Rechtskraft der Scheidung geborenen Kindes hat, prägt die ehelichen Lebensverhältnisse.
(5) Dagegen sind die Unterhaltspflichten für ein nach Rechtskraft der Scheidung geborenes Kind, gegenüber dessen betreuenden Elternteil nach § 1615l BGB sowie gegenüber einem späteren Ehegatten bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB nicht zu berücksichtigen.
(6) Der Bedarf eines späteren Ehegatten wird durch die Unterhaltslast des Pflichtigen aus einer früheren Ehe geprägt und gemindert (vgl. Nr. 24.3.3).
(7) Als Existenzminimum des unterhaltsberechtigten Ehegatten kommt – ein­schließlich evtl. trennungsbedingten Mehrbedarfs – in der Regel ein Betrag von 960 € in Betracht. Bei Vorteilen aus dem Zusammenleben mit einem leistungsfähigen Partner kann dieser Betrag herabgesetzt werden.
15.2
Halbteilung, Erwerbstätigenbonus und Berechnungsmethoden
15.2.1
Es gilt der Halbteilungsgrundsatz, wobei jedoch Erwerbseinkünfte nur zu 90 % zu berück­sichtigen sind (Abzug von 1/10 Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Einkommen). Für Unterhaltszeiträume vor dem 1.1.2022 gilt weiter die bisherige Regelung: Es gilt der  Halbteilungsgrundsatz, wobei Erwerbseinkünfte nur zu  6/7 zu berücksichtigen sind (Abzug von 1/7 Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Einkommen).
15.2.2
Hat der Berechtigte eigenes  Erwerbseinkommen, kann er 45 % (für Unterhaltszeiträume vor dem 1.1.2022: 3/7) des Unter­schiedsbetrages zum Erwerbseinkommen des Pflich­tigen und 1/2 des Unterschieds­betrages sonstiger eheprägender Ein­künfte beider Ehegatten beanspruchen (Differenzmethode). Beim Zusammentreffen von Erwerbseinkommen mit anderen Einkünften empfiehlt sich aus Gründen der Übersichtlichkeit die Anwendung der Additionsmethode, die zum gleichen Ergebnis führt wie die Differenzmethode (Beispiel zu den Berechnungsmethoden siehe Anhang III).
15.2.3
(1) Nach der Anrechnungsmethode zu berücksichtigen sind Einkünfte des Berechtigten aus Vermögen, das in der Ehe nicht für den Lebensunterhalt zur Verfügung stand.
(2) Zu Einkünften des Berechtigten aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit wird auf Nr. 17.3 verwiesen.
15.2.4
Bei der Berechnung des Erwerbstätigenbonus und der Quote von 45 % (für Unterhaltszeiträume vor dem 1.1.2022: 3/7) bzw. 1/2 ist von den Mitteln auszugehen, die den Ehegatten nach Vorwegabzug ihrer zu be­rück­sichtigenden Verbind­lichkeiten (z. B. Beiträge zur Alters-, Kranken- und Pflegever­sicherung, Kredit- und Sparraten, berufsbedingte Aufwendungen) und des Zahlbetrags des Kindesunterhalts noch für den Ver­brauch zur Verfügung stehen.
15.3
Bei besonders günstigen Verhältnissen kann der Bedarf nicht ohne weiteres als Quote des Gesamteinkommens berechnet werden. Von besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen kann in der Regel ab einem Familieneinkommen von 11.000 € ausgegangen werden, wobei die Einkünfte vorab um vorrangigen Kindesunterhalt, sonstige eheprägende Unterhaltsverpflichtungen, berufsbedingte Aufwendungen und etwaige weitere berücksichtigungsfähige Positionen, nicht aber einen Erwerbsbonus zu bereinigen sind. Für den Berechtigten kommen in solch einem Fall zwei Möglichkeiten in Betracht:
Er kann seinen Bedarf entweder konkret darlegen. Dann sind Einkünfte des Berechtigten ohne Erwerbstätigenbonus auf den Bedarf anzurechnen. Oder er kann seinen Bedarf als Quotenunterhalt geltend machen, muss dann aber, soweit er einen Bedarf von mehr als derzeit 4.950 € geltend macht (45 % von 11.000 €), substantiiert vortragen, dass und in welchem Umfang die hohen Einkünfte zur Deckung der ehelichen Lebensverhältnisse verwendet worden sind. Bestreitet der Pflichtige den vollständigen Verbrauch zu Konsumzwecken, hat der Berechtigte die Darlegungs- und Beweislast hierfür.
15.4 Vorsorgebedarf
15.4.1 Aufwendungen für eine notwendige Kranken- und Pflegeversicherung des berechtigten Ehegatten sowie die Kosten der Altersvorsorge (Altersvorsorgeunterhalt) können zusätzlich verlangt werden. Diese Kosten sind bei der Berechnung der Quote vorab vom anrechenbaren Einkommen des Pflichtigen abzuziehen.
15.4.2
Der Altersvorsorgeunterhalt (§ 1578 Abs. 3 BGB) wird in An­knüpfung an den dem Be­rechtigten zustehenden Elementarunterhalt regelmäßig nach der Bremer Tabelle zweistufig be­rechnet. In Fällen besonders günstiger wirtschaftlicher Verhältnisse und bei Anwendung der Anrechnungsmethode kommt eine einstufige Berechnung in Betracht. Soweit Einkünften des Be­rechtigten kein Versorgungswert zukommt (z. B. Einkünfte wegen der Ver­sorgung eines neuen Partners), bleiben diese bei der Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts un­berücksichtigt. Jedenfalls dann, wenn der Unterhaltspflichtige eine berücksichtigungsfähige sekundäre Altersvorsorge betreibt (vgl. Nr. 10.1), erhöht sich der Anspruch des Berechtigten in entsprechender prozentualer Höhe um bis zu 4 Prozent.
15.4.3
Wegen des Vorrangs des Elementarunterhalts besteht ein Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt nur insoweit, als das Existenzminimum des Be­rechtigten (vgl. Nr. 15.1 Abs. 7) gedeckt ist.
15.5
Der Bedarf berechnet sich nicht unter Anwendung der so genannten Dreiteilungsmethode. Diese kommt allenfalls im Rahmen der Leistungsfähigkeit und der Mangelverteilung zum Zuge (vgl. Nr. 24.3).
15.6
Konkret geltend gemachter trennungsbedingter Mehrbedarf kann darüber hinaus berücksichtigt werden, wenn dieser Bedarf aus zusätzlichen nicht prägenden Einkünften befriedigt werden kann.
15.7
(1) Die Möglichkeit der Herabsetzung und/oder Befristung des Ehegattenunterhalts nach § 1578b BGB ist als rechtsvernichtende bzw. rechtsbeschränkende Einwendung bei entsprechendem Vortrag des Pflichtigen von Amts wegen zu berücksichtigen. Die dem Pflichtigen obliegende Beweislast wird im Falle eines zu erbringenden Negativbeweises (Fehlen ehebedingter Nachteile) dadurch erleichtert, dass der Berechtigte substantiiert zu den Umständen vorzutragen hat, die in seiner Sphäre liegen. Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass die für den Unterhaltsberechtigten seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen und seine persönlichen Fähigkeiten, etwa auch anhand vergleichbarer Karrieren, vom Gericht auf ihre Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Pflichtigen zugänglich sind, wobei die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen.
(2) Im Einzelfall kann der Unterhaltsberechtigte seiner sekundären Darlegungslast genügen, wenn er vorträgt, dass in dem von ihm erlernten oder vor der ehebedingten Berufspause ausgeübten Beruf Gehaltssteigerungen in einer bestimmten Höhe mit zunehmender Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit üblich seien.
(3) Wird dagegen ein berufliche Aufstieg behauptet, muss der Unterhaltsberechtigte darlegen, aufgrund welcher Umstände (Fortbildungsbereitschaft, besondere Befähigungen, Neigungen oder Talente), eher eine entsprechende Karriere gemacht hätte.
(4) § 1578b BGB ist nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile beschränkt. Im Rahmen der umfassenden Billigkeitsabwägung sind sämtliche Umstände (wie z.B. beiderseitige Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Vermögenserwerb während der Ehe, Beitrag zur Berufsausbildung des anderen Ehegatten) zu berücksichtigen. Der Ehedauer kommt in diesem Rahmen eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt auch für die Bemessung einer Übergangsfrist. Der angemessene Lebensbedarf nach § 1578b Abs. 1 S. 1 BGB kann in der Regel nicht unterhalb des pauschalen billigen Selbstbehalts  angesetzt werden und darf das Existenzminimum nicht unterschreiten.

16. Zurzeit nicht besetzt

17. Erwerbsobliegenheit / Betreuungsunterhalt / überobliga­torisches Einkommen

17.1.1
(1) Die Erwerbsobliegenheit des kinderbetreuenden Ehegatten korrespondiert mit dem Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB.
(2) Betreut ein Ehegatte ein gemeinschaftliches Kind, das noch nicht drei Jahre alt ist, so besteht keine Verpflichtung, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Umfang der danach regelmäßig einsetzen­den Erwerbsobliegenheit – eine sogleich vollschichtige Erwerbsobliegenheit wird vielfach nicht in Betracht kommen, da ein abrupter Wechsel vermieden und ein stufenweiser Übergang erfolgen soll – richtet sich nach Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall, besonders nach den bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung, den Belangen des Kindes (etwa Fremdbetreuungsfähigkeit, physischer und psychischer Gesundheitszustand) und der erfolgten bzw. geplanten Rollenverteilung der Eltern in der Ehe sowie der Dauer ihrer Ehe. Zu berücksichtigen ist auch der Umfang der Belastung durch die neben der Erwerbstätigkeit verbleibende Kindesbetreuung (Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung).
(3) Derjenige Elternteil, der das Bestehen einer Erwerbsobliegenheit in Abrede stellt, hat die hierfür maßgebenden Umstände konkret und einzelfallbezogen darzulegen und zu beweisen. Dies gilt auch, wenn ein – grundsätzlich nicht zu befristender – Titel über Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB abgeändert werden soll.
17.1.2
Zur Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten siehe Nr. 10.3.
17.2
Im ersten Jahr nach der Trennung besteht für den Berechtigten in der Regel keine Ob­liegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.
17.3
Einkünfte aus einer – auch erst nach Trennung/Scheidung aufgenommenen – überobligatorischen Erwerbstätigkeit sind nur mit ihrem unterhaltsrelevanten Anteil in die Differenz- bzw. Additionsberechnung einzu­stellen. Dieser nach den §§ 1577 Abs. 2, 242 BGB zu bemessende Anteil ergibt sich, indem das Einkommen zunächst um den mit der überobligatorischen Erwerbstätigkeit verbundenen Aufwand (z.B. konkrete Kinderbetreuungskosten, die nicht Mehrbedarf des Kindes sind, vgl. Nr. 10.3) vermindert und sodann  ein individuell nach Billigkeitsgesichtspunkten festzusetzender Einkommensteil von den Gesamteinkünften des Berechtigten in Abzug gebracht wird. Der Abzugsbetrag – der nicht unterhaltsrelevante Anteil der Einkünfte des Berechtigten – bleibt bei der Unterhaltsberechnung unberücksichtigt (siehe auch Nr. 7).

Weitere Unterhaltsansprüche

18. Ansprüche aus § 1615l BGB

Der Bedarf der Mutter und des Vaters eines nichtehelichen Kindes (§ 1615l BGB) richtet sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils; er beträgt aber in der Regel monatlich mindestens 960 € (ohne Kranken- und Pflegeversicherungskosten, die zusätzlicher Bedarf sein können). Die Inan­spruchnahme des Pflichtigen ist durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt. Die Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils richtet sich – sinngemäß – nach Nr. 17.1.1.

19. Elternunterhalt

Das Angehörigen-Entlastungsgesetz hat Auswirkungen auf den Elternunterhalt. Unterhaltsberechtigten Eltern obliegt es, vorrangig bedarfsdeckende Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff SGB XII in Anspruch zu nehmen. Nehmen unterhaltsberechtigte Eltern Leistungen nach dem SGB XII in Anspruch, geht ihr Anspruch auf Elternunterhalt nur auf den Träger der Sozialhilfe über, wenn das unterhaltspflichtige Kind ein Jahreseinkommen von mehr als 100.000 € im Sinne des § 16 SGB IV erzielt, § 94 Ia SGB XII.

20. Zur Zeit nicht belegt.

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21. Selbstbehalt des Pflichtigen

21.1 Dem Pflichtigen muss nach Abzug der Unterhaltsansprüche der Selbstbehalt (Eigenbedarf) verbleiben.
21.2 Notwendiger Selbstbehalt
Der Selbstbehalt des Pflichtigen beträgt im Falle des § 1603 Abs. 2 BGB gegenüber minderjährigen und privilegierten volljährigen (§ 1603 Abs. 2 S. 2 BGB) Kindern in der Regel mindestens 1.120 €, bei Erwerbstätigkeit des Pflichtigen mindestens 1.370 €; bei teilweiser Erwerbstätigkeit können die Beträge modifiziert werden. Hierin sind Kosten für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warm­miete) in Höhe von 520 € enthalten.
21.3
Angemessener Selbstbehalt
21.3.1
Der Selbstbehalt des Pflichtigen beträgt gegenüber nicht privilegierten voll­jährigen Kindern (§ 1603 Abs. 1 BGB) im Regelfall 1.650 €. Hierin sind Kosten für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) in Höhe von 650 € enthalten.
21.3.2
Der angemessene Selbstbehalt gegenüber der Mutter/dem Vater eines nichtehelichen Kindes (§ 1615 l BGB) entspricht dem billigen Selbstbehalt gegenüber dem Ehegatten (Nr. 21.4).
21.3.3
Zur Zeit nicht besetzt.
21.4
Eheangemessener Selbstbehalt
Der Selbstbehalt des Pflichtigen gegenüber dem Anspruch des Ehegatten (billiger Selbstbehalt) beträgt in der Regel mindestens 1.385 €, bei Erwerbstätigkeit des Pflichtigen 1.510 €, auch wenn bei dem berechtigten Ehegatten minderjährige oder privilegierte volljährige Kinder leben, die ebenfalls Unterhaltsansprüche gegen den Pflichtigen haben.
21.5
Anpassung des Selbstbehalts
(1) Der Selbstbehalt soll erhöht werden, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) den ausgewiesenen Betrag überschreiten und nicht unangemessen sind. Eine angemessene Erhöhung des Selbstbehalts kommt zudem z. B. in Betracht, wenn das nach Abzug eines zugerechneten geldwerten Vorteils (für die private Nutzung eines Firmenwagens oder einer Wohnung) verbleibende Einkommen nicht aus­reicht, um den restlichen Lebensbedarf sicherzustellen.
(2) Der Selbstbehalt ist in der Regel nicht schon deshalb abzusenken, weil die tatsächlichen Wohnkosten die in den jeweiligen Selbstbehalten enthaltenen Wohnkosten nicht erreichen. Beim Verwandtenunterhalt kann der jeweilige Selbstbehalt unterschritten werden, wenn der eigene Unterhalt des Pflichtigen ganz oder teilweise durch seinen Ehegatten gedeckt wird. Das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft mit einem leistungsfähigen Partner kann nach Nr. 6.2 berücksichtigt werden, maximal bis zur Grenze des sozialhilferechtlichen Existenzminimums.

22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten

22.1
Zurzeit nicht besetzt.
22.2
Ist bei Unterhaltsansprüchen nicht privilegierter volljähriger Kinder der Pflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten im Regelfall 1.320 € angesetzt.
22.3
Zurzeit nicht besetzt.

23. Bedarf des vom Pflichtigen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten

23.1
Zurzeit nicht besetzt.
23.2
Bei Ansprüchen eines nicht privilegierten volljährigen Kindes:  1.650 €.
23.3
Zurzeit nicht besetzt.

24. Mangelfall

24.1
Ist der Unterhaltspflichtige unter Berücksichtigung des ihm jeweils zu­stehenden Selbstbehalts außerstande, allen Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren, so gilt für die Befriedigung der Ansprüche die Rangfolge des § 1609 BGB.
24.2
Reicht das Einkommen des Pflichtigen nach Abzug seines Selbstbehalts (Nr. 21) zur Deckung des Bedarfs aller gleichrangigen Unterhaltsberechtigten nicht aus, liegt ein Mangelfall vor.
24.3.1
Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich für minderjährige und privilegierte volljährige Kinder auf den Bedarfssatz der Einkommensgruppe 1 der Unterhaltstabelle abzüglich des nach § 1612b BGB bedarfsdeckenden Kindergeldanteils (bei minderjährigen Kindern das halbe und bei volljährigen Kindern das volle Kindergeld),
24.3.2
Stehen mehrere nach § 1609 Nr. 2 und 3 BGB Berechtigte im gleichen Rang, schränkt die Unterhaltspflicht gegenüber dem jeweils anderen Berechtigten die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nach § 1581 S. 1 BGB ein. Dem kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die Unterhaltsansprüche nach den Grundsätzen der sogenannten Dreiteilung bemessen werden. Das schließt eine abweichende Verteilung aufgrund der Berücksichtigung weiterer individueller Billigkeitsabwägungen nicht aus.
24.3.3
(1) Steht ein Berechtigter im Rang des § 1609 Nr. 2 BGB und ein anderer im dritten Rang, gilt Folgendes:
(2) Ist der Unterhaltsanspruch des neuen, also späteren Ehegatten – oder des nach § 1615l BGB Berechtigten – gegenüber dem Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten vorrangig, bleibt die Bedarfsberechnung des geschiedenen, zeitlich früheren Ehegatten von der neuen Unterhaltsverpflichtung unberührt. Jedoch ist im Rahmen der Leistungsfähigkeit der vorrangige Unterhaltsanspruch gegenüber dem nachrangigen geschiedenen Ehegatten zu berücksichtigen.
(3) Ist der neue Ehegatte nachrangig, berührt eine ihm gegenüber bestehende Unterhaltsverpflichtung den Unterhaltsanspruch des vorrangigen Ehegatten nicht.
24.4
Das im Rahmen der Leistungsfähigkeit gefundene Verteilungsergebnis ist abschließend auf seine Angemessenheit zu überprüfen.
24.5
Rechenbeispiel zum Mangelfall siehe Anhang III.

Sonstiges

25. Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro zu runden.

26. Zusammentreffen von Ansprüchen mit bereits titulierten Ansprüchen:

Soweit Unterhaltsansprüche anderer Berechtigter bereits tituliert sind, ist die Rechtslage in der Regel wie bei gleichzeitiger Entscheidung über alle Unterhaltsansprüche zu beurteilen. Der Verpflichtete/Berechtigte ist auf einen Abänderungsantrag gemäß §§ 238, 239 FamFG zu verweisen. Soweit eine Abänderung für die Vergangenheit nicht mehr verlangt werden kann, kann auf die geleisteten Beträge abgestellt werden.

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