Die Familiensenate des Thüringer Oberlandesgerichts verwenden diese Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH.
Die “Düsseldorfer Tabelle” , Stand: 01.01.2008, ist einbezogen.
Die Erläuterungen werden durch die nachfolgenden Leitlinien ersetzt.
Unterhaltsrechtliches Einkommen
1. Einkünfte aus Erwerb und Vermögen
1.1. Auszugehen ist vom regelmäßigen Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte.
1.2. Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), werden sie auf 1 Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z. B. Abfindungen) sind grundsätzlich auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen.
1.3. Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.
1.4. Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnis, sind abzuziehen. Bei Aufwendungspauschalen (ausgenommen km-Geld) kann 1/3 als Einkommen angesetzt werden.
1.5. Bei Ermittlung des Einkommens eines Selbständigen ist in der Regel der Gewinn der letzten drei Jahre zu Grunde zu legen.
1.6. Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ist der Überschuss der Bruttoeinkünfte über die Werbungskosten. Für Gebäude ist keine AfA anzusetzen.
2. Einkünfte aus Sozialleistungen
2.1. Arbeitslosengeld ( § 117 SGB III ) und Krankengeld.
2.2. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach §§ 19 ff. SGB II sind kein Einkommen; nicht subsidiäre Leistungen nach SGB II sind Einkommen (insbesondere befristete Zuschläge § 24 SGB II, Einstiegsgeld § 29 SGB II, Entschädigung für Mehraufwendungen § 16 SGB II, Freibeträge § 30 SGB II).
2.3. Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.
2.4. BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG.
2.5. Erziehungsgeld ist nur in den Ausnahmefällen des § 9 S. 2 BErzGG Einkommen. Elterngeld ist nach Maßgabe des § 11 BEEG Einkommen.
2.6. Unfallrenten
2.7. Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Versorgungsrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen; §§ 1610 a, 1578 a BGB sind zu beachten.
2.8. Der Anteil des Pflegegeldes bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden; bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.
2.9. In der Regel Leistungen nach §§ 41 – 43 SGB XII ( Grundsicherung ) beim Verwandtenunterhalt, nicht aber beim Ehegattenunterhalt.
2.10. Kein Einkommen sind sonstige Sozialhilfe nach SGB XII und Leistungen nach dem UVG.
3. Kindergeld
Kindergeld ist kein Einkommen der Eltern.
4. Geldwerte Zuwendungen
Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers (z. B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis) sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.
5. Wohnwert
Der Vorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen. Die in den Selbstbehaltsätzen ausgewiesenen Wohnkosten können im Mangelfall als Maßstab für die Anrechnung mietfreien Wohnens herangezogen werden.
6. Haushaltsführung
Die Führung des Haushalts eines leistungsfähigen Dritten kann dem Nichterwerbstätigen als (fiktives) Einkommen zugerechnet werden. In der Regel kann ein Betrag von 300,00 € monatlich dafür angesetzt werden.
7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit
Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.
8. Freiwillige Zuwendungen Dritter
Freiwillige Zuwendungen Dritter (z. B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind regelmäßig nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
9. Fiktives Einkommen
Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein.
10. Bereinigung des Einkommens
10.1. Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder tatsächliche, angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen). Es besteht die Obliegenheit, Steuervorteile in Anspruch zu nehmen.
10.2. Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind im Rahmen des Angemessenen vom Nettoeinkommen aus unselbständiger Tätigkeit abzuziehen.
10.2.1. Bei der Bereinigung des Nettoeinkommens sind berufsbedingte Aufwendungen nur auf konkreten Nachweis absetzbar. Eine Schätzung nach § 287 ZPO kann erfolgen.
10.2.2. Nachgewiesene notwendige Fahrtkosten zur und von der Arbeitsstätte werden mit 0,30 € pro gefahrenem Kilometer berücksichtigt, wobei in der Regel eine einfache Entfernung von mehr als 40 km nicht mehr als angemessen angesehen werden kann. Anschaffungs-, Reparatur- und sonstige Betriebskosten sind enthalten.
10.3. Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Geht ein Ehegatte überobligatorisch einer Vollzeittätigkeit nach, obwohl er minderjährige Kinder betreut, so kann ihm gegenüber dem anderen Ehegatten ein Kinderbetreuungsbonus anrechnungsfrei belassen werden.
Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)
Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anlage I).
11.1. In den Tabellenbeträgen sind Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht enthalten.
11.2. Die Tabelle weist monatliche Unterhaltsrichtsätze aus, bezogen auf drei Unterhaltspflichten ohne Rücksicht auf den Rang. Bei einer größeren/geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in niedrigere/höhere Gruppen angemessen sein.
12. Minderjährige Kinder
Der Betreuungsunterhalt i. S. d. § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB entspricht wertmäßig in der Regel dem vollen Barunterhalt.
13. Volljährige Kinder
13.1. Beim Bedarf volljähriger Kinder ist zu unterscheiden, ob sie noch im Haushalt der Eltern/eines Elternteils leben oder einen eigenen Hausstand haben.
13.1.1. Für den im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebenden Volljährigen ohne eigenes Erwerbseinkommen ist der Tabellenbetrag der 4. Altersstufe anzusetzen. Dabei ist von dem zusammengerechneten bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern unter Anwendung der Tabelle ohne Höherstufung auszugehen. Die Eltern haften anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen für den Bedarf des Volljährigen. Vor Bildung der Haftungsquote sind der angemessene Selbstbehalt und der Unterhalt vorrangig Berechtigter vom bereinigten Nettoeinkommen jeden Elternteils abzusetzen. Die Haftung ist auf den Tabellenbetrag ohne Höherstufung nach Maßgabe des eigenen Einkommens des Pflichtigen begrenzt.
13.1.2. Der Bedarf eines Volljährigen mit eigenem Hausstand beträgt in der Regel monatlich 640 €, soweit sich nicht aus dem zusammengerechneten bereinigten Nettoeinkommen der Eltern unter Anwendung der Tabelle ohne Höherstufung ein höherer Satz ergibt.
13.2. Erzielt der bei den Eltern oder einem Elternteil lebende Volljährige eigenes Erwerbseinkommen, so ist wegen der sich anbahnenden eigenen Lebensstellung von einem festen Bedarfsbetrag auszugehen, der wegen der wirtschaftlichen Vorteile des Zusammenlebens mit den Eltern oder einem Elternteil auf 530 € zu bemessen ist, sofern sich nicht nach 13.1.1. ein höherer Bedarf ergibt.
13.3. Der Bedarf des Volljährigen umfasst in der Regel den Wohnbedarf und übliche ausbildungsbedingte Aufwendungen. Eigenes Einkommen des Volljährigen ist nach Abzug konkret zu belegender berufsbedingter Aufwendungen anzurechnen.
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
15.1. Maßgeblich sind jeweils die die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkünfte der (geschiedenen) Ehegatten. Bei Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit nach Trennung/Scheidung gilt das (Mehr-) Einkommen als prägend. Verfügt der Berechtigte über die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägendes eigenes Einkommen, so kommt die sog. Anrechnungsmethode zur Anwendung. Hier wird das Erwerbseinkommen des Berechtigten mit 6/7 angerechnet.
15.2. Hat der Berechtigte kein eigenes Einkommen, beträgt der Bedarf 3/7 des bereinigten Nettoeinkommens zuzüglich ½ der anrechenbaren sonstigen Einkünfte des Verpflichteten. Hat der Berechtigte eigenes Einkommen, beträgt der Bedarf 3/7 der Differenz zwischen dem anrechenbaren Nettoeinkommen der (geschiedenen) Ehegatten bzw. ½ der anrechenbaren sonstigen Einkünfte, jeweils begrenzt durch den vollen Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB).
15.3. Einen eheangemessenen Bedarf von mehr als 2200 € (ohne Alters- und Krankenvorsorgebedarf) muss der Berechtigte konkret darlegen (sog. relative Sättigungsgrenze). Eigenes Einkommen des bedürftigen Ehegatten – Erwerbseinkommen nach Abzug des Erwerbstätigenbonus – ist hierauf anzurechnen.
Weitere Unterhaltsansprüche
18. Ansprüche nach § 1615 l BGB
Der Bedarf bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Er beträgt mindestens 770 €.
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt des Verpflichteten
21.1. Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 Abs. 2 BGB), dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB), dem eheangemessenen (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB) sowie dem billigen Selbstbehalt (§ 1581 BGB). Er beträgt
21.2. gegenüber Minderjährigen und gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB privilegierten volljährigen Kindern (notwendiger oder kleiner Selbstbehalt)
a) für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige 770 €
b) für erwerbstätige Unterhaltspflichtige 900 €
(darin enthalten ist ein Wohnanteil von 290 € Kaltmiete);
21.3. gegenüber volljährigen Kindern, die nicht gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB privilegiert sind (angemessener oder großer Selbstbehalt):
a) für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige 1000 €
b) für erwerbstätige Unterhaltspflichtige 1100 €
(darin enthalten ist ein Wohnanteil von 370 € Kaltmiete);
21.4. gegenüber dem getrenntlebenden und geschiedenen Ehegatten (eheangemessener Selbstbehalt) sowie dem nach § 1615l BGB Unterhaltsberechtigten
a) für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige 900 €
b) für erwerbstätige Unterhaltspflichtige 1000 €
(darin enthalten ist ein Wohnanteil von 330 € Kaltmiete).
21.5. gegenüber den Eltern des Unterhaltspflichtigen (angemessener Selbstbehalt) mindestens
a) für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige 1300 €
b) für erwerbstätige Unterhaltspflichtige 1400 €
wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibt; (darin enthalten ist ein Wohnanteil von 370 € Kaltmiete).
21.6. höhere als die in den Selbstbehaltsätzen ausgewiesenen Wohnkosten führen in der Regel nicht zu einer Erhöhung der Selbstbehaltsätze.
23. Mangelfall
23.1. Ein absoluter Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Verpflichteten zur Deckung seines notwendigen Selbstbehaltes und der gleichrangigen Unterhaltsansprüche nicht
ausreicht.
23.2. Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich
23.2.1. für minderjährige und privilegierte volljährige Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) auf den Tabellenbetrag der niedrigsten Einkommensgruppe abzüglich des nach § 1612b BGB zur Bedarfsdeckung zu verwendenden Kindergeldes unter Berücksichtigung des Haftungsanteils des Verpflichteten.
23.2.2. für Berechtigte nach § 1609 Nr. 2, 3, 6 und 7 BGB
bei Nichterwerbstätigen auf 770 €
bei Erwerbstätigen auf 900 €
23.2.3. für mit dem Pflichtigen zusammenlebende Berechtigte nach § 1609 Nr. 2, 3, 6 und 7 BGB
bei Nichterwerbstätigen 560 €
bei Erwerbstätigen 650 €
Anrechenbares Einkommen des Unterhaltsberechtigten ist vom Einsatzbetrag abzuziehen.
Sonstiges
24. Rundungen
Der Unterhaltsbetrag ist auf volle EURO aufzurunden.
Anmerkung:
Die nicht durchgängige Nummerierung beruht auf der einheitlichen Gliederung der Leitlinien in den Oberlandesgerichtsbezirken. Die fehlenden Punkte wurden beim Thüringer Oberlandesgericht nicht besonders geregelt.