1. Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 30. August 2021 – Az. 42 F 240/18 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt
Gründe
I.
Die Mutter fordert die gerichtliche Anordnung unbegleiteter Umgänge mit ihrem Sohn B….
Die Mutter und der Vater waren seit dem 17. Juli 2006 verheiratet. Aus der Ehe sind zwei Kinder, der am … 2005 geborene J… und der am … 2009 geborene B…, hervorgegangen. Im Jahr 2017 erfolgte die Scheidung der Ehe. Seit der Trennung im Jahr 2015 haben die Eltern eine Vielzahl von familiengerichtlichen Verfahren geführt, die unter anderem Sorgerecht und Umgangsrecht zum Gegenstand hatten und die Ausdruck einer hoch konfliktgeprägten Elternschaft sind. Beide Kinder lebten zu Beginn des vorliegenden Verfahrens bei dem Vater in B….
Die Mutter und der Vater schlossen, nachdem zuvor eine Vielzahl von Versuchen, den Umgang zwischen ihnen langfristig zu regeln, gescheitert waren, am 20. Dezember 2018 im Verfahren 42 F 250/18 vor dem Amtsgericht Brandenburg einen gerichtlich gebilligten Vergleich, wonach begleitete Umgänge der Mutter mit den Kindern stattfinden sollten (Bl. 1595 d.A.). Solche Umgänge kamen jedoch nicht zu Stande, weil die Mutter in der Folgezeit die Durchführung begleiteter Umgänge ablehnte. Am 13. Juni 2019 schlossen die Beteiligten in einem vor dem Amtsgericht Schöneberg geführten Güterichterverfahren eine „Teilvereinbarung“, die unbegleitete Umgänge der Mutter mit ihren Söhnen am 19. Juni, 26. Juni und 26. Juli 2019 vorsah, wobei der Umgang am 26. Juli 2019 nicht zustande kam (Bl. 97, 1710 d.A.). Im Sommer 2019 fuhr J… immer wieder gegen den ausdrücklichen Willen des Vaters zu seiner Mutter nach Be…. Letztlich lebt J… seitdem bei seiner Mutter. B… lebt dagegen weiterhin bei seinem Vater; ein Umgang mit der Mutter sowie Kontakte zwischen den Brüdern finden nicht statt. J… lehnt einen Umgang zum Vater ab. Mit Beschluss vom 28. September 2020 entschied das Kammergericht, dass die elterliche Sorge für J… allein der Mutter und für B… allein dem Vater übertragen wird (Bl. 931 ff. d.A.). Dabei hat die Mutter J… halbjährlich beim KJPD zur Kontrolle seiner psychischen Gesundheit vorzustellen.
Die Mutter meint, dass ihr unbegleiteter Umgang mit B… nicht verwehrt werden dürfe. Insbesondere sei nicht sie, sondern der Vater eine Gefahr für die Kinder. Die Mutter hat beantragt, die Umgangsregelung für B…zu ändern und erstrebt dabei sinngemäß die Einräumung von unbegleitetem Umgang.
Der Vater hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er meint, angesichts der vielfältigen und massiven Vorwürfe der Mutter ihm gegenüber müsse bei unbegleiteten Umgängen mit B… befürchtet werden, dass die Mutter auch versuchen werde, B… gegen ihn, den Vater, negativ zu beeinflussen.
Der vom Amtsgericht beauftragte Sachverständige P… hat in seinem Gutachten vom 22. Oktober 2020 ausgeführt, dass sich die Notwendigkeit begleiteter Umgänge zwischen der Mutter und ihrem Sohn B… ergebe, um die Beeinflussung des Kindes durch die Mutter zu kontrollieren, weil sie gegen die Person des Vaters und sein soziales Umfeld gerichtet sei und dadurch das Wohl des Kindes erheblich gefährde.
Das Amtsgericht hat B… und die Eltern angehört. Insoweit wird auf die Vermerke zu den amtsgerichtlichen Terminen vom 30. September 2019 (Bl. 202 d.A.), vom 4. März 2021 (Bl. 1237 d.A.) und vom 19. Juli 2021 (Bl. 1470 d.A.) Bezug genommen.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 30. August 2021 hat das Amtsgericht ausgesprochen, dass der Antrag der Mutter auf unbegleitete Umgänge mit B… abgelehnt werde. Über die Gewährung begleiteter Umgänge sei nicht zu entscheiden. Das Gericht folge der Auffassung des Sachverständigen P…und letztlich auch des Kindes selbst, das momentan Kontakt lediglich in Form begleiteten Umgangs wünsche. Der Sachverständige gehe mit überzeugenden Gründen davon aus, dass aufgrund der sehr negativen Haltung der Mutter gegenüber dem Vater das Kindeswohl bei der Gewährung unbegleiteter Umgänge zum jetzigen Zeitpunkt gefährdet wäre. Das stehe im Einklang mit der Einschätzung des Verfahrensbeistands und des Jugendamtes.
Die Gewährung von begleiteten Umgängen scheitere schon an deren vollständiger Ablehnung durch die Mutter. Nach Angaben der zuständigen Jugendamtsmitarbeiterin stünden aufgrund eines vergifteten Verhältnisses zur Mutter außerdem keine Mitarbeiter zur Verfügung, die bereit und in der Lage wären, die Umgänge zu begleiten, um die Verunglimpfung des Vaters durch die Mutter zu verhindern. Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf jenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Mutter mit der Beschwerde. Sie trägt im Wesentlichen vor, dass sie sich angesichts bereits ausgeübter physischer und psychischer Gewalt gegen die Kinder durch den Vater große Sorgen um B… mache, dessen Aufenthalt nach ihren Informationen schon seit Wochen unbekannt sei. Der Vater habe zudem ihre Versuche, zu einvernehmlichen Lösungen zu gelangen, blockiert, eine Kommunikation mit ihm sei nicht möglich. Auch sei seit Jahren eine – im Einzelnen näher ausgeführte – Vielzahl von gerichtlichen und behördlichen Verfahrensfehlern zu verzeichnen gewesen, die sich auch zum Nachteil von B… ausgewirkt hätten. Warum sie als Mutter wegen dieser Fehler nicht einmal mehr unbegleiteten Umgang mit ihrem Sohn haben dürfe, erschließe sich nicht.
Die Mutter beantragt,
den angefochtenen Beschluss abzuändern und die Umgangsregelung für B… zu ändern.
Der Vater hat sich im Beschwerdeverfahren inhaltlich nicht geäußert.
Der Verfahrensbeistand hat im Beschwerdeverfahren unter dem 12. Oktober 2021 Stellung genommen. Er erachte den angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts als inhaltlich zutreffend. Die Diktion des Beschwerdevorbringens bestätige, dass die Voraussetzungen für einen unbegleiteten Umgang weiterhin nicht vorlägen (Bl. 1763 f. d.A.).
Das Jugendamt hat mit Schreiben vom 1. Oktober 2021 berichtet, dass sich B… entgegen der Vermutung der Mutter weiterhin beim Vater aufhalte (Bl. 1658 d.A.).
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige und auf die Gewährung unbegleiteten Umgangs gerichtete Beschwerde ist unbegründet. Dabei ist schon im Hinblick auf § 26 FamFG, der auch im Beschwerdeverfahren Anwendung findet (vgl. Rüntz in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 26, Rn. 3), unerheblich, dass der Vater im Beschwerdeverfahren bislang nicht vorgetragen hat. Der Senat hat nach vorherigem Hinweis gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG unter Absehen von der Durchführung eines Termins entschieden, weil das Amtsgericht die Beteiligten bereits angehört hat, von einem weiteren Termin keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren und das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hatte.
Zu Recht hat das Amtsgericht ausgesprochen, dass unbegleitete Umgänge nicht stattfinden und über die Regelung begleiteter Umgänge nicht zu entscheiden sei. Dabei hat der Senat eingangs durch Einschaltung des Jugendamts ermittelt, dass B… entgegen den Befürchtungen der Mutter nicht unbekannten Aufenthalts ist, sondern weiterhin bei dem Vater wohnt.
1. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Mutter gegenwärtig unbegleiteten Umgang mit ihrem Sohn nicht beanspruchen kann, sondern mit Blick auf das Kindeswohl nur begleiteter Umgang in Betracht kommt.
Der Umgang soll im Interesse eines natürlichen, unbefangenen Zusammenseins grundsätzlich ohne Beisein einer Aufsichtsperson stattfinden. Der das Umgangsrecht einschränkende begleitete Umgang muss deshalb die Ausnahme bleiben (Grünberg/Götz, BGB, 81. Aufl., § 1684 Rn. 35). Demgemäß soll das Verkehrsrecht dem nichtsorgeberechtigten Elternteil ermöglichen, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung tragen (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2016 – 1 BvR 1547/16 –, Rn. 18, juris).
Eine Einschränkung des Umgangsrechts, wie sie auch durch die Anordnung begleiteten Umgangs erfolgt, ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren (BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 1 BvR 3189/09, FamRZ 2010, 1622). Gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB kann das Umgangsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Soll dies für längere Zeit geschehen, muss gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB das Kindeswohl konkret gefährdet sein. Geboten ist – unter Berücksichtigung des aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG fließenden Elternrechts und im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen am Maßstab des Kindeswohls. Dabei ist davon auszugehen, dass der Umgang mit beiden Elternteilen in der Regel zum Wohl des Kindes gehört, § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. März 2012 – 9 UF 235/11 –, Rn. 12, juris). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier lediglich ein begleiteter Umgang möglich.
Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass angesichts der von dem Sachverständigen P… herausgearbeiteten Umstände das Kindeswohl bei unbegleiteten Umgängen mit der Mutter konkret gefährdet ist. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 22. Oktober 2020 ausgeführt, dass für eine Mutter-Kind-Bindung Umgangskontakte notwendig sind, die beschriebene Beeinträchtigung des Kindeswohls durch die Haltung der Mutter eine Einschränkung aber zwingend erforderlich mache. Das am Wohle des Kindes ausgerichtete Miterziehungsrecht erlege dem umgangsberechtigten Elternteil auf, Konflikte des Kindes zu vermeiden und die Wohlverhaltensklausel nach § 1684 Abs. 2 S. 1 BGB einzuhalten, also die Kontakte des Kindes dem anderen Elternteil aktiv zu fördern. Das Gegenteil sei jedoch vorliegend der Fall.
Bei B… sei durch seine hoch konfliktbehafteten Eltern ein massiver Loyalitätskonflikt entstanden. Dieser Konflikt sei über die Grenze der Kindeswohlgefährdung hinaus verschärft und intensiviert worden. B… habe diese intensive Belastung nicht mehr durch Coping-Strategien bewältigen können, zumal bei ihm eine klinisch prominente Entwicklungsverzögerung zumindest im sprachlichen Bereich die Coping-Strategien weiter einschränke. Dabei wiesen beide Eltern die Tendenz auf, den jeweils anderen Elternteil zu kriminalisieren und zu pathologisieren. Das halte den Loyalitätskonflikt bei B… konstant aufrecht. So habe die Mutter in einer Vielzahl von Schreiben etwa gegenüber Jugendämtern den Vater unter anderem als „vermeintlichen Kinderschänder“ bezeichnet sowie eine „mögliche Suchterkrankung“ und „Persönlichkeitsstörung“ ambivalenzfrei erwähnt. Daraus zeige sich nicht nur das Fehlen kritischer Selbstreflexion auf Seiten der Mutter, sondern auch ein erhebliches Defizit, die Paar- von der Elternebene zu trennen. Daher müsse mit einer Fortsetzung des den Vater herabsetzenden Verhaltens durch die Mutter bei unbegleiteten Umgängen gerechnet werden, zumal die Mutter auch das gesamte Umfeld des Vaters mit einbeziehe. Das gefährde die Vater-Kind-Beziehung und damit die Entwicklung eines kindlichen Realitätssinnes, so dass das Kindeswohl konkret gefährdet sei. Dieses Ergebnis hat der Sachverständige bei seiner gerichtlichen Anhörung am 4. März 2021 überzeugend erörtert und ausgeführt, dass allenfalls begleitete Umgänge angezeigt, unbegleitete Umgänge dagegen völlig undenkbar seien. Es bestehe weiterhin die Gefahr, dass die Mutter ihre sehr negative Haltung dem Vater gegenüber dem Kind bei unbegleiteten Umgängen mitteile.
Diese Einschätzung macht sich der Senat nach Prüfung zu eigen. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Sachverständige ist von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der sachverständigen Feststellungen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Kompetenz des Sachverständigen steht zur Ansicht des Gerichts außer Frage. Er verfügt als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie gemäß § 163 Abs. 1 S. 1 FamFG über die erforderliche Qualifikation und ist auch geeignet, die konkreten Beweisfragen des Einzelfalls zu beantworten. Er hat dem Senat insbesondere im Hinblick auf die Benennung der Anknüpfungstatsachen und Informationsquellen sowie die eingesetzten Mittel hinreichend Möglichkeit zur Prüfung gegeben, dass das Gutachten hinsichtlich Logik, Aktualität und Tragfähigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse, eingesetzter Erkenntnismethoden und deren Erforderlichkeit sowie gezogener Schlussfolgerungen hinreichend ist.
Auch der Wille des Kindes unterstützt die Feststellungen des Sachverständigen. Bei seiner Anhörung am 19. Juli 2021 teilte B… zunächst mit, dass er grundsätzlich Kontakt zur Mutter möchte, sich aber noch unsicher sei. Er habe seine Mutter ab und an gesehen, wenn sie vor seiner Schule gewartet oder mit seinem Bruder vor dem Grundstück des Vaters gewesen sei. Weitere Kontakte habe es aber seit etwa drei Jahren nicht mehr gegeben. Am Ende der Anhörung erklärte er, dass er sich begleitete Umgänge doch vorstellen könne. Damit deuten auch die Äußerungen von B… darauf hin, dass die Anordnung unbegleiteter Umgänge derzeit nicht in Betracht zu ziehen ist. Der Wille des im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Anhörung etwa 12 Jahre alten B… ist auch nicht unerheblich. Der Kindeswille kann regelmäßig ab einem Alter des Kindes von etwa 12 Jahren eine einigermaßen zuverlässige Entscheidungsgrundlage bieten (vgl. Senat, Beschluss vom 02. Mai 2017 – 10 UF 2/17 –, Rn. 50, juris; Senat, Beschluss vom 25. November 2010 – 10 UF 135/10, BeckRS 2010, 30458; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 3. Familiensenat, Beschluss vom 30. April 2021 – 15 UF 64/21 –, Rn. 57, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 5. Familiensenat, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 3 UF 47/13, BeckRS 2013, 19107). Dies zu Grunde gelegt, hält der Senat die Angaben von B… für sehr gut nachvollziehbar. B… hat im Laufe der Anhörung den Kontaktwunsch zur Mutter artikuliert, obwohl er wusste, dass sein Vater erhebliche Vorbehalte gegen die Mutter hat. Das spricht dagegen, dass der Wille von B… zum Umgang mit seiner Mutter im Wesentlichen nur auf Beeinflussungen durch seinen Vater zurückzuführen ist.
Auch der Verfahrensbeistand hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2021 ausgeführt, dass er weiterhin die Auffassung des Amtsgerichts teile. Gleiches gilt für die Vertreterin des Jugendamts.
Hinzu kommt, dass das Vorbringen der Mutter im vorliegenden Verfahren in außergewöhnlich hohem Maße von der ständigen Wiederholung von Einzelheiten aus vergangenen Verfahren geprägt ist, die für das vorliegende Verfahren allenfalls mittelbare Bedeutung haben. Auch wird aus den von der Mutter eingereichten Vielzahl von Anlagen zu ihren Schriftsätzen ersichtlich, dass ehemals oder aktuell mit ihren Verfahren befasste Personen immer wieder auch Schreiben persönlichen und vorwurfsvollen Inhalts erhalten. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Mutter nach ihrer Darstellung immer wieder mit fehlerhaften Sachbehandlungen und Fehlentscheidungen durch staatliche Stellen konfrontiert war. Daher mag ihre Vorgehensweise subjektiv nachvollziehbar sein, deutet aber auch darauf hin, dass das Wohl ihres Sohnes nicht mehr zentraler Maßstab für ihre Verfahrensführung und auch ihr Verhalten dem Sohn gegenüber ist, sondern die Auseinandersetzung mit dem Vater und diversen staatlichen Stellen im Mittelpunkt steht. Auch das spricht dafür, Kontakt zunächst nur in Form begleiteten Umgangs zuzulassen, um die Verstärkung des Loyalitätsdruckes bei B… zu verhindern (so auch das Kammergericht, Beschluss vom 28. September 2020 – 3 UF 28/19).
Soweit die Mutter schließlich auf die in einem zwischen den Beteiligten geführten Güterichterverfahren geschlossene Teilvereinbarung vom 13. Juni 2019 Bezug nimmt, folgt daraus ebenfalls kein Recht auf unbegleiteten Umgang. Zwar haben die Beteiligten in dieser Teilvereinbarung ein unbegleitetes Umgangsrecht der Mutter vereinbart, dies aber auf drei Termine, den 19. Juni, 26. Juni und 26. Juli 2019 beschränkt. Ungeachtet des Umstands, dass die Mutter den letzten Umgangstermin nicht wahrgenommen hat, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass mit der als Teilvereinbarung bezeichneten Regelung ein grundsätzlich unbegleitetes Umgangsrecht der Mutter vereinbart werden sollte.
2. Wenn nach alledem nur begleiteter Umgang angeordnet werden könnte, hat das Amtsgericht im Hinblick darauf, dass die Mutter einen solchen Umgang ablehnt, zu Recht ausgesprochen, dass im Übrigen eine Regelung des Umgangs der Mutter mit ihrem Sohn nicht stattfinde.
Allerdings lässt sich eine bloße Zurückweisung des Umgangsrechtsantrags eines Elternteils grundsätzlich nicht mit dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbaren. Denn durch die Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Regelung des Umgangsrechts tritt ein Zustand ein, der dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz nicht gerecht wird, unter dem das Umgangsrecht des jeweiligen Elternteils steht. Eine Entscheidung, durch die das Umgangsrecht weder versagt noch in irgendeiner Weise eingeschränkt wird, die aber eine gerichtliche Hilfe zur tatsächlichen Ausgestaltung verweigert, lässt das Umgangsrecht nur scheinbar unberührt. Der grundsätzlich umgangsberechtigte Elternteil weiß dann nämlich nicht, in welcher Weise er das Recht tatsächlich wahrnehmen darf und in welchem zeitlichen Abstand er einen neuen Antrag auf gerichtliche Regelung zu stellen berechtigt ist. Demgemäß hat das zur Umgangsregelung angerufene Familiengericht entweder Umfang und Ausübung der Umgangsbefugnis konkret zu regeln oder, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist, die Umgangsbefugnis ebenso konkret einzuschränken oder auszuschließen; es darf sich aber jedenfalls im Regelfall nicht auf die Ablehnung einer gerichtlichen Regelung beschränken (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2017 – XII ZB 350/16, NJW 2017, 2908 Rn. 35).
Anders liegt der Fall aber, wenn der umgangsberechtigte Elternteil durchaus weiß, in welcher Weise er sein Recht tatsächlich wahrnehmen darf, er aber erklärt hat, das ihm zustehende Umgangsrecht nicht mehr wahrnehmen zu wollen (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2005 – XII ZB 120/04, NJW-RR 2005, 1524, 1525). Eine Regelung zum Umgangsrecht muss auch dann nicht getroffen werden, wenn der umgangsberechtigte Elternteil erklärt, ein Umgangsrecht nur entweder unbegleitet oder gar nicht ausüben zu wollen, ein unbegleiteter Umgang aber aus Gründen des Kindeswohls gegenwärtig ausscheidet (Senat, Beschluss vom 26. Oktober 2021 – 10 UF 40/21, juris; im Ergebnis ebenso Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2009 – 10 UF 118/07, BeckRS 2009, 29289; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. Mai 2006 – 16 UF 11/06, NJW-RR 2006, 1516; OLG Köln, Beschluss vom 27. November 2000 – 27 UF 188/00, BeckRS 2004, 11672; BeckOGK/Altrogge, 01. November 2019, BGB § 1684 Rn. 475).
Der Gegenauffassung, die eine positive Regelung dahin, dass ein begleiteter Umgang konkret angeordnet wird, auch dann für erforderlich hält, wenn der umgangsberechtigte Elternteil dazu nicht bereit ist (so KG, Beschluss vom 06. Mai 2016 – 13 UF 40/16, BeckRS 2016, 12867 Rn. 24), folgt der Senat jedenfalls für das vorliegende Verfahren nicht. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, in der Regel nicht dem Kindeswohl dient (BVerfG, Urteil vom 01. April 2008 – 1 BvR 1620/04, NJW 2008, 1287).
Im vorliegenden Fall würde die Anordnung begleiteten Umgangs gegen den Willen der Mutter nicht dem Kindeswohl entsprechen. Eine vollstreckbare Anordnung des begleiteten Umgangs würde voraussetzen, dass zunächst ein mitwirkungsbereiter Dritter gefunden wird, vgl. § 1684 Abs. 4 S. 3 BGB. Dies geschieht regelmäßig dadurch, dass das Jugendamt einen freien Träger benennt, der den begleiteten Umgang durchführen kann. Mit diesem Träger müssten dann die infrage kommenden Zeiten, an denen der begleitete Umgang durchgeführt werden könnte, abgesprochen werden. Doch auch wenn dieser Aufwand betrieben würde und letztlich durch den Senat der begleitete Umgang in vollstreckbarer Form, d. h. unter Angabe des mitwirkungsbereiten Umgangsbegleiters, des Ortes, an dem der Umgang stattfindet und der Zeit, in der der Vater mit dem Kind zusammen sein kann, angeordnet würde, steht zu erwarten, dass die Mutter dieser Anordnung nicht Folge leisten würde. Allein der Umstand, dass sie gemäß § 89 Abs. 2 FamFG auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die Umgangsanordnung hingewiesen würde, ändert daran nichts. Die Mutter hat während des gesamten Verfahrens nicht den Eindruck vermittelt, als könnte sie eine Gewähr dafür bieten, einer gerichtlichen Umgangsanordnung für begleiteten Umgang kontinuierlich Folge zu leisten.
Nach den vorstehenden Ausführungen ist schließlich unerheblich, dass die Beteiligten am 20. Dezember 2018 im Verfahren 42 F 250/18 einen Vergleich geschlossen haben, der begleiteten Umgang der Mutter vorsah. Denn dieser Vergleich ist überholt, da die Mutter begleiteten Umgang schon unmittelbar nach Abschluss dieser Vereinbarung abgelehnt hat und daran seitdem konsequent festhält. Eine Abänderung des Vergleichs kann daher unterbleiben.
3. Mildere Mittel stehen nicht zur Verfügung, insbesondere liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Umgangspflegschaft liegen nicht vor. Dies würde selbst für den Fall gelten, dass der Senat – obwohl die Voraussetzungen dafür nach den vorstehenden Ausführungen nicht vorliegen – den Umgang der Mutter mit ihrem Sohn positiv regeln würde.
Eine Umgangspflegschaft kann gemäß § 1684 BGB Abs. 3 S. 3 BGB angeordnet werden, wenn die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 1684 Abs. 2 BGB dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt wird. Insoweit geht es regelmäßig um Verletzungshandlungen des Obhutselternteils. Denn Verstöße des Umgangsberechtigten gegen die Wohlverhaltenspflichten lassen sich in der Regel besser durch eine Einschränkung des Umgangs, insbesondere – wie vorliegend – durch Anordnung eines lediglich begleiteten Umgangs, gemäß § 1684 Abs. 4 BGB, sanktionieren.
4. Das Schreiben der Mutter vom 07. Januar 2022 nach deren Akteneinsicht gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.
Der Umstand, dass der ältere Sohn J… der beteiligten Eltern in einem Stammblatt des Amtsgerichts zu Unrecht als Beteiligter aufgeführt ist, hat keine Bedeutung für das Beschwerdeverfahren. Im vorliegenden Verfahren geht es allein (noch) um den Umgang der Mutter mit dem jüngeren Sohn B…, so dass der ältere Sohn nicht betroffen und nicht beteiligt ist.
Soweit die Mutter unter Bezugnahme auf Blattzahlen einzelne Passagen der Akte wiedergibt, ist dies ohne Belang. Die Verfahrensführung des Amtsgerichts im erstinstanzlichen Verfahren unterliegt zwar grundsätzlich der Überprüfung durch den Senat als Beschwerdegericht. Dabei sind aber allenfalls solche Verfahrensfehler noch von Bedeutung, die Auswirkungen auf die zu treffende Sachentscheidung haben. Dies ist bezüglich der von der Mutter angeführten Passagen nicht der Fall. Das gilt auch für die Dokumentation der Anhörung des Kindes durch das Amtsgericht. In den Vermerk über persönliche Anhörungen sind gemäß § 28 Abs. 4 Satz 2 FamFG die wesentlichen Vorgänge des Termins und der persönlichen Anhörung aufzunehmen. Welche Angaben in dem Vermerk aufzunehmen sind, richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls. Damit liegt die Ausgestaltung des Vermerks im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 28 Rn. 25). Vor diesem Hintergrund ist der vom Amtsgericht über die Anhörung des Kindes gefertigte Vermerk nicht zu beanstanden.
5. Auch die weiteren Äußerungen, die die Mutter im Beschwerdeverfahren zuletzt getätigt hat, können die Entscheidung über den Umgang mit ihrem Sohn nicht zu ihren Gunsten beeinflussen.
Soweit die Mutter die Verfahrensführung beim Amtsgericht Schöneberg beanstandet, unterliegt dies nicht der Überprüfung durch den Senat. Gleiches gilt für Ausführungen zu Verfahren vor dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel in länger zurückliegender Zeit. Bei der Frage, welche Form des Umgangs unter Kindeswohlaspekten vorzugswürdig oder überhaupt nur vertretbar ist, kommt es entscheidend auf die aktuelle Sachlage an. Der Ablauf früherer Verfahren ist insoweit ohne Bedeutung.
Die Eilanträge der Mutter vor Weihnachten hat der Senat beschieden. Entgegen ihren Ausführungen im Schreiben vom 27.12.2021 ist daher keine Entscheidung nachzuholen.
6. Die Mutter hat zudem vielfach Kinderschutzaspekte angesprochen, etwa eine möglicherweise bestehende Neigung des Vaters zu Verschwörungsgedanken oder eine vermeintlich fehlende Teilnahme von B… am Schulunterricht wegen Bedenken des Vaters an der schulischen Maskenpflicht. Diese Aspekte beeinflussen allerdings die Entscheidung über den hier streitgegenständlichen Umgang mit dem Kind nicht; sie sind gegebenenfalls durch die zuständigen Stellen in anderen Verfahren zu überprüfen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Wertfestsetzung auf §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 FamGKG. Die Sollvorschrift des § 84 FamFG hat der Senat nicht angewendet, da es im legitimen Interesse der Mutter lag, die Nichtregelung des Umgangs durch Einlegung eines Rechtsmittels prüfen zu lassen.
IV. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Veranlassung, die Rechtsbeschwerde gemäß § 70 FamFG zuzulassen, besteht nicht. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass der Senat der angeführten Rechtsprechung des Kammergerichts nicht folgt. Denn der Senat stellt nicht in Abrede, dass im Einzelfall auch der vom Kammergericht beschrittene rechtliche Weg in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall scheidet dies aber einzelfallbezogen aus, wie näher dargelegt.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.10.2022
10 UF 78/21