OLG Koblenz: Kindesunterhalt – Berechnung des Einkommens einer barunterhaltspflichtigen Mutter

OLG Koblenz: Kindesunterhalt – Berechnung des Einkommens einer barunterhaltspflichtigen Mutter

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht … vom 05.10.2020, Aktenzeichen …, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Urkunde der Kreisverwaltung … Nr. … über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung vom … wird mit Wirkung ab August 2020 abgeändert und die Antragstellerin verpflichtet, an den Antragsgegner zu Händen seines gesetzlichen Vertreters Kindesunterhalt unter Berücksichtigung des auf die Antragstellerin entfallenden Kindergeldanteils wie folgt zu zahlen:

– für den Monat August 2020 in Höhe von 328,00 €;

– für den Zeitraum September 2020 bis einschließlich April 2021 in Höhe von jeweils 302,00 € monatlich;

– ab Mai 2021 in Höhe von jeweils 255,00 € monatlich.

Der weitergehende Abänderungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 75% und der Antragsgegner zu 25%.

3. Der Verfahrenswert wird auf 4.392,70 € festgesetzt.

II. Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

III. Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

V. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.198,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist die Mutter des Antragsgegners, der im Haushalt seines Vaters lebt. Sie hat sich durch Urkunde des Jugendamtes … vom …, UR-Nr. …, zur Zahlung des jeweiligen Mindestunterhaltes entsprechend der aktuellen Düsseldorfer Tabelle verpflichtet.

Die Antragstellerin ist wieder verheiratet und lebt mit ihrem Ehemann und zwei weiteren Kindern, die am … bzw. am …[2020] geboren sind, in einem Einfamilienhaus.

Bis einschließlich Juli 2020 bezog die Antragstellerin Mutterschaftsgeld, das ihrem ursprünglichen Nettoeinkommen entsprach. Seit dem Ende des gesetzlichen Mutterschutzes übt sie eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 15 Wochenstunden mit einem Nettoeinkommen von 867,42 € aus. Ergänzend erhält sie Elterngeld plus in Höhe von im Zeitraum August 2020 bis einschließlich April 2021 unter Gewährung eines sog. Geschwisterbonus, ab Mai 2021 in reduzierter Höhe.

Die Antragstellerin hält sich aufgrund ihrer derzeitigen familiären Situation nicht für leistungsfähig. Die ausgeübte Teilzeittätigkeit sei überobligatorisch. Der im September und Oktober 2020 gezahlten Kinderbonus sei auf den Bedarf anzurechnen.

Sie hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung der Kreisverwaltung … Nr. … vom … in der Weise abzuändern, dass die Antragstellerin nur noch verpflichtet ist, für den Antragsgegner Unterhalt zu leisten wie folgt:

1. Für den Monat Juli 2020 in Höhe von 184,82 €,
2. Für die Monate August und ab November 2020 in Höhe von 83,54 €,
3. Für den Monat September 2020 keinen Unterhalt
4. Und für den Monat Oktober 2020 in Höhe von 33,54 €,
zahlbar jeweils zum 05. eines Monats im Voraus an den Antragsgegner.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Antragstellerin ihre Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern aus der neuen Ehe durch Betreuung erfülle und daher nur dem Antragsgegner gegenüber barunterhaltspflichtig sei. Zudem habe sie gegenüber ihrem Ehemann einen Anspruch auf Familienunterhalt. Zudem könne sie stundenweise neben dem Elterngeld arbeiten. Der coronabedingte Kinderbonus sei als Entlastung für die Eltern gedacht und daher nicht auf den Barunterhaltsbedarf des Antragsgegners anzurechnen.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss dem Abänderungsantrag teilweise stattgegeben und für Juli 2020 noch eine Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 266,00 €, für August 2020 in Höhe von 148,00 €, für September 2020 in Höhe von 158,00 €, für Oktober 2020 in Höhe von 152,00 € und ab November 2020 wiederum in Höhe von 148,00 € ermittelt. Dabei wurden ein Gesamteinkommen der Antragstellerin in Höhe von 1.348,38 € monatlich, bestehend aus Erwerbseinkommen in Höhe von 867,42 € und Elterngeld in Höhe von 480,96 €, sowie ein Selbstbehalt in Höhe von 1.060,00 € zugrunde gelegt. Das Amtsgericht nahm eine anteilige Barunterhaltsverpflichtung der Antragstellerin an und berücksichtigte einen coronabedingten Kinderbonus in Höhe von 300,00 € bei sämtlichen Kindern.

Mit seiner am 09.11.2020 eingelegten und am 30.11.2020 begründeten Beschwerde begehrt der Antragsgegner die Wiederherstellung der Unterhaltsverpflichtung entsprechend der Jugendamtsurkunde. Er verweist auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin, an der die gewählte innerfamiliäre Rollenverteilung zu messen sei. Die Antragstellerin habe ihre behaupteten Einkommenseinbußen bislang nicht hinreichend belegt, ebensowenig das Einkommen ihres Ehemannes. Gegenüber diesem habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Familienunterhalt. Zudem seien die Haushaltsersparnis sowie ein Wohnwertvorteil zu berücksichtigen. Danach sei sie aber weiter zur Zahlung des Mindestunterhalts in der Lage, zumal sich das Elterngeld im August 2020 tatsächlich auf 542,46 € und ab September 2020 auf 516,66 € belaufe. Der coronabedingte Kinderbonus solle den Unterhaltsschuldner, der keine Betreuungsleistungen erbringe, nicht entlasten.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts … – Familiengericht – vom 26.10.2020, Az. …, abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen

und im Wege der Anschlussbeschwerde vom 28.12.2020

unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts … vom 26.10.2020, Aktenzeichen …, die Urkunde der Kreisverwaltung … Nummer … mit Wirkung ab Juli 2020 wie folgt abzuändern:

Die Antragstellerin ist verpflichtet, an den Antragsgegner zu Händen seines gesetzlichen Vertreters wie folgt Kindesunterhalt nach Berücksichtigung des der Antragstellerin zustehenden

Randnummer25
– Für den Monat Juli 2020 in Höhe von 206,00 €,
– Für den Monat August 2020 in Höhe von 86,00 €,
– Für den Monat September 2020 in Höhe von 92,00 €,
– Für den Monat Oktober 2020 in Höhe von 88,00 €,
– Für den Monat November 2020 in Höhe von 86,00 €.

Sie ist der Ansicht, dass ihr erzieltes Erwerbseinkommen überobligatorisch sei. Die Immobilie stehe zu 80% im Eigentum ihres Ehemannes, zu 20% in ihrem. Die Darlehensbelastung belaufe sich auf 533,80 €. Insgesamt zahle man 220,00 € für Strom, davon 140,00 € für die Elektroheizung, 150,00 € für weitere Nebenkosten der Wohnung, so dass sich kein Wohnwertvorteil ergebe. Insgesamt beteilige sie sich an den Kosten der gemeinsamen Immobilie und Haushaltsführung mit 510,00 € monatlich. Der Kinderbonus sei wie das Kindergeld auf den Barunterhalt anzurechnen, ihre Barunterhaltspflicht gegenüber den Kindern aus 2. Ehe zutreffend berücksichtigt worden.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anschlussbeschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Antragsgegner erwidert, dass weder die behauptete Eigentumskonstellation noch die vorgetragenen Belastungen hinreichend belegt seien. Zudem fehle es weiterhin an Nachweisen bezüglich der behaupteten Einkommensverhältnisse, auch des Ehemannes.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

II.

Die nach §§ 58 ff, 117 FamFG statthafte und zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat einen Teilerfolg und führt zur tenorierten Abänderung der Unterhaltsverpflichtung.

Demgegenüber ist die nach §§ 58 ff, 117 FamFG i. V. m. § 524 Abs. 2 und 3 ZPO statthafte und zulässige Anschlussbeschwerde unbegründet.

1. Der Senat entscheidet über die Beschwerde und die Anschlussbeschwerde nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung, da zusätzliche Erkenntnisse hieraus nicht zu erwarten sind. Der nach § 117 Abs. 3 FamFG erforderliche Hinweis wurde erteilt.

2. Die Antragstellerin ist auch unter Berücksichtigung ihrer veränderten Einkommensverhältnisse noch in der Lage, im Juli 2020 den vollen nach der Jugendamtsurkunde geschuldeten Kindesunterhalt und in den Folgemonaten jedenfalls deutlich mehr als die von ihr errechneten Unterhaltsbeträge zu zahlen.

Zwar ist der Antragstellerin weder ein Wohnwertvorteil noch ein Anspruch auf Familienunterhalt gegenüber ihrem zweiten Ehemann zuzurechnen, so dass ihre unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit im Juli 2020 durch das ihr gezahlte Mutterschaftsgeld und in der Folgezeit durch ihr Teilzeiterwerbseinkommen und das gezahlte Elterngeld bestimmt werden.

a. Die Zurechnung eines fiktiven Wohnwertvorteils kommt entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht in Betracht.

Grundsätzlich ist zwar nach Ziffer 5 KoL der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens wie Einkommen zu behandeln. Dies gilt jedoch nur, wenn sein Wert die Belastungen übersteigt, die unter Berücksichtigung der staatlichen Eigenheimförderung durch die allgemeinen Grundstückskosten und -lasten, durch Annuitäten und durch sonstige nicht nach § 556 BGB umlagefähige Kosten entstehen. Hier ist für den Senat nicht erkennbar, dass ein möglicher Wohnwertvorteil der 117 m² großen Eigentumswohnung die von der Antragstellerin vorgetragenen – und im Rahmen ihres VKH-Gesuchs auch belegten – Kosten der Immobiliennutzung übersteigt. Allein die laufende Belastung aus der Finanzierung beläuft sich schon auf 533,80 € monatlich.

b. Ebensowenig kann davon ausgegangen werden, dass der eigene Unterhaltsbedarf der Antragstellerin teilweise durch deren Ehemann im Rahmen des Familienunterhalts gedeckt wird.

Aus dem vorgelegten Einkommensnachweis für Juli 2020 ergibt sich, dass der zweite Ehemann der Antragstellerin bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt … € ausbezahlt bekam, mithin in den ersten 7 Kalendermonaten 2020 durchschnittlich … € verdient hat. Dies ist zwar mehr als das von der Antragstellerin vorgetragene Einkommen, führt jedoch gleichwohl nicht zu einem fiktiven Unterhaltsanspruch der Antragstellerin. Aus deren weiterem Vortrag ergibt sich nämlich, dass der Ehemann der Antragstellerin den Barunterhalt für die beiden Kinder aus 2. Ehe letztlich alleine aufbringt, während die Antragstellerin ihre Unterhaltsverpflichtung insoweit durch Betreuung und Erziehung erfüllt. Die Antragstellerin zahlt nämlich nach ihrer Darstellung lediglich einen Betrag von 510,00 € monatlich auf das gemeinsame Konto der Eheleute ein, von dem sämtliche Ausgaben der Familie – insbesondere für die Finanzierung der Immobilie und die Nebenkosten – bestritten werden. Unter Berücksichtigung seiner berufsbedingten Fahrtkosten (…), der Barunterhaltsverpflichtung für die beiden Kinder aus 2. Ehe unterschreitet das verbleibende Einkommen des Ehemannes bereits den ihm zu belassenden eheangemessenen Selbstbehalt von 1.280,00 € (Ziffer 21.4 KoL).

Für eine fiktive Erhöhung des unterhaltsrechtlichen Einkommens der Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe am Familienunterhalt ist damit kein Raum mehr.

c. Die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit der Antragstellerin wird mithin alleine durch ihre Einkünfte aus Mutterschaftsgeld bzw. Elterngeld plus und Teilzeittätigkeit bestimmt.

Die Inanspruchnahme einer 2-jährigen Elternzeit in Verbindung mit einer Teilzeittätigkeit im Umfang von 15 Wochenstunden durch die Antragstellerin und die damit einhergehende innerfamiliäre Rollenverteilung verletzt hier keine unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten (vgl. dazu auch OLG Koblenz NZFam 2017, 615; BGH MDR 2015, 396), die damit einhergehende Belastung angesichts der gesteigerten Unterhaltspflicht im Verhältnis zu allen drei Kinder indes auch nicht überobligatorisch.

Wenn in der neuen Beziehung ein betreuungsbedürftiges Kind geboren ist, ändert dies im Grundsatz nichts daran, dass die Unterhaltsansprüche der minderjährigen unverheirateten Kinder aus den verschiedenen Beziehungen gleichrangig sind und der Unterhaltspflichtige seine Arbeitskraft zum Unterhalt aller Kinder bestmöglich einsetzen muss. Das gilt auch dann, wenn – wie hier – die Mutter barunterhaltspflichtig ist und in ihrer neuen Familie die Kindererziehung übernommen hat (BGH FamRZ 1982, 25). Sie wird daher auch unter solchen Umständen im allgemeinen wenigstens eine Nebentätigkeit im Umfang einer geringfügigen Beschäftigung aufnehmen müssen, um weiterhin zum Unterhalt eines Kindes aus der früheren Ehe beitragen zu können. Ihr zweiter Ehemann ist im Rahmen der ehelichen Solidarität gehalten, ihr durch eine Teilübernahme der Pflegeaufgaben die für die Erwerbstätigkeit erforderliche Zeit zu verschaffen (BGHZ 75, 272).

Vor diesem Hintergrund ist hier die gewählte Kombination aus 2-jähriger Elternzeit in Verbindung mit einer Teilzeittätigkeit im Umfang von 15 Wochenstunden nicht zu beanstanden, denn die Antragstellerin setzt so ihre Arbeitskraft im Interesse aller ihrer Kinder bestmöglich ein. Erst mit 2 Jahren hat auch das jüngste Kind Anspruch auf einen Kindergartenplatz, so dass der Antragsgegnerin erst ab diesem Zeitpunkt wieder eine Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit angesonnen werden kann. Die mit der ausgeübten Teilzeittätigkeit beim bisherigen Arbeitgeber einhergehende Belastung entspricht im zeitlichen Umfang einer sog. geringfügigen Beschäftigung, ist allerdings deutlich besser vergütet. Damit setzt die Antragstellerin ihre Arbeitskraft bestmöglich ein, ist indes durch den Umfang dieser Nebentätigkeit auch nicht überobligatorisch belastet. Mithin sind die daraus erzielten Einkünfte neben dem Elterngeld zur Sicherung des Barunterhaltsbedarfs des Antragsgegners zu verwenden.

Das Elterngeld ist dabei gem. Ziffer 2.5 KoL i. V. m. § 11 S. 2 und 4 insgesamt, und nicht nur über den Sockelbetrag von 150,00 € (Elterngeld plus) hinaus, für den Unterhalt des Antragsgegners einzusetzen, da es um die Sicherstellung des Mindestunterhaltsbedarfs nach § 1603 Abs. 2 BGB geht.

d. Da der Ehemann der Antragstellerin ebenfalls Einkünfte erzielt, ist der ihr nach Ziffer 21.2 KoL zu belassende angemessene Selbstbehalt von derzeit 1.160,00 € bzw. 960,00 € gemäß Ziffer 21.5 KoL aufgrund der Vorteile des Zusammenlebens herabzusetzen. Die fiktive Haushaltsersparnis ist dabei mangels gegenteiliger Anhaltspunkte hier mit 10% anzusetzen.

Die von der Antragstellerin vorgetragene Beteiligung an der Hausfinanzierung und anderen Ausgaben in Höhe von 510,00 € monatlich ist von ihrem Einkommen nicht vorweg abzuziehen, sondern aus diesem Selbstbehalt aufzubringen, da es sich hierbei um eine Beteiligung an den allgemeinen Lebenshaltungskosten handelt, durch welche u. a. auch der im Selbstbehalt berücksichtigte Wohnbedarf der Antragstellerin gedeckt wird.

e. Der aufgrund des 2. Corona-Steuerhilfegesetzes im September und Oktober 2020 zusätzlich zum Kindergeld ausgezahlte Kinderbonus in Höhe von 300,00 € ist unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen.

Zwar hat das OLG Brandenburg bezüglich des im Jahre 2009 aufgrund des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2.3.2009 einmalig gezahlte Kinderbonus von 100 € entschieden, dass dieser als Kindergeldleistung zur Hälfte auf den im Auszahlungsmonat bestehenden Kindsunterhaltsanspruchs anzurechnen sei (OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.12.2011 – 10 UF 253/10 –, juris Rn. 37). Demgegenüber behandelt das OLG Saarbrücken den Grenzgängern in Luxemburg gewährten „Kinderbonus“ als eine nicht als Einkommen zu qualifizierende Familienleistung, die den Betreuungsmehraufwand abgelten soll (OLG Saarbrücken FamRZ 2016, 1593 Rn. 24). Die Rechtsprechung des OLG Koblenz zur Berücksichtigung des luxemburgischen Kinderbonus ist uneinheitlich (einerseits hälftige Anrechnung aller kindbezogenen Leistungen: FamRZ 2020, 1472 Rn. 66-67; andererseits anrechnungsfrei, wenn damit ein Betreuungsmehraufwand abgegolten werden soll: Fam-RZ 2015, 1618 Rn. 50).

Hiervon ausgehend ist der coronabedingte Kinderbonus, der nach der Intention des Gesetzgebers einen Ausgleich für die überobligatorische Belastung des betreuenden Elternteils infolge der pandemiebedingten Schul- und Kindergartenschließungen darstellt, unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen. Die Gegenansicht (Niepmann NZFam 2020, 1406) übersieht, dass das Ziel der Kaufkraftstärkung durch die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes erreicht werden sollte, während der zusätzlich zum Kindergeld gezahlte Kinderbonus eine besondere Anerkennung der pandemiebedingten Mehrbelastung für Familien und insbesondere für Alleinerziehende darstellt (BT-Drucksache 19/20058 S.13). Dies würde ausgehöhlt, wenn hieran der nicht betreuende barunterhaltspflichtige Elternteil über die Unterhaltsberechnung hälftig beteiligt würde. Dass der Kinderbonus weder die Ansprüche des Kindes schmälert, noch als Einkommen des betreuenden Elternteils zu berücksichtigen ist, ergibt sich auch aus Art. 11 des 2. Corona-Steuerhilfegesetzes, wonach diese Leistung im Rahmen der Einkommensberechnung nach den §§ 90 und 93 Absatz 1 Satz 1 oder bei der Bestimmung des Kostenbeitrags bei vollstationären Leistungen nach § 94 Absatz 3 SGB VIII ausdrücklich unberücksichtigt bleiben soll.

Daher sind hier weder der an die Antragstellerin und ihren Ehemann gezahlte Kinderbonus für deren … noch der für den Antragsgegner bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.

f. Hiervon ausgehend ergibt sich, dass die Antragstellerin im Juli 2020 weiterhin zur Zahlung des in der Jugendamtsurkunde festgelegten Mindestunterhaltes für den Antragsgegner in der Lage war, während sie in der Folgezeit lediglich eingeschränkt leistungsfähig ist.

aa. Im Juli 2020 erhielt die Antragstellerin ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge (Anlage 3 zur Beschwerdebegründung) von ihrem Arbeitgeber Mutterschaftsgeld in Höhe von 1.427,67 € ausgezahlt. Dabei handelt es sich – wie bei Krankengeld – um Nichterwerbseinkommen, so dass dieses Einkommen nicht um pauschale berufsbedingte Aufwendungen zu bereinigen ist. Ebenso ist der Antragstellerin, da die Zahlung aufgrund eines gesetzlichen Beschäftigungsverbotes erfolgt, hier lediglich der Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen zuzubilligen (Wendl/ Dose-Dose, Unterhaltsrecht 10. Aufl. 2019, § 1 Rn. 115 und 120 m. w. Nachw.; BGH NJW-RR 2009, 289 für den Bezug von Krankengeld). Damit war die Antragstellerin zur Zahlung des titulierten Kindesunterhalts in Höhe von 395,00 € noch unproblematisch in der Lage:

Zeitraum Juli 20
Mutterschaftsgeld  1.427,67 €
 + Elterngeld   – € 
 = Gesamteinkommen  1.427,67 €
 – Selbstbehalt (-10%)  864,00 €
 = Leistungsfähigkeit Antragstellerin  563,67 €

bb. Für die Folgezeit ist von einem regelmäßigen Einkommen aus der Teilzeiterwerbstätigkeit in Höhe von 873,23 € monatlich auszugehen. Die der Antragsschrift beigefügte Beispielrechnung der Antragstellerin, die von einem Nettoeinkommen in Höhe von 867,42 € ausgeht, wird insoweit durch die im Rahmen der Beschwerdebegründung vorgelegten Kontoauszüge widerlegt. Dieses Einkommen ist um pauschale berufsbedingte Aufwendungen zu bereinigen und rechtfertigt den Ansatz des höheren Selbstbehalts einer Erwerbstätigen.

Hinzuzusetzen ist das Elterngeld, das sich ausweislich des Bewilligungsbescheides (Anlage 2 zur Beschwerdebegründung) im August 2020 auf 542,46 €, von September 2020 bis April 2021 auf 516,66 € und danach auf 469,69 € beläuft.

Damit war die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin eingeschränkt:
 
Zeitraum                                                        Aug 20                   Sept 20 – Apr 21                        ab Mai 21
Erwerbseinkommen Antragstellerin     873,23 €                   873,23 €                                    873,23 €
 – Berufsaufwand                                         43,66 €                       43,66 €                                      43,66 €
 = bereinigtes Erwerbseinkommen       829,57 €                    829,57 €                                     829,57 €
 + Elterngeld                                               542,46 €                   516,66 €                                      469,69 €
 = Gesamteinkommen                           1.372,03 €                 1.346,23 €                                  1.299,26 €
 – Selbstbehalt (-10%)                            1.044,00 €                1.044,00 €                                  1.044,00 €
 = Leistungsfähigkeit Antragstellerin    328,03 €                  302,23 €                                      255,26 €

 => Zahlbetrag                                            328,00 €                  302,00 €                                     255,00 €

 

Mithin hat die Beschwerde des Antragsgegners einen Teilerfolg, während die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin unbegründet ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 S. 1 und 2 Nr. 1 FamFG, der auch im Beschwerdeverfahren als lex specials anwendbar ist (vgl. Prütting/Helms*-Bömelburg, FamFG 5. Aufl. 2020, § 243 FamFG Rn.13).

Die Korrektur des erstinstanzlichen Verfahrenswertes beruht auf § 51 Abs. 1, 55 Abs. 3 Nr. 2 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40 Abs. 1, 39 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 1, 51 Abs. 1 FamGKG. Rückständig war bei Einreichung des Abänderungsantrags am 19.08.2020 der Unterhalt für Juli und August 2020. Da der Antragsgegner mit seiner Beschwerde weiterhin den Mindestunterhalt erstrebt, während die Antragstellerin nur die von ihr in der Antragsschrift vom 16.09.2020 bzw. in der Anschlussbeschwerde genannten Beträge zahlen möchte, errechnet sich der Verfahrenswert aus den jeweiligen Unterschiedsbeträgen des Zeitraums Monate Juli 2020 bis einschließlich August 2021.

OLG Koblenz, Beschluss vom 09.03.2021
7 UF 613/20

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